Die Blutfinke von DeliaDelu ================================================================================ Prolog: -------- Das Haus war voller Wärme und glücklicher Gefühle. Überall hatte Brenda Kerzen aufgestellt. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Tom endlich aus dem Bad kommen würde. Sie hatte schon ruhige Musik aufgelegt und Decken vor dem warmen Kamin ausgebreitet. Danach hatte sie den teuren Wein aus dem Keller geholt. Sie hatte, lange gebraucht, denn sie hatte sich nicht entscheiden können ob es nun roter und doch weißer Wein sein sollte. Alles stand nun bereit, doch Tom war noch immer nicht zurück gekommen. Das Feuer im Kamin prasselte vor sich hin und draußen wütete ein Sturm. Der perfekte Abend für ein romantisches beisammen sein. „Tom?“, rief Brenda laut, doch sie bekam keine Antwort. Die Stille verunsicherte sie. Wieso rief er nicht zurück? „Alles in Ordnung?“, rief sie nun etwas unsicher. Die Stille, die darauf folgte war unangenehm. Langsam ging Brenda die Treppe hoch. Immer langsamer wurde sie. Wieso antwortete ihr Geliebter nicht? Bald stand sie vor der Türe zum Badezimmer. Sie klopfte. Sicher war sie sich nicht, doch drinnen hatte sie es rascheln hören. „Tom, was machst du?“ Brenda bekam keine Antwort. Wieso sagte er nichts? Wollte er sie mit etwas überraschen? Oder war etwas passiert. Unsicher stand Brenda vor der Türe und wusste nicht, was sie tun sollte. „Ich komme jetzt rein“, rief sie. Wieder bekam sie keine Antwort. Dann gab sie sich selbst einen Ruck. Langsam drückte sie die Klinke herunter und öffnete die Türe. Im ersten Moment dachte sie, Tom wäre nicht hier, doch dann ging sie auf den Duschvorhang zu. Sie zögerte. Wieso sagte er nichts? Er hätte doch hören müssen, dass sie herein gekommen war. Langsam schob sie den raschelnden Duschvorhang zur Seite. In der Dusche lag er, vollkommen zerfleischt. Es war kaum noch etwas von ihm zu erkennen. Brende schrie auf. Erschrocken starrte sie auf das, was einmal der Mittelpunkt ihres Lebens gewesen war. Wer hatte ihm dies angetan? Hatten sie Feinde? Warum nur musste so etwas Schreckliches geschehen? Angst überkam sie wie eine große, schwere Welle. Sie bemerkte das offene Fenster. Vielleicht war der Mörder dort hinein geklettert. Brenda zitterte. Sie musste unbedingt den Notruf benachrichtigen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie drehte sich um und wollte gerade das Bad verlassen. Doch dann sah sie etwas im Spiegel, dass ihr den Atem raubte. Wer oder was war dieses Ding? Sie schrie wieder. Gerade wollte sie fort laufen, doch da sprang etwas auf sie zu. Ein Schmerz lief durch ihren Körper. Sie konnte nicht mehr klar denken, doch war es nicht vollkommen egal? Der Anblick von Tom hatte sie so sehr geschockt, dass sie jetzt vielleicht schon Wahnvorstellungen hatte und das Ganze gar nicht echt war. Doch es war echt. Und es dauerte nicht lange, bis sie selbst genauso zerfetzt wie Alex im Bad lag und mit leeren Augen die Decke an zustarren schien. Kapitel 1: Verwunderung ----------------------- Patric saß neben Lizzie auf dem Sofa und studierte die Samstagausgabe. Lizzie kaute auf einem besonders großen Stück Schokolade. „Schau mal, Liz“, Patric hielt ihr die Zeitung hin und tippte mit dem Finger auf einen Artikel, über dem „Entstellte Leiche – Keine Hinweise“ stand. „Ja und?“, fragte Lizzie, „es wird doch immer irgendwer umgebracht. Natürlich ist das schrecklich. Aber leider nicht ungewöhnlich.“ „Natürlich nicht“, sagte Patric, „aber das ist jetzt schon das fünfte Mal innerhalb der letzten Wochen, dass ich so etwas lese.“ „Meinst du die Morde hängen zusammen?“, fragte sie. „Vielleicht. Es ist doch sehr auffällig, findest du nicht?“ Sie nickte langsam. Damit war für sie das Thema gegessen. Patric aber konnte nicht damit aufhören sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Er studierte jeden Tag die Zeitung, schnitt Artikel aus, auch solche, die auf den ersten Blick nichts damit zu tun hatten, aber man wusste ja nie. Seine Freundin Lizzie störte das nicht. Hauptsache er vergaß nicht seine Aufgaben im Haushalt und mit dem Hund hinaus zu gehen. Aber sie kannte ihren Pat gut genug um zu wissen, dass er es nicht vergessen würde. Er war einfach ein besonders lieber Mensch. Sie lächelte. Wieso sollte sie ihrem Geliebten vorschreiben, womit er seine Freizeit verbrachte? Er mochte nun einmal Geheimnisse. Hätte sie gewusst, was noch geschehen würde, hätte sie sicherlich anders reagiert. An einem kalten, noch dunklen Morgen ging Patric wie jeden Tag zur Arbeit. Er liebte die Ruhe jeden Morgen und war froh, dass es nicht zu weit war zu seinem Büro. Er hatte es nicht besonders eilig und ließ sich Zeit. Langsam schritt er vorbei an Geschäften, Wohnhäusern, Gärten. Als er durch den Park ging, fiel ihm ein kleines Mädchen auf. Sie stand vor einer leeren Parkbank und starrte vor sich hin. Niemand sonst war zu sehen. Hatte die Kleine sich verlaufen? Langsam ging Patric auf sie zu und sprach sie an: „Guten Morgen, geht es dir gut?“ Er blieb stehen, wollte ihr nicht zu nahe kommen, denn er wusste selbst wie unangenehm das sein konnte. Das Mädchen antwortete nicht. Patric wartete einen Moment, bis er sie wieder ansprach. „Geht es dir gut? Kannst du mich verstehen?“. Es dauerte eine Weile, bis die Kleine sich umdrehte. Sie nickte langsam. Ihr Gesicht war nass, sie hatte geweint. „Was ist los?“ Patric wusste nicht recht was er tun sollte. Sie schluchzte. „Hey, was ist denn los? Vielleicht kann ich dir helfen?“ Eine Träne rollte ihre Wange hinab. „Ich bin so allein. Meine Mama hat nie Zeit für mich“, sie schluchzte bei diesen Worten. „Möchtest du dich ein wenig mit mir unterhalten? Wir könnten uns setzen..“ Patric setzte sich auf die Bank und nach kurzem Zögern setzte sich auch das Mädchen. „Wie heißt du denn? Ich bin Patric.“ „Betty“, sagte die Kleine, „weist du, ich bin immer so viel alleine. Niemand hat Zeit für mich.