Zimmermädchen? Zimmermann? von Laniechan ================================================================================ Kapitel 13: Die Wahrheit kann manchmal schmerzhaft sein ------------------------------------------------------- Kapitel 12 – Die Wahrheit kann manchmal schmerzhaft sein Tatsuro „Was ist denn hier los? Warum trittst du unseren Tisch?“, fragte mich Keiji verwundert. „Ich hab grad meinen ach so liebenswerten Bruder getroffen.“, knurrte ich. „Welcher mich gerade eben mal so auf die Schnelle in unsere Familiengeheimnisse eingeweiht hat.“ Ich war kurz davor, rot zu sehen. „Hey, hey, jetzt beruhig dich erstmal wieder und hör auf hier rumzutigern und unser Mobiliar zu traktieren, das hat dir schließlich nichts getan.“, sagte Keiji und umfing mich gleichzeitig mit beiden Armen. „Haha. Ich finde das überhaupt nicht witzig. Ich hab gerade von Toshirou erfahren, dass er adoptiert wurde.“ Fragend sah mich Keiji an. „Ok, also ist er nicht dein Bruder. Wo ist das Problem? Ich denke, du kannst ihn sowieso nicht leiden.“ Wir setzten uns auf die Couch und ich schilderte ihm alles, was ich an diesem Vormittag erfahren hatte. „In Ordnung, jetzt kann ich verstehen, warum du so erregt nach Hause gekommen bist. Soll ich vielleicht mal schauen, ob ich was über dich in Erfahrung bringen kann? Oder willst du deine Eltern lieber selbst fragen?“ Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Meinst du, die würden mir die Wahrheit sagen, nachdem sie mich mein ganzes Leben lang belogen haben?“ Freudlos lachte ich auf. „Außerdem habe ich Angst davor, was vielleicht dabei herauskommen könnte“, meine Stimme war nur noch ein heiseres Wispern, da ich mit Müh und Not die Tränen zurückhalten konnte. Es war doch gerade alles so schön gewesen. Endlich war ich glücklich und nun kam so ein Schock. „Ach Wölfchen, so schlimm wird es schon nicht sein. Du darfst nicht immer so negativ denken.“ „Achja? Aber was ist damit, dass ich angeblich mein Gedächtnis verloren habe? Wer weiß, was für ein Mensch ich eigentlich bin?“, rief ich verzweifelt. „Das ist doch völlig absurd. Deine Befürchtungen entbehren jeder Grundlage. Du warst doch erst vier. Außerdem bist du der, zu dem du dich gemacht hast. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Charakter sich von einem Tag auf den anderen plötzlich um 180 Grad drehen soll.“ Hoffnungsvoll blickte ich ihn an. Vielleicht hatte er ja doch Recht und ich reagierte einfach über. In dem Moment klingelte es an der Tür. „Ich mach schon auf.“, sagte ich und schlurfte zur Tür. „Was willst du hier und wie hast du mich gefunden?“, schnauzte ich meinen Bruder an, der nun vor meiner Tür stand. „Ich bin dir gefolgt. War ja nicht schwer, so langsam wie du bist.“ Mein Lid fing wieder an zu zucken. „Schicke Wohnung, darf ich reinkommen?“ Es war ungewöhnlich für ihn, dass er überhaupt fragte. „Wenn ich es mir recht überlege...nein!“ Und knallte die Tür vor seiner Nase zu. „Wölfchen...“, kam es von hinten. „Rrr. Na gut. Aber nur, weil du das willst! Dann musst du dich aber auch mit ihm abgeben.“, entgegnete ich gereizt. „Danke, dass du mir doch noch eine Chance gibst. Hör zu, ich hab mich wie ein Idiot verhalten.“ Zustimmend nickte ich. „Komm rein.“ Da musste er sich aber was Besseres als diese lausige Entschuldigung ausdenken. „Weißt du, es ist ziemlich schwierig für mich, die ganze Sache aus einem anderem Blickwinkel zu betrachten. Immerhin hab ich dich jahrelang für die Vernachlässigung verantwortlich gemacht.“ Ich schnaubte kurz auf. „Ich weiß, du glaubst mir nicht, aber ich will wirklich versuchen mein Verhalten zu bessern. Es tut mir wirklich Leid, was ich vorhin gesagt habe. Davon hab ich nicht ein Wort ernst gemeint. Ich hab dir alles erzählt, was ich weiß, für genauere Informationen musst du Mum und Dad fragen.