Dearly BELOVED von ShirayukiOuji ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Er hatte Seimei sowieso niemals etwas bedeutet. Sein ganzes Leben nur auf ihn auszurichten, war dumm gewesen. Aber was hatte er schon zu verlieren gehabt? Sein Vater hatte Nisei mit 15 aus dem Haus geworfen. In dem Alter, in dem er auch seine Ohren verloren hatte. Seine Eltern hatten es ungefähr so aufgenommen, wie die Eltern einer 14-Jährigen, die diesen berichtete, schwanger zu sein. Nur, dass Nisei eben nichts gesagt hatte. Gar nichts. Man hatte es ja auch ohne seine Erklärung gesehen. Seimei stieß Nisei von sich. Dieser taumelte zurück und fing sich ab, um nicht zu fallen. Er war Seimei zu nahe gekommen - das las er aus dessen Blick. "Fass mich nicht an, Nisei", zischte der Ältere. Seine Ohren waren angelegt, als drohe ihm Gefahr, doch der Jüngere sah es nicht. "Jawohl, euer Majestät!", entgegnete er bissig und warf zwei lange, schwarze Haarsträhnen zurück. Er wollte nicht zeigen, dass er durch Seimeis Abweisung gekränkt worden war. Dieser blickte ihn kalt an. "Vergreif dich nicht im Ton", warnte er. Nisei schwieg daraufhin. Er wandte den Kopf zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und sei nicht immer so aufdringlich. Das kann ich nicht leiden." Nisei sah den Schmerz in Seimeis Augen nicht, als er schließlich sagte: "Dein Wunsch ist mir Befehl. Ich werde es nie wieder wagen, dich zu berühren!" Nisei verstand es nicht. Es war nicht so, dass Seimei nicht von ihm berührt werden wollte. "Gut. Dann geh jetzt." Er konnte es nicht. Er konnte die Berührungen nicht zulassen. "Eins noch, Seimei", wandte Nisei ein, ohne ihn anzusehen. "Ja?", hörte er dessen kühle Stimme und sprach an, was ihm seit der Nacht einige Wochen zuvor nicht mehr hatte aus dem Kopf gehen wollen: "Ist es wegen der Ohren? Weist du mich deswegen zurück?" Sofort wandte sich Seimei ab und schwieg. Sein Blick schweifte aus dem Fenster und verfing sich in kahlen Ästen, die gerade erst ihre letzten Blätter verloren hatten. "Glaubst du wirklich, es ist nur das?", gab er kühl zurück. "Ich empfinde nichts für dich, Nisei." "Bist du dir sicher?", flüsterte der Schwarzhaarige dicht neben Seimeis Ohr, während seine Hand sich langsam über dessen Brust bewegte. Der Jüngere war von hinten an ihn herangetreten und hatte sich leicht an den Körper vor sich gelehnt, während Seimeis Blick an der sterbenden Landschaft festgefroren war. "Ja. Hör auf damit. Sofort." Seufzend ließ Nisei von ihm ab. "Wie du willst", sagte er leise, bevor er einen Schritt zurück trat. Die stumme Sehnsucht in Seimeis Augen blieb ihm verborgen. Es gab wenige Tage, an die er sich so deutlich erinnern konnte wie jenen eisigen Novembertag. Er war so kalt und abweisend gewesen wie Seimei selbst und in Niseis Erinnerung haften geblieben, weil er sich selten so verletzt gefühlt hatte wie an diesem Tag. Seimeis ganze Gleichgültigkeit der Welt gegenüber war ihm plötzlich bewusst geworden. Und im Grunde war auch er ihm egal. Seimei hasste ihn nicht. Er nahm seine Existenz nur nüchtern hin, ohne sich viel darum zu kümmern. Wäre Nisei nicht sein Fighter, hätte der 19-Jährige ihn wahrscheinlich noch nicht einmal angesehen. "Vergiss aber nicht, dass es ab einem bestimmten Alter nicht mehr cool ist, immer noch Ohren zu haben." Seimei fuhr augenblicklich herum und fauchte Nisei mit eiskalter Stimme an: "Was weißt du schon? Hör auf, dich in mein Leben einzumischen. Ich bin niemand, der seinen Fokus wie der Rest der Welt auf Sex gelegt hat." Ein herablassender Blick begleitete seine Worte, um Nisei zu verstehen zu geben, dass er ihn für minderwertig hielt. "Ich bin nicht wie du, der seine Ohren schon mit 15 verloren hat." Diesen Satz sprach er mit betonter Abfälligkeit aus. Nisei schwieg erbittert. Er hörte die in den Worten mitschwingende Enttäuschung nicht einmal. "Ich wusste, dass du mich dafür verachtest", bemerkte Nisei nüchtern. Er blickte Seimei direkt in die Augen. Sein Tonfall und Ausdruck hatten sich verändert, während er endlich aussprach, was er immer schon unterschwellig wahrgenommen hatte. "Aber weißt du was? Ich wollte gar keinen Sex. Schon gar nicht in diesem Alter." Seimei musterte ihn stumm und legte langsam die Ohren an. "Ich habe meine Ohren bei einer Vergewaltigung verloren. Es war das demütigendste Erlebnis meines ganzen Lebens." Niseis Stimme war voll Bitterkeit, als er in Seimeis Gesicht sah, aus dem jegliche Emotion gewichen zu sein schien: "Aber das verstehst du nicht!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)