Twilight - Die Neuen von Pijara ================================================================================ Kapitel 10: Drunter und Drüber ------------------------------ Das Geräusch von zerberstendem Glas war ohrenbetäubend. Angel duckte sich instinktiv, während sie rasch ihre Arme hob, um sich vor eventuellen Scherben zu schützen. Doch zu ihrer eigenen Überraschung blieb sie von jeglichen Scherben verschont. Als sie die Augen wieder öffnete, war ihr auch klar, weshalb. Jasper hatte sich vor sie gestellt. Sein Blick war auf die Fensterfront gerichtet, die nun vollkommen zerstört war. Hastig sah Angel sich nach Maya um, die hinter Edward Schutz gesucht hatte. Seine Arme umklammerten ihren Rücken und drückten sie fest an sich, um deutlich zu machen, dass er niemanden an sie heranlassen würde. Langsam wich er zurück. Angel folgte seinem Blick und schnappte nach Luft. Ohne dass sie es bemerkt hatte, hatte ein gutes Dutzend äußerst gefährlich wirkender Vampire sie umzingelt. Ihre Augen glühten feuerrot und schielten gierig in ihre Richtung. Jasper begann nun ebenfalls zurückzuweichen, immer darauf bedacht, Angel so nah wie möglich bei sich zu haben. Doch Angel war klar, dass nicht nur Jasper bereit war zu kämpfen. Sämtliche Mitglieder der Familie Cullen hatten sich nach vorn gestürzt und bildeten einen schützenden Wall, in deren Mitte Angel und Maya Zuflucht fanden. Gegen ihren Willen begann Angel zu zittern. Die Gefahr, die von ihren Gegnern ausging, war regelrecht zu fühlen und zum ersten Mal krochen Zweifel in ihr hoch, dass sie diese Geschichte heil überstehen würden. Langsam schob Edward Maya in Angels Richtung, die mit zittrigen Fingern nach deren Hand griff und sie fest umklammerte. „Sind sie das?“, flüsterte Maya überflüssigerweise. Angel nickte kaum merklich. Die Situation war alles Andere als entspannt, denn selbst die Cullens waren diesen Gegnern weit unterlegen. Angel griff sich automatisch an die rechte Seite, als ein weiterer stechender Schmerz ihren Körper erschütterte. Ein Handicap, das ihnen jetzt zum Verhängnis werden konnte. Mühsam kämpfte sie dagegen an, laut loszuschreien. Keine Blöße geben, das war jetzt das Wichtigste. Carlisle trat ein Stück aus der Gruppe hervor und musterte den Anführer der Vampirbande mit kaltem Blick. Sein Gegenüber überragte ihn um einen ganzen Kopf. Seine Haut war kalkweiß, beinah durchscheinend. Selbst auf diese Entfernung hin konnte Angel erkennen, dass seine Nase in seinem früheren Leben offenbar schon mehrere Male gebrochen worden war, denn sie war krumm und wirkte gleichzeitig auf merkwürdige Art und Weise sehr platt. Er hatte hohe Wangenknochen, rabenschwarzes, lockiges Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel und eine breite Stirn. Ausnahmslos jeder von ihnen konnte mühelos mit der Statur eines Boxers mithalten. Angel schluckte. Sie steckten tatsächlich in der Klemme. „Darf ich fragen, was ihr hier wollt?“, fragte Carlisle. Sein Tonfall war ebenso kalt wie sein Blick und machte deutlich, dass er keineswegs von der Art und Weise, wie sich die Vampire Zutritt zum Haus verschafft haben, angetan war. Seine Augenbrauen bildeten fast eine durchgehende gerade Linie. Sein Gegenüber straffte sich. „Zuerst einmal darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Raphael und das sind meine Männer. Wir gehören zu der Gruppe, die sich Die Erlöser nennt.