Lia von DeLeila ================================================================================ Kapitel 1: Deutsche Fassung --------------------------- Es ist Anfang Dezember – Adventszeit. Die Stadt ist geschmückt, in den Fenstern leuchten bunte Sterne, Weihnachtsmänner hängen an den Häuserwänden. Der Weihnachtsmarkt ist in der Stadt und Menschen eilen von Stand zu Stand um noch etwas ganz Wichtiges zu besorgen. Die Luft ist erfüllt von der Weihnachtsstimmung. Glocken klingen durch die Nacht und der Duft von Zimtsternen lässt viele Leute anhalten und genießerisch den Geruch einatmen. Ja, bald würde Weihnachten sein. Auch Lia ist in der Stadt. Sie sitzt auf einer Bank in einer kleinen, verlassenen Grünanlage. Es ist kalt, das Mädchen friert. Sie zieht ihren Mantel fester um sich. Sie ist ganz still und starrt ins Nichts. Woran sie denkt? Vielleicht an vergangenen Zeiten. Dann schüttelt sie den Kopf und steht auf. Sie geht zum Weihnachtsmarkt, dort ist es wärmer. Schon von weitem sieht sie die vielen Menschen und alle Düfte steigen ihr verführerisch in die Nase. Sie schlüpft zwischen den Menschen hindurch, klein, grau, unbemerkt. Ihr Blick ist am Boden, sie wird übersehen. Wer achtet schon auf ein kleines Mädchen? Hier und da stibitzt sie ein Stück Waffel, nippt an stehen gelassenen Glühweinbechern. Jetzt ist ihr nicht mehr kalt, das Getränk wärmt sie. Lia schlängelt sich weiter, doch dann hört die Menschenmasse plötzlich auf. Erstaunt sieht sie auf. Das Mädchen hatte nicht auf ihre Umgebung geachtet. Jetzt steht sie vor einer Bühne. Ein Mann steht darauf und hält eine Rede. Lia will gerade wieder untertauchen, da schnappt sie die Worte des Mannes auf: „Es gibt ihn, den guten Hirten, er ist immer bei uns“ Lia hält in der Bewegung inne um zu zuhören. Da gibt es wen, der immer bei ihr ist? Darüber will sie mehr wissen. Aber der Mann erzählt weiter: „Sein Reich ist unendlich und ewig. Der Herr selbst ist gütig und auf aller Wohl bedacht. Alle Menschen, die von uns gehen, kommen in sein Reich und alle werden in Ewigkeit geeint sein und in Frieden leben. Das irdische Leben ist ein Nichts gegen das Reich des Allmächtigen!“ Das kann Lia nicht so ganz glauben. Sie erinnert sich, ihre Eltern haben ihr von „Gott“ erzählt. Aber Lia glaubt nicht an Gott. Nicht an den „Vater im Himmel“, der über uns steht und herrscht in alle Ewigkeit. Der uns geschaffen hat und alle liebt. All das haben ihre Eltern gesagt. Doch dann waren sie tot. Abgestürzt auf dem Weg nach Hause. Dort, wo sie ihrem Schöpfer am nächsten waren. Kein Gott hat es verhindert. Nein, Lia kann nicht an Gott glauben. Zu schmerzlich ist die Erinnerung an den Verlust. Das Mädchen dreht sich um und geht. Sie verlässt das bunte Treiben auf dem Marktlatz und tritt ins Dunkel. Sie sucht einen Schlafplatz. In einem Hinterhof findet sie einen ausrangierten Sessel und schläft darin ein… Die nächsten Tage sind ereignislos. Lia kann alles besorgen, was sie zum Leben braucht, eine nette Dame schenkt ihr sogar Schokolade. Aber die Rede des Mannes kann sie nicht vergessen. Und dann findet sie einen Stein. Es ist ein schöner Stein, silber-grau und in Form eines Flügels. Lia steckt den Stein ein. Er soll ihr Glück bringen. Sie läuft durch die Stadt, eine Hand umschließt fest den Stein in ihrer Manteltasche. Er wärmt sie und gibt ihr Kraft. Es hat geschneit und für Lia ist es noch schwerer einen Platz zum Schlafen zu finden als sonst. Spät am Abend entdeckt sie eine leer stehende Garage. Sie geht hinein und legt sich an die Rückwand. Hier kann ihr der draußen wirbelnde Schnee nichts anhaben. Matt leuchtet eine Straßenlaterne von draußen in die Garage. Lia holt den Stein aus der Tasche und betrachtet ihn genauer. Plötzlich meint sie, leise wispernde Stimmen zu hören. Angestrengt lauscht sie. „Ich beschütze dich, ich werde dich leiten und dir helfen. Wenn du auch mich schützt.“ Die Stimme verstummt und das Mädchen fragt sich verwirrt, wer da gesprochen hat. Der Stein? Und schon klingt die Antwort aus dem Nichts: „Die Antwort liegt tief in deiner Seele. Finden musst du die Wahrheit aber selber.