Großväterchen Frost von WeißeWölfinLarka (Vorfreude auf Weihnachten) ================================================================================ Kapitel 1: Am Weihnachtsbaume... -------------------------------- “Remember the old arcade, blew every dollar that we ever made. The cops hated us hangin' out, they say somebody went and burned it down.” Ich drehte mich noch einmal auf die andere Seite. Grausam. “We used to listen to the radio and sing along with every song we know. We said someday we'd find out how it feels to sing to more than just the steering wheel!” “Schatz! Nicht doch!”, gab ich schließlich murrend von mir. Entgegen der landläufigen Meinung stand er mehr auf diesen Mainstream-Rock und Pop, im Allgemeinen sowieso mehr auf das was im Radio lief. Ich dagegen entsprach exakt meinem Klischee, bezogen auf die Musik jedenfalls. Man schob mich oft in die Metalszene. Und da bewegte ich mich auch. Ich hörte oft Metal und Rock, ja, aber auch sehr melancholische Songs und im Moment liebte ich es, Skillet zu lauschen. Aber nicht so früh am Morgen schon Musik. Warum hatte er das Radio so laut aufgedreht? Und sang dann auch noch so gut gelaunt mit? „Du musst jetzt eh aufstehen, es ist schon spät. Du wolltest doch noch einkaufen.“ Ich setzte mich auf, mein Blick glitt zum Wecker. Fast zwölf. „Warum hast du mich nicht eher geweckt? Jetzt darf ich mich stressen und mit den Rentnern rumärgern!“ „Ich war lange arbeiten letzte Nacht und hab selbst verpennt.“ Er setze sich zu mir auf die Bettkante und zog mich in seine Arme. Ich spürte den Lufthauch, als er tief einatmete. Er liebte meinen Geruch einfach. Still lächelte ich. „Trotzdem hättest du mich wecken können.“ Ich machte mich aus seiner Umarmung los, denn ich musste mich beeilen. Morgen war Heilig Abend und zum ersten Mal wollten – konnten - wir es auch mit den anderen zusammen feiern. Explizit hieß das, mit Bryan, Sergei, Ivan, Max, Ray, Tyson und Kenny. Hilary hatte abgesagt. Sie feierte mit ihrem Freund. Niemand hatte sich gewundert, als wir zusammengezogen waren. Niemand ging davon aus, dass wir mehr als eine normale Männer-WG waren. Auch wunderte es anscheinend niemanden, dass keiner von uns je eine Frau mit nach Hause brachte. Gut, die Nachbarn waren zwar neugierig, aber beobachteten uns auch nicht übermäßig. Dann war da noch der Aspekt der Presse. Jedes Mädchen ein neuer Artikel in der Klatschrubrik. Wir waren die unauffälligen, schweigsamen Russen. Eine reine Zweckgemeinschaft. „Ha!“, entfuhr es mir. Yurij zuckte zusammen. „Was ist?“ „Ach, ich dachte nur gerade daran, dass wir uns völlig ungestört lieben können.“ Wir verheimlichten unsere Beziehung nicht, aber wir hängten sie auch nicht in der Öffentlichkeit an die große Glocke. „Doofbacke, ich geh jetzt duschen. Bin wahrscheinlich fertig, wenn du wieder da bist.“ „Warum brauchst du eigentlich immer so lange?!“ „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, ich hätte nur wegen meines ewig verspannten Rückens auf den Massagestrahl bestanden?“ Er grinste anzüglich. Ich rollte genervt mit den Augen und machte mich fertig. Wir wollten schließlich für unsere Gäste kochen. „Tschüss!“ Wir hatten abgemacht, in der Weihnachtszeit keinen Sex zu haben. Meiner Meinung nach gehörte sich das nicht. Ich weiß auch nicht wieso. Vielleicht war ich einfach verklemmt in der Hinsicht. Aber es war das Fest der Liebe! Nicht, dass das keine Liebe war. Trotzdem… Es kam mir falsch vor. Doch wenn ich mir, wie jetzt gerade, vorstellte, wie Yurij sich unter der Dusche… Mich schauderte bei dem Gedanken. Ich zog den Schal fester um mich. Schneefall hatte eingesetzt, ganz kleine Flocken, die bei der Berührung mit der Haut sofort schmolzen. Wie sehr wünschten wir uns eine weiße Weihnacht, so wie früher. Auch wenn wir in der Abtei dieses Fest nie richtig gefeiert hatten, so war der Geist der Weihnacht doch irgendwie vorhanden gewesen. Ich konnte das nie so gut erklären, aber es lag wohl daran, dass es dann angenehm ruhig wurde, still und auf eine besondere Weise… gemütlich. Wir hatten es aber im Gegensatz zu den Teams aus dem Westen oder auch aus Japan erst am 6./7. Januar gefeiert. Denn seit der Absetzung der Zaren in der Novemberrevolution 1917, nach der Weihnachten als Feiertag abgeschafft worden war, feierte man dieses Fest traditionell nach Silvester. Der Jahreswechsel war ohnehin der größere Feiertag. Ich hauchte in meine Hände und musste grinsen. Mein erstes Weihnachtsfest in Japan war katastrophal gewesen. Ein Mädchen aus meiner Klasse hatte mich gefragt, was ich am 24. mache, und ich hatte ihr geantwortet, dass ich es noch nicht wüsste. Ich hatte ja nicht gewusst, dass das in Japan so etwas bedeutete wie „Ich will auch etwas von dir“ und ihre Frage eigentlich eine unverfängliche Bitte um ein Date zum 24. gewesen war. Als sich das Missverständnis aufgelöst hatte, war das mehr als peinlich gewesen. Also, Yurij und ich hatten ausnahmsweise beschlossen, dieses Jahr nach westlichem Vorbild zu feiern. Mit einem Baum, auch wenn ich es Yurij nicht ausreden konnte, ihn als traditionelle Jolka zu schmücken. Wahrscheinlich war er gerade dabei, während ich mich mit den Zutaten für unser Festessen abmühte. Durak! Vollbeladen mit je einer riesigen Tüte in jedem Arm, versuchte ich, die Haustüre zu öffnen. Ja, wir hatten keine stickige, kleine Mietwohnung oder ein Appartement, wir besaßen ein nettes kleines Häuschen, was uns nicht zuletzt dank der finanziellen Absicherung meines Großvaters gelungen war. „Blat!“ Fluchend bückte ich mich nach dem Schlüssel, der mir runter gefallen ist. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich heute den ganzen Tag im Bett verbringen können. Zusammen mit Yurij. In eben diesem Moment öffnete mir mein Lieblingsrotfuchs die Tür. „Deine Heimkehr ist jedes Mal nicht zu überhören.“ Er bückte sich für mich und zog mich dann ins Haus, nahm mir eine Tasche ab. Es dudelte Weihnachtsmusik, Last Christmas. Das altbewährte Ohrenschmalz-Evergreen zu Weihnachten. „Hast du die Jolochka schon geschmückt?“ „Malysch, natürlich, schau ihn dir an. Wir müssen nur noch die Spitze zusammen drauf setzen.“ Ein Schauer ging über meinen Rücken, als er mich so ansprach. Yurij war so ein traditioneller Mensch, was man ihm selten zutraute. Ich lächelte. Denn ich wähnte mich als den Einzigen, der diese Seite so an ihm kannte. Ich stellte meinen Einkauf auf dem Küchentisch ab und folgte ihm ins Wohnzimmer. „Lapatschka… das ist…“ Ich war überwältigt. Yurij hatte sich wirklich Mühe gemacht. Die ehemals grüne Tanne war schlichtweg – bunt! Er hatte alles daran gehängt, was wir hatten: den russischen Schmuck aus Glas, nach alten Traditionen auch aus Watte, Karton und Papiermachée. Darunter waren auch Abbildungen von Djet maross, Snjegurotschka und alle, wirklich alle bunt bemalten Glaskugeln, die wir hatten. Nicht zu vergessen der Doshdik, den er rund um den Baum gewickelt hatte und der unbedingt dazugehörte. Als besonderes Schmankerl hingen sogar Bonbons am Baum und Wattebäuschen, die den Schnee darstellen sollten. Glocken, eine Lichterkette in Form von Sternchen – kurzum, die Jolka war zugehängt bis oben hin und dass der Baum unter der Last nicht zusammenbrach, grenzte an ein Wunder. Unter der Tanne standen die Figuren von Väterchen Frost und dessen Enkeltochter. Außerdem hatte Yurij aus Papier gebastelte Schneeflocken an die Fenster gehängt, in jedem Zimmer. Manche mochten das als Kitsch bezeichnen – ich fand es einfach nur wunderschön. „Und wo sollen nachher die Geschenke stehen? Der Baum nimmt ja schon die Hälfte des Raumes ein und sollte da doch noch Platz sein, dann hätte ich Angst, dass das Gewicht deiner Beschmückung die Tanne zu Fall bringt und die Geschenke unter sich begräbt.“ Ich musste ihn einfach ärgern. Aber das sanfte Funkeln in meinen Augen verriet mich. Yurij gab mir eine Kopfnuss, fuhr mir durch die vom Schnee feuchten Haare und pustete meine nicht vorhandene Beule wieder heile. „Möchtest du lieber den roten Sowjet-Stern oder den Engel?“, fragte er und zeigte mir grinsend seinen Fund. „Schmeiß den beschissenen Stern weg, er erinnert mich zu sehr an Boris.“ „Dann setz den Engel auf die Spitze.“ Er drückte mir die kleine Glasfigur in die Hand. Skeptisch sah ich zum Baum auf, er war um mehr als zwei Köpfe größer als ich. So nah wie möglich rückte ich ihm auf die Nadeln, in Sorge, die Kugeln oder sogar gleich den ganzen Baum hinunterzureißen. Da griffen heiße Hände nach meinen Hüften, packten fest zu und hoben mich in die Höhe. Nicht sehr hoch, aber so weit, dass ich mit etwas Recken den Engel gut platzieren konnte. Dieser körperliche Kontakt hatte etwas in mir ausgelöst. Ich sehnte mich nach seinen Berührungen. Langsam ließ er mich wieder hinunter. Doch seine Hände verweilten auf meiner Taille, zogen mich an ihn und seiner erhitzten Mitte heran. Lag es am Sexentzug oder war mir vorher nicht bewusst gewesen, wie unglaublich erotisch mein Partner war? Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Brust, sein Kinn rieb über meinen Schopf. „Lass uns schon mal die Kutja vorbereiten, morgen haben wir essenstechnisch noch genug zu tun.“ Er ließ mich ebenso plötzlich los, wie er mich angefasst hatte. Ich musste einen leisen überraschten und enttäuschten Laut von mir gegeben haben, denn er grinste mich überlegen an und seine folgenden Worte ließen mir die Schamesröte ins Gesicht schießen: „Es war deine Idee, Kai. Aber wenn du möchtest, können wir heute Abend gern noch ein wenig kuscheln.“ „Wörterbuch“ Jolka – russischer Weihnachtsbaum Jolochka – verniedlichte Form von Jolka Durak – Dummkopf Blat – böses Wort, in etwa „Scheiße“ Malysch – männliche Bezeichnung für „Baby“ a la Russisch Lapatschka – das Wort, das man nicht wörtlich in diesem Zusammenhang verstehen darf - (Verkleinerungsform vom лапа [lapa] - eine Pfote) [Wenn sich das Wort von Pfote ableitet, dachte ich, das passt gut zu Yurij, oder nicht?] Djet maross – Großväterchen Frost Snjegurotschka – Enkelin von Väterchen Frost Doshdik – bunter Lamettaschmuck Kutja – sehr altes russisches breiähnliches Gericht aus Weizen und anderen Getreidekörnern, manchmal mit Rosinen, mit Honig und Mohn, die Hoffnung symbolisieren Kapitel 2: Zaubernuss --------------------- Unsanft landete ich auf dem Boden. Aus Rache über die rüde Art, mich zu wecken, griff ich nach der Decke und rollte mich darin ein. „Hey, du wolltest doch, dass ich dich wecke, jetzt steh auf. Es ist acht. Die anderen wollen heute Abend um sechs kommen. Also, dawai!“ „Lapatschka?“ Ehrlich, ich war ein Morgenmuffel, besonders zu Zeiten von Feiertagen. „Hm?“ „Rot sakroi.“ Ich zog mir die Decke wieder über den Kopf. Yurij stieg über mich hinweg. Doch was er mir mitbrachte, als er ins Zimmer zurückkehrte, war alles andere als angenehm. Zunächst kroch er zu mir unter die Decke und streichelte sanft meinen Rücken, so dass ich mich zu ihm umdrehte. Es bildete sich bereits ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen, als plötzlich etwas sehr Kaltes und Nasses in meinem Gesicht landete. „Guten Morgen, Milij…“ Obwohl heute Heilig Abend war, riss mir der Geduldsfaden. Keine Ahnung, weshalb ich so gereizt reagierte, aber ich explodierte regelrecht. Mein Ausbruch begann damit, dass ich Yurij eine Salve an Beschimpfungen an den Kopf warf, die nur höchstens zu 10 Prozent berechtigt waren, ging über unhaltbare Behauptungen und endete damit, dass Weihnachten wohl das bescheuerteste Fest überhaupt war und es sicherlich kein Fest der Liebe sei denn… „… denn dann hättest du mich liebevoll geweckt und würdest mich jetzt nicht so angrinsen wie ein Geisteskranker!“ „Fertig?“ Ich muss gestehen, ich beneidete Yurij schon fast um seine Ruhe. Doch anscheinend war das die nur allzu bekannte vor dem Sturm. „Dann will ich dir nämlich mal was sagen: Ich habe auch keine Lust, mich mit deinen schwachsinnigen Freunden aus Japan zu treffen! Ich habe dir nachgegeben, als du mich darum gebeten hast. Gestern wolltest du früher geweckt werden, bitte, ich hab das gemacht! Und das ist jetzt auch nicht richtig! Weißt du was: Едь к аде!“ Er stand wütend auf - so hatte ich ihn lange nicht mehr erlebt – und schlug beim Verlassen des Zimmers die Tür kräftig hinter sich zu. Aber ich fühlte mich im Recht. Gleichzeitig beschlich mich ein schlechtes Gewissen. Also beschloss ich, mich anzuziehen und spazieren zu gehen. Auch ich donnerte die Haustür mit Wucht ins Schloss. Arschloch. Jetzt hatte ich den Schlüssel vergessen. Mit dem Strauß roter Rosen, den ich zur Versöhnung mitgebracht hatte, stand ich nun vor der Tür und klingelte notgedrungen. Unsere Nachbarin sang fröhlich, während sie ihre Fenster putzte, ‚Fröhliche Weihnacht’ und grüßte mich lachend, als sie mich sah. Ich nickte ihr zu. Erst nach einer sehr langen Weile öffnete Yurij, am Ohr den Telefonhörer. „Es ist nur Kai, Bryan…“ Nur Kai. Wortlos drehte er sich von mir weg und schlenderte ins Wohnzimmer. Es tat weh. Er hatte mich nicht einmal richtig angesehen. Ich trat ein, räusperte mich. „Yura!“ Er wandte sich mir zu, lehnte am Sessel und eine seiner Brauen wanderte in einem eleganten Bogen nach oben. „Kannst du dein Gespräch kurz unterbrechen?“, bat ich ihn. „Hey Bryan, ich ruf dich gleich zurück, denke, das dauert jetzt wohl etwas länger.“ Etwas in Yurijs Stimme ließ mich aufhorchen. War es Belustigung? Oder ‚Insiderwissen’? Ich hörte Bryan am anderen Ende der Leitung lachen und sich verabschieden. „Also?“ Yurij holte mich zu meinem Vorhaben zurück. Ich atmete tief durch. „Tut mir leid wegen vorhin…“ Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu und hielt ihm die Blumen entgegen. Er sah mich immer noch skeptisch an. „Nun nimm schon!“ Ich wedelte kurz mit dem Strauß. „Mhm.“ Er nahm die Rosen und im ersten Moment schien es, er wollte sie mir um die Ohren pfeffern. Doch er warf sie nur auf das Sofa hinter mir. Mit einem Schritt überbrückte er den letzten Meter Distanz zwischen uns, packte meine Arme und legte sie sich um die Hüfte. „Durak. Ja wizhu tebja!“, flüsterte er und erstickte meinen Protest bezüglich der Pflanzen mit einem langen Kuss. Er drängte mich gegen den Wohnzimmertisch. Ich stolperte. Wir kamen schließlich auf dem Teppich zu liegen, er über mir. Mein Atem stockte. Unter dem Baum? Ich drehte mich um, auf den Bauch. Eigentlich wollte ich aufstehen, doch Yurijs Gewicht hielt mich zurück. Instinktiv spreizte ich meine Beine. Er wollte sich auf mich legen. Der Luftzug seiner Bewegung ließ die Äste der Tanne leicht bewegen, ihr Schmuck klirrte. Aber doch nicht unter der Jolka! Ich errötete. Es war so… verrucht! Plötzlich knackte es hörbar. Ein stumpfer Schmerz durchfuhr meine Leiste. Ich stöhnte gepeinigt auf. „Was ist? Hab ich dir wehgetan?“ Yurij erhob sich und drehte mich besorgt um. „Nein.“ Ich nahm sein Gesicht in meine Hände. „Ich mir selbst.“ Ich zog eine Fratze. Mein Daumen strich liebevoll über seine Wange. Der Ausdruck in seinen Augen war ganz sanft. Er beugte sich zu mir hinunter und legte seine warmen Lippen auf die meinen. „Was wollte Bryan?“, fragte ich nach diesem Kuss atemlos, als Yurij mir auf die Beine half. „Ich wollte ihm eigentlich absagen, hab gedacht, nach unserem Streit fällt das wohl ins Wasser.“ „Ruf ihn schnell zurück!!“ Ich hatte schon die Nummer gewählt. Das Freizeichen ertönte bereits. Aber Yurij lachte nur. „Keine Panik, ich bin gar nicht so weit gekommen, ihm abzusagen. Wir haben uns verquatscht!“ ~“Das ging ja schnell, Yura!“~ Yurij nahm mir den Hörer aus der Hand und kicherte immer noch blöd ins Telefon. Ich verstand die Witze zwischen ihm und Bryan nicht. „Ach, es ist nichts gelaufen. Du weißt doch von seinem Zölibat über Weihnachten…“ Darum ging es also! Dachte er etwa, ich hatte es mit Versöhnungssex versuchen wollen? Ich zeigte ihm einen Vogel. Das Blöde an der Sache war nur: Ebenso wie seine starken Arme gestern, hatte auch diese Bekundung seiner Dominanz mich erregt. Bevor er das jedoch bemerken konnte, ging ich in die Küche. Ich ließ Yurij wissen, dass ich die Säckchen mit Süßigkeiten für unsere Gäste vorbereiten wollte. Bei uns in Russland gab es nur für die Kinder Geschenke, die brachte dann natürlich Djet maross. In der Abtei hatte es nie Geschenke gegeben. Aber unter uns fünfen, Sergei, Yurij, Ivan, Bryan und mir, schon – in gewisser Form. Manchmal hatten wir einfach einen besonders schönen Stein, den wir gefunden hatten, an einander weiter gegeben. Oder wir hatten unser Essen still und heimlich geteilt. So etwas vergaß man nicht. Nun, traditionsgemäß brauchte ich eigentlich keine Tüten basteln. Doch irgendwie gehörte das dazu. Gerade war ich dabei, die Bonbons, Erdnüsse, Äpfel und Orangen, sogar Plätzchen gerecht zu verteilen, als sich Yurijs Arme von hinten um mich schlangen und er sein Kinn auf meine Schulter bettete. Er sah mir lächelnd bei der Arbeit zu. „Das sind aber nicht die Kekse aus meinem Versuch, oder?“, wollte er wissen. „Nein, diese Katastrophe möchte ich nicht mal Tyson andrehen wollen!“, lachte ich. Sein erster Backversuch hatte verheerende Folgen gehabt, die Küche hatte brach gelegen in einem Schlachtfeld. Und dann waren die Plätzchen auch noch verbrannt… „Wo wir gerade von Tyson sprechen: Tu ihm doch ein bisschen mehr ins Säckchen, da freut er sich bestimmt.“ Ich nickte und füllte Tysons Beutel mit einer Orange und einer Hand voll Erdnüsse mehr als die anderen. Währenddessen verging sich mein Herzbube an einer der übrigen Apfelsinen, schälte sie und aß sie mit Genuss. „Ich bin noch gar nicht so ganz wirklich in Weihnachtsstimmung“, meinte er plötzlich. „Das ist mir alles einfach viel zu früh. Und ganz ehrlich: Es riecht hier immer noch angekokelt.