“ Plötzlich sprudelte es alles aus ihr heraus, das ihre Mutter wenig Zeit hatte, dass sie wenige Freunde hatte und dass sie das Gefühl hatte, es wäre niemand für sie da. Leider wurde es langsam spät und Patric erklärte ihr, dass er leider los musste, aber er versprach, dass sie sich beide wieder treffen könnten. Sie war sichtlich erfreut über dieses Angebot. Und auch Patric fühlte sich gut dabei. War er früher nicht auch viel allein gewesen? Jetzt könnte er diesem Mädchen helfen, dass sie es nicht ganz so schwer hatte. Am Abend erzählte er Lizzie von der kleinen Betty. „Immer diese Eltern, die keine Zeit für ihre Kinder haben“, seufzte sie, „lieb von dir, dass du dich um die Kleine kümmerst. Soll ich ein paar Kekse backen? Dann kannst du ihr morgen welche mitbringen.“ „Sie würde sich sicher darüber freuen.“ Und er hatte recht. Das Grinsen auf Bettys Gesicht zeigte deutlich, dass sie damit nicht gerechnet hatte. Sie hatten sich in Patrics Mittagspause im Park verabredet. „Wer hat diese tollen Kekse gebacken?“, fragte Betty und Patric erzählte ihr von Lizzie und wie toll sie backen konnte. Betty war begeistert. „Kommt Lizzie auch hier her in den Park?“, fragte sie. „Bestimmt am Wochenende“, lachte Patric. Er freute sich so darüber, dass es Betty besser ging und hoffte sie würde nicht allzu sehr enttäuscht sein, wenn er wieder gehen musste. Kapitel 2: Nachforschungen -------------------------- Später im Büro fiel ihm wieder ein, dass er sich ein wenig schlau machen wollte, wegen den vielen Morden in letzter Zeit. Nach der Arbeit ging er zu seinem Freund Daniel, der Fotograf bei einer Tageszeitung war. Glücklicherweise war dieser auch zu Hause. „Hey Patric, lange nicht gesehen. Wie geht es dir?“, begrüßte Daniel seinen Freund. „Mir geht’s soweit gut. Ich habe leider ziemlich viel zu tun. Ich wollte kurz mit dir reden, wegen diesen seltsamen Todesfällen in letzter Zeit.“ „Was genu meinst du“, fragte Daniel verwundert. „Du weist schon“, erklärte Patric, „all die kaum noch erkennbaren Leichen.“ „Achso das“, Daniel wurde nachdenklich, „komm rein.“ Sie setzten sich in das helle Wohnzimmer. „Du weist, dass ich nur Fotos mache aber ab und zu auch mehr aus der Redaktion mitbekomme. Aber bisher weiß noch niemand genau was das ganze soll. Wir sind ziemlich ratlos. Die Opfer sehen schlimm aus, total zerfetzt.“ „Hast du eine Ahnung was dahinter stecken könnte?“, fragte Patric. Daniel überlegte. „Ich weiß es nicht genau. Aber ein Opfer habe ich selber gesehen“, erzählte Daniel langsam und Patric konnte sehen, dass ihm nicht wohl bei der Erinnerung daran war, „ich kam gerade an, als sie ihn aus dem Haus schafften. Ich sollte ein Foto von ihm machen, also durfte ich ihn kurz sehen, bevor er wieder zugedeckt und fortgefahren wurde. Das was ich gesehen habe, war kaum noch als Mensch erkennbar. Es war ekelhaft und mir wurde auf einmal so übel, dass ich wegsehen musste. Ich habe schnell das Foto gemacht und es später dem Ermittlungsteam zukommen lassen. Dann habe ich versucht die ganze Sache möglichst schnell zu vergessen. Es war wirklich abartig.“ Sie schwiegen beide. Patric wusste, dass Daniel schon einige Dinge zu Gesicht bekommen hatte. Eigentlich war er abgehärtet, weil er schon so viele Leichen gesehen hatte. So viele schreckliche Bilder wie er schon gesehen hatte. Und dennoch brachte ihn diese eine Sache scheinbar total außer Fassung. Es musste wirklich sehr schrecklich sein. „Ich würde selbst gerne wissen, wer so etwas macht. Sobald ich mehr weiß, werde ich dir Bescheid sagen, in Ordnung?“ Patric nickte. „Das ist sehr nett von dir. Ich weiß ja, dass du manches nicht weitersagen kannst. Aber mich beschäftigen all diese Todesfälle in letzter Zeit sehr und ich würde einfach gerne wissen, was da vor sich geht.“ Daniel nickte. „Natürlich! Wer möchte das nicht?“ Sie unterhielten sich noch eine Weile über dies und das. Doch ihre Stimmung war gedrückt. Auch wenn sie über lustige und nette Dinge sprachen, dachten sie doch beide an etwas ganz anderes. Es war schon recht spät, als Patric nach Hause ging. Als er durch die dunklen, stillen Straßen ging stellte er sich vor, wie Jemand plötzlich auf ihn zu springen und zerfetzen würde. Er schüttelte sich. Was für eine unangenehme Vorstellung. Er wollte unbedingt wissen, wieso ein Mensch so etwas tun musste. Was ging in einem solchen Mörder vor sich? Und was hatte er für ein Motiv? Mordete er wahllos oder wählte er sich bestimmte Opfer aus? Patric versuchte all diese düsteren Gedanken zur Seite zu schieben. Er konnte nicht pausenlos über so etwas nachdenken. Dann würde er noch ganz verrückt werden. Es gab auch noch genügend schöne Dinge auf dieser Welt. Daran musste er denken! Kapitel 3: Schreie ------------------ Sie trug ein schneeweißes Kleid. Ihre blonden Haare flossen den Rücken hinab und die himmelblauen Augen waren voller Freude. Es waren nur wenige Schritte und er würde sie sehen. Sie würde ihn küssen und dann würden sie ein wunderschönes Wochenende zusammen bei ihm verbringen. Sie klingelte. Unruhig trippelte sie ein wenig hin und her. Sie klingelte erneut und wurde langsam ungeduldig. Nichts regte sich. Scheinbar war er noch nicht zu Hause. Zum Glück hatte sie die Zweitschlüssel. Sie kramte in ihrer kleinen, ebenfalls schneeweißen Handtasche nach dem Schlüssel. Endlich hatte sie ihn gefunden und schloss ungeduldig auf. Langsam betrat sie die Wohnung. Nun hatte sie die Möglichkeit ein paar Kerzen aufzustellen und es gemütlich zu machen. Man musste doch immer irgendwo das Positive sehen, dachte sie sich und lächelte, denn er sagte das immer zu ihr. Sie ging ins Schlafzimmer und setzte sich kurz aufs Bett. Erst einmal durch atmen. Sie war so aufgeregt und freute sich wahnsinnig. Eine Weile saß sie dort und überlegte was sie noch alles tun konnte. Über was würde er sich an diesem besonderen Tag freuen? Plötzlich hörte sie ein leises Knarren. Oder war das nur Einbildung gewesen? Sie traute sich nicht, sich um zudrehen, denn sie war ein ängstlicher Mensch. Stattdessen lauschte sie. Wieso hatte sie das Licht nicht angemacht? Nur wenige Licht floss vom Flur aus ins Zimmer und durch das Fenster hinter ihr kam nur Dämmerlicht. Die Sonne ging gerade unter und färbte das Licht rötlich. Sie schalt sich in Gedanken, dass sie zu faul gewesen war, das Licht an zuschalten. Langsam stand sie auf. Angst kroch in ihr hoch. „Verdammt, ich möchte