“ Lange rührt sich Lia nicht. Sie ist verwirrt und denkt nach. Doch dann schläft sie irgendwann ein. Sie hat einen wirren Traum. Sie läuft durch einen dichten Nebel. Dann fühlt sie einen Sog, etwas scheint sie zu fassen und zu leiten. Sie kann nichts sehen und tappt blind durch die Gegend, aber dann klart es auf und Lia erkennt wo sie ist: Auf einer Frühlingswiese, Schafe grasen auf ihr und sie erkennt in der Ferne auch einen Schäfer und seinen Hund. Es ist ein friedliches Bild. Dann wacht Lia auf. Ihr Kopf tut weh und sie verspürt den Drang zu laufen. Rasch steht sie auf, tastet in dem Mantel nach dem Stein und marschiert los. Sie läuft den ganzen Tag, ohne Ziel irrt sie durch die Gassen und Straßen der Stadt. So vertraut sind sie, dass Lia nicht nachdenken muss. Einfach laufen. Aber ihr Kopf wird nicht frei. Wirre Gedanken schießen ihr durch den Kopf. Ihr Stein liegt in ihrer Tasche. Nicht schwer, nicht leicht, einfach da. Abends kehrt sie zu der Garage zurück. Es ist ein guter Ort zum schlafen, geschützt vor dem Wetter und abgelegen von Wohnungen, keiner würde sie finden. In dieser Nacht schläft Lia gut. Auch die nächsten Tage und Nächte geschieht nichts Merkwürdiges. Erst in der Nacht zum 24. hat sie wieder einen Traum. Er ist fast identisch mit dem anderen. Sie läuft wieder geführt von etwas durch den Nebel und wieder gelangt sie am Ende zu der schönen Wiese. Und plötzlich hat Lia das Gefühl, dort die Antwort auf ihre Fragen zu finden. Mitten in der Nacht steht sie auf und läuft los. Sie weiß zwar nicht, in welcher Richtung die Wiese zu finden ist, aber sie vertraut ihrem Gefühl. Sie drückt den Stein in ihrer Tasche fest und dann betritt sie den unbekannten Weg außerhalb der Stadt. Dort ist sie noch nie gewesen. Das Mädchen versucht sich zu erinnern, an Details aus ihrem Traum. Wie sah der Weg aus. Aber sie weiß fast nichts mehr. Plötzlich überkommt Lia dieses Gefühl, dass da wer ist. Es ist wie ein Sog. Lia weiß jetzt, dass sie richtig ist, es ist ihre unsichtbare Führerin, sie wird Lia den Weg zeigen. Tatsächlich öffnet sich bald der undurchsichtige Vorhang aus Dunst und sie sieht die Wiese. Die Schafe grasen dort, genau wie in ihrem Traum. Und dort hinten steht der Schäfer. Er lächelt ihr entgegen. Jetzt ist Lia verunsichert. Sie erinnert sich an die letzten Wochen. Ja, das hier ist die Wahrheit, die sie finden sollte. Es gibt einen Ort voll Geborgenheit und Liebe und jemanden, der immer auf einen aufpasst. Lia ist endlich dort angekommen, wo sie hingehört… Kapitel 2: English version -------------------------- It is the beginning of December – advent season. The city is beautifully decorated, colourful stars are glowing in the windows and Santa Claus is climbing many walls. The Christmas market is open and many people are hurrying from store to store – to get the last Christmas presents. The air is filled with “Christmas mood”. Bells are ringing through the night and the smell of cinnamon makes the people stop and breathe in the aroma. Yes, Christmas is near. Lia is in the city as well. She is sitting on a bench in a small, deserted park. It is cold and the girl is freezing. She huddles herself deeper in her coat. She is still and glares into the air. What is she thinking of? Maybe the past… Then she shakes her head and stands up. She walks to the market place, it is warmer there. As soon as she comes closer she can see the people and these wonderful aromas are tickling her nose. She slips through the mass of people, small, grey and unnoticed. She looks down and no one notices her. Who pays attention to a young girl? Here and there she takes a piece of waffle, sips on a left-over hot wine punch. Now she doesn’t feel cold anymore – the drink is warming her. She keeps walking through the crowd – but suddenly it ends. She looks up in surprise. The girl had not paid attention to her surroundings. Now she is standing in front of a stage. A man is standing above her and is making a speech. Lia just wants to turn away as she catches the words of the man: “He does exist, our shepherd, he is always at our side” Lia stops and listens. There is someone who’s always by her side? She wants to know more about that - but the man carries on: ”His kingdom is eternal. Our lord himself is gracious and cares about us all. All our loved-ones who have passed away will be in his kingdom, all of us will be united in eternity