“ Dieser plötzliche Stimmungswechsel machte mich stutzig. Vorhin hatte er mir mehr oder weniger vorgeworfen, dass er mich hasste. Mein Gesicht musste meine Zweifel deutlich widergespiegelt haben, denn er sah mich verletzt an. „Du musst mir glauben! Wahrscheinlich kann ich dir das nur beweisen, indem ich mich kontinuierlich verbessere, besonders mein Verhalten dir gegenüber.“ Kurz nachdem er das gesagt hatte, klapperte Keiji in der Küche mit Geschirr. „Hat jemand Lust auf Kaffee?“ Ganz der vorbildliche Restaurantleiter dachte er immer sofort an das Wohl seiner Gäste. „Suzuki San?“ In dem Moment brachen bei mir alle Dämme und ich brach in haltloses Gekicher aus. „Tatsuro? Was ist denn so komisch?“ Ich sah ihn an und wurde sofort von einem erneuten Lachanfall übermannt. „Sorry. Aber...haha...so hahahast du mich am Anfang auch genannt.“ Ich konnte einfach nicht aufhören zu lachen. „Aber das ist doch euer Nachname...“, verwirrt schaute er mich an und ich lachte mittlerweile schon Tränen, ob das auch Tränen der Verzweiflung waren, kann ich nicht sagen. Diese ganze Situation war so irreal und dabei so banal, dass ich völlig konfus war. Vielleicht wurde ich verrückt? Vielleicht war ich schizophren und das war meine durchgeknallte Seite. Ein erschreckender Gedanke. „Ja, aber der Ton und die Aussprache...hah...“ So langsam beruhigte ich mich wieder und im nächsten Moment verging mir das Lachen ganz. Irgendwie war das grad nicht mehr so lustig, wenn ich daran dachte, wohin uns dieses Namenproblem geführt hatte. Schließlich war es mitverantwortlich, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Misstrauisch sah ich Toshirou an und musste im gleichen Moment über mich den Kopf schütteln. Meine Eifersucht nahm schon beängstigende Züge an. „Ähm, verrätst du mir, wer das ist?“ „Du solltest ihn eigentlich kennen, das ist der Geschäftsführer des Onsens in den Bergen. Da warst du doch auch mit. Das ist Keiji Tachikawa.“ „Sehr erfreut. Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen?“, sagte mein großer Bruder. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Wieso kannte er ihn nicht? „Ich bin ebenfalls erfreut, endlich die Bekanntschaft mit Tatsuros großem Bruder zu machen.“ Sie reichten sich die Hände und ich überlegte immer noch, wie das möglich war, dass die beiden sich in den zwei Wochen nie getroffen hatten. Dann stellte ich die Frage nochmal laut. Verwundert schaute Keiji mich an. Das war doch eine berechtigte Nachfrage. Ich hatte ihn schließlich fast jeden Tag dort gesehen. „Aber wenn er der Geschäftsführer ist, was macht er dann hier?“, mischte sich in dem Moment Toshirou ein. „Äh, wir wohnen zusammen. In...in einer WG!“, setzte ich noch schnell hinzu. Ich sah, wie Keiji die Lippen zusammenpresste und fragte mich, was ich nun schon wieder falsch gemacht hatte. Shunsuke Vor mich hin pfeifend, verließ ich die Wohnung mit einem meterbreiten Lächeln. Seit ich mich mit Yuichi versöhnt hatte, war ich dermaßen gut gelaunt, dass die Leute auf der Straße mir sehr eigenartige Blicke zuwarfen. Dummerweise musste ich zur Schule, was meine Laune ein wenig trübte, aber immerhin hatte ich es den dreien ja versprochen. Wenn ich lernte, dann dürfte ich mit nach Teneriffa. Sommer, Sonne, Strand und Meer. Was könnte es Schöneres geben? Richtig, nichts! In den Tag hinein träumend, stieg ich in die Straßenbahn und lief erst einmal Kyou in die Arme. „Guten Morgen, bester aller Freunde!