Dearly BELOVED von ShirayukiOuji ================================================================================ Kapitel 13: Kapitel 13 ---------------------- „Wie konntest du nur, Ritsu?! Das ist Vergewaltigung!“ Die Wangen des Mädchens waren vor Scham und Wut gerötet. „Du widerst mich an! Er ist doch noch ein Kind!“ „Sei still, Nagisa. Dein Gekreisch tut einem in den Ohren weh“, entgegnete er leicht genervt, aber dennoch völlig ruhig. Die 18-Jährige schlug daraufhin kraftvoll auf die Oberfläche des Schreibtisches, an dem der junge Direktor der Shichisei-Schule saß, während er am Laptop zu arbeiten versuchte, und fuhr unbeirrt fort: „Einen Teufel werd‘ ich tun! Wie konntest du nur mit diesem Kind schlafen?! Du gemeiner…“, ihr schienen die Worte zu fehlen, “Sadist!“ Der junge Mann lachte leise. „Sadist?“, wiederholte er. „Warum? Er wollte es. Ich habe nichts getan, was gegen seinen Willen gewesen wäre.“ Nagisa biss sich auf die Unterlippe und langsam füllten ihre Augen sich mit Tränen. „Ich habe nicht von Soubi geredet…“, gab sie mit einem Hauch Bitterkeit in der Stimme zurück. „Er wird sie dir nie ersetzen können! Kannst du sie nicht endlich vergessen?“ Er sah seinem Schüler kühl, aber beinahe zärtlich in die Augen und bedächtig, fast sanft, strichen seine Finger über den rauen Stoff, der sich wie eine Viper um dessen Hals wand. Er war ihm sogar nahe genug, um Soubis schwachen Duft wahrnehmen zu können, der noch immer der Gleiche und ihm eigen geblieben war, während er selbst sich langsam vollends in das Ebenbild seiner Mutter verwandelt hatte. Er schien geradezu wie ihre männliche Ausführung – lediglich charakterlich unterschieden die beiden sich. Sie hätte sich Ritsu zu widersetzen gewagt. Dies war - neben den spezifischen Geschlechtsmerkmalen - in der Tat die einzige Differenz zwischen ihr und ihrem Sohn. „Was hat er dir angetan? Eine Verletzung?“ Das Gesicht des Blonden zeigte nicht die geringste Regung. „Nein. Er hat mir lediglich seinen Namen gegeben.“ Ritsus eisblaue Augen weiteten sich und einen Moment später hatte er Soubi den Verband vom Hals gerissen. Sein Blick haftete auf der Narbe, die sich wie ein Halsband durch die blasse Haut zog, und war voller Wut und Entsetzen. Sein Schüler wich ihm aus, bevor Ritsu ihn erneut auf seine Augen richten konnte und so entgingen ihm alle Gefühlsregungen, die sich kurzzeitig in des Älteren Blick spiegelten. „An dieser Stelle…“, begann Ritsu angewidert, doch schon unterbrach Soubi ihn: „Es ist gut so. Jeder soll sehen können, wem ich gehöre.“ Wie auf Befehl griff Ritsu daraufhin nach Soubis Oberarm, den er festhielt, während seine freie Hand sich an der Wand, an welcher der Blonde lehnte, abstützte. „Soubi-kun…“ Ihre Lippen waren sich so nahe, dass nur wenige Zentimeter die beiden noch voneinander trennten. In Ritsus Augen spiegelte sich verzweifelte Sehnsucht. Sehnsucht und Reue. Soubi, der den Blick nicht einen Moment von den blauen Augen seines ehemaligen Lehrers abwandte, legte mit sanftem Druck eine Hand auf dessen Brust und ein leises, seltenes Lächeln zeigte sich auf Ritsus Lippen. Sein Schüler stieß ihn hart von sich. “Lassen sie das bitte, Sensei. Ich gehöre jetzt jemand Anderem.