doch nur das Licht einschalten“, sagte sie laut. Ihre Stimme klang fremd und sie zuckte zusammen. Dann schüttelte sie den Kopf. Wie konnte man nur so ängstlich sein? Was sollte schon passieren? Langsam ging sie zum Lichtschalter. Erst nachdem sie das Licht angeschaltet hatte, drehte sie sich um. Kühler Wind umfing sie. Wieso war das Fenster auf? Sie taumelte wenige Schritte zurück. Unterm Bett raschelte es. Sie zitterte, nahm dann allen Mut zusammen und ging auf das Fenster zu. Noch bevor sie an ihrem Ziel angekommen war, ertönte ein Rauschen und wenige Sekunden später war das Zimmer voller kleiner Vögel. Sie kreischte. Die Vögel stürzten sich auf sie. Hatten sie etwa Tollwut? Ihr Kleid wurde von Krallen und Schnäbeln zerfetzt. Sie wollte hinaus rennen, doch sie konnte nichts sehen. Überall Flügel, schwarze Äuglein, dünne Beinchen und gefährliche Krallen und Schnäbel. Sie stürzte und schlug mit dem Kopf auf. Alles wurde schwarz. Das Letzte was sie sah, war ein Wesen, dass unterm Bett hervor kroch. Ganz langsam kam es auf sie zu. Sie konnte es nicht genau erkennen. Doch der Ausdruck in den Augen war zum Fürchten. Er schrie, als er sie sah, vollkommen zerfetzt. Das weiße Kleid war mit blutroten Flecken gesprenkelt. „Neiiiinnnnnn“, brüllte er verzweifelt und konnte es nicht fassen. Er zitterte am ganzen Körper. Wer hatte ihr das angetan? Er konnte nicht klar denken. Er konnte es einfach nicht fassen. Träumte er nur? Nein! Das war kein Traum. Verzweifelt kniete er sich neben sie. Doch ihm blieb keine Zeit für Trauer. Noch bevor er etwas unternehmen konnte versteinerte er und starrte dieses fremde Etwas an. Es stieß einen Pfiff aus und kurz darauf, war auch er umgeben von Vögeln. Dieses Wesen, dieser irre Blick und diese seltsamen Flügel.. Kapitel 4: Besorgnis -------------------- Patric sprach mit Lizzie über den Besuch bei Daniel und auch sie war beunruhigt. „Ich denke du solltest dich ein wenig zurückhalten“, meinte sie, „ich kenne dich ziemlich gut und ich weiß, dass diese Sache dich sehr beschäftigt und du am liebsten Detektiv spielen würdest. Aber ich möchte nicht, dass du auch als Opfer endest. Also bitte passe auf dich auf und halte dich ein wenig zurück!“ Er sagte dazu nichts. Wie sollte er sich da zurückhalten? Er würde vorsichtig sein, aber er konnte die Sache nicht vergessen. Was wenn aus irgend einem Grund er oder Lizzie als Nächstes dran waren und plötzlich zerfetzt im Wohnzimmer liegen würden? Das durfte auf keinen Fall passieren. „Was meinst du wieso immer zwei Menschen zusammen umgebracht werden?“, fragte er Lizzie. Sie zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht“, sagte sie, „aber ich mache mir Sorgen. Was wenn jemand unserer Freunde als nächstes umgebracht wird? Ich frage mich wieso bisher niemand herausgefunden hat, wer der Mörder ist. Das so ein Mensch frei herumläuft beunruhigt doch alle, oder nicht?“ Patric nickte. Sicherlich waren einige Menschen besorgt, doch was sollten sie machen? Schließlich konnten sie sich nicht selbst auf die Suche nach dem Mörder machen. „Eigentlich sehr beängstigend zu wissen, dass man selbst nichts tun kann und darauf angewiesen ist, dass sich andere darum kümmern, oder?“, fragte Patric, „wir können nur jeden Tag die Zeitung lesen und uns wünschen, dass wir bald die Nachricht von der Entdeckung des Mörders lesen können.“ Lizzie nickte und hoffte insgeheim, dass er wirklich nichts unternehmen würde. Wenn er anfing dem Mörder hinterher zu schnüffeln würde er als Nächstes an der Reihe sein. „Kümmere dich mal lieber um deine Arbeit“, sagte Lizzie, „um Mordfälle kümmern sich schon andere Menschen.“ Sie versuchte zu grinsen, doch es gelang ihr nicht. Die Sache war ihr irgendwie unheimlich. Kapitel 5: Erpressung --------------------- Alex saß im dunklen Garten und wartete. Er wusste nicht genau wann sie kommen würde, doch er hatte Zeit. Er würde ihr einen riesigen Schrecken einjagen, den sie nicht so schnell vergessen könnte. Er grinste beim Gedanken daran. Er liebte es, andere zu beherrschen. Mit Menschen konnte man so einiges anstellen, wenn sie schwach waren. Und die hübsche Mia war so schwach und sehr leicht zu beherrschen. Plötzlich sah er, dass das Licht im Haus an gegangen war. Er rieb sich die Hände. Sie war endlich nach Hause gekommen. Langsam stand er auf und ging zur Hintertüre. Er klopfte. Nichts geschah. Sicherlich hatte sie Angst, dass er es sein könnte. Er grinste und stellte sich ihr verängstigtes Gesicht vor. Die Erinnerungen an all die Momente, in denen sie angefangen hatte zu zittern waren wunderbar. Er klopfte wieder. Dann hörte er, wie sich leise Schritte näherten. Beinahe konnte er ihre Wärme hinter der Türe spüren. „Wer ist da?“, fragte sie leise, „bist du es Gerald?“ „Ja, Schätzchen“, sagte Alex. Er wusste zum Glück wie Geralds Stimme klang und konnte sie recht gut imitieren. Außerdem kam ihm zugute, dass man durch die dicke Türe nicht besonders gut hören konnte. Das Glück war scheinbar auf seiner Seite. Die Türe öffnete sich. Mit einem Satz sprang Alex in das Haus und warf die Tür zu. Eine total verängstigte Mia stand vor ihm. Sie zitterte, als sie sah wen sie herein gelassen hatte. „Bitte tu mir nichts an“, wimmerte sie, „bitte lass mich endlich in Frieden. Du hast schon etwas Böses in dieses Haus gebracht. Lass mich allein! Lass mich endlich in Frieden!“ „Keine Angst, meine Hübsche. Ich tue dir doch nichts. Weist du, ich kann auch ganz sanft sein.“ Er kam immer näher. In ihre Augen war Entsetzen zu sehen. „Ich werde dich erst dann in Ruhe lassen, wenn du meine Frau bist, Mia. Werde meine Frau und der Albtraum endet für dich. Komm, sei eine Heldin! Du darfst entscheiden, ob dein Geliebter Gerald leben wird oder nicht. Weist du, er könnte zufällig einen grausamen Tod erleiden!“ „Nein“, jammerte sie, „bitte nicht. Lass Gerald da raus.“ „Oh, das kann ich nicht, meine Liebe“, flüsterte Alex, „denn er gehört schon längst mit dazu Er ist mir in die Quere gekommen, er hat das bekommen, was ich nicht bekommen konnte. Er nimmt mir meinen Preis für all die Mühen, die ich mir machte. Glaubst du nicht auch, dass ich mehr verdient habe? Also, für was entscheidest du dich? Für mich, oder für Gerald? Bedenke, dass deine Entscheidung Folgen haben wird!