“ „Hm… Ich dachte, du wärst es. Selten bist du so anhänglich, Solnyschka, und du lächelst viel mehr.“ Ich wandte mich zu ihm um und musste schmunzeln. Zur Antwort murmelte er mir ein undeutliches „Sei still!“ entgegen – wieder mal in unserer Muttersprache – und stopfte mir ein Achtel seiner Orange in den Mund. Ich biss ab und schluckte das Stück fast im Ganzen hinunter. Yurij zog mich zu sich, sein Aftershave war betörend stark. Seine Hände fassten nach den Gürtelschlaufen meiner Jeans, dass ich noch enger bei ihm auflag und ich die Hitze seines Körpers spüren konnte, dabei tief einatmete… Und genau da kam mir eine Idee. Ich langte hinter ihn, nahm den Abfall und wirbelte aus der Küche. Dort legte ich die Schalen auf unsere Heizung. Das Wohnzimmer wurde nach und nach mit dem feinen Geruch der Orangen durchströmt. Yurij folgte mir verwundert, trat ein und schnupperte. „Moj Angelotchok!“, rief er aus und drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal im Kreis. „Das duftet herrlich nach Weihnachten!“ Ich pflichtete ihm bei. „Und, jetzt in Stimmung gekommen?“ "Wörterbuch" Едь к аде – Fahr zur Hölle! Rot sakroi – Halt den Mund Milij – Liebster, Geliebter, Liebling Yura! – Im Russischen ja eigentlich Jurij statt Yurij, dessen Kurzform eigentlich Jura wäre. Darum Yura. Eine Koseform ist auch „Jurotschka“. Ja wizhu tebja – Kann das einer für mich rausfinden? Ich habs vergessen!!! Solnyschka - "Das Sonnchen" (vergleichbar mit dem deutschem Ausdruck: "Sonnenschein", wird bei den Russen als Kosename so nicht verwendet) Moj Angelotchok – mein Engel Kapitel 3: Schwurbruch ---------------------- Sein anzügliches Grinsen als Antwort auf meine Frage ließ mich einige Schritte zurückweichen, bis ich an unseren Schrank stieß. Etwas in meiner Stimme hatte ihm wohl falsche Gedanken vermittelt. „I-ich denke…“ Himmel, jetzt stammelte ich schon wie ein Schulmädchen! Aber ich befürchtete, mein eiserner Wille bezüglich meiner Abstinenz war längst nicht mehr so eisern wie ich es wollte. Sein unverhalten lustvoller Blick drang direkt in meine Adern und brachte mein Blut in Wallung. „Ich werde jetzt duschen, dann haben wir für den Rest, der noch so anfällt, noch genügend Zeit bis die anderen kommen.“ „So, so…“ Wieso machte er das? Kam mir genau dann nahe, wenn sich meine Libido sowieso von selbst auflösen wollte? Es war ja nicht so, dass ich es nicht mochte, mit ihm zu schlafen, ganz im Gegenteil. Und er hatte wegen mir ja schon genug ‚Entbehrungen’ hinnehmen müssen… Ja, manchmal, wenn wir uns mal wieder sehr heftig stritten, warf er mir vor, ich hätte meine Tage und hätte er vorher gewusst, dass ich mich wie eine Tussi anstelle, die er zu der Zeit nicht flach legen kann, dann hätte er sich mich gar nicht ausgesucht sondern gleich ein Original genommen. Ich wusste, dass er das absichtlich sagte, um mich zu kränken. Genau genommen liebte ich diese Streits und die endlosen Diskussionen mit ihm. Man konnte Yurij ja alles nachsagen, aber nicht, dass er mundtot oder schweigsam wäre. Wenn man das richtige Thema fand, dann quasselte er einen gut und gerne in Grund und Boden. Er weckte mich aus meinen Tagträumereien, denen ich mich hingegeben hatte, mit einem lodernden Kuss, den ich, wie von ihm bezweckt, ebenso gierig erwiderte. Aber ich machte mich los. „Bis gleich. Danach kannst du duschen.“ Ich verschwand im Bad. Die Tür ging auf. Yurij trat ein. Ich dachte mir nichts dabei, immerhin wohnten wir zusammen, schliefen zusammen in einem Bett, ab und zu auch miteinander… wir kannten uns nackt und hatten nichts zu verbergen. Dennoch kam es mir auf eine obskure Weise spanisch vor… und ich sollte Recht behalten. Er trug ein kurzes Frotteetuch, das seinen netten Hintern und seine Männlichkeit nur knapp bedeckte. Unbewusst fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen. Yurij grinste. Er hatte es gesehen. Ich zuckte demonstrativ mit den Schultern, wandte mich um, als ob mich seine Erscheinung kalt ließe und knetete meine einshamponierten Haare weiter durch. Es war, als spürte ich seine Hitze durch die Scheibe, denn ich wusste, dass er da war, noch ehe er überhaupt die Schwingtür geöffnet hatte. Einen Augenblick später tat er das nämlich und stieg zu mir unter den Wasserstrahl. „Ich habe ein Geschenk für dich…“, wisperte er mir ins Ohr und ich fröstelte. „Dann gib’s mir doch heute Abend…“, schlug ich vor und griff nach meiner Lotion. „Hm… Ich denke nicht, dass es für andere Augen als deine zulässig ist, Kotik… Außerdem…“ Er begann, meinen Rücken zu streicheln. Und ich begann zu verstehen, was mein Geschenk sein sollte. Mein kurzer Blick nach hinten sagte mir, dass er mich nicht so leicht vom Haken lassen würde. Und was mir jetzt zusätzlich noch auffiel: Die Stelle des Handtuchs (das er übrigens noch immer trug), die seine Männlichkeit verdeckte, zierte eine hübsche Schleife und daneben stand: ‚Take your present. Merry XXL-Mas!’ So ein… beklopptes Handtuch konnte nur ihm gehören! „Schatz, es ist Weihnachten. Ich will jetzt nicht-“ Er unterbrach mich: „Hör auf, japanisch zu reden! Das haben wir jetzt lang genug getan, damit ich keinen Akzent mehr habe für heute Abend. Wenn deine Freunde kommen, kannst du noch genug auf Japanisch labern! Gawarit par ruski! Potomoschtu tak ja tebja ho4u!“ Ich schluckte. Es machte mich an, wenn er in unserer Muttersprache sprach. Dann hatte seine Stimme eine deutlich dunklere und tiefere Nuance als sonst. Wusste er das oder war ihm einfach nur danach, ‚normal’ zu reden? Ich konnte es nicht sagen. Fakt war jedenfalls, dass er den Knoten in seinem Handtuch löste und es achtlos zu Boden gleiten ließ. Ich folgte jeder seiner Bewegungen. Jetzt sollte ich ihm Einhalt gebieten, ihm sagen, dass dies nicht angebracht sei… Aber warum das verdrängen, was ich fühlte? Wir hatten es uns schon lange abgeschworen, unsere Gefühle zu unterdrücken. Voreinander wollten wir uns schon gar nicht verstellen. Also gab ich mein Einverständnis. Nonverbal – ließ ihn näher kommen, machte ihm Platz. Doch den brauchte er nicht, stattdessen packte er meine Taille und drängte sich an mich. Er rieb seine Lenden gegen meine eigene und forderte meine Zunge zu einem Duell heraus. Der Zeitpunkt zur Gegenwehr war lange verstrichen. Was sollte ich machen?! Ich liebte ihn nun mal - bedingungslos. „Das Telefon…klingelt…“, keuchte ich. „Dann lass es doch klingeln“, raunte Yurij mir von hinten entgegen. Sein heißer Atem strich über meine Haut und ich warf den Kopf in den Nacken. Seine sanften Hände, seine flinken Finger waren überall, ich konnte mich ihnen nicht entziehen. Das warme Wasser prasselte noch immer auf uns nieder, die Glastür beschlug, langsam auch die Fenster. Yurij griff nach hinten und ich spürte kurz darauf eine kühle Flüssigkeit meine Wirbelsäule hinunterlaufen. Ich erschauderte. Er streichelte über meine Arme, zu meinen Händen hin und verschränkte sie mit seinen. „Your body is a wonderland…“, hauchte er mir ins Ohr und ich lächelte. Ich brauchte nichts zu erwidern. Seine Lippen wanderten zu meinem Nacken und er saugte sich an einer Stelle fest, küsste sie, knabberte und leckte über das Mal. „Bist du bereit?“, wisperte er gegen meine Haut. Ich spürte seine harte Erregung gegen mich drängen und das Zucken seiner Hand, die sich meiner entziehen und mich vorbereiten wollte. „Ich bin zwar empfindlich, aber nicht aus Porzellan!“, entgegnete ich ihm heiser vor Lust. „Wie du meinst…“ Tief schob er sein Glied weiter. Wir benutzten Bodylotion als Gleitmittel. Seine Haare klebten nass an meiner Schulter, sachte biss er in meinen Hals und ich stöhnte ungehalten auf. Plötzlich zog er sich aus mir zurück. Ich japste auf. Wie selbstverständlich setzte er sich auf den kleinen gefliesten Vorsprung in der Dusche, wo wir unser Shampoo und all dies abstellten. Er grinste und lehnte sich zurück. Er war erregt, keine Frage. „Setz dich.