“, begrüßte ich ihn freudestrahlend. Verwirrt blickte er mich an. „Wie bist du denn drauf? Hast du was genommen? Muss ich mir jetzt Sorgen um dich machen?“ „Nein, du Depp! Alles ist wunderbar! Könnte nicht besser sein. Ist heute nicht ein schöner Tag?!“ Eine Augenbraue hob sich zweifelnd, was ich nicht sehr schmeichelhaft fand. „Ich glaub, ich schlepp dich doch zum Arzt. Du bist so fröhlich, das ist nicht mehr normal.“ Gekränkt biss ich auf mir auf die Lippen, um nicht doch etwas Gemeines zu ihm zu sagen. Dieser Tag war einfach zu herrlich, um ihn mit schlechten Gedanken zu verschmutzen. „Mensch, jetzt hör doch auf. Willst du denn gar nicht wissen, wie es gestern gelaufen ist?“ „Dem glückseligen Lächeln auf deinem Gesicht nach, denke ich, dass ich die Einzelheiten doch lieber nicht wissen möchte.“ Die Bahn ruckelte und wir wurden hin und her geschleudert. Da er sich darauf konzentrieren musste, nicht umzufallen, sah Kyou mein Stirnrunzeln nicht. Nun ja genau genommen, war gestern nicht soooo viel passiert, wie er sich das ausmalte. Schließlich musste ich ja nicht gleich in die Vollen gehen, nur weil Yuichi und ich endlich nicht mehr auf dem Kriegsfuß standen. Aber ein bisschen wurmte es mich doch, dass mein bester Freund sich so wenig darum scherte, dass ich endlich mein Glück gefunden hatte. „Na los, erzähl schon.“, wurde ich aufgefordert. Und so erzählte ich auf dem ganzen Weg zur Schule von der Versöhnung mit Yuichi und Kyou verdrehte mehrmals die Augen. Immerhin hatten wir ja lange genug gebraucht um zueinander zu finden. Natürlich bildete er sich eine Menge darauf ein, dabei eine große Rolle gespielt zu haben, aber sei es ihm gegönnt. Unrecht hatte er ja nicht, ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nie auf Yuichi zugegangen. „Na, mal schauen, wie lange es hält.“ Schnell hielt ich ihm den Mund zu. „So etwas darfst du doch nicht sagen, das bringt Unglück!“, fuhr ich ihn an. Warum musste er meine Beziehung, die noch in den Kinderschuhen steckte, schlecht machen? Konnte er nicht einfach akzeptieren, dass ich glücklich war und es gern länger bleiben wollte als ein paar Monate? Verletzt schwieg ich und fragte mich, warum alle immer dachten, kein Typ würde es länger als einen Monat mit mir aushalten. Wenn ich es genau bedachte...keine Beziehung war länger als einen Monat gewesen! Was, wenn ich Yuichi auch auf die eine oder andere Art vergraulte? Das konnte, durfte nicht passieren! Ich würde mich von nun an zusammenreißen und alles versuchen, um ihn genauso glücklich zu machen wie er mich. „Hey, sprichst du jetzt nicht mehr mit mir? Ich hab dich was gefragt.“ Zögerlich hob ich den Blick, sollte ich ihn schmoren lassen? Nein, dazu hatte ich zu gute Laune, also beschloss ich, dass ich heute mal gnädig sein und ihm den Patzer durchgehen lassen würde. „Sorry, hab grad nicht zugehört. Sag es noch einmal.“ Und so verbrachten wir den Rest der Bahnfahrt schwatzend wie die Waschweiber. Müde versuchte ich die Augen während der Schulstunde offen zu halten. War Geschichte schon immer so langweilig gewesen? Was interessierte mich denn die Vergangenheit und der Tag wurde ja auch nicht besser, als nächstes hatten wir Mathematik. Urgs, lieber stünde ich im Winter nackt draußen im Schnee, als dieses Fach zu mögen. Und bei der Lehrerin war es natürlich auch schon vorauszusehen, dass wir einen Sack voll Hausaufgaben mitbekommen würden. Tief in meine mittlerweile trüben Gedanken versunken, bekam ich erst nach ein paar Sekunden mit, dass ein Zettel sich auf meine Bank verirrt hatte. Unter dem Tisch faltete ich ihn auseinander und knüllte ihn gleich wieder verärgert zusammen, nachdem ich ihn gelesen hatte. Dieser bekloppte Kyou, der konnte es aber auch nicht