“ Mia zitterte und heulte. Was sollte sie nur tun? Sie konnte nicht zulassen, dass Gerald umgebracht würde. Aber sie wollte auch nicht für immer das Opfer sein. Alex hatte schon viel zu viel angerichtet. Er hatte ihr ein böses Geschenk gemacht. Es war mehr ein Fluch als ein Geschenk. Und sie konnte es nicht los werden, weil sie zu schwach war und es nicht fertig brachte. Doch jeden Tag spürte sie, wie das Böse von diesem kleinen Ding ausging und sie hasste es immer mehr und mehr. „Ich lasse mich nicht von dir unterdrücken“, flüsterte sie. „Wie du meinst“, sagte Alex und grinste sie an, „aber du weist ganz genau, dass du am Ende doch meine Frau werden wirst.“ Er zog sie an sich und ignorierte ihr Jaulen. „Bald wirst du dich damit zufrieden geben. Und du wirst mich lieben und verehren.“ Sie wand sich in seinen Armen, doch er ignorierte es und hielt sie nur noch fester. „Bis bald meine Süße“, säuselte er ihr ins Ohr und ließ sie los. Wie eine Puppe fiel die hübsche Mia zu Boden. Ein Spielzeug, dass weggeworfen wurde. Sie bewegte sich nicht und wartete bis er aus der Tür verschwunden war und bis die Schritte draußen im Garten verklungen waren. Kapitel 6: Freude ----------------- „Ihr habt aber ein schönes Haus“, staunte Betty und betrachtete voller Erstaunen die Bilder an der Wand, die hübschen Kerzenständer und das gemütliche Sofa. Solch eine Wärme strahlte das ganze aus. Das gelbe Kerzenlicht sorgte für eine angenehme Stimmung und sie freundlichen Gesichter von Patric und Lizzie taten ihr übriges. „Ihr beide seid so lieb, dass ich zu euch kommen darf“, rief Betty und hüpfte durchs Wohnzimmer. Lizzie grinste Patric an und er strahlte zurück. Es war so schön der Kleinen dabei zuzusehen, wie sie sich freute. Sie schaute sonst immer so traurig drein. Gerne hätte Patric sie noch mehr gefragt. Wieso ihre Mutter keine Zeit für sie hatte, wo sie eigentlich wohnte und wieso ihre Mutter sich angeblich keine Sorgen um sie machte. Doch er schwieg. Er konnte diesen schönen Moment nicht einfach zerstören. „Hör mal Betty“, begann Lizzie, „wir haben dich gerne hier bei uns, aber wir wollen nicht, dass sich deine Mutter sorgen macht. Kannst du uns nicht deine Telefonnummer sagen? Dann können wir sie anrufen und Bescheid geben.“ Betty hielt inne und schien zu überlegen. „Aber ich habe ihr schon gesagt, dass ich bei euch gut aufgehoben bin. Sie macht sich ganz sicher keine Sorgen, wirklich“, mit großen Kinderaugen sah die Lizzie an, „wirklich nicht, Liz!“ Lizzie seufzte. Was sollte sie da noch sagen? Auch Patric sagte nichts. Betty wirkte nicht so, als würde sich niemand um sie kümmern. Sie trug immer eure Kleidung und sah recht sauber aus, für ein kleines Mädchen, das allein Draußen umher lief. Sie war auch nicht zu dünn, also bekam sie auch genügend zu essen. Wieso aber war es ihr unangenehm über ihre Mutter zu sprechen? Hatte sie Angst vor irgendetwas? „Hey Pat“, Betty holte ihn wieder aus seinen Gedanken und zupfte ihn am Ärmel, „wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt, du und Liz?“ Er grinste. Was Kinder immer alles so wissen wollten. Er sah zu Lizzie, die ihm ein warmes Lächeln schenkte. „Weist du, ich glaube Liz kann dir das besser erklären“,er beugte sich zu Betty hinunter, „Frauen können das irgendwie besser.“ Er zwinkerte ihr zu und Lizzie lachte. Betty hüpfte zu ihr, setzte sich auf ihren Schoß und sah sie erwartungsvoll an. „Es war an einem ganz schönen Tag im Herbst“, begann Lizzie, „ich war im Wald unterwegs um ein wenig zu spazieren. Da kam auf einmal ein Hund aus dem Gebüsch auf mich zu gerannt. Er sprang um mich herum und wollte wohl gestreichelt werden. Da tat ich ihm diesen Gefallen und ich glaube er hat es sehr genossen.“ Lizzie zwinkerte Betty zu und diese Lachte hell auf. „Und was passierte dann“, fragte Betty ungeduldig. Lizzie erzählte weiter: „Bad kam dann ein hübscher Mann auf mich zu und grinste mich so süß an, dass ich nicht wegsehen konnte. Ihm gehörte der Hund, weist du.“ „Und das war Pat?“, fragte Betty. Lizzie nickte. „Genau. Und so haben wir uns dann kennen gelernt. Das ist aber schon ein paar Jahre her.“ Wie auf ein Kommando kam Lines schwanzwedelnd angelaufen. „Wie süüüüüß“, quietschte Betty und stürzte sich auf den mittelgroßen, völlig verdutzt drein blickenden Hund. Pat schaute zu Lizzie und zwinkerte ihr zu. „Ich wusste gar nicht, dass ihr einen Hund habt“, sagte Betty und streichelte Lines begeistert. „Ich nehme ihn ja nicht mit zur Arbeit“, lachte Patric, „deswegen hatte ich ihn morgens nie mit dabei.“ „Ach so“, sagte Betty. Inzwischen war es schon spät geworden. Draußen war es schon dunkel. „So, ich glaube aber du musst jetzt nach Hause“, sagte Patric bestimmt, „ich bringe dich schnell mit dem Auto hin. In Ordnung?“ „Schade, sagte Betty, „ich wäre sehr gerne noch länger geblieben. Kann ich nicht einmal bei euch übernachten?“ „Vielleicht ein anderes Mal“, tröstete Lizzie, „aber das müssen wir dann mit deiner Mama besprechen. Heute musst du auf jeden Fall noch nach Hause. Wir sehen uns ja bestimmt bald wieder.“ Betty schaute traurig zu Boden und sie schaute noch immer traurig drein, als Patric sie vor einem großen Haus absetzte. Kapitel 7: Angst ---------------- Gerald saß in seinem Büro und starrte auf den Monitor. Es war schon spät, doch er musste noch einige Dinge erledigen. Er war ein Arbeitstier und würde sonst heute nicht mehr zur Ruhe kommen, bis er alles erledigt hatte. Er seufzte. Wieso konnte er nicht einfach zu seiner Freundin gehen und an sie denken? Wieso konnte er sich nicht einfach von der Arbeit losreißen? Mit einem Ruck stand er auf. Er musste zu ihr und sich um sie kümmern. Das war viel wichtiger! Sie brauchte ihn mehr als alles andere. Und er musste für sie da sein! Gerald schaltete den Computer aus und legte die Papiere, die überall auf seinem Schreibtisch lagen, auf einen Stapel. Dann holte er seinen Mantel von der Garderobe. Bis auf ihn waren schon alle Mitarbeiter gegangen. Nur er hatte mal wieder so lange gearbeitet. Er schaltete das Licht in seinem Büro aus und Schloss die Türe. Da hörte er ein Geräusch. Schritte. Ganz langsam, leise Schritte. Er hielt inne und horchte. Jemand war doch noch im Büro. „Hallo“, sagte er, „wer ist noch da?