Conerro von Paz (Halbmensch) ================================================================================ Kapitel 1: Eins - Ein Monat --------------------------- „Danke, Pepe.“, sprach Robert dem Erzraben zu, der darauf munter krähte, band den Brief von seinem Bein und schloss wieder das Fenster. Er tapste eilig durch die dunkle, steinerne Küche und öffnete den Brief. An dem langen Eichentisch, der einen Grossteil der kleinen Küche einnahm, saß bereits sein Vater. Er richtete plötzlich seinen starren Blick auf den Brief, anstatt auf den zerlesenen Tagespropheten. Robert holte den ersten Pergamentzettel heraus und begann angespannt und leise zu lesen. Im gleichen Moment trottete Rául die schmale Wendeltreppe hinunter, blieb kurz stehen, als er seinen jüngsten Bruder mit dem Brief sah, und ging schließlich mit großen Schritten auf ihn zu. Robert bemerkte ihn und sah kurz auf, las aber dann weiter. Sein Bruder lehnte sich leicht gegen ihn und las mit gerunzelter Stirn mit. Keiner sagte etwas. Wenige Augenblicke später kam auch der letzte der drei Brüder die Treppe hinunter geschlurft. „War Pepe schon da?“, fragte Rod verträumt, setzte sich an den Tisch und gähnte herzhaft. Plötzlich sprang er auf, als er seine beiden Brüder mit dem Brief sah, und hastete zu ihnen. „Hättet mir auch was sagen können!“, sprach er laut, stellte sich direkt vor Robert und legte sein typisches Grinsen auf. „Ja, wir haben grade gelesen.“, nuschelte er, der mit seinem Blick die letzten Zeilen las. Rául lächelte bereits matt. „Und? Können wir?!“, fragte Rod, hob freuend seine Hände in Brusthöhe und weitete seine strahlenden Augen. „Können wir hin?“ „Jaaah. Aber -“ , setzte Robert an, doch er wurde von Rods überschwänglicher Freude übertönt: er gluckste und sprang in der kleinen Küche auf und ab, grinste über beide Ohren und umarmte kurz seinen jüngsten Bruder. „Ja! Ich hab es gewusst! Wir dürfen nach Hogwarts!“ Selbst Rául, der sich immer im Hintergrund hält, konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, was dann ebenso schnell zu einem breiten Grinsen überging. „Wann geht’s denn los?“, fragte er Robert fieberhaft. „Ich wollt ja eben den zweiten Zettel rausholen.“ Was er auch eifrig tat. „Das steht doch hier.“, sprach Rául und entnahm Robert den ersten Zettel mit der feinen und eleganten Handschrift. „In zwei Wochen ...“, las er. „Am 1. September. Pünktlich um 11 Uhr wird der Hogwarts Express vom Gleis 9 ¾ abfahren. Sie können den üblichen Muggelweg von-“, er ging in ein Murmeln über, der Rest wurde von Robert übertönt, der den zweiten Pergamentzettel in den Händen hielt. „Man, ist das viel.“ „Zeig mal.“, sprach Rod, der sich über den Zettel beugte. „Also hier steht, dass wir Pflichtfächer und Wahlfächer haben.“ Er runzelte die Stirn und überflog ein paar Zeilen. „Die Wahlfächer können wir uns dann Vorort aussuchen. Wir brauchen je einmal die Bücher Verwandlung – Die Zwischenstufen, Lehrbuch der Zaubersprüche, Das Monsterbuch der Monster- “ „Monsterbuch?“, platzte Rod ein und strahlte mit seinen runden kindlichen Augen, worauf Robert ihn ernst ansah. „Ja. Und noch eins. Und noch einen Haufen Schreibmaterialien seh’ ich gerade, aber das meiste dürften wir schon haben.“ Osberto erhob sich von seinem Stuhl, er erreichte trotz seiner Größe von über zwei Metern nicht die Zimmerdecke der dunklen, aber dafür hohen Küche und schwebte förmlich zu ihnen hinüber. „Dad, das geht doch in Ordnung, oder?“, fragte Rod und blickte zu ihm hinauf. „Klar.“, sprach er kurz angebunden und warf ebenfalls einen Blick in die Zettel. „Ich wollt immer schon mal nach Hogwarts.“, murmelte er. „Du kannst ja mitkommen, wenn du willst.“, sagte Robert, und dies nicht einmal widerwillig. Er mag es sogar etwas mit seinem Vater zu unternehmen, der so oft nicht viel vom Familienleben hält. „Es ist ja nicht so, dass ihr das erste mal nach Großbritannien fliegt.“ „Ja aber du kannst uns doch zum Gleis-“, fing er an, doch er stutzte. „Moment. Du meinst, wir sollen alleine fliegen?“ Auch die anderen beiden sahen ihn ungläubig an. In dem Moment scharrte etwas hartnäckig am dem einzigen Fenster dieses Zimmers. Osberto glitt förmlich zum Fenster. „Ja. Für mich alten -“ „Komm schon, so alt bist du nun auch wieder nicht.“, warf Rául ein und grinste. Osberto öffnete das Fenster. Es war einer ihrer zahllosen Raben, die sie wie magisch anzogen. „Es liegt nicht daran, dass ich über achtzig bin.“ In Wahrheit sieht er aus wie Anfang vierzig. „Ich will einfach nicht jedes Jahr tausende von Kilometer mit dem Besen fliegen.