Das Mädchen und der Vampir von Lea ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Nacht war schon lange hereingebrochen, als Sibilla vor dem Kamin saß und ihre Hände an dem warmen Feuer wärmte. Obwohl es bereits Frühling war, wurde es nach Einbruch der Dunkelheit immer noch sehr kühl. Immer wieder ging ihr Blick zur Tür. Besorgnis spiegelte sich in ihren Gesichtszügen wieder. Ihr Verlobter war noch nicht von der Jagd zurückgekehrt. Keiner der anderen Männer wusste wohin er verschwunden war. Ob es ihm gut ging?, fragte sie sich immer wieder. Dann endlich wurde die Tür geöffnet. Sibilla sprang von ihrem Sitzplatz auf und lief zum Eingang um ihrem Geliebten um den Hals zu fallen. Bevor sie ihn fragen konnte, wo er denn geblieben war, schob er sie von sich weg. Er war nie besonders fürsorglich gewesen, aber so hatte er sie doch noch nie behandelt. „Ist etwas passiert?“, wollte sie wissen und sah ihn besorgt an. „Ich bin einem Vampir begegnet!“, sagte er schließlich nach einer halben Ewigkeit. „Einem Vampir? Ich dachte-!“ Mit einer Geste seiner Hand brachte er sie zum Schweigen. „Das dachte ich auch, bis er vor mir stand. Ich bin nur knapp mit dem Leben davon gekommen… aber ich musste ihm etwas versprechen.“ Sibilla gefiel der Ton nicht in dem Ulrich diese Worte von sich gab. „Was denn?“ Wieder zögerte er, bis er antwortete: „Dafür das ich am Leben bleibe, musst du eine Woche seine Sklavin sein.“ Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Eine ganze Woche sollte sie in der Gewalt eines anderen Mannes verbringen? Nein, schlimmer sogar, in der eines Vampirs! Nur Gott allein wusste, was er mit ihr anstellen würde, aber es war für ihren Zukünftigen. Sein Leben war mehr wert, als eine kurze Woche ihres eigenen. „Was will er von mir?“, fragte sie schließlich nach langer Zeit, doch ihr Verlobter schüttelte nur den Kopf. Dann senkte sich eine drückende Stille über das Haus. Kurz nachdem die Abenddämmerung einsetzte, hielt eine schwarze Kutsche vor dem ärmlichen Haus der jungen Familie. Die Wagentür öffnete sich. Sibilla lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter und getraute sich nicht in diesen zu steigen. Allerdings konnte sie ihren zukünftigen Gatten nicht im Stich lassen. Einen Fuß vor den anderen setzend trat sie näher an das Gefährt heran. Eine feingliedrige Hand streckte sich ihr entgegen um ihr über die kleine Treppe zu helfen. Obwohl sie fast vollkommen weiß war, war sie so wunderschön, als habe man sie aus dem besten Marmor geschliffen. Nach kurzem zögern ergriff Sibilla diese und ließ sich in die Kutsche helfen. Schnell brach die Nacht herein und hüllte alles in fast undurchdringliches Schwarz. Nur selten konnte man einen Stern am wolkenverhangenen Himmel erkennen. „Du weißt warum du hier bist?“, wollte eine wohlklingende männliche Stimme wissen. Sibilla konnte nur vermuten, dass es sich um den Grafen selbst handelte. Sie nickte, doch dann fiel ihr ein, dass er dies wahrscheinlich gar nicht sehen konnte. „Ja, Herr. Ich soll eine Woche Eure Sklavin sein, damit mein Verlobter am Leben bleibt.“, antwortete sie schließlich. Eigentlich hatte sie eine Gegenreaktion erwartet, doch ihr Gegenüber blieb stumm. Kurz vor Morgengrauen erreichten sie ein Schloss, welches weit ab von jeder Zivilisation in einem dichten Wald auf einem Hügel stand. Der leichte Vorgeschmack der Dämmerung ließ das Bauwerk wie einen riesigen Fels aussehen. Schließlich hielt die Kutsche auf dem Hof des Schlosses und wie von selbst öffnete sich die Wagentür. Fackellicht fiel in das Innere und zum ersten Mal konnte sie ihren Gastgeber erkennen. Sibilla verschlug es regelrecht dem Atem. So einen Mann wie ihn hatte sie noch nie gesehen. Obwohl er durchaus männlich und stark war, so war er doch schön. Ob die Märchen über Vampire wirklich alle wahr waren?, fragte sie sich im nächsten Moment, als eben dieser überaus elegant aus der Kutsche stieg und ihr die Hand reichte. Ein stummer Befehl lag darin und Sibilla folgte. Sie konnte spüren, dass er in Eile war. Anscheinend fürchtete