“ Was? Er wollte jetzt reden? „Auf mich…“, ergänzte er. Vielleicht hatte er mein Zittern gespürt. Ich war nach so langer Zeit Enthaltsamkeit anfällig für seinen Körper und seine Berührungen, dass es mir schwer fiel, auf eigenen Beinen zu stehen. Und ich gehorchte. Dunkel stöhnte ich auf, als ich mich auf ihn sinken ließ. „Gib mir mal die Brause“, hauchte er in mein Ohr. Ich kam der Bitte nach. Er stellte sie auf Massage ein. Dann richtete er den Strahl direkt auf meine empfindliche Eichel. Ich schrie erschrocken auf und zuckte, presste instinktiv meine Schenkel zusammen. „Shhh… Wenn man es sich selbst macht, hält man es nur bis zu einer Vorstufe des richtigen Orgasmus aus…“, meinte Yurij mit einer so rauchigen Stimme, dass es mir den Verstand vernebelte. Er verstellte die Intensität des Strahls, es war für mich nun leichter zu ertragen und ich spreizte meine Beine wieder. Ich konnte nichts erwidern, die Lust ließ mich alle Worte vergessen, die sich je in meinem Wortschatz befunden hatten. Yurij bewegte sich unter mir, ließ mit dem Brausekopf von mir ab, damit ich ihn spüren konnte, mich seiner Präsenz weiterhin bewusst blieb. Ich stützte mich mit den Händen links und rechts an den Fliesen ab und erhob mich ein Stück, ließ mich dann wieder auf ihn nieder. Er sog scharf die Luft ein. Ich wiederholte das einige Male, bis auch er endlich einen lustvollen Ton von sich gab. Er hielt sich immer sehr zurück und das machte mich wahnsinnig, denn ich wollte ihn schließlich auch hören! Wie er das schaffte, konnte ich nicht sagen. Ich fühlte mich nur im nächsten Moment gegen die kalte Glasscheibe gepresst, wieder stehend. Ich konnte uns im gegenüberliegenden Spiegel sehen. Und verdammt noch mal – es sah verflucht heiß aus! Seine Stöße entlockten mir Laute, für die ich mich schämen sollte, es aber nicht tat. Ich stützte mich mit den Händen an der Scheibe ab, streckte mich ihm entgegen. Yurij stieß hart und tief zu. Meine Fingernägel kratzten über das Glas und ich stöhnte dunkel bei jedem Stoß. Yurij rutschte immer bis zur Spitze seiner Eichel aus mir hinaus, um dann umso kräftiger und stürmischer in mich einzudringen. Ich spürte seine Lusttropfen dabei langsam die Innenseiten meiner Schenkel hinab laufen. Durch den Nebel sah ich, dass er die Augen geschlossen hatte, als er an meinem Ohr zu knabbern begann und sich an mir rieb. Seine Hand wanderte nach vorne, um mein Glied zu verwöhnen. Er trieb mich immer schneller und weiter der Klippe entgegen. Er füllte mich ganz aus, als ich meinen Kopf gegen seine Schulter warf und laut aufschrie, als ich kam. Yurij dagegen brauchte noch zwei weitere, tiefe Stöße, die ich willig aufnahm. Ich spürte seinen heißen Atem im Nacken, die Anspannung seiner Muskeln und sein dunkles Knurren, die mir seinen Höhepunkt ankündigten. Und er rief meinen Namen… Mein Glied zuckte. Auch nach dem Orgasmus war meine Spitze noch sensibel. Der harte Wasserstrahl, den er dreisterweise wie zufällig darüber hielt, ließ mich leise wimmern. Yurij zog sich zurück. Definitiv war die Dusche für zwei ausgewachsene Männer zu klein. „Jetzt bin ich in Stimmung gekommen…“, meinte Yurij süffisant grinsend und rieb seine Nase an meine Schulter. Ich keuchte noch immer atemlos. Ohne Yurijs starken Arme hätte ich keine Kraft zum Stehen gefunden. Ich drückte den Brausestrahl zur Seite. Als ich ein paar Male durchatmen konnte, beruhigte sich mein Puls wieder. Die Brause nahm ich in die Hand und schob Yurij rückwärts, so dass er wieder auf den Fliesen saß. „Ich revanchier mich jetzt mal für mein Geschenk“, sagte ich lächelnd und ließ das Wasser des Strahls direkt auf seine erschlaffte Männlichkeit prasseln. Sein gequältes Stöhnen ging mir durch Mark und Bein. „Lehn dich einfach zurück und lass mich machen“, meinte ich. Yurij tat, wie ihm geheißen und grinste, fragte sich wohl insgeheim, was ich vorhatte. Ich ging in die Knie, zwischen seine Beine. Noch nie hatte ich das gemacht, weder bei ihm noch bei sonst wem. Dementsprechend groß war auch Yurijs Verwunderung darüber, dass ich es tat. „Bist du dir sicher?“ Seine Stimme klang verlegen und er fasste nach meinem Kinn und hob es an, zwang mich somit, ihm in die Augen zu sehen. Ich nickte fest und lächelte zuversichtlich. „Sieh es als kleines Weihnachtsgeschenk…“ So beugte ich mich über sein zuckendes Glied. Und das Wasser und meine Hände waren nicht die einzigen Stimulatoren, die ich an ihm anwandte… Kapitel 4: Schwurbruch [FSK 14] ------------------------------- Sein anzügliches Grinsen als Antwort auf meine Frage ließ mich einige Schritte zurückweichen, bis ich an unseren Schrank stieß. Etwas in meiner Stimme hatte ihm wohl falsche Gedanken vermittelt. „I-ich denke…“ Himmel, jetzt stammelte ich schon wie ein Schulmädchen! Aber ich befürchtete, mein eiserner Wille bezüglich meiner Abstinenz war längst nicht mehr so eisern wie ich es wollte. Sein unverhalten lustvoller Blick drang direkt in meine Adern und brachte mein Blut zum erhitzen. „Ich werde jetzt duschen, dann haben wir für den Rest, der noch so anfällt, noch genügend Zeit bis die anderen kommen.“ „So, so…“ Wieso machte er das? Kam mir genau dann nahe, wenn sich meine Libido sowieso von selbst auflösen wollte? Es war ja nicht so, dass ich es nicht mochte, mit ihm zu schlafen, ganz im Gegenteil. Und er hatte wegen mir ja schon genug ‚Entbehrungen’ hinnehmen müssen… Ja, manchmal, wenn wir uns mal wieder sehr heftig stritten, warf er mir vor, ich hätte meine Tage und hätte er vorher gewusst, dass ich mich wie eine Tussi anstelle, die er zu der Zeit nicht flach legen kann, dann hätte er sich mich gar nicht ausgesucht sondern gleich ein Original genommen. Ich wusste, dass er das absichtlich sagte, um mich zu kränken. Genau genommen liebte ich diese Streits und die endlosen Diskussionen mit ihm. Man konnte Yurij ja alles nachsagen, aber nicht, dass er mundtot oder schweigsam wäre. Wenn man das richtige Thema fand, dann quasselte er einen gut und gerne in Grund und Boden. Er weckte mich aus meinen Tagträumereien, denen ich mich hingegeben hatte, mit einem lodernden Kuss, den ich, wie von ihm bezweckt, ebenso gierig erwiderte. Aber ich machte mich los. „Bis gleich. Danach kannst du duschen.“ Ich verschwand im Bad. Die Tür ging auf. Yurij trat ein. Ich dachte mir nichts dabei, immerhin wohnten wir zusammen, schliefen zusammen in einem Bett, ab und zu auch miteinander… wir kannten uns nackt und hatten nichts zu verbergen. Dennoch kam es mir auf eine obskure Weise spanisch vor… und ich sollte Recht behalten. Er trug ein kurzes Frotteetuch, das seinen netten Hintern und seine Männlichkeit nur knapp bedeckte. Unbewusst fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen. Yurij grinste. Er hatte es gesehen. Ich zuckte demonstrativ mit den Schultern, wandte mich um, als ob mich seine Erscheinung kalt ließe und knetete meine einshamponierten Haare weiter durch. Es war, als spürte ich seine Hitze durch die Scheibe, denn ich wusste, dass er da war, noch ehe er überhaupt die Schwingtür geöffnet hatte. Einen Augenblick später tat er das nämlich und stieg zu mir unter den Wasserstrahl. „Ich habe ein Geschenk für dich…“, wisperte er mir ins Ohr und ich fröstelte. „Dann gib’s mir doch heute Abend…“, schlug ich vor und griff nach meiner Lotion. „Hm… Ich denke nicht, dass es für andere Augen als deine zulässig ist, Kotik… Außerdem…“ Er begann, meinen Rücken zu streicheln. Und ich begann zu verstehen, was mein Geschenk sein sollte. Mein kurzer Blick nach hinten sagte mir, dass er mich nicht so leicht vom Haken lassen würde. Und was mir jetzt zusätzlich noch auffiel: Die Stelle des Handtuchs (das er übrigens noch immer trug), die seine Männlichkeit verdeckte, zierte eine hübsche Schleife und daneben stand: ‚Take your present. Merry XXL-Mas!’ So ein… beklopptes Handtuch konnte nur ihm gehören! „Schatz, es ist Weihnachten. Ich will jetzt nicht-“ Er unterbrach mich: „Hör auf, japanisch zu reden! Das haben wir jetzt lang genug getan, damit ich keinen Akzent mehr habe für heute Abend. Wenn deine Freunde kommen, kannst du noch genug auf Japanisch labern! Gawarit par ruski! Potomoschtu tak ja tebja ho4u!“ Ich schluckte. Es machte mich an, wenn er in unserer Muttersprache sprach. Dann hatte seine Stimme eine deutlich dunklere und tiefere Nuance als sonst. Wusste er das oder war ihm einfach nur danach, ‚normal’ zu reden? Ich konnte es nicht sagen. Fakt war jedenfalls, dass er den Knoten in seinem Handtuch löste und es achtlos zu Boden gleiten ließ. Ich folgte jeder seiner Bewegungen. Jetzt sollte ich ihm Einhalt gebieten, ihm sagen, dass dies nicht angebracht sei… Aber warum das verdrängen, was ich fühlte? Wir hatten es uns schon lange abgeschworen, unsere Gefühle zu unterdrücken. Voreinander wollten wir uns schon gar nicht verstellen. Also gab ich mein Einverständnis. Nonverbal – ließ ihn näher kommen, machte ihm Platz. Doch den brauchte er nicht, stattdessen packte er meine Taille und drängte sich an mich. Er rieb seine Lenden gegen meine eigene und forderte meine Zunge zu einem Duell heraus. Der Zeitpunkt zur Gegenwehr war lange verstrichen. Was sollte ich machen?! Ich liebte ihn nun mal - bedingungslos. „Das Telefon…klingelt…“, keuchte ich. „Dann lass es doch klingeln“, raunte Yurij mir von hinten entgegen. Sein heißer Atem strich über meine Haut und ich warf den Kopf in den Nacken. Seine sanften Hände, seine flinken Finger waren überall, ich konnte mich ihnen nicht entziehen. Das warme Wasser prasselte noch immer auf uns nieder, die Glastür beschlug, langsam auch die Fenster. Yurij griff nach hinten und ich spürte kurz darauf eine kühle Flüssigkeit meine Wirbelsäule hinunterlaufen. Ich erschauderte. Er streichelte über meine Arme, zu meinen Händen hin und verschränkte sie mit seinen. „Your body is a wonderland…“, hauchte er mir ins Ohr und ich lächelte. Ich brauchte nichts zu erwidern. Seine Lippen wanderten zu meinem Nacken und er saugte sich an einer Stelle fest, küsste sie, knabberte und leckte über das Mal. „Bist du bereit?