Twilight - Die Neuen von Pijara ================================================================================ Kapitel 12: Edwards Pein ------------------------ Für Maya vergingen die nächsten zwei Wochen wie im Flug. Dank Jaspers unersättlichem Bemühen, Alex von Angel fernzuhalten, wurde sie im Krankenhaus weniger gebraucht als zunächst angenommen. Ein Umstand, der ihr keineswegs ungelegen kam, da ihre Beziehung zu Edward sich mit jedem Tag verfestigte. Obwohl sie ab und an immer noch von Gewissensbissen geplagt wurde, genoss sie die gemeinsamen Ausflüge, die Edward mit ihr unternahm – was natürlich in Anbetracht der Tatsache, dass die feindlichen Vampire noch immer in der Umgebung ihr Unwesen zu treiben schienen, nie über eine bestimmte Grenze hinausging. Doch ab und an konnte Maya nicht umhin zu bemerken, dass Edward nicht vollkommen bei der Sache war. Es gab Momente, in denen sein Blick beinah glasig wurde, seine Miene einen harten Ausdruck annahm. Er begann mit den Zähnen zu knirschen, selbst ein kleines drohendes Knurren rollte seine Brust empor. Maya wusste schon seit längerer Zeit, dass ihn irgendetwas zu bedrücken schien, doch eine Erklärung hatte es bisher nicht gegeben. Zudem schien es ihr vergeudete Zeit, ihn zum Reden zu zwingen, weshalb sie sich jedes Mal, wenn er seine Ausfälle hatte, in sich zurückkehrte und sich selbst dazu zwang, diese Momente zu ignorieren. Umso überraschter war sie, als er sie eines Morgens frühzeitig weckte und sie zu einer Wanderung entführte. Um die Sache zu beschleunigen, lud er sie mühelos auf seinen Rücken und raste mit ihr durch die Wälder. Im ersten Moment konnte sie nichts Anderes tun, als die Augen zu schließen. Die Bäume rauschten so schnell und so nah an ihr vorbei, dass es ihr so vorkam, sie würden jede Sekunde mit einem von ihnen kollidieren. Es dauerte auch einige Zeit, ehe ihr klar war, wie lächerlich sie sich machte. Wie konnte sie auch nur einen Moment an den Fähigkeiten eines Vampirs zweifeln? Für so etwas waren sie geschaffen worden. Es gab also keinen Grund, sich zu fürchten. Und endlich schaffte sie es, die Augen zu öffnen. Mit den beruhigenden Gedanken im Hinterkopf betrachtete sie diese Art von Wanderung plötzlich mit ganz anderen Augen. So musste es sich anfühlen, einen Skiabhang hinunterzurasen. So musste es sein, wenn ein Vogel im Sturzflug zur Erde raste. Sie nahm ihre Umgebung nur noch verschwommen wahr, so schnell flog Edward durch den Wald und nicht ein einziges Mal schien er zu straucheln, die Orientierung zu verlieren oder Gefahr zu laufen, sich zu verschätzen. Sie merkte erst, dass ihr speiübel war, als sich bereits ein bitterer Geschmack in ihrem Mund angesammelt hatte. Zu spät erkannte sie, dass sie den Brechreiz nicht mehr würde unterdrücken können. Oder vielleicht doch? In völliger Konzentration schloss sie die Augen, dachte – wenn auch höchst widerwillig – an ihren aufsteigenden Mageninhalt und schnippte einmal mit dem Finger. Zu ihrer Überraschung wurde der Fluss gestoppt. Erleichtert vergrub sie ihr Gesicht zwischen seinen Schulterblättern und lächelte. Darüber würde sie sich später Gedanken machen. „Ich kann dich auch kurz absetzen, wenn du das jetzt erledigen willst.“, bot Edward an, der langsamer geworden war. Mayas Kopf fuhr hoch. Dass er Gedanken lesen konnte, hatte sie völlig vergessen. Peinlich verlegen biss sie sich auf die Unterlippe und dachte über ihre Möglichkeiten nach. „Hey! Heb gefälligst den Schockzustand wieder auf. Du störst meinen Empfang.“ Einen Moment lang dachte sie darüber nach, seine Bitte zu ignorieren. Doch schließlich gab sie sich geschlagen, kroch von seinem Rücken hinunter und huschte eilig in das nächste Gebüsch. Zu ihrer Erleichterung hatte ihr Zauber geholfen. Der Brechreiz war verflogen. „Wieder besser?“, fragte Edward, als das Gebüsch wieder verließ. Maya lächelte. „War gar nicht mehr nötig. Ich glaube, ich habe das perfekte Mittel gegen Erbrechen gefunden.