and we will live in peace. This earthly life is nothing compared to the kingdom of our Lord!” Lia cannot believe that. She remembers. Her parents have told her about “God“, but Lia doesn’t believe in God, nor in the “father in heaven” who is above and rules in eternity. The one that has created us and who loves us all. Her parents have told her all that - but then they died. Crashed on their way back home – where they were closest to heaven. No God has prevented it. No, Lia cannot believe in God. The memories of her loss hurt too much. The girl turns around and walks away. She leaves the colourful crowd behind and steps in the dark. She is searching for a place to sleep. Finally she finds an old armchair in a deserted backyard and falls asleep… The next days are uneventful. Lia manages to get everything to survive, a nice old lady even gives her chocolate, but she can’t forget about the speech the man made. Then she finds a stone. It is a beautiful stone, silver-grey in the shape of a wing. Lia puts the stone in her pocket. Maybe it will bring good luck. She strolls through the city – one hand always encloses the stone in her coat. It warms her and gives her strength. It has been snowing overnight – now it is even harder for Lia to find a place to sleep. Late in the evening she discovers an abandoned garage. She steps in an lays down at the back wall. There she is protected from the falling snow. A street light droopingly illuminates the garage. Lia hauls the stone out and examines it. Suddenly she hears a whispering voice. She listens intensely. “I will protect you. I will guide you and help you… If you protect me…“ The voice fades away and the girl asks herself, confused, who had talked to her. The stone? There is the answer, coming out of nowhere, “The answer is hidden inside your soul. You have to find the truth for yourself.” For a long time, Lia doesn’t move. She is confused and tries to think about it, but then she falls asleep. She has a clouded dream. She runs through dense fog. Then she feels a sudden pull - something seems to be gripping and guiding her. She can’t see a thing and pads blinded around, but then it clears off and Lia recognizes where she is. A springtime meadow stretches out in front of her, sheep are grazing on it and close to the horizon she can see a shepherd and his dog. It is a harmonic and peaceful picture. Then Lia wakes up. Her head aches and the feels like moving around. She gets up, fumbles for her stone in the coat and sets off. She walks the whole day. Without a destination, she strays through the alleys and streets. Lia doesn’t have to think about it, she knows them by heart. Just moving... but she cannot get rid of the thoughts in her mind. Her stone rests in her pocket, neither heavy nor light, just present. At night she returns to that garage. It is a good spot for her, sheltered from the weather and far from apartments. No one would find her. That night Lia sleeps well, just as in the following nights. But in the night before Christmas eve, she dreams again. It is almost identical to the one she had before. She runs through the mist, guided by something and again she finds herself in that meadow, and suddenly Lia feels that the answer to all her questions is there. In the middle of the night she awakes and sets off. She doesn’t know the direction, but she has faith in her senses. She squeezes the stone in her hand and then she steps onto the unknown path outside the city. She has never been there before. The girl tries to remember the details of her dream. What did the path look like? She cannot remember. Suddenly she feels like someone is there. It is like a pull. Now Lia knows that she is on the right road. It is her invisible guide - she will show her the way. Sure enough, the dense fog is clearing and she can see the meadow. Just like in her dream, the sheep are grazing there, and further away, the shepherd is standing. He is smiling at her. Lia is a bit scared now. She remembers the last weeks. Yes, this is the truth she wanted to find. There IS a place full of love and security and someone, who is watching over her. Lia finally has found the place where she belongs… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)