“, wisperte er gegen meine Haut. Ich spürte seine harte Erregung gegen mich drängen und das Zucken seiner Hand, die sich meiner entziehen und mich vorbereiten wollte. „Ich bin zwar empfindlich, aber nicht aus Porzellan!“, entgegnete ich ihm heiser vor Lust. „Wie du meinst…“ ... _____________________________ "Wörterbuch" Kotik – das Kätzchen (männlich) Gawarit par ruski! – Sprich Russisch! Potomoschtu tak ja tebja ho4u! - Weil ich dich will Kapitel 5: Achtung, die Gäste kommen! ------------------------------------- Ich zog meinen Jogginganzug an. Er war bequem und falls ich mich gleich beim Kochen noch bekleckern würde, wäre das längst nicht so schlimm als wenn ich meine Festtagsklamotten schon trug. Die lagen noch fein säuberlich zusammengefaltet in unserem Schlafzimmer auf dem Bett, neben Yurijs Unterwäsche. „Soll ich mit dem Kartoffelsalat anfangen?“, rief ich ihm zu. „Das hab ich schon erledigt.“ „Wann?“ Yurij kam in unser Zimmer und lehnte sich nackt wie er war an den Türrahmen. „Na hör mal, was denkst du denn? Du bist zwei Stunden weg und ich dreh hier Däumchen? Ich war so gefrustet, ich brauchte etwas zu tun!“ „Du bist großartig!“ „Ja, weiß ich.“ Ich gab ein spöttisches Schnauben von mir und drückte ihm im Vorbeigehen seine Shorts in die Hand. „Zieh dich an und komm runter. Wir müssen den Tisch im Wohnzimmer noch decken.“ Das Tolle an Yurij war: er war nie nachtragend und wenn ich mich aufrichtig bei ihm entschuldigte, war er sehr schnell wieder besänftigt. In der Küche sah ich auf die Uhr. Es war halb vier. In zwei Stunden mussten wir fertig sein, damit wir uns in Ruhe umziehen konnten. Unsere Liebelei hatte uns viel Zeit gekostet. Ich errötete. Aber es war wundervoll gewesen… Ich ordnete das Essen auf dem Küchentisch. Kutja, Kartoffelsalat, die Äpfel, die wir noch zubereiten mussten und im Kühlschrank befand sich noch die Weißwurst. „Meinst du, dass 8kg für neun Personen reichen?“, fragte Yurij und suchte in einer Schublade nach dem Apfelentkerner. Ich rechnete kurz nach. „Muss. Nein, das reicht sogar dicke. Wir behalten bestimmt mehr als die Hälfte über.“ Er hob zweifelnd eine Augenbraue. „Na hör mal, es gibt ja nicht nur Wurst! Und vergiss das selbstgebackene Brot nicht.“ Yurij schlug sich ächzend die flache Hand vor die Stirn „Scheiße, das hab ich total vergessen, das steht noch im Vorratsraum!“ „Dann steck’s in den Backofen, ich mach so lange die Äpfel fertig und du bist mit Braten dran.“ So leicht konnte Arbeitsteilung sein! Gegen etwa halb sechs stellte ich die letzte der drei Auflaufformen mit frisch zubereiteten Bratäpfeln in den Backofen. Sie würden fertig sein, wenn wir mit dem Essen fertig waren. Das Brot war noch warm, als Yurij es zusammen mit dem Salat auf dem Tisch im Wohnzimmer anrichtete. Ich brachte ihm die Kutja nach. Danach ging ich nach oben um mich umzuziehen. Meine Entscheidung war nach langem Hin und Her auf eine schwarze, elegante Jeans gefallen, dazu einen roten Stoffgürtel und ein rotes T-Shirt. Darüber trug ich eine graumelierte Sweatjacke mit schwarzem Hahnentritt-Muster. Den Reißverschluss ließ ich offen. Ein Pfeifen ließ mich herumfahren. „Yurij!“ Er grinste. „Hast du mir was rausgelegt?“ „Nein, du meckerst ja immer, wenn ich das tue.“ „Stimmt.“ Er angelte sich eine dunkelblaue Jeans aus dem Schrank, deren Nähte strahlend weiß waren. Dazu suchte er sich einen braunen Pulli mit leichtem V-Ausschnitt aus, der dünne blaue Querstreifen hatte. Darunter zog er ein weißes T-Shirt an. Er patschte sich eine ordentliche Menge Haarschaum ins Haar und entleerte fast eine ganze Dose Haarspray in unserem Schlafzimmer. Wie oft hatte ich ihm schon gesagt, dass er das lassen und ins Bad gehen sollte?! Genervt verdrehte ich die Augen und riss die Fenster auf. Was seine Haare anging, so war Yurij sehr eitel. Immerhin verzichtete er seit einiger Zeit auf seine betonharte Dreiecksfrisur, die er schon damals bei unserer ersten Begegnung getragen hatte. Stattdessen hatte er sie etwas schneiden lassen und sie fielen offen auf seine Schultern hinab. Trotzdem lagen sie ja nie richtig und er musste jedes einzelne Haar stylen, damit alles seine Richtigkeit hatte. Ich schnaubte spöttisch. „Yurij? Yurij, wo bist du, es ist plötzlich Nebel aufgezogen, bist du entführt worden?“ Wie ich es liebte, ihn zu ärgern! „Ha, ha, Kai“, kam es trocken von meinem Liebsten, der auf einem Hocker vor unserem Spiegel saß. Ich legte meine Hände auf seine Schultern. „Gut, dass deine Großmutter noch diesen alten Toilettentisch aus der Kaiserzeit hatte, nicht wahr?“ Ich küsste sein Ohr und knabberte sanft an seinem Ohrläppchen. „Gut, dass sie mir auch Opas Gewehr überlassen hat…“, flötete er unschuldig. „Och Mann, du bist ein Spielverderber.“ „Sagst du…“ Er zog mich auf seinen Schoß und eroberte ohne Gegenwehr meine Lippen. „Wir müssen uns beeilen…“, wisperte ich und küsste seine Augen. Wann hatten wir das letzte Mal Zeit für solche Zärtlichkeiten gehabt?! „Leider“, murrte er und schien meine Liebkosungen zu genießen. Wir rafften uns letztlich auf. Eine Wurst briet sich schließlich nicht von allein! Es klingelte. „Gehst du hin?“, fragte Yurij mich. Er stand in der Küche, vier Pfannen auf dem Herd und passte auf, dass nichts anbrannte. „Die Schürze steht dir ausgezeichnet!“ „Tиха!“ Ich lachte und lief rasch zur Tür, um Sergei und Ivan zu begrüßen. „Ihr seid früh dran!“ „Ja, wir haben extra einen Zug früher genommen. Du kennst ja das Problem mit den Zügen…“ Ich nickte und deutete auf die Garderobe. „Mann, haben wir uns lange nicht mehr gesehen!“ Sergei klopfte mir gönnerhaft auf den Rücken und sprach damit genau das aus, was ich dachte. Er war schon immer der größte von uns allen gewesen, aber jetzt überragte er mich um gut zwei Köpfe, was hieß, dass auch Yurij deutlich kleiner als er sein würde. „Zwei Jahre, um genau zu sein“, stimmte Ivan zu. „In denen du deutlich gewachsen bist, Kleiner!“ Grinsend stand Yurij in der Küchentür, eine Zange in der Hand. Er konnte es sich nicht nehmen lassen sie bei der Begrüßung schon zu foppen. „Yura!“ Sie stürmten auf ihn zu. Natürlich hatten sie zu ihm ein engeres Verhältnis als zu mir. Er hatte ihr Team trainiert und in gewisser Weise war er immer noch ihr Leader. „Hey, tropf nicht mit dem Fett auf den Boden, Feuermelder!“ Das hätte auch von mir kommen können. Ich drehte mich um und dort in der Haustür stand Bryan, wie selbstverständlich, und griente frech. Er gab mir kurz die Hand zur Begrüßung. „Bist du nicht mit den beiden gefahren?“, fragte ich und nahm ihm die Jacke ab. „Doch, aber wir haben uns im Zug verloren. Frag mich nicht, wie das kann.“ Mit einem gekonnten Tritt beförderte er die Tür ins Schloss. Er vergewisserte sich, dass wir – Yurij, er und ich – allein waren. Sergei und Ivan betrachteten im Moment die Jolka. „Ich hab euch etwas mitgebracht“, flüsterte er verschwörerisch. Verdutzt blickten Yurij und ich uns an. Bryan drückte uns ein rechteckiges Päckchen in die Hand. „Für euch – ich würde euch aber nicht raten, es bei Tisch auszupacken…“ Er grinste geheimnisvoll und schritt voran, um Sergei und Ivan zu begrüßen. Yurij schüttelte es neugierig. Gemeinsam öffneten wir es in der Küche, die Neugier war zu groß. „Was zum…?!“ Es verschlug mir die Sprache. Ein Dildo-Set zum Selbermachen?! „Hm… DANKE BRYAN!“; brüllte Yurij durch die Küchentür und grinste mich an. „Ich könnte ja von mir einen Abdruck machen, von meinem…“ Ich schlug ihm die Hand vor den Mund und räumte das Geschenk schleunigst in eine Schublade, in der es nicht so leicht gefunden werden konnte. „Idiot!“ Wir wussten nicht, ob die anderen außer Bryan von unserer Beziehung wussten. Wie bereits gesagt, wir versteckten uns nicht, aber wir gingen damit auch nicht hausieren. Man konnte nie wissen, wie andere Leute dann auf einen reagierten. Wir würden uns heute Abend einfach so wie immer geben. Unsere Freunde kannten uns lange genug. Sie hatten es einfach zu akzeptieren, darin waren wir uns einig. Dennoch war es nicht nötig, dass unsere Gäste dieses spezielle und sehr intime Spielzeug sahen. Zumal wir es ja gerade erst bekommen hatten. Da hörte ich ein Auto vorfahren. „Das wird Tyson sein“, meinte ich und just in dem Augenblick klingelte es. Yurij hauchte mir einen kurzen Kuss in den Nacken, dass ich erschauderte. Doch er hatte sich schon wieder dem Herd zugewandt. Um meine Freunde nicht in der Kälte stehen zu lassen, öffnete ich die Eingangstür. „Es schneit!“ Lachend klopfte Tyson die kleinen Flocken vom Mantel und fuhr sich durchs Haar. Dann umarmte er mich stürmisch und klopfte mir hart auf den Rücken. „Mensch, Kai, altes Haus, danke für die Einladung!