“ Angel genehmigte sich ein Augenrollen und beugte sich dicht zu Maya hinüber. „Was für eine bescheuerte Ironie, oder?“ „Raphael ist ein Erzengel, der für das Gute kämpft. Wie kommt er dazu, sich so einen Namen zu geben?“ „Wie kommen die dazu, sich Die Erlöser zu nennen?“, flüsterte Angel zurück und richtete sich wieder auf. Raphaels Blick durchbohrte sie förmlich. „Wie kommst du dazu, dich Jägerin zu nennen?“, knurrte er bedrohlich und ließ seine Muskeln spielen. Angel hob überrascht eine Augenbraue. „Ist es schlimm, wenn ich die Frage jetzt nicht ganz verstehe?“ „Jägerinnen laufen vor keinem Kampf davon! Du scheinst da anders zu denken!“ „Ich und weglaufen? Wer behauptet denn so einen Mist?“ „Und wie kommt es dann, dass du noch am Leben bist?“ „Hmm … gute Kondition? Gesundes Essen? Viel Sport? Oder vielleicht einfach nur talentierte Schutzengel!“ „Das hier?“, fauchte er und deutete herablassend auf die Cullens, die sofort wie auf Kommando zu knurren begannen. „Oh oh … du hast sie wütend gemacht!“, rief Angel wagemutig und umschloss Mayas Hand noch fester. „Glaubst du wirklich, ein paar Möchtegern-Vampire können dich vor uns schützen? Wir haben Jägerinnen vernichtet, die weit stärker waren als du! Du solltest also um Gnade winseln, um dein Leben betteln, mich anflehen, dass ich dir einen schnellen und schmerzfreien Tod gönne … was ich dann selbstverständlich ablehnen werde.“ Selbst Maya grinste spöttisch, was den Vampir offenbar verunsicherte. „Ihr scheint gar keine Angst zu haben.“ Maya hob die Schultern. „Wenn man dich so reden hört, könnte man glatt auf den Gedanken kommen, dass du nicht mehr alle Nadeln an der Tanne hast, mein Lieber! Und außerdem … mussten wir uns solche Drohungen jetzt schon so oft anhören, dass sie eine ganze Menge an Gruselfaktoren eingebüßt haben. Also lasst euch was Neues einfallen.“ Raphael wandte sich an Carlisle. „Lasst uns durch!“ „Ich fürchte, das wird nicht gehen.“ „Die beiden gehören uns! Lasst uns durch oder wir …“ „Ich fürchte, ihr versteht nicht ganz. Die Mädchen stehen unter unserem Schutz. Und solltet ihr mit Gewalt versuchen, an sie heranzukommen, werden wir auch mit Gewalt antworten, so sehr es mir auch widerstrebt.“ Ein Knurren in perfekter Synchronie war die Bestätigung. Jasper und Edward gingen sofort in Angriffsstellung über. Emmett rieb sich die Hände. Alice, Rosalie und Esme stießen einen zischenden Laut aus, während Angel und Maya weiter zurückwichen. „Ihr stellt euch gegen uns? Stellt euch gegen eure eigene Rasse? Sie ist die Jägerin, du Narr! Ist dir gar nicht klar, wie viele unseresgleichen sie bereits auf dem Gewissen hat? Und trotzdem stellst du dich auf ihre Seite?“ Carlisles Augen leuchteten gefährlich, als er antwortete. „Ich bin niemand, der sich auf irgendeine Seite stellt, aber …“ Sein Blick fiel auf Maya, die verwirrt die Stirn runzelte. „… aber wenn ich eine Seite wählen müsste, dann würde ich mich derjenigen anschließen, die mir am vernünftigsten erscheint.“ Maya senkte den Blick. Ein leichter Hauch von Röte schoss ihr ins Gesicht. Angel blickte sie von der Seite an. Ihr Blick war voller Stolz. „Du scheinst ihn ja richtig beeindruckt zu haben.