lassen! Na, Sonnenscheinchen. Wo bleibt dein Strahlen, wenn du schon in der Gegend umherträumst? Oder hat sich das große Glück schon wieder verflüchtigt und die Realität dich eingeholt? Dieses Arschloch! Was hatte er davon, mir den Tag zu vermiesen? Anstatt sich für mich zu freuen, sah er nur die negativen Seiten, das war doch sonst nicht seine Art. Schnell entfaltete ich den Zettel und kritzelte die Zeilen: Was denn? Bist du etwa eifersüchtig? Wenn ich den ganzen Tag strahlen würde, könnte ich mir wahrscheinlich nur noch so blöde Kommentare wie deine anhören. Diese giftspritzenden Worte sollten ihm vorerst das Großmaul stopfen, dass er neuerdings zur Schau trug. Wieder kam der Zettel zurück. Hey Kleiner, nun sei doch nicht gleich eingeschnappt. Und ja, ein wenig bin ich schon eifersüchtig, immerhin wirst du jetzt viel weniger Zeit für mich haben -.- deshalb wollte ich dich ein wenig aufziehen. Verzeihst du mir? Ich drehte mich verstohlen, meinen Geschichtslehrer beobachtend, zu Kyou um und lächelte ihm zu. Gespannt saß er da und als er mein Lächeln sah, lehnte er sich mit seinem Stuhl zurück. Das war seine Art mir zu sagen, dass die Botschaft angekommen war. Widerstrebend wendete ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Unterrichtsgeschehen zu. Der Tag konnte nur noch besser werden. Den Rucksack geschultert lief ich aus dem Haupttor und traute meinen Augen kaum. Da stand in Natura vor mir, der Mensch, der mich heute den ganzen Tag in Gedanken begleitet hatte. „Yuichi!“, ich warf mich in seine Arme und drückte ihm erst einmal einen Kuss auf die Lippen. „Abholservice.“ Grinsend blickte er mich an und ich konnte mich gar nicht satt sehen an seiner Statur. Er kam mir mit jedem Tag attraktiver vor und ich konnte mir nicht mehr vorstellen, überhaupt noch irgendeinen anderen Kerl anzusehen. Das war mir noch nie, mit niemanden so ergangen. Sonst hatte ich immer frei nach dem Motto - „Appetit holen ist erlaubt, gegessen wird zu Hause!“ - gelebt. Aber nun verschwendete ich nicht einen Gedanken an andere Männer. Selbst wenn ich sie wahr nahm, dann verglich ich sie doch im Geiste immer wieder mit Yuichi und alle konnten ihm nicht das Wasser reichen. Der eine hatte nicht so volle Lippen, der nächste war nicht so gut gebaut – Sehnen und Muskeln *träum*- der wiederum nächste war nicht groß genug. Die Liste hätte ich ewig fortführen können. Belustigt über mich selbst, schüttelte ich den Kopf. „Was hast du? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Besorgt hob Yuichi mein Kinn und ich verlor ich mich in seinen grauen Augen. Wortlos schlang ich meine dünnen Ärmchen um seinen Hals, um ihn noch einmal eingehend zu küssen. „Na, Shunsuke hast du wieder ein neues Opfer gefunden?“, diese nervige Stimme konnte nur von Yukari stammen. Dieses eingebildete Mädchen hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, mich zu erobern, obwohl ich sie mehrmals klar abgewiesen hatte. Aber sie kapierte es einfach nicht und klebte wie eine verdammte Klette an mir. Wie eine Stalkerin folgte sie mir jeden Tag nach Hause und dachte wahrscheinlich, ich würde das nicht bemerken. „Halt die Klappe! Das geht dich überhaupt nichts an, mit wem ich meine Zeit verbringe. Und das ist nicht, wie du es so nett ausgedrückt hast mein neuestes 'Opfer', sondern mein Freund.“ Verächtlich blickte sie mich an. „Na, bei dem Mädchengesicht brauch ich mich ja eigentlich nicht darüber zu wundern, dass die Kerle auf dich stehen. Du hast überhaupt nichts Männliches an dir.“ Ich wurde einmal von oben bis unten gemustert und das trieb mich zur Weißglut. „Und deinem sogenannten Freund sieht man ja auch schon an, dass er vom falschen Ufer kommt. Nicht wahr Mädels?