“ Seine Stimme klang seltsam Laut in der Stille. Er bekam keine Antwort. „Hallo?“, fragte er noch einmal. Seine Stimme klang fremd und er zuckte beim sprechen zusammen. Daran war nur die Arbeit schuld. Er war überarbeitet und schon vollkommen verrückt. Wahrscheinlich hatte er sich die Schritte nur eingebildet. Er ging durch den Flur zum Treppenhaus. Da hörte er wieder die Schritte. Sofort blieb er stehen. Wer konnte das nur sein? Ein kalter Schauer ließ ihn zittern. Plötzlich ertönte in die Stille hinein ein klingeln. Erschrocken schrie er auf und sprang einen Schritt zurück. Es war nur sein Handy. Vollkommen fertig stand er da und war zu verwirrt um noch irgendetwas zu verstehen. Er stand einfach nur da und versuchte wieder ruhiger zu werden. Das Handy hörte nicht auf zu klingeln, doch er ging nicht ran. Das Klingeln verstummte. Er atmete tief durch. Langsam beruhigte sich sein Puls. Er ging weiter. Er ärgerte sich darüber, dass er erst das Licht im Treppenhaus anschaltete und dann erst das Licht im dunklen Flur ausschaltete. Es war doch albern. Was sollte ihm schon passieren? Langsam ging er die Treppe hinunter. Da fiel ihm plötzlich ein, dass er seinen Autoschlüssel im Büro auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. Er fluchte und lief die Treppe hinauf wieder zurück. Schnell nahm er seinen Schlüssel und wollte zurück durch den Flur ins Treppenhaus laufen, als er wieder Schritte hörte. „Verdammt, wer ist da?“, rief er genervt und blieb stehen. Niemand antwortete. Langsam wurde er wütend. Bestimmt schritt er durch den Flur. Das Treppenhaus war plötzlich stockdunkel. Er betätigte den Lichtschalter, doch es geschah nichts. Es blieb finster. Das Klingeln seines Handys ließ ihn zusammen zucken. Es dauerte einen Moment, bis er den Anruf entgegen nahm. „Hallo?“ Am anderen Ende hörte er jemanden atmen. „wer ist da?“ Wieder hörte er nur das Atmen. Gerade wollte er verärgert auflegen, als eine Stimme mit heiserer Stimme sprach: „Hast du Angst?“ Verwirrt schaute Gerald sich um. Er fühlte sich beobachtet. Plötzlich ging auch das Licht im Flur aus. Es war finster und er konnte nicht viel erkennen. „Na, wie fühlt sich das an?“, hauchte die Stimme. Gerald antwortete nicht. Dazu war er nicht mehr imstande. Er hatte nur noch Angst. Sie Körper war wie gelähmt und wollte ihm nicht mehr gehorchen. „Weist du“, krächzte die Stimme in sein Ohr, „es gibt Menschen, die denken nur an Andere und es gibt Menschen, die denken nur an sich. Deine Freundin Mia, sie gehört zu der zweiten Kategorie.“ Mia! Der Fremde kannte seine Mia! „Was hast du mit ihr gemacht?“, fragte Gerald mutig. Die Stimme lachte. „Ihr geht es gut. Weist du, sie hat sich schon daran gewöhnt, dass böse Mädchen bestraft werden. Aber sie wird sich bessern, das verspreche ich dir. Ihr wird es gut gehen. Das Einzige was noch nicht zurecht gerückt ist, werde ich jetzt wieder ordnen.“ Die Stimme lachte leise voller Begierde. Oh ja, er hatte Spaß an diesem Spielchen. Sein Körper zitterte auch, doch eher voller Freude, wenn er daran dachte wie sehr Gerald jetzt litt und vor Angst nichts tun konnte. Wie recht er hatte. Gerald schwitze und zitterte. Er hatte das Gefühl seinen Verstand zu verlieren. Er konnte nicht mehr klar denken. Langsam löste sich die Blockade in seinem Körper und er konnte sich wieder bewegen. Doch der Weg nach Draußen führte durchs dunkle Treppenhaus. Er wusste nicht, wo der fremde Anrufer sich gerade aufhielt. Womöglich lauerte er ihm irgendwo hinter einer dunklen Ecke auf. Doch hier stehen bleiben konnte Gerald nicht, also lief er los, durch Treppenhaus nach unten. Im Laufen warf er sein Handy weg, doch das unheimliche Lachen des Anrufers blieb ihm noch im Ohr. Er konnte es einfach nicht fort schicken. In seinem Ohr klang das Lachen immer weiter und weiter und wurde immer lauter und lauter. Gerald presste sich beide Hände auf die Ohren, denn er konnte das Lachen darin nicht länger ertragen. Gerald Bewegungen waren unkontrolliert, ruckartig und hastig. Er wollte nur fort von hier. Er stolperte durchs Treppenhaus, fiel beinahe hin, fing sich wieder und stolperte weiter. Das Lachen in seinem Ohr machte ihn fast wahnsinnig. Wieso hörte es nicht einfach auf? Es hallte immer lauter, kam in Wellen heran und wurde tausendfach zurückgeworfen. Wie ein höllisches Echo wurde es immer bösartiger und lauter, machte ihn vollkommen verrückt. Als er endlich verstanden hatte was vor sich ging, war es bereits zu spät. Das Echo war keine Wahnvorstellung. Es war nicht Ursprung seiner wirren Gedanken. Es dran nicht aus seinem eigenen Kopf zu ihm. Gerald konnte es wirklich hören, mit seinen Ohren wahrnehmen. Der gruslige Anrufer war im Treppenhaus. Irgendwo stand er und lachte immer lauter und lauter. Wie ein Irrer. Vielleicht hatte er die Tollwut, schoss es Gerald durch den Kopf. Und dann plötzlich spürte er, wie der Fremde näher kam. Sein Lachen hallte Laut durch Treppenhaus und war so laut, dass Gerald sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Eine Hand schoss aus der Dunkelheit auf ihn zu ihn würgte ihn. „Sag mir, wie hast du ihr deine Liebe aufgezwungen, dass die dich auch liebt? Sag mir wie?“, die Stimme war so nah an seinem Ohr und überschlug sich. Gerald konnte nichts sagen. Er schnappte nur nach Luft und versuchte frei zu kommen. Doch der Fremde hielt ihn nun mit beiden Händen am Hals und drückte zu. „Du hast sie mir fort genommen! Jetzt werde ich dir alles nehmen! Ich werde dir aber zuvor eine unvergessliche Nacht bereiten, voller Schmerz und Angst.“ Gerald zitterte. Nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen hätte er sich eine solche Szene vorstellen können. Verzweifelt schnappte er nach Luft. Er wollte nicht sterben. Er dachte nichts mehr. Nur noch, dass er überleben wollen. Es gab nichts anderes mehr. Kein Gedanke, kein Gefühl. Nur Angst und der Wunsch zu Überleben. „Du weist gar nicht, was du alles hast, mein Lieber. Du hast viel Geld und Freunde, eine Familie. Du hast ein perfektes Leben und obendrein hast du mir meine Liebste gestohlen. Du hast sie fortgeführt von mir. Du hast sie gegen mich aufgehetzt. Du hättest mich ernst nehmen sollen. Ich bin kein Monster!