er das Sonnenlicht, denn mit jeder Minute die der Sonnenaufgang näher rückte schien er unruhiger zu werden. Die angekündigte Führung durch das Schloss bestand lediglich aus der Anweisung nicht die Tür an der Osttreppe zu betreten, welche er ihr kurz mit einer Geste seiner Hand deutete. Danach wurde sie auch schon auf ihr Zimmer gebracht und eingesperrt. Der einzige Ausgang war ein Fenster. Doch den Freitod konnte sie zu einem späteren Zeitpunkt wählen. Sibilla blickte sich in dem fremden Zimmer um. Ein Gefängnis hatte sie sich immer anders vorgestellt. Dieses hier glich dem Gemach einer Königin. Was hatte sich der Schlossherr nur dabei gedacht? Ihre Augen fixierten das Bett, welches mit einem Baldachin überdacht war und sie immer näher heran zog. Nur zu gerne gab sie der Versuchung nach etwas zu schlafen. Sie war die ganze Nacht wach geblieben, da sie Angst vor dem Vampir gehabt hatte. Noch ehe sie weiter über ihn nachdenken konnte, war sie bereits ins Land der Träume hinüber geschritten. Mit einem leisen Aufschrei schreckte Sibilla hoch, als sie von einem alten Mann geweckt wurde, in welchem sie zuerst Gevatter Tod gesehen hatte. Der Fremde schien nur aus Haut, Knochen und Sehnen zu bestehen. „Der Herr wünscht Euch bei Tisch zu sehen.“, sprach der Bedienstete und deutete mit einer Handbewegung an ihm zu folgen. Sibilla kam es merkwürdig vor so höflich angesprochen zu werden, aber sie wollte keinen Ärger bekommen, weswegen sie der Anweisung des Alten sofort nachkam. Kerzen erhellten den Speisesaal, dessen Tisch reich gedeckt war. Soviel Essen hatte die junge Frau in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. „Setz dich und greif zu.“, wies sie der Schlossherr an, welchen sie zuerst gar nicht bemerkt hatte. Sie sah ihn auch nicht an, sondern stürzte sich regelrecht auf die wohlriechende Nahrung, bis sie bemerkte, dass auch ihr Gegenüber etwas zu sich nahm. Dabei fiel ihr auch auf, wie manierlich er aß und wie barbarisch sie dagegen wirken musste. Auch sie war wohl erzogen worden!, sagte sie sich und rutschte sich etwas zurecht, um eine gerade Haltung einzunehmen. „Du musst dich vor mir nicht verstellen. Es ist mir gleich ob du mit den Fingern isst oder mit dem Besteck.“ Der Wohlklang der Stimme jagte Sibilla einen Schauer den Rücken hinunter. Sie konnte nicht sagen, ob er ihr gut oder schlecht gesinnt war, aber zumindest schien er nicht zu lügen. „Können Vampire normales Essen zu sich nehmen?“, fragte sie schließlich, als sie ihren Mut zusammen gekratzt hatte. „Ja, aber wir haben nichts davon. Es hat nicht einmal einen besonderen Geschmack…“ Der Schlossherr drehte seine Gabel in der Hand und betrachtete die Weinbeere, welche darauf aufgespießt war. „Aber ich wollte dich nicht alleine dinieren lassen.“ Eine leichte Röte stahl sich auf ihre Wangen. „Verspürt Ihr Hunger?“ „Ja, jedoch ist Blut das Einzige, was unseren Durst zu stillen vermag.“ „Warum trinkt Ihr dann nicht von meinem?“ Nun blickte er sie an, aber keinesfalls überrascht. Es war fast so als wäre er auf jede nur erdenkliche Reaktion von ihr vorbereitet gewesen. „Wer sagt denn, dass ich das nicht noch tun werde?“ Daraufhin schwieg sie, wodurch er eine Warnung hinzufügte: „Du solltest deine Fragen nicht wie Angebote klingen lassen!“ Der Rest des Essens wurde stumm verbracht. Erst als der alte Bedienstete wieder erschien, brach der Vampir die Stille und schickte den Alten schlafen. „Komm mit mir!“, sprach der Schlossherr, nachdem er sich erhoben hatte. Sogleich sprang Sibilla auf und folgte ihm. Sie mochte diesen erniedrige Gehorsam nicht, aber was blieb ihr schon anderes übrig? Das Leben ihres Verlobten stand auf dem Spiel. „Zieh dich aus!“, schnitt ein Befehl durch ihre Gedanken und holte sie in die Realität zurück. Sie stand in einem Schlafgemach, was leicht an dem großen Bett zu erkennen war. Sibilla blinzelte den Vampir an, welcher auf einem gepolsterten Sessel Platz genommen hatte. „Was?