“ „Schummeln kann jeder.“ „Aber nicht so raffiniert und wirkungsvoll wie ich.“ Edward grinste. „Das mag schon sein. Aber vielleicht solltest du von jetzt an doch nicht so genau auf deine Umgebung achten. Es fühlt sich auch viel schöner an, wenn du dich hinten bei mir vergräbst.“, fügte er lachend hinzu, schwang sie ohne weitere Reden auf seinen Rücken und raste weiter. Maya befolgte seinen Rat und vergrub ihr Gesicht wieder zwischen seinen Schulterblättern. So aneinander gedrückt rauschte nicht nur der Wald sondern auch die Zeit an ihnen vorüber, bis Edward schließlich stoppte und sanft Mayas Griff um seinen Hals löste. „Wir sind da.“, flüsterte er leise und setzte sie vorsichtig ab. Leicht schwankend klammerte sie sich an ihm fest, bis das Schwindelgefühl aus ihrem Kopf und ihren Beinen entwich und sie wieder normal stehen konnte. Dann sah sie sich um und schnappte nach Luft. Vor ihr erstreckte sich in einem perfekten Kreis eine weite Lichtung. Zu ihrer Überraschung wurde sie in helles, goldfarbenes, zartes Sonnenlicht gehüllt, das sich bruchstückhaft durch die dichten Wolken kämpfte. Der süße Duft des Grases und das warme Gefühl, dem Frühling selbst gegenüber zu stehen, erfüllten sie und entspannt schloss sie die Augen. Ein leichtes Kribbeln erfasste Maya – ein Kribbeln, das sich unglaublich angenehm anfühlte. „Gefällt es dir?“, drang von irgendwo ganz weit entfernt Edwards Stimme an ihr Ohr und überrascht wandte sie sich ihm zu. Für einen Moment hatte sie tatsächlich vergessen, dass er bei ihr war. „Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich schätze, ich bin überwältigt.“ „Ja … und das vollkommen zu Recht. Ich war auch angenehm überrascht, als ich das erste Mal hier gelandet bin. Seitdem ist das … irgendwie mein ganz privater Bereich, zu dem niemand Zutritt hat.“ „Warum darf ich dann hier sein?“ Edward kniff lächelnd die Augen zusammen. „Weil nur ganz besondere Menschen hierher dürfen.“ „Und du hast bisher noch nie jemanden hierher gebracht?“ Schlagartig verschwand sein Grinsen und wieder trat der ausdruckslose Blick in seine Augen, den Maya jetzt schon so gut kannte. Beschämt senkte sie den Blick. „Entschuldige. Wenn ich jetzt zu …“ „Nein!“, sagte er rasch und lächelte gequält. „Du … brauchst dich nicht zu entschuldigen. Warum auch? Es stimmt schon … du bist nicht die Erste, der ich diese Lichtung zeige. Es gab tatsächlich mal jemanden, vor dem ich das hier nicht verbergen konnte, nicht verbergen wollte.“ „Und ist sie diejenige, der du in den letzten Tagen so oft nachtrauerst?“, fragte Maya unvermittelt, was Edward stutzig mache. „Was meinst du?“ Maya verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Komm schon! Ich bin doch nicht blöd. Du zeigst mir eine Lichtung, von der du mir erzählst, dass du sie bis jetzt nur einem einzigen Menschen gezeigt hast. Deine ständigen Ausfälle, der leere Blick … irgendetwas macht dir doch zu schaffen. Und ich habe nun einmal das Gefühl, dass es mit diesem Mädchen zusammenhängt, dem du diese Lichtung vor … keine Ahnung wie langer Zeit gezeigt hast.“ Maya dachte schon, sie wäre zu weit gegangen, denn für einen Augenblick verdüsterte sich sein Blick und er ballte die Hände zu Fäusten, doch nach ein paar Sekunden war dieser Moment vorbei. Sein Blick wurde weicher und traurig lächelte er. „Dir kann man nicht so leicht was vormachen.“ „Willst du es mir erzählen oder nicht?“ Edward druckste herum, ungewöhnlich für ihn. „Eigentlich … hatte ich nicht vor, dich damit zu belästigen.“ Maya nickte. „Gut! Dann ist doch alles geklärt.“ Und zu seiner – und sogar ihrer eigenen – Überraschung machte sie sich daran, die Lichtung zu verlassen, um den Weg nach Hause einzuschlagen. Edward blickte ihr bestürzt nach. „Maya, bitte! Warte doch!“ In Windeseile ergriff er ihren Arm und hielt sie davon ab, weiterzugehen. „Warum soll ich warten? Offenbar vertraust du mir ja nicht genug, um mir die Wahrheit zu sagen.