“ Der Fremde atmete heftig. Gerald spürte seine Lippen an seinem Ohr. Er spürte seinen heißen Atem und den nassen Speichel, den er beim reden Ausstieß. „Ich habe ihr ein Geschenk gemacht. Das Schönste, was ein Mann einer Frau machen kann. Ich habe ihr meine Liebe gegeben. Etwas anderes hatte ich nicht, doch sie hat mich immer verabscheut. Hat meine Liebe grausam und rücksichtslos genannt. Dabei wusste sie wohl nie was Liebe ist. Liebe ist nichts sanftes! Liebe ist etwas heftiges und unbeherrschtes! Hörst du mir zu?“ Der Griff um seinen Hals lockerte sich etwas. Gerald keuchte und versuchte zu nicken. Eine Hand löste sich von seinem Hals, doch nun griff die Andere nur umso mehr zu. Kurz darauf spürte Gerald etwas kaltes an seinem Hals. „Spürst du dieses Messer?“, hauchte die Stimme ganz nah an seinem Ohr, „ich werde dich aufschlitzen, wenn du dich bewegst. Oder wenn du schreien solltest. Hast du verstanden?“ Gerald nickte soweit es das Messer und der feste Griff zu ließen. Blitzschnell packte Alex um und hielt nun Geralds Hände hinter seinem Rücken fest. In der anderen Hand hielt er noch immer das Messer. Langsam glitt er mit diesem über Geralds Körper. Dieser zitterte unkontrolliert. „Lasst uns beginnen“, flüsterte Alex, „der erste Stich soll dir meinen Schmerz zeigen. Den selben Schmerz, den ich empfand, als ich merkte, dass Mia mich ablehnt.“ Das Messer war gerade auf Schulterhöhe, als Alex zu stach. Der Schmerz ließ Gerald zusammensacken. Er bemühte sich nicht um zufallen und richtete sich wieder gerade auf. „Der zweite Stich“, fuhr Alex fort, „ist mein Schmerz, als du kamst. Als sie dich mir vorgezogen hat. Und glaub mir, es war der schlimmste Schmerz.“ Seine Stimme klang brutal und gemein. Hass sprach aus ihr. Er stach Gerald in den Magen und drehte das Messer. „Na, wie fühlt sich das an?“ Gerald konnte schon nicht mehr antworten. Er sackte zu Boden. Doch wenn er gedacht hatte, dass es nun bald vorbei sein würde, hatte er sich getäuscht. Es dauerte noch eine Weile, noch eine Worte und Stiche, bis er endlich tot war. Kapitel 8: Unruhig ------------------ Sie wartete und wartete, doch er kam nicht. Schluchzend sah sie auf dem hübschen Sessel ihm großen Wohnzimmer. Es war so still. Und sie war so hilflos und allein. In ihren Gedanken malte sie sich die schlimmsten Dinge aus. Gerald kam oft spät nach Hause, doch so spät war er noch nie dran gewesen. Es war bereits nach Mitternacht und er hatte nicht einmal angerufen. Ihre Gedanken kreisten nur um ihn. An das kleine Mädchen, was oben im zweiten Stock in seinem rosa Zimmerchen lag, dachte sie nicht. Wichtig war nur Gerald, ihr Retter, ihr Beschützer. Er hatte sie aus der Herrschaft von Alex befreit und war deswegen ihr großer Held. Doch was war nun mit ihm? Hatte Alex seine Drohung wahr gemacht und ihm etwas angetan? Was sollte sie nur tun, wenn Alex nun bei ihr auftauchte? Was würde er ihr dieses Mal antun? Sie war schon jetzt ein seelisches Wrack. Das viele Make up half ihr, die Sorgenfalten zu verdecken. Sie musste doch weiterhin die hübsche Mia bleiben. Sonst würde sie niemand retten. Der Gedanke daran, dass niemand sie ansehen und bewundern würde, ließ sie schaudern. Sie versuchte sich einzureden, dass die Männer ja viel von ihr hatten: Eine hübsche Frau mit viel Geld und noch dazu freundlich und zuvorkommend. Was wollte Mann mehr? Wenn es so war, wieso saß sie dann hier alleine und hatte solche Angst? Sie könnte die Polizei rufen, doch konnte ihr die Polizei wirklich weiterhelfen? Sie zuckte zusammen, als sie ein Rascheln an der Türe zum Garten hörte. Sie wusste sofort wer dort war. Sie wusste es, noch bevor er an der Türe hämmerte und laut rief: „Mia, meine Geliebte, du bist frei von ihm. Nun lass mich herein!“ Kapitel 9: Begegnung -------------------- Es war schon dunkel. Als Patric von der Arbeit nach Hause ging. Er war in Gedanken noch bei seiner Arbeit und achtete nicht auf den Weg. Langsam ging er durch den dunklen Park. Die Bäume rauschten leise. Ansonsten war es vollkommen still. Niemand war zu sehen. Patric wurde ohne es zu merken immer langsamer. Mit einem Ruck blieb er dann plötzlich stehen. Seine Gedanken hatten sich fort von seiner Arbeit und hin zu den seltsamen Vorfällen geführt. Er schauderte, als er sich ausmalte, wie er selbst angegriffen würde. Langsam ging er weiter, doch dieses Mal achtete er auf seine Umgebung. Jedes Knistern um ihn herum ließ ihn zusammen zucken und plötzlich hatte er Angst. Sein Leben konnte so schnell und einfach beendet werden. Es war so leicht jemanden umzubringen. Oder nicht? Er hörte Schritte hinter sich. Er ging schneller. Dennoch kamen die Schritte immer näher. Ein Vogel flatterte aus einem Gebüsch hervor. Waren nicht Vogelfedern bei den Opfern gefunden worden? Er ging noch ein wenig schneller. Es war nicht mehr allzu weit bis nach Hause. Doch die Schritte hinter ihm wurden immer lauter und bald hatte Patric das Gefühl den Atem eines Fremden in seinem Nacken zu spüren. Er zitterte. Sollte er sich schnell umdrehen und nach schauen, wer dort hinter ihm war? Oder sollte er rennen? „Warten Sie doch einen Moment“, sagte eine dunkle Stimme hinter ihm. Patric wollte nur noch rennen und möglichst schnell fort aus dem dunklen Park. Er wollte sich seiner Angst stellen, doch vielleicht würde es ihn sein Leben kosten. Konnte er dies riskieren? Stumm ging er ging er schnell weiter. „Wieso warten Sie nicht einen Moment?“, fragte die Stimme hinter ihm. Patric nahm allen seinen Mut zusammen und drehte sich ruckartig um. „Was wollen Sie von mir?“, rief er aufgebracht. Die Angst kroch weiter in ihm hoch, als er den Fremden musterte. Er war riesengroß und dunkel gekleidet. Eine verspiegelte Brille verdeckte seine Augen. Das Gesicht war grob und der Ausdruck hart. Auch der Fremde schien ihn zu mustern, denn er bewegte sich nicht und sprach auch nicht. Einen Moment lang standen sie beide da. Patric wurde immer unruhiger. Was wollte er nur von ihm? „Na los, worauf wartest du? Her mit der Kohle sonst bekommst du die Ware nicht!