“ Seine Stimme klang unbeteiligt und kühl. All die sich beinahe überschlagenden Gefühle, die Ritsu früher hatte in ihr hören können, waren erloschen. Und zurück geblieben war nichts als Leere. In Soubi und ihm. Er hatte einen Fehler begangen. Einen Fehler, dessen Folgen er gerade zu spüren bekam. Seine Seelenspiegel begannen zu erblinden. Ein weiteres Mal, ahnend, dass es keinen Sinn haben würde, näherte er sich dem Jüngeren, versuchte ihn zu berühren. Erneut entzog Soubi sich ihm. „Soubi-kun“, begann der Silberhaarige kühl, „Liebst du Aoyagi Seimei?“ Sein Gegenüber antwortete ohne zu zögern: „Ja. Ich liebe ihn.“ Ritsus Blick rutschte daraufhin von dem Jüngeren ab, an ihm vorbei in den Raum und blieb an einem unbestimmten Punkt hängen. Er erinnerte sich an das Sacrifice, dem Soubi nun diente. Mit vierzehn Jahren war Seimei bereits ein durchtriebener, arroganter Junge gewesen, der ihm, Ritsu, mit Leichtigkeit seinen besten Schüler entwunden hatte, denn seine Höflichkeit, Anmut und Intelligenz vermochten jeden, der ihm begegnete, zu täuschen. Zumindest empfand es Ritsu so. Er konnte und wollte sich nicht eingestehen, den so unschuldig wirkenden Jungen falsch eingeschätzt, ja, unterschätzt zu haben. Der Preis dafür war, das Einzige, was ihn noch an die Liebe seines Lebens erinnerte; ihr bis aufs Haar glich – wie Ritsu sich früher oder später hatte eingestehen müssen – sogar ihren Platz eingenommen hatte, für immer zu verlieren. Es nicht nur zu verlieren, auch noch mit anzusehen, wie man es zerstörte. Wieso liebte Soubi diesen Bastard? Wie konnte er? Er, die perfekte Waffe, der Ritsu wie keiner Zweiten seine Aufmerksamkeit geschenkt hatte? Wie konnte diese Waffe damit glücklich sein, von einem Sacrifice wie Aoyagi Seimei derart missbraucht zu werden? Ohne Soubi anzusehen erwiderte der Ältere bitter: „Er weiß deine Fähigkeiten nicht zu schätzen.“ „Er weiß es. Warum sonst hätte er mich gewählt?“, entgegnete Soubi kalt und ansonsten ohne jegliche Emotion Ritsu gegenüber. Dieser biss die Zähne hinter geschlossenen Lippen zusammen. „Wenn es ihnen nichts ausmacht, würde ich jetzt gern gehen“, fügte der Blonde ohne Umschweife an und griff nach dem Verband, den Ritsu ihm vom Hals gerissen hatte. Noch bevor Soubi den Raum verlassen hatte, war Stille, eiserne, kalte Stille darin eingekehrt. Ritsu, der allein zurück geblieben war, starrte mit leerem Blick und einer Falte des Zorns auf der Stirn vor sich auf den Boden und murmelte wie in Trance: „Aoyagi Seimei…“, wobei er unbemerkt die Hand zur Faust ballte. Nagisa, die die gesamte Unterhaltung durch einen Spalt der leicht geöffneten Bürotür verfolgt hatte, drückte sich mit dem Rücken fest gegen die Wand, an der sie inzwischen lehnte. Als Soubi den Raum verlassen hatte, war sie bereits um die Ecke verschwunden gewesen, um unentdeckt zu bleiben. Sie hatte das Gespräch nur zufällig mitbekommen, doch nun, Dank ihres neuen Wissens um Ritsus Gefühle, wusste sie, was zu tun war. Konzentriert studierte sie den Fußboden, während die Hoffnung, ihn ein für alle Mal von seiner toten Waffe abzulenken, in ihr langsam zum Leben erwachte. Flüsternd wiederholte sie seine Worte: „Aoyagi Seimei“, bevor sie entschlossen den Kopf hob und sich von der Wand abstieß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)