“ Bestätigung heischend sah sie die anderen an, die bekräftigend nickten, als ob alles, was aus Yukaris Mund käme, mit Gold aufgewogen werden könnte. Aber jetzt hatte sie etwas ganz Grundlegendes falsch gemacht, wenn sie mich beleidigte, dann konnte ich das noch ertragen, aber wer sich an meinem Eigentum vergriff, der würde die Konsequenzen zu spüren bekommen! „Was bildest du dir eigentlich ein?“, fuhr ich sie an. „Denk mal scharf nach, wer hier wen zuerst angemacht hat! Du warst dir schließlich auch nicht zu fein, mich anzuflirten, oder hab ich da was falsch verstanden? Wer weiß, da ich ja so ein Mädchengesicht habe, vielleicht bist du ja auch vom 'anderen Ufer'? Hört ihr, Mädels? Ihr solltet euch vor ihr in Acht nehmen. Möglicherweise hat sie sich ja auch schon ausgemalt mit einer von euch was anzufangen, wenn ihr mein Mädchengesicht schon so gut gefällt.“ Die zweifelhaften Blicke der anderen und das darauf folgende Getuschel, hinterließen einen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge. Ich hatte zwar erreicht, dass ihre Aufmerksamkeit von mir und Yuichi abgelenkt wurde, aber der Preis, den Yukari jetzt dafür bezahlen musste, war vielleicht doch ein bisschen zu hoch für meinen verletzten Stolz. Sie starrte mich zumindest nur vollkommen schockiert an und fand anscheinend keine Worte, die sie mir entgegenschleudern konnte. „Ich glaube, wir sollten gehen.“, meinte Yuichi nur und ich warf noch einen letzten bösen Blick Richtung Mädchen und wir liefen Hand in Hand zur Straßenbahn. „Findest du auch, ich seh' aus wie ein Mädchen?“ Dieser Gedanke ließ mich einfach nicht los. Klar, es war normal, dass man mich auf Grund meiner langen Haare schnell von hinten mit einem Mädchen verwechselte, aber ich fand es doch mehr als befremdlich, dass sogar Tatsuro mich am Anfang für ein Mädchen gehalten hatte. „Du hast weiche Gesichtszüge, aber ich denke, dass du männlich genug aussiehst.“ Nun ja, eine befriedigende Antwort war das zwar nicht unbedingt, aber ich würde sie vorerst akzeptieren. Trotzdem machte ich mir Gedanken, ob ein Friseurbesuch nicht ein paar meiner Probleme lösen könnte. Als hätte Yuichi meine Gedanken gelesen, sagte er plötzlich: „Und wehe, du schneidest deinen wundervollen Zopf wegen dieser Zicke ab! Dann sperre ich dich so lange weg, bis deine Haare wieder nachgewachsen sind und das möchtest du doch bestimmt nicht.“ „Liebst du mich oder nur meinen langen Zopf?“ Fragend zog ich eine Augenbraue hoch und fing im selben Moment an zu grinsen. „Beides!“ Lachend umschlang er meine Taille und meine Laune war wieder auf dem Hochpunkt angelangt. „Wie war die Bioarbeit?“ Seufzend schüttelte ich den Kopf. Mehr brauchte ich nicht dazu zu sagen. „Wenn das so weiter geht, dann kann ich mir nicht nur Teneriffa abschminken, sondern auch die Klasse wiederholen.“ „Sollen wir uns heute nachmittag zusammensetzen? Tatsuro ist zwar noch nicht da, aber er kann dir dann später die Sachen erklären, bei denen ich dir nicht weiterhelfen konnte.“ Liebevoll schaute ich ihn an. „Au ja, das machen wir!“ Tatsuro Wir hatten uns für den Abend noch einmal mit Toshirou verabredet, um noch ein paar Sachen zu klären. Schließlich konnte ich die Dinge nicht so im Raum stehen lassen, wie sie gerade waren. Nach der Arbeit im Kava war ich zwar fix und fertig, aber diese Angelegenheit musste endlich mal ins Reine gebracht werden. Komischerweise hatte Keiji mich heute noch nicht ein einziges Mal beachtet und ich fragte mich langsam, was ich denn falsch gemacht hatte, denn er war eindeutig sauer auf mich. Sogar die Gäste hatten seine schlechte Laune zu spüren