“, kam es entsetzt über ihre Lippen. Sie konnte sich doch nicht vor einem fremden Mann entblößen, dieses Recht war allein ihrem zukünftigen Ehemann vorenthalten. „Ich sagte, du sollst dich ausziehen. Ich kann dir auch gerne dabei helfen!“ Obwohl es nach den Worten wie eine Unterstützung klang, ließ sein Tonfall keinen Zweifel außer Acht, dass es sich um eine Drohung handelte. Einen weiteren Augenblick zögerte sie, ehe sie begann sich zu entkleiden. Ihre Wangen waren tief rot gefärbt, als auch das letzte Stück Stoff zu Boden glitt. So gut es ging bedeckte sie mit ihren Händen und Armen ihre intimen Bereiche und betete, dass er nicht mehr gezeigt haben wollte. Lange Zeit sah er sie einfach nur. Sibilla war sich nicht sicher wie sie seinen Blick deuten sollte. Er war keineswegs lüstern, sondern sehr sanft und warm. Oder bildete sie sich das nur ein? Plötzlich erhob sich der Vampir von seinem Sessel und sie wich einen Schritt zurück. Doch dann verharrte sie ruhig, während er langsam näher kam und sich schließlich zu ihren Füßen bückte und ihre Kleider aufhob. Ohne ein Wort schritt er zur Tür und öffnete diese. Leise war die Stimme des alten Bediensteten zu hören, anscheinend hatte dieser draußen gewartet. „Verbrenn das!“, befahl der Untote und schloss die Tür. „Was? Aber-!“ Sibilla wollte Protest einlegen, aber er deutete ihr mit seiner flachen Hand, still zu sein. Obwohl ihr Verlobter genau dieselbe Geste verwendete, so kam sie ihr bei dem Schlossherr wesentlich ruhiger und sanfter vor. „Folge mir.“, sagte er, ohne es wie einen Befehl klingen zu lassen. Er führte sie durch eine zweite Tür, welche sie zuvor nicht gesehen hatte, in einen benachbarten Raum. Obwohl es tiefe Nacht war, schienen die weißen Marmorwände des Bades fast von selbst zu leuchten. In der Mitte des Zimmers stand eine Wanne, aus welcher heißer Dampf aufstieg. Die Luft war geschwängert von angenehmen Gerüchen, welche Sibilla noch nie zuvor in der Nase gehabt hatte. „Ich hoffe, das Wasser ist angenehm.“, sagte er ruhig und begann in einigen kleinen Tongefäßen nach etwas zu suchen. Wie angewurzelt stand sie da und starrte auf die Wanne. Der Vampir wandte sich zu ihr, als er merkte, dass sie sich nicht bewegte. „Ich werde dich waschen.“, fügte er erklärend hinzu. „Was…?“ Langsam löste sich ihr Blick von den schönen leblosen Dingen in dem Raum, um sich auf ein anderes zu legen. „Ich will damit nicht sagen, dass du stinkst. Jedoch ist der Geruch von Kuhdung und Tierblut nicht unbedingt mein Lieblingsduft.“, sprach er, als sich ihre Blicke trafen. Sibilla nickte und näherte sich der Badewanne. War sie nicht als seine Sklavin hergekommen? Er behandelte sie wie eine Adlige, wenn nicht sogar besser. Als Bäuerin konnte sie sich nicht wirklich vorstellen wie die höheren Schichten lebten, aber selbst die Bediensteten konnten es nicht besser gehabt haben als sie. Oder würde sie vielleicht jeden Moment aus einem Traum erwachen? Immer öfter fragte sie sich, ob es dann ein Alptraum war oder nicht. Die ganze restliche Nacht hatte der Schlossherr damit verbracht ihren Körper zu reinigen und jede auch noch so kleine Wunde zu versorgen. Ihre intimen Stellen überließ er ihr selbst zu waschen. Keine unsittliche Berührung. Keine Bemerkung, welche ihr auch nur im geringsten Unbehagen bereitete, kam über seine Lippen. Das Gegenteil war der Fall: Er schmeichelte ihr. Doch Sibilla wurde sich der Bedeutung seiner Worte erst bewusst, als sie in ihrem Bett lag und darüber nachsann. Vampire hatten zwar eine magische Zunge, aber welchen Nutzen hätte er davon gehabt? Er hatte sie nicht verführt oder sie in irgendeiner Weise berührt, dass es ihr unangenehm gewesen war. Erst als der alte Mann sie weckte, wurde sich Sibilla bewusst, dass sie geschlafen hatte. Als sie sich von dem Bett erhob, bemerkte sie, dass sie einen wundervoll gearbeiteten Morgenmantel trug. Der Stoff war so glatt und weich, dass sie einige Augenblicke lang nur dastand und darüber strich. Sie erinnerte sich. Gestern Nacht hatte sie diesen von dem Vampir bekommen, ehe er sie zu Bett geschickt hatte. [to be continued...] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)