“ „Hach, weiße Weihnacht ist immer am schönsten!“, meinte Ray, der nach ihm eintrat. Er war gewachsen und jetzt ebenso groß wie ich. „Schön, dass ihr da seid!“ Ich freute mich ehrlich, sie zu sehen. Als mein Blick nach draußen glitt, staunte ich nicht schlecht. „Wer von euch fährt denn so einen dicken Wagen?“ Es war Tyson, der sich breit grinsend meldete: „Ich. Hab gedacht, das schindet Eindruck.“ „Ja, bei den Nachbarn vielleicht!“ Ich unterließ es, zu erwähnen, dass wir kein Auto besaßen. Wir hatten ein Haus – und Fahrräder waren eh viel gesünder! „Wo ist denn deins?“ „Äh… es sollte… in der… äh… Garage sein?!“ „Ist das nicht unser Rummelschuppen?“, raunte Yurij mir zu, eine Augenbraue hochgezogen. Er war gekommen, um mein ehemaliges Team zu begrüßen. Ich zuckte mit den Schultern. Alle nahmen immer an, dass ich reich sein sollte – wusste der Teufel warum. Nur weil mein Großvater eine riesige Firma leitete? Also, von meinem angeblichen Erbe hatte ich noch nichts gesehen. „Geht ins Wohnzimmer, die anderen sind auch schon da.“ "Wörterbuch" Tиха! – Ruhig! Ruhe! Sei still! Kapitel 6: Kleines Weihnachtswunder ----------------------------------- Russisches Geplauder schlug meinen Freunden entgegen, als sie das Wohnzimmer betraten. Mich empfing eine angenehme Atmosphäre. Der Duft der Orangen hing noch immer im Raum. „Wow, das ist aber ein… geschmückter Baum!“, rief Tyson verblüfft aus. „Aber meint ihr nicht, dass er etwas zu voll ist?“ „Das ist eine Jolka! Und Jolkas sehen nun mal so aus. Und das ist unsere Jolka und unsere Jolka sieht genau so aus!“, verteidigte Yurij seinen Baum. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Lass doch, sie kennen doch die Bräuche nicht.“ Yurij brummte leise und fragte unsere Gäste, was sie trinken mochten. „Erzählt uns doch etwas über Weihnachten in Russland!“ Es war Rays sanfte Stimme, die uns das fragte. Er hatte die Fotos an der Wand betrachtet. Diejenigen aus unserem Urlaub, aber auch Schnappschüsse. Und unsere… nun ja, Yurij betitelte sie gerne als Schmusefotos. Ich wurde ehrlich gesagt etwas nervös. Aber nur etwas. Ray sagte aber auch nichts dazu. Yurij schenkte ihnen allen ein und Spencer ergriff das Wort: „Darüber wissen wir eigentlich nicht viel, denn wir haben wenig von den richtigen Bräuchen kennen gelernt.“ Er nahm den roten Stern in die Hand, der noch auf den Tisch gelegen hatte. Ich sah Yurij an. Warum er ihn nicht weggeschmissen hatte? Auf meine stumme Frage zuckte er mit den Schultern und formte mit den Lippen ein „Vergessen!“. „Aber dieser Stern zum Beispiel… Boris hat ihn oft auf irgendeiner Tanne draußen im Hof platziert.“ Bryan regte sich. Und ich schwöre, das war das erste Mal, dass ich ihn so ernst und gleichzeitig so sanft reden hörte, als er sagte: „Seit der Geburt meiner Zwillinge und dank meiner Frau und meinen Schwiegereltern ist mir Weihnachten eigentlich ziemlich ans Herz gewachsen… Das geb ich ehrlich zu.“ Das verblüffte nun wirklich alle. Uns hatte er eine Karte mit Foto geschickt, vor einem halben Jahr. Er führte ein Bilderbuchleben, man konnte ihn fast beneiden. „Zw-Zwillinge?“, fragte Tyson ungläubig nach. „Herzlichen Glückwunsch!“, kam es von Max und Ray gleichzeitig, und auch Kenny wünschte ihm alles Gute. Bryan errötete leicht. „Wir… wir fahren immer zu Annas Eltern am 6. Januar und übernachten dann da. Also ganz normal eben ein Familienfest…“ Ich lächelte. Bryan hatte so eine liebevolle Frau wie Anna verdient. Es folgte eine kurze Minute der Ruhe, alle ließen Bryans Worte auf sich wirken. „Hmm… Sag mal Kai, wer sind die Leute da?“ „Welche Leute?!“ Ich drehte mich um und sah, dass Kenny auf die Statuen unter dem Baum deutete. Yurij lachte: „Das sind Дед Мороз – was soviel wie Großväterchen Frost bedeutet. Und das Mädchen ist seine Enkelin.“ „Ja und Djet maross kommt auch nicht zu Weihnachten, sondern zu Silvester.“ Jetzt mischten sich auch Ivan und Sergej ein. „An Silvester bekommen alle Geschenke, man verschickt auch Postkarten, das gehört zum guten Ton. Aber an Weihnachten werden nur die Kinder beschenkt.“ „Silvester ist ohnehin der bedeutendere Feiertag“, meinte Sergej, „denn wie das Neujahr beginnt, so ist das ganze Jahr! Das ist Traditionsmeinung in Russland und wir glauben fest dran. Deswegen versuchen wir dieses Fest so gut wie nur möglich zu feiern!“ „Oh ja, ich erinnere mich noch an letztes Jahr! Da hattest du doch diesen selbstgebrannten Wodka mitgebracht…“, begann Ivan aus dem Nähkästchen zu plaudern und alles lauschte gespannt. Wir unterhielten uns lange so. Mein altes Team stellte so viele Fragen, ich konnte mich manchmal nur schwer zusammenreißen, nicht laut loszulachen. Mittlerweile hatte Bryan die Funktion eines Dokumentarfilmkommentators übernommen: „Und bitte beachten Sie: In Russland sind selbst gemachte Feuerwerke – so genannte bombotschki, kleine Bomben - sehr verbreitet. Deswegen seien Sie besonders in der Silvesternacht zwischen 23 und 1 Uhr sehr vorsichtig. Zu dieser Zeit kann das Spazierengehen auf den Strassen besonders gefährlich werden!“ Wir lachten. „Hey, aber ehrlich, unterschätzt die bombotschkis nicht. Die sind wirklich gefährlich“, meinte Yurij abschließend und erhob sich. „Kommt ihr mit? Ich denke, das Essen ist jetzt fertig.“ Wir setzten uns an den großen gedeckten Tisch im Esszimmer. „Wer von euch beiden hat denn den Salat gemacht, der ist echt gut!“, fragte Ray und sah uns erwartungsvoll an. Da mein Schatz keine Anstalten machte, zu antworten, übernahm ich das: „Yurij.“ „Gib mir mal das Rezept, ich möchte den auch mal ausprobieren!“, meinte Ray lächelnd. „Es ist ein ganz normaler Kartoffelsalat“, wehrte Yurij bescheiden ab. Aber es schmeichelte ihm schon, das konnte ich sehen. Plötzlich klingelte es an der Tür. Alle sahen auf. „Erwartet ihr noch jemanden?“ „Nein, eigentlich nicht. Lass nur, ich geh schon“, meinte ich, als Yurij sich zeitgleich mit mir erhob. Ich legte ihm die Hände auf die Schultern und gab ihm einen Kuss auf seinen Scheitel. Unsere Freunde machten große Augen. „Ruf mich, wenn du in Gefahr gerätst!“, witzelte Yurij und sah mir nach. Aber ich winkte nur stumm und ging ratlos zur Haustür, fragte mich, wer uns besuchen wollte. Nichts ahnend öffnete ich also die Tür. „Guten Abend… Ich weiß, es ist Heilig Abend, aber hätten Sie wohl ein bisschen Kleingeld übrig?“ Überrascht drückte ich auf den Schalter für unser Außenlicht. Vor mir stand ein Mann mittleren Alters, braunes Haar und an den Schläfen schon leicht ergraut. Sein auf den ersten Blick sehr ordentlicher Anzug hatte auch schon einmal bessere Zeiten gesehen. Er war zerknittert, an einigen Stellen abgerieben und ausgefranst. „Nun… Wir geben prinzipiell kein Geld, aber wenn Sie möchten, können Sie gerne reinkommen und mit uns essen…“ Er zögerte mit einer Antwort und ich dachte, ich hätte ihn enttäuscht und wollte schon etwas sagen. Da druckste er herum und hinter ihm tauchte eine Frau auf, mit zwei Kindern ihm Arm. „Oh…“, entfuhr es mir. Jetzt stand ich da wie der Ochs vor dem Berg und konnte vor Überraschung nichts erwidern. „Ist was passiert? Du bist ja so lange…“ Yurij trat an mich heran und sein angefangener Satz verlor sich in der Verwirrung. „Wir möchten nicht stören, ich kann Sie ja verstehen. Dann… gehen wir wohl besser.“ „Oni prosili deneg“, erklärte ich Yurij schnell. „Prawda?“ Mein Freund schenkte den Besuchern einen raschen, musternden Blick, dann lächelte er breit und freundlich. „Warten Sie, es ist doch ein schreckliches Wetter hier. Kommen Sie.“ Er trat nach draußen, ging direkt auf die Frau und die Kinder zu und schob sie Richtung Eingang. Ich trat zur Seite. „Kommen Sie, feiern Sie ein bisschen mit uns. Wir teilen gerne.“ Lächelnd half er ihnen aus den Jacken. Beeindruckt von dieser Tatkräftigkeit eiferte ich ihm nach und reichte dem Mann die Hand. „Das wird das Beste sein. Treten Sie ein. Ich bin Kai Hiwatari und das ist mein Freund Yurij Ivanov.“ Er ergriff sie dankbar lächelnd und folgte meinem Beispiel, sich vorzustellen. „Shinji Yattawara. Meine Frau Saya und die Kinder. Yun und Kintaro.“ „Hoch erfreut. Dann werden wir einfach etwas zusammenrücken“, erklärte Yurij frohgemut und ging vor ins Wohnzimmer. „Hallo! Rückt mal etwas zusammen, wir haben noch Gäste bekommen!“, rief Yurij gut gelaunt. Ich fragte mich gerade, ob er wohl schon sehr dem Wein zugesprochen hatte. Aber vielleicht lag das auch einfach nur an diesem Feiertag. Jedenfalls standen unsere Freunde auf, zwar verdutzt, aber sie machten Platz. Yurij und ich holten noch vier zusätzliche Stühle heran. „Das ist uns… äußerst unangenehm“, murmelte Shinji mir zu. Die kleine Familie stand etwas unschlüssig im Raum herum. „Setzen Sie sich erst mal, essen Sie mit uns. Es ist genügend da. Bedienen Sie sich“, bot ich ihnen an. „Beim Essen können wir uns dann auch bekannt machen!