“, der Fremde ging noch einen Stück auf ihn zu. Patric wich zurück. Beinahe wäre er über einen dicken Ast hinter ihm auf dem Weg gestolpert. Der Fremde wollte also Geld von ihm. Aber von was für einer Ware sprach er da?`Oder war das vielleicht nur Ablenkung? Oder eine Falle? Oder sogar ein geheimes Codewort für seine Komplizen, die womöglich schon hinter den Bäumen lauerten? Hektisch sah er sich um. Es war niemand zu sehen. Doch vielleicht waren sie einfach nur sehr gut versteckt. „Verdammt, wir haben nicht ewig Zeit“, sagte der Fremde drängend und schaute sich hektisch um. „Ich verstehe nicht ganz“, sagte Patric und hoffte, dass dies die richtigen Worte waren. „Du verstehst ganz genau mein Freund! Aus der ganzen Sache kommst du jetzt nicht mehr heraus“, lachte er und sein ganzer Körper zuckte dabei hin und her. Welche Sache meinte er wohl? Vielleicht hatte er irgendwie herausgefunden, dass Patric versuchte den Mörder zu finden. Doch so viel hatte er doch bisher nicht unternommen. Am Besten war es wohl einfach davon zu rennen, schoss es Patric durch den Kopf. Er sah sich ein letztes Mal hektisch um, bevor er einfach kopflos davonrannte. Er hörte den Fremden hinter sich fluchen, bevor dieser ihm keuchend folgte. Patric konnte sehr schnell rennen, doch trotz seiner massigen Statur holte ihn der Fremde immer mehr ein. Wie konnte er ihn nur abhängen? Patric rannte und rannte. Die Angst trieb ihn zu immer höherer Geschwindigkeit an. Doch dann plötzlich schubste ihn der Fremde von hinten, sodass Patric der Länge nach hinfiel. „So, mein Freund“, lachte er, „jetzt habe ich dich. Verdammt, wieso rennst du nur vor mir weg. Es ist doch gar kein so schlechtes Geschäft für dich!“ Patric keuchte. Zum Glück hatte er sich bei dem Sturz nicht verletzt. „Ich weiß nichts von einem Geschäft“, rief er völlig außer Puste. „Du willst mich auf den Arm nehmen, kleiner“, sagte der Fremde ungläubig. Patric schüttelte den Kopf. „Verdammt, dann bist du gar nicht Leon?“ Wieder schüttelte Patric den Kopf und hoffte, dass ihm das keine Schwierigkeiten einbrachte. „Mist“, fluchte der Fremde, „also dann nichts für ungut. Und hol bloß nicht die Bullen!“ Dann ging er gemächlich davon. Patric klopfte sich den Dreck von der Hose und stand auf. Er atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Dann wischte er dieses Ereignis einfach fort aus seinen Gedanken und ging nach Hause. Kapitel 10: Überlegungen ------------------------ Patric lag an diesem Abend noch sehr lange wach. Schnell hatte er sich von dem Vorfall erholt und konnte inzwischen über dieses Missverständnis lachen. Dann dachte er über Betty nach. Dieses kleine, muntere Mädchen, dass bei ihm zu Hause so aufgeblüht war. Er erinnerte sich noch an ihr trauriges Gesicht, als sie damals im Park gestanden hatte. Nun ging es ihr sichtlich besser. Dennoch hätte er gerne mehr für sie getan. Offensichtlich fehlte ihr eine richtige Familie. Er dachte eine Weile darüber nach. Wieso nur kümmerte sich niemand um das Mädchen? Bald wischte er das Thema vor seinem inneren Auge fort und kam zu etwas ganz anderem. Die Mordfälle. Wieso kümmerte sich niemand darum? Wieso fand man keinen Mörder? Niemand wusste wo er als nächstes morden würde. Wie brachte er seine Opfer um? Patric hatte lange Zeit mit Daniel gesprochen, doch dieser hatte ihm nicht viel sagen können, außer, dass alle Opfer total zerfetzt gewesen waren und das nicht viel Blut gefunden wurde. Vielleicht war es ein Vampir, der die Opfer aus trank und dann unkenntlich machte, damit man ihm nicht auf die Schliche kam. Patric lachte sich selbst in Gedanken aus. Nein. Es gab keine Vampire. Ansonsten wäre die Idee nicht schlecht gewesen. Doch es gab nun einmal keine Vampire. Es musste etwas anderes sein, nur was? Bei einigen Opfern hatte man Vogelfedern gefunden. Vielleicht war es ein verrückte, der die Schuld den Engeln anhängen wollte. Wieder lachte Patric, doch dieses Mal nicht nur innerlich. Schnell hielt er sich den Mund zu, damit Liz neben ihm nicht aufwachte. Sie schlief so ruhig. Er betrachtete sie eine Weile. Sah er auch so friedlich aus, wenn er schlief? Er wünschte sich, dass niemals ein Mensch Lizzie so zurichten würde, wie die Opfer des Psychopathen. Ja, es musste ein Psychopath sein. Niemand sonst würde so etwas tun. Gleich morgen würde er sich überall erkunden, ob jemand aus einer Anstalt ausgebrochen worden war. Irgendwo musste er ja anfangen. Kapitel 11: Entsetzen --------------------- Es war grauenvoll. Sie ließ ihn herein, denn sie wusste, dass er sonst die Türe zertrümmern würde. Es gab kein Entkommen. „Endlich sind wir wieder zusammen“, säuselte Alex und strich Mia über den Körper. Sie zitterte vor Angst. Was würde er nun mit ihr machen. „Keine Angst, meine Liebe, ich werde dich ab jetzt vor allem beschützen“, er grinste, „aber wir müssen fort. Und dann werden wir weit weg von hier glücklich leben als kleine Familie.“ Mia verstand nicht. Alex wollte sie entführen? „Wohin willst du?“, fragte sie leise und hoffte er würde sie für diese Frage nicht schlagen. „Weit weg von hier. Du wirst es mögen. Ich habe alles vorbereitet. Hol die Kleine und wir fahren sofort los.“ Mia hatte das Gefühl jeden Moment um zufallen. Es gab nichts woran sie sie festhalten konnte. Sie musste tun, was er ihr sagte. Langsam ging sie die Treppe hinauf. Wie eine Untote bewegte sie sich. Ganz langsam, beinahe schlurfend. Als würde sie zur Schlachtbank gehen. Bald darauf knipste sie das Licht in dem rosa Zimmerchen an. „Steh auf, Betty“, sagte sie tonlos. Betty wurde schnell wach und sah ihre Mutter traurig an. „Was ist los?“, fragte sie verwundert. „Es ist deine Schuld“, sagte Mia leise, „seitdem es dich gibt, lässt er mich erst recht nicht in Ruhe. Er kommt immer, immer wieder nur wegen dir. Er lässt nicht von mir ab, weil es dich gibt. Du bist das Band, was uns verbindet. Ich habe es dir oft gesagt. Er ist böse. Und ein Teil von ihm ist in dir. Böses Blut vermischt sich in dir mit meinem Blut. Deswegen bist du ein böses Mädchen. Und du wirst es immer sein, denn niemand kann dein Blut reinwaschen. Keine Liebe ist in dir, nur Hass und Gewalt. Dabei habe ich mir immer eine Tochter voller Liebe gewünscht.