“, flüsterte sie anerkennend, was Maya noch röter werden ließ. „Ihr wollt also wirklich kämpfen?“, hakte Raphael drohend nach. Angel wusste bereits, wie die Antwort ausfallen würde und sah sich hastig nach einem Ausweg um. Ihr Blick fiel auf die zersplitterten Überreste des Eichenholztisches, den sie vor ein paar Minuten nach Emmett geschleudert hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sowohl Maya als auch sie selbst und die Cullens inmitten dieser restlichen Trümmer standen. Ganz automatisch glitten ihre Finger über das Feuerzeug in ihrer Hosentasche und eine Idee, wenn auch eine riskante Idee, arbeitete sich in ihrem Gehirn hoch. Ihr Blick schwenkte hinüber auf Maya, die ihren Blick stirnrunzelnd erwiderte. Stumm deutete Angel mit einem kaum bemerkbaren Kopfnicken auf die Holztrümmer um sie herum. Maya folgte ihrem Blick und nicht zum ersten Mal dankte Angel Gott dafür, dass er ihre Freundin mit einer derart schnellen Auffassungsgabe gesegnet hatte, denn bereits nach einer Sekunde hatte sie begriffen, worauf Angel hinauswollte. Angel begann zu zittern. Das Adrenalin schoss durch ihre Blutbahnen und machte sie wild, wild auf den Beginn des Kampfes – ein Umstand, der weder Jasper noch Edward verborgen blieb. Edwards Blick richtete sich auf Angel, die seinen Blick kurz erwiderte und dann rasch das Feuerzeug aus ihrer Hosentasche zog. Edward schaltete schnell und wich ein paar Schritte zurück. Rosalie entging das nicht und folgte seinem Beispiel, was auch Emmett dazu anspornte, sich ein Stück zurückzuziehen. Nach und nach wich jeder der Familie Cullen ein paar Schritte zurück, bis sie – ohne es genau zu bemerken – von den Trümmern des Tisches umgeben waren - eingeschlossen. Und dann passierten mehrere Dinge auf einmal. Während die feindlichen Vampire ihren Angriff starteten, entzündete Angel das Feuerzeug und schleuderte es auf das trockene Eichenholz, Edward schrie nur Runter und dann waren sie plötzlich von einer glühendheißen Feuerwand umgeben. Nur am Rande bekam Angel mit, wie Maya einmal schnippte und alles innerhalb des Feuerkreises in seiner Zeit erstarrte – alles, was in der Lage war zu erstarren, denn zu Angels Pech war sie die Einzige, die davon betroffen war. Der äußere Flammenkreis loderte jedoch weiterhin heftig auf und hielt Die Erlöser davon ab, ihnen zu nahe zu kommen. Maya hob in der Zeit den Zauber über Angel auf und eilte dann zu Edward, der sie erleichtert an sich drückte und mit glühenden, hasserfüllten Augen seine Feinde beäugte. Raphael stromerte einen Moment lang um das Feuer herum, versuchte die Flammen zu umgehen, doch zu seiner Enttäuschung gab es keine Möglichkeit, an die Jägerin heranzukommen, wenn er sich nicht dem Feuer direkt aussetzen wollte. Für einen Moment funkelte er Edward mit einem beunruhigenden intensiven Blick an, bevor er rasend vor Zorn die Zähne fletschte und Maya anfunkelte. „Hexe!“, spuckte er laut. Maya grinste. „Blitzmerker!“, entgegnete sie wagemutig. „Diesmal habt ihr vielleicht Glück gehabt, aber jede Glückssträhne hat auch ein Ende. Und wir sehen uns wieder, wenn eure ein Ende gefunden hat!