bekommen, was sonst gar nicht seine Art war. Das war der zweite Punkt auf meiner Liste, der abgehakt werden musste und mit Shunsuke musste ich ebenfalls ein ernsthaftes Wörtchen sprechen, da ich auf meinem Bett seine letzte Mathearbeit gefunden hatte. Am liebsten hätte ich mich jetzt in ein Mauseloch verkrochen und abgewartet, dass diese unangenehmen Dinge sich von selbst klärten. Aber es führte wohl kein Weg daran vorbei, dass ich mich diesen unliebsamen Aufgaben stellen musste. Auf dem Weg nach Hause musste ich feststellen, dass meine Beine mich in eine ganz bestimmt Richtung trugen. Meine Mutter arbeitete immer noch bis spät in die Nacht hinein an ihren Fällen, deshalb war die Kanzlei auch noch hell erleuchtet, als ich dort ankam. Sie nahm ihre Arbeit sehr ernst und hatte daher einen sehr guten Ruf als Anwältin. Leider ging das auf Kosten der gemeinsamen Zeit mit der Familie, aber mein Bruder und ich hatten uns irgendwann damit abgefunden, dass wir unsere Eltern nicht so oft wie andere Kinder zu sehen bekamen. Deshalb liebten sie uns ja nicht weniger, auch wenn wir streng behandelt wurden und schneller erwachsen werden mussten, als andere Kinder. Nervös lief ich in den Vorraum. Die Sekretärin meiner Mutter sah mich ein wenig verdutzt an, aber sie griff einfach nur diskret nach dem Hörer, nachdem sie mir freundlich zugenickt hatte, und kündigte mich an. „Tatsuro, was machst du denn um diese Uhrzeit hier bei mir?“ Ihre sanften Augen strahlten mich an und ich verlor plötzlich alle Angst, die ich bisher gehabt hatte. Egal, was jetzt bei diesem Gespräch herauskommen würde, sie war meine Mutter und ich würde sie immer lieben. „Darf ein Sohn seine Mutter nicht mehr besuchen, wenn ihm danach ist?“ Mein Grinsen milderte die Worte und sie sah mich skeptisch an. „Was hast du auf dem Herzen? Es hat doch bestimmt einen guten Grund, dass du mit so einem ernsten Gesichtsausdruck bei mir auftauchst. Aber erstmal – Setz dich! - Es macht mich nervös, wenn du so vor mir stehst, als würdest du jeden Moment gleich wieder Reißaus nehmen.“ Gehorsam setzte ich mich in einen der weichen Ledersessel, während sie aufstand um uns beiden eine Tasse Tee zu kochen. „Ich hab heute morgen Toshirou getroffen. Er...hat mir erzählt, dass er adoptiert wurde und wir keine leiblichen Brüder sind.“ Das war der eine Teil der Geschichte. Meine Mutter schwieg für eine volle Minute und ich dachte schon, sie würde gar nichts mehr dazu sagen. „Es ist wahr. Hat er dir noch mehr erzählt?“ Ängstlich schaute sie mich an und ich schluckte. Jetzt kam der Moment der Wahrheit, von nun an würde es keine Geheimnisse mehr geben. „Ja, hat er. Toshirou meinte, dass ihr mich 'gefunden' hättet und dass ich nach unserem Autounfall mein Gedächtnis verloren hätte. Dass ich vorher eigenartig gewesen sein soll.“ Sie schaute aus dem Fenster und knetete nervös die Finger. „Die Geschichte wird leider noch komplizierter. Und ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe. Es ist wahrscheinlich wirklich an der Zeit, dass du die Wahrheit erfährst, auch wenn ich sie dir gern für den Rest deines Lebens erspart hätte. Ich hoffe, du hasst mich nicht nachdem ich dir das erzählt habe.“ Traurig senkte sie den Kopf und sah aus, wie ein geprügelter Hund, sodass ich zu ihr ging und sie kurz in die Arme nahm. „Ich könnte dich nie hassen. Was hast du denn Schlimmes gemacht, dass du dir selbst nicht verzeihen kannst?“ Ich führte sie zur Couch und drückte ihr die dampfende Tasse Tee in die Hand. Sie umklammerte sie wie einen Rettungsanker und so langsam machte ich mir doch sorgen, was da kommen mochte. Stockend fing sie an zu erzählen. „Ich hatte eine Schwester – Yumi hieß sie – und sie und ihr Mann waren frisch verheiratet, als sie schwanger wurde, was ja normal bei verliebten Paaren ist. Sie war vier Jahre älter als ich und ich hab sie über alles geliebt. Bis sie ihren späteren Ehemann traf.