“, fauchte sie und riss sich schließlich von ihm los. Doch sie ging nicht, wie Edward erleichtert feststellte. „Hör zu … es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue, nur … ich rede generell einfach nicht darüber. Ich … ich will es einfach vergessen, verstehst du?“ Maya schnaubte. „Tja … nur offensichtlich scheint das nicht zu funktionieren.“ „Sieht fast so aus.“, gab er zu, griff dann vorsichtig nach ihrer Hand und zog sie auf die Lichtung. „Vielleicht sollte ich wirklich endlich darüber reden.“ Gefangen von seinem Blick, den er ihr zuwarf, folgte sie ihm ohne Widerworte. Obwohl die Lichtung mehrere Kilometer maß, brauchten sie nicht lang bis zur Mitte. Dort angekommen legte Edward seine kühle Stirn gegen ihre und schloss die Augen. Maya tat es ihm nach. Vogelgezwitscher umgab sie, leichte kühle Brisen wehten an ihnen vorbei und ein gleißend heller Sonnenstrahl floss auf sie herab. Sofort machte sich Edwards besondere Gabe bemerkbar, denn seine Haut begann zu funkeln, als wäre er über und über mit Diamanten gespickt. „Es ist eigentlich gar nicht so lange her.“, begann er plötzlich. Maya blickte überrascht auf und in sein Gesicht. Es drückte Verbitterung aus, aber auch Schmerz. Es schien ihm tatsächlich nicht so einfach zu fallen, darüber zu sprechen. „Edward, du musst nicht …“ „Doch das muss ich. Ich will, dass du es verstehst.“ Anmutig ließ er sich ins Gras sinken und zog sie neben sich. „Sie hieß Bella.“ „Hieß.“ Edward atmete scharf ein. „Ja. Sie hieß Bella.“ „Hast du sie …“ „Ich habe sie nicht getötet, jedenfalls nicht endgültig. Aber ich machte sie zu einer von uns und auch das nur, weil mir keine Wahl geblieben war. Vielleicht verstehst du das nicht, aber … mich verband mit Bella so viel, dass ich … es einfach nicht ertragen hätte, wenn sie von mir gegangen wäre.“ „Du hast sie wirklich verwandelt?“ „Anders hätte sie die Geburt nicht überlebt.“ „Was denn für eine Geburt?“ Edward lächelte schwach. „Bella war nicht von Anfang an ein Vampir, Maya. Wir hatten so eine Art Pakt geschlossen. Ich hatte nur eine Bedingung. Ich wollte sie heiraten, bevor ich sie verwandeln würde. Tja, das haben wir letztlich auch getan.“ „Sekunde mal … wollte Bella ein Vampir werden?“ „Auch wenn du es wahrscheinlich nicht begreifen würdest, aber ja, das wollte sie.“ „Und in der Hochzeitsnacht …“ „… da passierte das, was in jeder Hochzeitsnacht passiert.“ Maya runzelte die Stirn und blickte ihn überrascht an. „Und das hat sie überlebt?“ „Ich glaube, ihr ging es danach besser als mir.“ „Und von was für einer Geburt hast du jetzt geredet?“ Edward blickte sie mit einem vielsagenden Blick an, bis Maya überrascht die Brauen hob. „Wie bitte? Ich wusste gar nicht, dass Vampire in der Lage sind, Kinder zu zeugen.“ Edward lachte verbittert. „Und genau das wussten wir bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht.“ „Sie hat wirklich ein Kind von dir bekommen?“ „Ein unglaublich süßes kleines Mädchen, das nach einem Monat bereits das Licht der Welt erblickte.“ Maya schüttelte ungläubig den Kopf. „Gibt es bei euch Vampiren eigentlich irgendetwas, was nicht völlig quer läuft?“ „Selten.“ „Und was ist jetzt passiert?“ „Kennst du die Legenden über die …“ „Kinder des Mondes? Sicher! Meine beste Freundin ist eine Vampirjägerin, ein bisschen Ahnung muss ich schon haben.“ „Dann kennst du auch den italienischen Vampirklan.“ „Die Volturi … das Thema hatten wir bereits. Und mir ist auch bekannt, dass sie immer dann eingreifen, wenn sie der Meinung sind, dass ein Vampir nicht genügend darauf achtet, euer Geheimnis zu wahren. Deswegen haben sie auch das Verbot in Kraft gesetzt, dass von jetzt an keine kleinen Kinder mehr verwandelt werden dürfen.“ „Und genau da liegt der springende Punkt.“ „Dass sie dachten, eure Tochter wäre ein verwandeltes Kind.“ „Dabei war sie nur ein Halbvampir.“ „Haben sie sie … du weißt schon.