“, knurrte der Koloss und fixierte mit seinen wilden Augen noch einmal nach einander jeden einzelnen von ihnen, bevor er sich schließlich mit seinen Männern zurückzog. Geschockt warteten sie noch ein paar Minuten im Schutz der äußeren Flammen, die sich aufgrund der Starre im Inneren des Kreises nicht weiter nach Innen ausbreiten konnten. Doch schon nach einigen Augenblicken war klar, dass sich die Vampire tatsächlich zurückgezogen hatten. Edward seufzte und entließ Maya aus seinem Griff, die sofort den Zauber aufhob und dabei half, die restlichen Flammen zu löschen. Angel legte den Kopf in den Nacken, als sie merkte, wie glühendheiße Tränen der Erleichterung sie zu übermannen drohten und kämpfte mühsam dagegen an. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass vereinzelte Tränen ihre Wangen hinab liefen. Jasper, der Angels Gefühlsausbruch fühlen konnte, wandte sie ihr zur und nahm behutsam ihr Gesicht in seine Hände. „Es ist alles gut, Angel! Es ist alles gut.“ Ein erdrückendes Gefühl von Erleichterung und Gleichgültigkeit erfasste sie und beruhigte sie letztendlich ein wenig. „Siehst du? Du brauchst keine Angst zu haben.“ „Ich hab doch auch gar keine Angst um mich, Jasper!“, wehrte sie mit bissigem Ton ab und befreite sich aus seinem Griff. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er ihr nach. „Wovor dann?“ Angel stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn fest an. „Ihr solltet wegen mir nicht so einen Mist bauen und euch mit Gegnern anlegen, die euch meilenweit überlegen sind. Mein Gott! Sollen sie mich doch holen, dann geben sie wenigstens Ruhe.“ Jaspers Augen blitzten plötzlich feuerrot. „Hör auf! Hör auf! Hör auf!!! Hör sofort auf, so zu reden, verstanden? So etwas will ich nicht hören, schon gar nicht von dir!“, brauste er los. Einen Moment lang wirkte er tatsächlich so, als würde er sich auf Angel stürzen wollen. Und offenbar sah das jeder so, denn Emmett und Edward sprangen sofort vor und packten in an beiden Armen, um ihn vor möglichen Dummheiten zu bewahren. Doch Maya blickte ebenso wütend drein. „Jasper hat vollkommen Recht! Du bist doch sonst immer so ein Großmaul, warum gibst du dann jetzt klein bei?“ „Weil ich nicht will, dass wegen mir eine ganze Familie ausgerottet wird, klar? Und was dich angeht, da brauchen wir ja nicht weiter darüber zu diskutieren, oder?“ „Und du glaubst, das ändert dann alles, ja? Du gibst ihnen, was sie wollen, Zack bist du mal eben einen Kopf kürzer und dann hat sich die Sache erledigt?“ „Richtig!“ „Falsch!“, fauchte Maya wütend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Bloß weil sie dich dann aus dem Weg geräumt haben, werden sie noch lange nicht von hier verschwinden, weil sie trotzdem noch etwas zu erledigen hätten.“ „Ach und was? Eine Werbekampagne starten, wie man eine Jägerin am besten erledigt?“ „Zieh das nicht so ins Lächerliche, Maya hat nämlich vollkommen Recht!“, knurrte Edward, der Jasper wieder entließ und sich vor Angel aufbaute. „Die Sache ist dann nicht so einfach gegessen, wie du vielleicht glaubst!“ „Ich kann keine Gedanken lesen, Edward, also drück dich gefälligst etwas klarer aus!“ Edward hob seinen Arm und für einen kurzen Moment dachte sie, er würde ihr etwas antun wollen, doch seine Hand deutete eine Sekunde später auf Maya, die darüber keineswegs überrascht war. „Hast du nicht gehört, wie er sie genannt hat?“, fauchte er aufgebracht. „Hexe!“, antwortete Angel knapp und tonlos. „Ganz genau!