“ Verzweifelt sah sie mich an. „Ich war so jung und naiv. Denn dieser Mann war mein Klassenlehrer und sie hatten sich auf einem Elternabend kennen gelernt. Sie hatte gerade mit dem Studium begonnen und hatte meine Eltern vertreten, da beide arbeiten mussten – Du weißt ja, dass beide Ärzte waren und deshalb wenig Zeit hatten. Auf jeden Fall, war es Liebe auf den ersten Blick für die beiden und es brach mir mein jugendliches Herz. Denn ich war heimlich in ihn verliebt. Das ging über eine bloße Schulschwärmerei weit hinaus.“ Wieder verzogen sich ihre Lippen zu einem traurigen Lächeln. „Ab jetzt kommt der wirklich schlimme Teil. Ich hoffe, du verurteilst mich nicht. Ich war immerhin erst sechzehn und hatte nur mich und meine eigenen Bedürfnisse im Kopf. Obwohl unentschuldbar ist, was ich danach getan habe. Als ich von den Hochzeitsplänen erfuhr, schmiedete ich meinen eigenen Racheplan. Immerhin hatte mir meine Schwester meine große Liebe gestohlen, auch wenn beide nichts von meinen Gefühlen für Philipp wussten. Philipp war aus Deutschland nach Japan gekommen und ich hatte mich in seine Geradlinigkeit und Ehrlichkeit verliebt. Es gab keinen besseren Lehrer und Mann als ihn.“ Die Augen meiner Mutter funkelten, als sie an ihn dachte und ich konnte mir vage ihre Besessenheit vorstellen, immerhin empfand ich ähnlich für Keiji. Sie trank einen Schluck aus ihrer Tasse und erzählte weiter. „Dann kamst du...“ Schockiert schaute ich sie an. Hatte ich mich verhört? „Ja, du bist mein Neffe und nicht mein Sohn, obwohl das für mich keinen Unterschied macht. Aber hör weiter zu. Leider ist das noch nicht das Ende. Drei Jahre hat es gedauert und meine Gefühle entwickelten sich zu einer rasenden Eifersucht. Ich konnte das elende Glück nicht mehr ertragen, dass die beiden mir bei jedem Besuch unter die Nase rieben. Deshalb beschloss ich, es endgültig zu zerstören. Ich hätte nie gedacht, dass ich etwas so bereuen könnte, aber es fällt mir bis heute schwer über diese Zeit zu sprechen, ohne in hilflose Tränen auszubrechen über meine Dummheit.“ Nun liefen ihr wirklich die Tränen über das Gesicht und es zerriss mir das Herz, sie so traurig zu sehen. „Ich tat alles, um Philipp danach für mich zu gewinnen, doch er blockte jeden Annäherungsversuch ab. Bis er eines Abends zu betrunken war um mir zu widerstehen. Klischeehaft, nicht wahr? Aber leider Realität. Natürlich erzählte er Yumi von seinem Seitensprung. Ich musste zusehen, wie sie an seinem Verrat zerbrach und nach einem Jahr hielt sie es nicht mehr aus und ertränkte sich in einem See. Ich bin schuld am Tod meiner Schwester. Dein Vater...hat mir diese Sache nie verziehen...Leider ist er auch nicht mehr am Leben und ich hatte nie die Gelegenheit mich bei ihm für meine Dummheit zu entschuldigen, da er auf dem Rückflug nach Deutschland einen Flugzeugabsturz hatte. Beide haben nie wieder ein Wort mit mir gesprochen und bis heute muss ich mit den nagenden Schuldgefühlen leben. Sie sind meine gerechte Strafe. Du darfst nicht glauben, dass er dich nicht geliebt hätte, aber ich denke er konnte es nicht ertragen, dich anzusehen, weil du Yumi so ähnlich siehst. Deshalb hatte ich auch keine Probleme dich zu adoptieren. In der Zwischenzeit hatte ich deinen Vater kennen gelernt und wir hatten Toshirou adoptiert, weil ich keine eigenen Kinder bekommen kann. Ich hatte deinen leiblichen Vater aufgegeben, nachdem ich gemerkt habe, dass seine Liebe zu Yumi unzerstörbar war. Auch wenn sie das nicht wahrhaben wollte und ihm nicht vergeben konnte. Auch was ich dir angetan habe, kann ich wahrscheinlich nie wieder gut machen, obwohl ich es mit jedem Atemzug versucht habe. Dass du komisch warst, hattest du mit hoher Wahrscheinlichkeit mir zu verdanken.