“ „Am Anfang konnten wir sie, wenn auch mit Mühe und Not, davon überzeugen, dass Renesmee harmlos ist.“ „Sie sind also wieder abgezogen.“, stellte Maya nüchtern fest und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja … aber wir hatten sie ziemlich auflaufen lassen. Bella hatte eine ziemlich interessante Gabe. Sie hatte so eine Art Schutzschild in ihrem Kopf, den sie nach Belieben ausdehnen konnte und so hatten wir zumindest vor Angriffen, die sich auf unseren Geist auswirken, nichts zu befürchten. Das hat ihnen nicht gepasst.“ „Jaaahh.“, meinte Maya gedehnt. „Vampire haben so ihre Probleme damit, gedemütigt zu werden.“, stimmte sie zu und zwinkerte ihm kurz zu, bevor er fortfuhr. „Sie kamen zurück.“ „Um sich zu rächen.“ „Was ihnen dummerweise auch gelungen ist.“ „Was ist passiert?“ Edward blickte zum Himmel und schluckte ein paar Mal schwer. „Nessie, das war der Spitzname unserer Tochter, war mit Bella allein im Wald und sie sind ihnen in die Arme gelaufen.“ Maya schloss kurz die Augen. In Ihrem Kopf spielten sich Bilder ab. Sie wusste, dass Vampire nur vernichtet werden konnten, in dem man sie in Stücke riss und verbrannte. Allein die Vorstellung, dass die Volturi etwas Derartiges mit einem kleinen Kind anstellen konnten, ließ Ekel in ihr aufsteigen. „Konnte Alice sie denn nicht sehen?“ „Tja das Problem ist … dass sie Nessie nicht sehen konnte und daher …“ Edward ließ den Satz unvollendet. Maya seufzte und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich hab noch versucht, ihnen zu helfen. Ich glaube, so schnell bin ich noch nie gerannt … doch ich hab es nicht geschafft.“ „Hatte Bella wirklich keine Chance?“ „Sie war gerade mal ein paar Monate lang ein Vampir und hatte kaum Kampferfahrung. Und gegen die Volturi selbst helfen nicht einmal mehrere Jahrhunderte an Kampferfahrung.“ Maya spürte, wie ihr die Tränen die Wangen hinabliefen, was sie überraschte. Sie hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sich Tränen in ihr aufgestaut hatten. „Die ersten Monate war ich so rasend vor Wut, dass ich ihnen am liebsten gefolgt wäre, aber Carlisle ließ mich nicht gehen, obwohl er meine Wut verstand. Dann war ich kurz davor, die Wölfe um Hilfe zu bitten.“ „Du wolltest Selbstmord begehen?“, fragte sie entrüstet und wischte sich rasch die Tränen aus dem Gesicht. Dass Werwölfe in der Umgebung lebten, schien sie keineswegs zu überraschen. Edward zuckte mit den Schultern. „Viel Sinn hatte mein Leben nicht mehr.“ „Was hat dich dann davon abgehalten, Selbstmord zu begehen?“, zischte sie verbittert. „Wenn ich ehrlich bin, dann warst du das.“ Mayas Herzschlag setzte einen Moment lang aus. Es war, als hätte sie die Worte nur durch einen dichten Nebel vernommen. Verwirrt blickte sie ihn von der Seite an. „Ich?“ „Ich war schon kurz davor, mich nach La Push zu begeben, als du plötzlich aufgetaucht bist. Du und Angel.“ „Und wie genau hab ich dich davon abgehalten?“ „Mit deinem Duft, Maya! Er ähnelt dem von Bella auf so eine unglaubliche Weise …“ „Na toll! Mit dem Spruch kriegt man jede rum.“ „Aber so ist es nun einmal. Willst du jetzt die Beleidigte spielen, obwohl du wahrscheinlich mehr Grund dazu hast, stolz auf dich zu sein, weil ich deinetwegen nicht nach La Push gefahren bin?“ „Du bist meinetwegen geblieben?“ Edward umschloss Mayas Hand und legte seine Stirn wieder gegen ihre. „Und ich werde auch in Zukunft deinetwegen bleiben.“ Mayas Rücken rieselte eine Gänsehaut hinab, denn diesmal würde sie nichts stören, das wusste sie. Seine Lippen waren so nah. Obwohl Edward noch rechtzeitig herumwirbelte, traf ihn der Schlag mit einer Wucht, die ihn fast bis ans andere Ende der Lichtung schleuderte. Maya blickte entsetzt auf Raphael, der über ihr stand und mit einem triumphierenden Lächeln auf sie hinabblickte. Langsam beugte er sich zu Maya hinunter. „Hab ich dich, Hexe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)