“ „Ja und? Im gewissen Sinne hat er doch auch Recht! Maya ist eine Hexe oder glaubst du, jeder Mensch ist in der Lage, die Zeit anzuhalten?“ „Du kapierst es nicht!“ „Dann sag endlich, was du sagen willst!“, schrie Angel und stieß mit ihren Händen Edward vor die Brust, der ein paar Schritte zurücktaumelte. Jasper reagierte blitzschnell und stellte sich – zu Mayas Überraschung – schützend vor Angel, deren Augen loderten. Edward knurrte. „Komm schon, Edward, krieg dich wieder ein!“, rief Jasper und wich mit Angel im Rücken zwei Schritte zurück. Maya blickte stirnrunzelnd auf Edward, der immer noch drohend knurrte und in Angriffshaltung überging. Er fletschte die Zähne. Erschrocken stellte sie fest, dass er offenbar kurz vor einem Ausbruch stand – ein Umstand, den sie eigentlich bei Angel erwartet hatte. Innerhalb weniger Sekunden hatten sich auch Alice und Emmett vor Angel gestellt, während Rosalie und Esme sich vor Maya stellten. Carlisle ging langsam auf Edward zu. „Komm schon, beruhige dich. Tu nichts, was du später bereuen wirst.“ Edwards Muskeln begannen zu zittern. Er spannte an. „Bitte nicht, bitte, bitte nicht.“, flehte Maya im Stillen. Doch ihr Flehen wurde nicht erhört. Urplötzlich und mit der anmutigen Geschwindigkeit eines Gepards schoss Edward vor. Jasper reagierte zwar, konnte der Wucht seines Angriffes aber nichts mehr entgegensetzen und begann zu taumeln. Ein neuerlicher Schlag riss ihn fast von den Füßen und noch während er Halt suchte, bemerkte er, wie er noch im Schwung Angel erwischte, sie zurückgeschleuderte wurde und krachend im Bücherregal landete, dessen Einlegeböden unter dem Druck zersplitterten. Das Regal begann, gefährlich zu schwanken. Mehrere Bücher und Holzsplitter prasselten auf Angel hernieder und begruben sie unter sich. Und während das Regal endgültig kippte, hatte Maya einmal mit dem Finger geschnippt und das Regal wurde in seinem freien Fall gebremst. Angel kroch mühsam unter dem Bücherberg hervor, die Hand mit schmerzverzerrtem Gesicht gegen die Rippen gepresst, während Emmett und Jasper sich auf Edward stürzten, ihn zu Boden rangen und dort festnagelten. „Komm schon, Edward! Krieg dich wieder ein, beruhige dich!!“, knurrte Emmett und stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht gegen seinen Bruder, der sich nach und nach wieder beruhigte. Seufzend wichen Jasper und Emmett wieder zurück, hockten aber weiterhin neben ihm für den Fall, dass seine Beruhigung nur vorgetäuscht war. „Mensch, was sollte das jetzt?“, fauchte Emmett. Edward setzte sich langsam auf und fuhr sich durch das Haar. Maya, die am ganzen Körper zitterte, stolperte unsicher auf ihn zu und ging neben Emmett in die Knie. Zitternd wartete sie auf eine Antwort. „Raphael.“, knurrte er nur und kämpfte zitternd gegen etwas an, das sich offenbar in seinem Kopf abspielte. Instinktiv schob Emmett Maya hinter sich. „Was ist mit ihm?“ Das Zittern war wieder vorbei und endlich rappelte sich Edward wieder auf. Stöhnend legte er den Kopf in den Nacken. „Er kann sich in die Köpfe anderer einnisten.“ Maya erschrak. „Du meinst … Gedankenkontrolle?“ „Sieht fast so aus.“ „Gut.“, meinte Emmett, was Maya hörbar nach Luft schnappen ließ. Wütend stieß sie ihm den Ellenbogen in die Seite, was sie jedoch kurz darauf bereute, denn es war ein Gefühl, als hätte sie eine Backsteinmauer geschlagen. „Was heißt hier gut?