“, schlug Yurij vor und ich nickte zustimmend. Nachdem sich die kleine Familie gesetzt hatte, lud ich ihnen von allem auf ihre Teller. Yurij stellte unsere Freunde der Reihe nach vor. Schon, es war etwas befremdlich, aber auch aufregend. Shinji erzählte uns seine Geschichte. Sie hatten eine Wohnung gehabt, doch durch einen dummen Zufall hatte es vor einigen Wochen ein Feuer gegeben. Da er zuvor bei seiner Firma gekündigt worden war und die Hausratversicherung gekündigt hatte, weil sie das Geld brauchten, konnten sie den Schaden nicht ersetzen und saßen auf der Straße. Buchstäblich. Und das schon seit zwei Wochen. „Es ist wirklich nicht schön, auf andere angewiesen zu sein… Man möchte so vieles wieder gut machen, aber weiß nicht, wie…“, erklärte Shinji uns. „Besonders für die Kinder ist es schlimm. Sie gehen noch zur Schule, sind oft bei Freunden, aber auf Dauer ist das auch keine Lösung“, ergänzte seine Frau Saya und sah in Richtung Sofa und Jolka, unter der die beiden Jungen zusammen mit Tyson und Max spielten. Ich folgte ihrem Blick und konnte nur zu gut verstehen, was sie meinte. Ein seltsames Gefühl breitete sich in meiner Brust aus, dasselbe, das ich immer in stillen Momenten habe, wenn ich den Nachrichten zuhöre, die von dem Unrecht auf der Welt berichten. Dann packt mich immer eine unbändige Wut und gleichzeitig so eine Ohnmacht; und wenn ich aus dem Fenster sehe, wenn es draußen stürmisch ist, kommt mir der Gedanke an die Menschen da draußen, die kein Heim haben und so über die Runden kommen müssen. Und dann frage ich mich immer, ob es recht ist, dass ich in meinem gemütlichen warmen Zimmer sitze, in dem ich Strom verbrauche, ohne viel dafür getan zu haben. Ich frage mich dann, ob ich mich genug anstrenge als Student, dass ich diesen ‚Wohlstand’ verdient habe, dass ich die Unterstützung Yurijs und meines Großvaters verdient habe. Denn ich solchen Momenten komme ich mir viel zu faul vor für das Ziel, das ich mir gesetzt habe und denke, dass ich viel mehr tun müsste, mehr lernen, irgendwas, das rechtfertigt, dass ich nicht ebenfalls bei Regen und Wind draußen zurecht kommen muss… „Perestan, paschalusta“, flüsterte Yurij mir ins Ohr. Überrascht sah ich ihn an. „Du grübelst schon wieder“, erklärte er mir, „diesen Blick kenn ich. Lass uns ihnen einfach helfen, indem wir mit ihnen ein schönes Fest feiern.“ „Hey… Du kennst mich ja wirklich!“ „Das sollte ich doch auch nach über 12 Jahren Freundschaft und 2 Jahren Beziehung, meinst du nicht?!“ Er grinste souverän und ich kniff ihm in die Nase. Er war schon wirklich ein toller Kerl! ---- "Wörterbuch" Oni prosili deneg - Sie haben nach Geld gefragt. Prawda? – So? Perestan, paschalusta - Hör auf damit, bitte Kapitel 7: Geschenke oder Eine Schöne Bescherung ------------------------------------------------ „Wollen wir nicht vielleicht etwas singen?“, schlug Ray mit Blick auf die vorgerückte Stunde vor. „Das fänd ich persönlich nämlich sehr schön!“ „Singen?!! Ohne mich!!“, rief Sergei aus und verkreuzte nicht nur abwehrend seine Arme sondern schüttelte auch noch vehement mit dem Kopf. „Ach Serge, an Weihnachten wirst doch auch du mal ne Ausnahme machen können!“, meinte Ivan und lachte. Sergei hasste das Singen, das war uns ehemaligen Demolition Boys nur allzu bekannt. „Na gut. Aber ich kenn nicht so viele Lieder“, lenkte er widerwillig ein. Da erhellte sich plötzlich Rays Mine und er sah mich begeistert an. „Was?!“ Mir war sein Blick nicht geheuer und ich fragte mich, was er von mir wollte. „Lasst uns doch ein Russisches singen! Du hast damals deine Herkunft immer untergebuttert – und ich war so neugierig auf die Sprache und ihr habt uns heute schon so viel von euren Sitten erzählt, oh bitte, bitte, stimmt was an!“ Perplex starrte ich den Schwarzhaarigen an. Dann kratze ich mir kurz die Stirn und grinste dann. „Nein.“ „Nein? Wie Nein?“ „Nein, wir stimmen nichts an. Ihr singt schön mit. Ich hab da noch so ein schönes Liedchen, das kennt ihr alle…“ So stand ich auf und kramte eine Weile in einer Schublade herum, bis ich einen alten Liederband gefunden hatte. Den schlug ich auf und suchte nach Тихая ночь – Stille Nacht. „Bitte sehr, mit Text zum Mitsingen.“ Mein altes Team beugte sich über das Buch. Bryan grinste, als er den Titel las. „Verrückter!“ „Was sind denn das für Hieroglyphen? Das kann ja keiner entziffern! Und da sollen wir mitsingen?! Das geht doch nicht!“, erklärte Tyson verwirrt und kniff die Augen zusammen, als ob er versuchte, die kyrillische Schrift doch noch zu lesen. „Blätter eine Seite um, da steht, wie du das alles aussprechen musst.“ Ich legte eine CD ein, die Stille Nacht als Instrumentalstück abspielte. So kam es, dass wir gemeinsam, die Ex-Demolition Boys und die Ex-Bladebreakers sowie die Yattawaras, unter unserer riesigen Jolka standen und gemeinsam sangen: Тихая ночь, дивная ночь! ДремлетДремлет - всё. Лишь не спит В благоговенье святая Четасвятая Чета - Чудным МладенцемЧудным Младенцем - полны их сердца. Радость в душе их горит. Тихая ночь, дивная ночь! Глас с небес возвестил: " РадуйтесьРадуйтесь - ныне родился Христос, Мир и спасенье всем Он принёс, Свыше вас свет посетил!" Тихая ночь, дивная ночь! К небу нас Бог призвал. О, да откроются наши сердца И да прославятпрославят - Его все устауста - Он нам СпасителяСпасителя - дал ** Es klappte sogar ganz gut! Natürlich gab es zwischendurch einige Lacher wegen kleinerer Patzer, weil es an der Sprache haperte. Aber im Großen und Ganzen konnten wir Muttersprachler uns nicht beschweren. Und auch die beiden Jungs, Yun und Kintaro, schien es Spaß zu machen. Sie hatten nach dem Lied Bryan bestürmt, er möge ihnen doch noch mehr auf Russisch beibringen. Wir stellten noch einige Stühle um den Wohnzimmertisch, an dem wir uns anschließend niederließen. Ich sah Frau Yattawara an. Sie bedachte mich mit einem so dankbaren und liebevollen Blick, dass ich leicht errötend zu Boden schaute. Ray verwickelte sie in ein Gespräch, von dem ich wenig mitbekam. Neben mir saßen Ivan und Yurij, sie unterhielten sich mit Herrn Yattawara über dessen frühere Arbeitsstelle und über Wirtschaftspolitik im Allgemeinen. Ich beobachtete diese kleine Gruppe schweigend, niemand hatte Berührungsängste. Das stimmte mich zufrieden Plötzlich stand Yurij auf und kam eine Weile nicht zurück. Ich goss den anderen noch Wein nach. Da wir nach westlichem Vorbild feierten, kam gleich der Augenblick der Bescherung. Ich vermutete, dass Yurij für unsere zusätzlichen Gäste noch schnell etwas zusammenpackte. Dass er mir etwas schenkte, davon ging ich nicht aus. Für ihn hatte ich eine CD zusammenstellen lassen, mit all seinen Lieblingssongs, mit denen er mir je in den Ohren gelegen oder mit denen er mich geweckt hatte. Sie hatte auch noch ein spezielles Cover: Ein Foto von uns beiden; es dämmerte, ich saß auf seinem Schoß, den Kopf leicht in den Nacken gelegt sah ich ihn voller Liebe an und berührte nur zart seine Wange mit den Fingern, während er zärtlich zu mir hinabblickte, die Arme vor meinem Bauch verschränkt, als deutliche Geste, dass ich ihm gehörte. Ich wusste nicht, wer das Foto geschossen hatte, es musste auf irgendeinem Teamtreffen gewesen sein, in einem Moment, in dem wir das selbst nicht gemerkt hatten. Mir hatte das Bild auf Anhieb gefallen, als ich es auf unserem Rechner entdeckt hatte. Und es machte sich gut als Cover; zusätzlich zierte es der Schriftzug „Radi tebja“ – Für dich. Tyson räusperte sich. Er hatte viel dazu gelernt. „Ich denke, wir können jetzt beginnen, oder?“, fragte er in die Runde. Bekanntlich war nach dem Singen ja der Zeitpunkt für die Bescherung. Die kleine Familie senkte betreten die Köpfe, uns allen war die Situation etwas unangenehm. In dem Moment kehrte Yurij zurück, in der Hand einen großen Sack. Ich fragte mich, wo er den aufgetrieben hatte. Er wandte sich an die Kinder: „Wisst ihr was? Gerade hab ich Väterchen Frost getroffen, und er hat mir etwas für euch mitgegeben…“ Große, rehbraune Augen starrten ihn an, als er den Jungen je ein großes Päckchen in die Hand drückte. Den Eltern überreichte er je einen Umschlag mit einer Weihnachtskarte, einer Packung Pralinen und einer Flasche Wein. Ungeachtet der anderen nickte er mir kurz zu. Er hatte ihnen in den Karten finanziell etwas unter die Arme gegriffen. „Es ist zwar nicht viel, aber ich hoffe, Sie können trotzdem etwas damit anfangen“, meinte er leise zu Yattawara. Dessen Augen strahlten. „Ich danke euch vielmals!“ Seine Augen glitzerten verdächtig, seine Frau wischte sich bereits die ersten dankbaren Tränen von der Wange. Die Kinder öffneten die Klebestreifen am Papier vorsichtig, fast andächtig. Zeitgleich griffen sie hinein und holten einen Karton heraus. Es war ein Blader-Starterset. Oder so etwas Ähnliches. Anscheinend hatte Yurij das Set aus unseren Ersatzteilen zusammengetragen und unsere noch ungenutzten Übungsblades mit hineingepackt. Aufgeregt zeigten sie ihren Eltern ihr neues Eigentum. „Das… das können wir doch gar nicht annehmen!