“ Die Krähe, die eben noch wie verrückt um Aufmerksamkeit gebettelt hatte, lies sich auf den dünnen Arm seines Besitzers. Osberto lies das Fenster offen stehen, während die Krähe mehr oder weniger aus versehen in seine Finger zwackt, und schaute ausgelassen in den stahlgrauen Himmel. Für einen stillen Augenblick sah es aus, als würde er nachdenken. Es war früher Morgen in Südspanien und irgendwo kreisten ein Dutzend Krähen und Raben über ihr düsteres Haus. Es schien so, als würden sie sich nicht getrauen, in die Küche zu fliegen. Oder ihm auch nur Nahe zu kommen. „Das war’s? Mehr hast du nicht zu sagen?“, sagte Rod plötzlich in die Stille. „Das kann nicht dein Grund sein, uns alleine den langen, kalten, grauen, fahlen, frostigen (er übertreibt gern) Weg nach London fliegen zu lassen. Nicht, dass ich London nicht leiden würde. Aber wir – ganz allein?“ Sein Vater seufzte auf und setzte sich wieder lässig mit der halbwüchsigen Krähe auf der Schulter. Seine kurzen pechschwarzen Haare hingen ihm verschwörerisch über eine Gesichtshälfte. Von irgendwo her spiegelte sich Licht in seine kanariengelben Augen. So saß er da, eingesunken auf dem dünnen Stuhl mit leuchtenden Augen wie das einer verspielten Katze mit übergroßen Pupillen, nur seine verengten sich zu langen Schlitzen. Man wage ihm nicht in solch einer Situation zu widersprechen, obwohl er sonst ein freundlicher Mann ist. Doch es ist Ende August, das Wetter wird ab diesem Monat immer kälter, und wenn es kalt wird, will man lieber nicht einem eingefleischtem Halbraben gegenübertreten. „Ihr solltet euch glücklich schätzen, von Karkaroff auserwählt worden zu sein.“ Er richtete seinen scharfen Blick auf Robert und Rod, die darauf aufzuckten, und sprach nun aufgebrachter: „Entweder hattet ihr beide letztes Jahr wirklich mit der Sache übertrieben, irgendwie an die Kerker mit Krähenflügel- und Augen zu gelangen, dass er euch für ein Jahr loswerden will.“ Robert und Rod sahen sich amüsiert an. „Ja, das war ein Spaß, das Zeug zu verbrennen.“, gackerte Rod. „Man sollte halt nicht so was einlagern.“, grinste Robert und zuckte entrüstet mit den Schultern. „Oder Rául sollte gefördert werden.“, fuhr er fort und seine Stimme legte sich. „Ach, der.“, sprach Robert und machte eine abfällige, aber gut gemeinte Handbewegung. „Mit seinen minus fünf IQ.“ Rod grinste seinem ältesten Bruder entgegen, der ihn darauf kräftig in die Schulter zwackte. „Halt die Klappe.“, entgegnete er Robert herb, aber einen Unterton an Verspieltheit konnte er jedoch nicht unterdrücken. „Wieso hast du mich gekniffen?!“, schrie Rod beinahe. Osberto schüttelte amüsiert den Kopf. „Ihr wisst, was ihr jetzt machen müsst?“, fragte er. Und wieder wurde es still. „Packen.“, sagte Rául leise. Rod und Robert nickten einstimmig. „Wir haben noch einige Sachen zu besorgen.“ „Wissen die anderen in Durmstrang bescheid?“, fragte Robert. „Denk mal schon.“, sagte Rod, der nur mit den Achseln zuckte, als wäre es ihm egal. Er schlurfte Richtung Wendeltreppe und machte eine halbe Drehung an dem eisernen Geländer. „Wir dürfen nach Hogwarts!“ Er lächelte mit seinem typischen Lächeln, welches er immer aufsetzte, wenn etwas wahnsinnig Aufregendes für ihn bevorstand, und polterte die Stufen nach oben. „Ich geh mich mal waschen.“, sprach Robert, legte die Zettel auf den Tisch und schwang sich ebenfalls nach oben. Nach einem kurzen Moment sagte Osberto: „Ich zähl auf dich. Sozusagen ...“, er drehte seinen Kopf leicht zur Seite, als wäre es ihm unangenehm, dies zu sagen. Er überlegte. „Sozusagen bist du für sie ein Ersatz für mich. Und du bist der Erwachsenere von euch.“ Die Krähe flatterte von seiner Schulte und machte einen schwenk zu Rául. „Denkst du wirklich, dass wir klarkommen werden?“, fragte er mit der jungen Krähe auf dem Handrücken und verzog das Gesicht, als sich die Krallen sanft in seine Haut piekten. „Ich meine, wenn es nach mir ginge, würde es keine Probleme geben. Aber die beiden – du kennst sie ja.“ „Wie gesagt.“, sprach sein Vater und stand auf. „Ich zähl auf euch. Ihr kommt schon klar.“ Er lächelte ihn kurz an, dann ging er zum offen stehenden Fenster, blieb aber nicht stehen, um vor bösen blauen Flecken von der Theke vorzubeugen. Stattdessen hinterlies er eine Spur von schwarzer, zäher Masse, die von seinen Beinen tropfte. Innerhalb einer Sekunde verwandelte er sich noch im Gehen in eine Krähe, die bis auf jede einzelne Feder die der von Rául glich, und flog unbeschwert davon. Nun, vielleicht ist es doch für einen Vater schwer, seine Kinder für ein Jahr plötzlich nicht mehr zu sehen. Aber Osberto hält nicht viel vom Familienleben. Und doch liebt er seine Kinder. Er flatterte aus der Küche, aus dem Haus, in die Freiheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)