“, fauchte sie, während sie sich den Ellenbogen rieb. „Na ja … wir brauchen uns wenigstens keine Sorgen darüber zu machen, dass Edward eventuell eine persönliche Abneigung gegen Angel hat.“ Maya verdrehte die Augen. „Selbst in der beschissensten Lage kann dieser Kerl einfach nicht seine Klappe halten, ich fass es einfach nicht.“ Emmett setzte sofort zu einer Erwiderung an, doch ein scharfes Carlisle hielt ihn davon ab. Wütend, weil er seinen Witz nicht zur Aussprache bringen konnte, wandte er sich Alice zu und verkniff sich seinen Spruch sofort wieder. Alice hielt Angel im Zaum, die sich zuckend in ihren Armen wand und röchelnd nach Luft schnappte. An Alice‘ Händen klebte Blut – Blut, das Angel sowohl aus der Nase als auch aus dem Mund lief. Jetzt bemerkte er auch den kupfernen, süßlichen Geruch, der durch das Zimmer strömte und sofort hörte er auf zu atmen. Neben ihm versteifte sich Jasper. Seinem Gesicht war die Anspannung regelrecht anzusehen, während er versuchte, die Beherrschung zu wahren. Edward packte indes Maya am Arm und verließ mit ihr rasch das Zimmer. Sofort begann sie sich zu wehren. „Edward, was machst du denn? Angel braucht Hilfe!“ „Die wird sie auch bekommen.“ „Aber ich muss …“ „Gar nichts musst du! Aus diesem Zimmer raus, das ist alles, was du jetzt musst.“ „Aber Angel …“ „Maya! Da drinnen hocken gerade sechs Vampire, sechs hungrige Vampire und eine Jägerin, die dabei ist zu verbluten. Und von diesen sechs Vampiren sind vielleicht … gut und gerne zwei allerhöchstens drei in der Lage, sich wirklich, wirklich zu beherrschen, sich nicht auf sie zu stürzen. Glaubst du, da lass ich dich weiter in diesem Zimmer? Wenn sich auch nur einer nicht auf Angel stürzen kann, bist du diejenige, die er sich vornehmen wird und das werde ich verhindern.“ „Und was ist mit Angel?“ „Ihr wird nichts passieren. Carlisle kümmert sich um sie. Und Esme und, ich nehme mal an, auch Alice sind in der Lage, die anderen drei aufzuhalten. Vielleicht liege ich mit meinen Berechnungen auch falsch. Vielleicht ist ja sogar Rosalie beherrscht genug, um notfalls die Jungs mit aufzuhalten, aber in Emmetts und Jaspers Kopf fallen gerade einige Dinge durcheinander und das sind keine guten Dinge.“ „Ka … kannst du denn ihre Gedanken nicht lesen?“ Edward lächelte schwach und tippte ihr sacht auf die Nasenspitze. „Du störst mich dabei.“ „Ich kann auch rausgehen, wenn …“ „Nein, nein! Das meinte ich nicht. Deine Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, ist beachtlich, aber … wenn sie zum Einsatz kommt, verursacht sie Schwingungen, die in meinem Köpfchen Barrieren aufbauen, die ich nicht überwinden kann. Und diese Barrieren verhindern, dass ich klar und deutlich hören kann, was meine Leute da drinnen denken.“ Maya blickte zitternd zu Boden, bis Edwards Finger sich unter ihr Kinn schob und es anhob, um ihr in die Augen blicken zu können. „Maya … hab keine Angst. Angel wird nichts passieren. Und dass ich sie angreifen wollte … glaub mir, das tut mir unendlich leid. Ich wollte dir keine Angst einjagen.“ Maya schüttelte rasch den Kopf. „Ist schon … schon okay! Das warst ja nicht du direkt.“ „Ja… schade eigentlich.“ Maya blickte ihn geschockt und entrüstet an. „Wie bitte?