“ Sie schaute mich Mitleid erregend an und ich konnte nicht anders als sie fest in meine Arme zu schließen und an mich zu drücken, ihr wenigstens ein bisschen Trost zu spenden. Das Gefühlschaos das sie durchfluten musste, konnte ich mir nicht einmal annähernd vorstellen, doch ich liebte sie umso mehr, da sie ihre Tat so aufrichtig bereute. Schluchzend erzählte sie weiter. „Du hast auf einen Schlag beide Elternteile verloren und standest unter einem extremen Schock. Du warst vorher schon ein ruhiges Kind gewesen, doch nun warst du völlig in dich gekehrt und hast nicht ein Wort gesagt. Es war, als hättest du gewusst, dass etwas Schreckliches passiert war und dass ich die Schuld daran trug. Doch dann hatten wir den Autounfall und du warst wie ausgewechselt. Im ersten Moment hat uns das Angst gemacht, doch dann war ich erleichtert. Denn so konnten wir schließlich einen Neuanfang starten. Auch wenn ich bis heute mit meiner Niedertracht leben muss und ich mir das selbst nicht verzeihen kann.“ Schluchzend und zitternd schmiegte sie sich an mich. „Meine Mutter bist und bleibst du. Es war nicht richtig, was du getan hast, aber ich denke, ich habe kein Recht, dich zu verurteilen. Eigentlich bin ich erleichtert, dass ich nun endlich die Wahrheit kenne.“ Das löste eine wahre Tränenflut aus und es brauchte eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. „Ich habe deine Vergebung nicht verdient und trotzdem bin ich überglücklich.“ Leise hatte sie diese Worte ausgesprochen. Dann räusperte sie sich. „Wie läuft es eigentlich mit Tachikawa San? Kommst du gut mit ihm zurecht? Wir erfahren gar nichts mehr von euch. Wenn wir nicht ab und zu anrufen würden, wüssten wir wahrscheinlich nicht einmal, dass sein kleiner Bruder auch bei euch wohnt. Wo schläft er eigentlich? Ihr habt doch nur zwei Zimmer...“, fragend schaute sie mich an und ich errötete von den Füßen bis zur Haarwurzel. „Ähm...nun ja...also...ich glaub, jetzt muss ich dir auch was erzählen. Keiji und ich wir wohnen nicht nur zusammen...Wir sind zusammen...also richtig.“ Wieder schwieg sie und ich dachte, dass das ein schlechtes Zeichen wäre. „Das müssen wir deinem Vater aber schonend beibringen. Irgendwie hatte ich im Onsen schon das Gefühl, dass es zwischen euch gefunkt hätte. Deshalb überrascht es mich nicht wirklich. Bist du glücklich?“ „Sehr.“ Das lief ja besser, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Die waren immer eher pessimistisch ausgefallen. Mein Vater würde wahrscheinlich nicht ganz so verständnisvoll reagieren, aber ehrlich gesagt, kümmerte mich das wenig. Nachdem ich meine Mutter ruhigen Gewissens allein lassen konnte, machte ich mich nun wirklich auf den Heimweg. Keiji fragte sich bestimmt auch schon, wo ich blieb und Shun hatte ich versprochen, ihm bei seinen Hausaufgaben zu helfen. Sooo...nach langer Zeit endlich ein neues Kapi. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Ich musste mich arg zusammenreißen, aber ich glaube, es ist doch ein bisl schnulzig geworden ^^' Endlich ist Tatsus Hintergrundgeschichte aufgeklärt, aber es geht ja noch weiter mit unseren vier Herren. Schließlich muss Tatsu da noch ein paar Sachen klären und Yuichi und Shun haben auch noch viel vor sich. Also dann *lecker Nudelsalat hinstellt und eine heiße Kanne Tee* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)