“, stammelte die Mutter verlegen. Yurij, der sich neben mich auf die Armlehne des Sofas gesetzt hatte und sich an mir abstützte, antwortete: „Nehmen Sie es. Es kommt von Herzen.“ Die Jungen rannten auf Yurij zu und umarmten ihn stürmisch, schrieen ihre Dankesrufe hinaus. Danach ging es der Reihe nach. Oder doch alles durcheinander. Ich drückte Yurij irgendwann die eingepackte CD in die Hände. Er sah mich groß an. Dann lächelte er und begann, es auszupacken. Lange starrte er die CD an und ich dachte schon, sie würde ihm nicht gefallen. „Danke Kai.“ Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. War seine Stimme etwa eben belegt gewesen? Lange sah er mir in die Augen und mir wurde ganz warm. Nicht auf die erotische Art, sondern ganz… zufrieden warm. Gerade, als ich etwas erwidern wollte, holte er etwas hinter seinem Rücken hervor. Es war ein kleines Päckchen, hübsch eingewickelt in Geschenkpapier. Er hielt es mir hin. Ich nahm es an mich, es war leicht. Vorsichtig packte ich es aus. Eine weinrote Schatulle. Ich starrte ihn an. „Na los doch, öffne sie!“, drängte Yurij. Er schien nervös. Und ich war es auch. Um uns herum war es still geworden. Jedes Augenpaar war auf uns gerichtet. Die Spannung war greifbar, keiner regte sich. Irgendwie schon unheimlich. Ich klappte den Deckel auf und… Mein Herz schlug einen Salto, mir wurde ganz schlecht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Jurotschka… das… das ist…“ In meiner Hand funkelte ein silberner Ring mit einer kleinen Fassung, die noch leer war. Ich schluckte. Jetzt kniete Yurij auch noch vor mir nieder! Er fasste nach meiner Hand, streichelte mit seinem Daumen leicht über meinen Handrücken. In seinen Augen brannte die Frage, doch sie zu stellen traute er sich wahrscheinlich nicht. „Was… was soll ich sagen… ich…“ Ich war völlig überrumpelt. Mit allem hatte ich gerechnet, aber definitiv nicht damit! „Nun, ich denke, du weißt, welche Antwort ich hören will…“ Das klang zwar selbstbewusst, doch sein Lachen wirkte unsicher. „Ich hab noch keinen Stein einlegen lassen, ich dachte, den suchen wir vielleicht gemeinsam aus…“ Meine Wangen brannten, ich spürte die Blicke der anderen auf mir, die mich anstarrten. Selbst die Kinder trauten sich nicht, einen Mucks von sich zu geben. „Kai…“ Ich sah von dem Ring wieder in Yurijs Augen. „Blau“, sagte ich. Yurij wirkte verwirrt. „Ich will einen blauen Stein.“ „Heißt das…?“ Ich nickte. Ein kurzer Moment verging. Dann nahm Yurij den Ring aus der Halterung und steckte ihn mir mit zitternden Fingern an den linken Ringfinger. Ich betrachtete das silbrige Etwas an meiner Hand. „Ja, ich will…“, flüsterte ich. Jubel und Applaus brach plötzlich aus. Yurij nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich sanft. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und im nächsten Moment hatte er mich schon hochgehoben und drehte sich mit mir vor Freude im Kreis. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge, denn meine Augen juckten verräterisch und das letzte, was ich wollte, war, mich so offen gehen zu lassen und vor den anderen vor Rührung loszuflennen. Yurij wollte, dass ich bei ihm blieb. Sein ganzes Leben lang. Mir wurde ganz flau im Magen. Und dann durchbrach ein Lachen meine Kehle. Ich war glücklich! Für einen Augenblick schien die Welt stillzustehen und nur wir beide waren da. Ich sah Yurij an und wusste: Mit niemandem sonst würde oder könnte ich meinen Lebensweg bestreiten. „Ja ljublju tebja!“ „Ja tebja to4e!“, seufzte er selig und setzte mich schließlich ab. Wir wurden mit Glückwünschen überhäuft, mit denen ich erstmal gar nichts anfangen konnte, weil mein Gehirn sie gar nicht richtig aufnahm. Ich stand einfach nur da und schüttelte jedem die Hand, sah, dass Yurij es ebenso machte, jedoch sehr verlegen und – ich schwöre, das habe ich bei ihm in der Öffentlichkeit noch nie gesehen – mit einem deutlichen Rotschimmer auf den Wangen. Das riss mich aus meiner glückbedingten Betäubung und mir wurde bewusst, dass ich doch nicht träumte. Ich zog ihn zu mir und diesmal war ich es, der in besitzergreifender Art meine Lippen auf die seinen legte… *~**~* "Wörterbuch" Achtung, aufgepasst! Das „Serge“ ziemlich zu Beginn ist nicht etwa ein Tippfehler, sondern ein Kosename, ausgesprochen „Sährdsch“ ;) ** Ach ihr kennt doch das Lied. Ich wollts nur mal einfügen. Perestan, paschalusta“, - Hör auf damit, bitte. Ja ljublju tebja - Ich liebe dich Ja tebja to4e - Ich dich auch Kapitel 8: Herzberührt ---------------------- Ich ließ mich glücklich und hundemüde ins Bett fallen. Yurij kroch zu mir und bettete seinen Kopf auf meiner Brust. Ich spielte mit dem Gedanken, Bryans Geschenk nach oben zu holen und Yurijs Vorschlag entgegenzukommen. Aber wir hatten Gäste. Alle waren über Nacht geblieben und hatten sich im ganzen Haus verteilt. Nur unser Schlafzimmer blieb für uns alleine. Darauf hatten wir nach diesem, wie ich fand, aufregenden Abend aber auch allen Anspruch. „Ich bin so froh, dass du ‚ja’ gesagt hast.“ Nanu, so unsicher kannte ich ihn ja gar nicht! Zärtlich durchforsteten meine Finger sein Haar und entknoteten den letzten Rest des Haarsprays. „Ich dachte, vielleicht wäre es zu früh, sich zu binden und du wolltest das nicht und…“ „Shh…“ Ich legte ihm zwei Finger auf die Lippen. „Egal, was ich sage, es wird sich kitschig anhören.“ „Bitte sag’s trotzdem!“ „Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Wir sind jetzt 22 – und alt genug.“ Das Leuchten in Yurijs Opalen glich einem Sonnenaufgang… „Sie haben es ziemlich gut aufgefasst.“ „Ne andere Möglichkeit blieb ihnen ja auch nicht.“ Seine Augen funkelten immer noch, voller Stolz und Zufriedenheit. Ich lächelte und fuhr mit dem Finger die Konturen seines Gesichts nach. Ich hatte ‚ja’ gesagt. Ich hatte tatsächlich JA gesagt!! Für mich immer noch unfassbar. Ein gutes Gefühl! „Es war toll, wie du mit den Kindern umgegangen bist.“ Yurij rutschte näher an mich heran, nachdem ich das bemerkt hatte, und legte einen Arm um meine Taille. „Das soll doch wohl keine Andeutung sein?“ „Wie?“ „Lass uns mal eins nach dem anderen machen. Erst heiraten und dann Kinder kriegen. Das muss alles seine Ordnung haben!“ Ich lachte und boxte ihm gegen die Schulter. „Nein, das sollte keine Anspielung sein.“ Er zog mich an sich und raunte mir in allen ihm bekannten Sprachen ein ‚Ich liebe dich’ ins Ohr. Ich erschauderte bei jedem neuen Satz. Er hatte ihn wohl extra in vielen verschiedenen Sprachen auswendig gelernt. Irgendwie konnte ich danach nicht schlafen, so aufgewühlt war ich. Nie hätte ich gedacht, dass unsere Beziehung so lange halten würde. Ursprünglich war es nur ein Experiment gewesen. Wir hatten so oft gestritten… Selbst Bryan, der von Anfang an eingeweiht war, hatte uns höchstens zwei Wochen gegeben. Ich war so in meinen Gedanken vertieft und spielte gerade mit einer seiner Strähnen, dass ich vor Schreck zusammenzuckte, als er plötzlich fragte: „Warum eigentlich blau? Ich dachte, rot wäre eher deine Farbe.“ „Das erinnert mich an deine Augen…“, erklärte ich aufrichtig. Ich betrachtete den Ring an meiner Hand. Er war matt und hatte glänzende, nicht mattierte Einkerbungen. „Wir lassen sie auch noch gravieren“, meinte Yurij sanft gegen meine Wange. „So? Was soll denn da stehen?“ „Der Name, so wie du mich immer nennst.“ „Idiot?“ Yurijs Pupillen verengten sich. Er stürzte sich auf mich und kitzelte mich durch. Ich bekam kaum noch Luft vor Lachen. „O-Okay!! Lapatschka, okay?“, jappste ich atemlos und nach Luft schnappend, „Lapatschka in Kyrillisch und das Datum von heute!“ „Klingt schon besser.“ Er küsste mich fordernd, vergrub seine Hand aggressiv in meinem Haar. Wir fochten einen kleinen Kampf aus. Beinahe schmerzvoll saugte er an meiner Zunge. Als er von mir abließ, pochte sie und meine Lippen prickelten und brannten. Ich liebte es, wenn er so herrschsüchtig Besitz von mir ergriff. Yurij sah mich an. Seine Hand streichelte meine, drehte den Ring hin und her. Es hatte ihn wirklich viel Überwindung gekostet. Umso mehr freute es mich, dass er den Mut dazu aufgebracht hatte. Wir brauchten jetzt keine Worte. Was für ein außergewöhnliches Weihnachtsfest. Ich hätte jetzt gerne mit ihm geschlafen. Yurij drehte sich auf den Rücken. „Weißt du, was wir ewig schon nicht mehr gemacht haben?“, fragte er mich leise und sah an die Decke. „Nein, weiß ich nicht.“ „Einen Sonntag mal wieder faulenzen und nur im Bademantel herumlungern.“ Ich lächelte und kuschelte mich eng an seine Seite und bettete den Kopf auf seiner Brust. Das Anhängliche war zwar sonst nicht meine Art, aber ab und zu konnte ich mir das ihm gegenüber erlauben. „Ja. Das sollten wir mal wieder tun…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)