“ Edward runzelte einen Moment die Stirn und hob dann abwehrend die Hände. „Entschuldige! Das hast du falsch verstanden, ich meinte …“ „Was gibt es denn da falsch zu verstehen?“ „Jetzt hör mir doch kurz zu. Was ich damit sagen wollte, war … mir wäre es lieber, wenn ich wüsste, ich hätte sie aus persönlicher Abneigung angegriffen, dann wüsste ich wenigstens, wie ich so etwas in Zukunft vermeiden kann. Ich würde ihr einfach aus dem Weg gehen, aber so … war ich nur ein Werkzeug, ein Werkzeug, das völlig unvorbereitet angegriffen hat und nichts dagegen unternehmen konnte. Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann er das Gleiche mit den anderen ausprobiert. Verstehst du?“ „Zu meinem Bedauern ja. Aber das macht die Sache nicht unbedingt besser.“ „Es macht die ganze Situation hier um Einiges gefährlicher, da hast du Recht.“ „Hey, aber wenn … Gedankenkontrolle funktioniert doch im Prinzip genauso wie Gedankenlesen, oder?“ Edward dachte kurz nach und nickte schließlich. „Ich nehme mal an. Jedenfalls wirkt sich beides auf das Gehirn aus.“ „Und wenn meine Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, deine Schwingungen stören … vielleicht klappt ja dasselbe dann bei Raphael.“ Edward nahm auf der Treppe Platz und blickte angestrengt ins Leere. Seine Gedanken rasten. War es möglich, dass Maya Recht hatte? „Na ja … das würde zumindest schon mal erklären, warum er seine Fähigkeit nicht genutzt hatte, als sie noch im Haus waren. Anfangs waren sie sich noch sehr sicher, doch als Angel das Feuer entfacht hatte, kamen sie natürlich nicht mehr so einfach an sie heran.“ „Und seine Fähigkeit konnte er dann nicht mehr einsetzen, weil ich das Innere Feuerkreises hab erstarren lassen.“ „Klingt schon irgendwie einleuchtend, oder?“, bemerkte Edward und sah dabei zu Maya empor, die zögernd nickte. „Dann … haben wir doch eine Möglichkeit, wie wir zumindest seinen Fähigkeiten aus dem Weg gehen können.“ Edward runzelte die Stirn. „Nur wenn du in der Lage bist, zwei Wochen lang die Zeit um uns herum anzuhalten, Maya.“ Maya verzog das Gesicht. „Na gut, das könnte durchaus problematisch werden.“ „Das dachte ich mir schon.“ „Maya?“ Carlisles Stimme klang angespannt, als er sie zu sich rief. Einen Moment lang blickte sie Edward noch besorgt an und rannte dann zurück ins Wohnzimmer. Der Geruch nach Blut war stärker geworden. Maya sah sich kurz um und stellte fest, dass Emmett und Rosalie offenbar verschwunden waren. Jasper, der sich krampfhaft auf die Unterlippe biss, hockte neben Angel und hielt ihren Kopf zur Seite. Maya schnappte geschockt nach Luft. Überall war Blut. Überall. „Mein Gott … was …“ Ein langes, abgesplittertes, blutiges Stück Holz – ein Stück der Einlegeböden flog ihr vor die Füße. „Das hat sich von hinten in ihre Lunge gebohrt.“, fluchte Carlisle und blickte Maya scharf an, als wäre sie Schuld an diesem Desaster. „Maya … du kannst die Zeit anhalten, kannst du auch etwas verlangsamen?“ „Soll ich nicht lieber …“ „Kannst du es?“ „Sicher, aber …“ „Musst du dabei anwesend sein?“ „Ja, aber …“ „Und kannst du Blut sehen, wenn es sein muss?“ „Ähm …“ „Maya!!!“ „Si .. .sicher!“ „Sehr gut! Halte ihre Zeit an und dann kommst du mit ins Krankenhaus.“ „Aber was…“ „Ich erklär dir das gleich! Halt ihre Zeit an und dann müssen wir los.“ Mayas Finger waren so zittrig, dass sie drei Anläufe brauchte, ehe Angel erstarrte. Dann blickte sie wieder Carlisle an in der Hoffnung, eine endgültige Erklärung zu bekommen. Stattdessen nickte er einmal, nahm sich Angel an und sprintete aus dem Zimmer in Richtung Garage. Maya folgte ihm nicht. Stattdessen blickte sie Edward an. „Steht es denn so schlimm um sie?“ Edward antwortete nicht gleich. Er warf zunächst einen Blick in Richtung Flur, bevor er sich wieder an Maya wandte. „Der Aufprall hat ihre Rippen zertrümmert, schon wieder. Der linke Lungenflügel ist eingeklemmt und der rechte wurde von diesem Holzstück übel erwischt. Deswegen auch all das Blut.“ „Und was hat er jetzt vor?“ Edward lauschte mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Das … scheint er selbst noch nicht ganz genau zu wissen.“ „Ungefähr?“ „Er muss den Lungenflügel zusammenflicken, deswegen sollst du den Blutfluss verlangsamen.“ „Warum geht das nicht, während sie erstarrt ist?“ „Maya, du hältst ihre Zeit an. Das bedeutet, dass sie vollkommen erstarrt ist.“ „Das ist ja auch der Sinn der Sache.“ „Ja, aber wenn ihre Zeit nicht weiterläuft, kann Carlisle auch nicht operieren.“ „Ach nein?“ „Kennst du deine Fähigkeiten wirklich so schlecht?“ „Eigentlich nicht.“ „Wenn ihre Zeit stillsteht, dann geht nichts mehr. Du kannst sie vielleicht bewegen, aber nichts mehr an, von oder in ihr! Carlisle kann tun und lassen, was er will, er wird nichts von ihr einen Millimeter bewegen können.“ „Ich denke, ihr Vampire seid so superstark.“ „Aber die Zeit kannst du nicht mit Gewalt vorantreiben.“ „Na ja … wenn man ganz penibel ist, kann man sie eigentlich auch gar nicht erst anhalten.“ „Das stimmt! Streng genommen hältst du die Zeit ja auch nicht an, sondern du schockst sie nur, frierst sie ein. Anhalten kannst du sie nicht, sonst wäre es ja nicht möglich, dass alles um Angel herum jetzt normal weiterläuft, während sie völlig erstarrt ist.“ „Das heißt … solange Angels Zeit nicht wieder normal läuft, kann Carlisle sie nicht operieren.“ „Deswegen sollst du auch die Blutzirkulation verlangsamen. Tust du das nicht, wird sie während der Operation verbluten, so viel steht fest.“ „Das ist ‘ne ganze Menge Verantwortung, weißt du das? Ein Fehler in der Konzentration und Angel ist Geschichte.“ „Du kriegst das hin, Maya!“ Und der Blick, den er ihr bei diesen Worten zuwarf, zeigte ihr, dass er es ernst meinte. Mühsam holte sie Luft und atmete tief durch. „Na schön! Dann werde ich mein Bestes tun.“ Damit wandte sie sich zum Gehen, blieb im Türrahmen allerdings abrupt stehen. „Was ist?“, fragte Edward verwirrt. Maya wirbelte herum. Ihre Miene war von Ratlosigkeit geprägt. „Wenn … wenn Carlisle Angel nicht operieren kann, während ihre Zeit erstarrt ist, wie konnte er sie dann das letzte Mal behandeln?“ Edward brauchte einen Moment, ehe er wusste, wovon Maya sprach. „Ach so … er hatte gewartet, bis du eingeschlafen warst. In dem Moment verlor der Zauber dann seine Wirkung.“ „Und was hat er seinen Kollegen erzählt?“ Edward zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung Ich weiß nur, dass sie kurz darauf um die Versetzung in ein anderes Krankenhaus gebeten hatten.“ Maya lächelte schwach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)