“ Mia sprach zitternd. Dünn war ihre Stimme dieses Mal, als sie die Worte sprach. Nicht so hart wie sonst. „Komm mit nach unten, er verlangt es.“ „Ich komme nicht mit“, sagte Betty bestimmt. „Dann wird er dich runter zerren“, sagte Mia. „Ich gehe nicht“, sagte Betty trotzig. Seufzend ging Mia zurück nach unten und berichtete Alex von Bettys Streik. Dieser Fluchte. „Nicht einmal dein eigenes Kind kannst du mir bringen. Nicht einmal dazu bist du zu gebrauchen.“ Er schlug ihr hart ins Gesicht. Dann fluchte er und polterte selbst die Treppe hinauf. Doch inzwischen war das Zimmer leer. Kapitel 12: Schock ------------------ Es klingelte an der Türe. Verschlafen stand Patric auf. Wer konnte das nur sein, so spät in der Nacht. Erst hatte erliegen bleiben wollen, doch dann siegte die Neugier. Er musste einfach wissen, wer dort draußen wartete. „Bleib liegen, ich kümmere mich darum“, sagte er leise zu Lizzie, „schlaf einfach weiter!“ Lizzie grummelte nur etwas unverständliches. Sie war einfach zu müde um genau mit zu bekommen was gerade vor sich ging. Schnell zog sich Patric ein T-Shirt an und ging zur Türe. Er schaute durch das kleine Guckloch und sah nichts. Es war niemand da. Verwundert schloss er die Türe auf. Vor ihm stand Betty. Er hatte sie nicht gesehen, weil sie so klein war. „Was ist los?“, fragte Patric total verdattert, „wieso bist du hier?“ Betty zitterte und flüsterte: „Zu Hause ist ein böser Mann. Ich musste weg. Bitte. Ich habe solche Angst.“ Dort stand sie nun, mit einem Rucksack auf dem Rücken und sah ziemlich traurig aus. Patric zögere nicht und bat Lizzie herein. „Bitte sei leise, Lizzie schläft. Ist es in Ordnung, wenn du erst einmal auf der Couch schläfst? Wir haben sonst leider kein Bett.“ Betty nickte. Sie wirkte so verwirrt und verloren. Langsam tapste sie ins Wohnzimmer und machte es sich auf der Couch bequem. Patric holte ihr noch eine Decke und ein weiches Kissen. Er blieb noch ein wenig bei ihr, bis sie eingeschlafen war. Dann legte auch er sich schlafen. Morgen würden sie alles klären. Doch dazu würde es niemals kommen. Eine Gestalt schlich ins Schlafzimmer. Patric und Lizzie schliefen ruhig und ahnungslos. Die Gestalt öffnete leise das Fester und stieß einen leisen Pfiff aus. Es war wie ein Ruf, doch war es so leise, dass Lizzie und Patric nicht aufwachten. Es dauerte nicht lange, dann war ein leises Rauschen hörbar. Zufrieden kroch die Gestalt unter das Bett. Lizzie erwachte, als schon einige Vögel durch das Schlafzimmer flogen. Zuerst dachte sie, dass sie noch immer träumte. Patric erwachte kurz darauf und brauchte ebenfalls einen Moment bis er begriff, dass er nicht mehr schlief. Verwundert lagen sie da und wussten nicht was sie tun sollte. Dann stand Pat auf und wollte das Licht anmachen. Da hörte er ein Kichern. Er hielt inne. Die ganze Situation war seltsam. Sie wirkte sehr surreal auf ihn, daher nahm er das Ganze nicht wirklich ernst. „Ist da jemand?“, fragte er leise. Er ging schnell zum Lichtschalter, doch jemand hatte entweder den Strom abgeschaltet oder irgendeine Leitung zerschnitten. Patric fluchte. Er konnte nicht viel sehen in der Dunkelheit und wurde auch erst langsam wach. Das Flattern der vielen Flügel irritiere ihn zudem. Nur das schwache Mondlicht, ließ die Vögel als Schatten zu erkennen. Jetzt stand Lizzie langsam auf und wollte zum Fenster gehen, doch da packte etwas ihren Fuß. Sie schrie laut auf und scheinbar war dies das Zeichen. Mit einem Mal stürzten sich alle Vögel auf sie. Ohne erbarmen hackten sie auf Lizzie ein, die verzweifelt schrie und um sich schlug. Patric konnte sich nicht bewegen. Wie gelähmt starrte er auf Lizzie. Dann lief er zu ihr, versuchte ihr zu helfen, doch nun griffen die Vögel auch ihn an. Ihre Krallen und Schnäbel waren überall. Es war ein Albtraum. Es schienen immer mehr Vögel zu werden, immer mehr Krallen und Schnäbel. Seine Haut war voller Kratzer und Wunden. Er versuchte Lizzie zu packen und fort zu zerren. Nur hinaus aus diesem Zimmer. Da sah er aus dem Augenwinkel die Gestalt unterm Bett hervor kriechen. „Halt“, sagte eine seltsame Stimme. Sie klang jung, doch die Härte darin ließ sie ganz anders wirken. Soweit Patric es in der Dunkelheit erkennen konnte, hatte die Gestalt Flügel, aber war ansonsten recht menschlich. Sie war ziemlich klein. Ein Kind vielleicht? „Betty?“, fragte er heiser. Die Vögel ließen von ihren Opfern ab und flogen nun ihre Kreise im Zimmer. Die Gestalt nickte langsam. „Aber, was machst du denn nur hier? Wo kommen all die Vögel her?“, Patric konnte es nicht fassen. Und dann sprach Betty, ganz langsam und mit dunkler Stimme, so als wäre sie ein anderer Mensch geworden. Als wäre sie von etwas Fremden besessen. „Ihr beide liebt euch stimmt's?“ Ihre Augen waren in dem Dunkel kaum zu erkennen. Aber sie blickten leer und kalt drein. Ihre Haare waren total zerzaust. Auf den Rücken hatte sie sich selbst gebastelte Flügel geklebt. Die Federn daran, waren voller Blutspritzer. „Ich bin die Blutfinke und zusammen mit meinen Vogelfreunden hole ich mir reines Blut. Ich brauche Blut voller Liebe und Fröhlichkeit, damit ich mein eigenes Blut endlich rein waschen kann, von dem giftigen, bösen Blut!“ „Was redest du da?“, fragte Patric verzweifelt, „was ist mit dir geschehen? Betty! Verdammt sag mir was passiert ist. Wir beide werden dir helfen!“ Nun mischte sich auch Lizzie ein. Sie kauerte inzwischen auf dem Boden, bedeckt von all den Wunden, die ihr von den Vögeln zugefügt worden waren. „Betty, bitte. Du kannst mit uns reden. Wir sind deine Freunde.“ „Die Blutfinke hat keine Freunde“, sagte sie kalt, „sie braucht nur reines Blut und endlich hat sie es gefunden. All das Blut zuvor war nicht genug. Aber ihr beide seid so voller Liebe und Freundlichkeit. Euer Blut wird mir helfen, damit die hübsche Mia zufrieden ist und mich endlich lieb hat. Es wird das Böse aus mir heraus waschen.“ Die Stimme klang so fremd, dass Patric zusammen zuckte und nicht weg schauen konnte. Er starte Betty an. Starrte auf die blutbespritzen Flügel und dann in die irre drein blickenden, kleinen Kinderaugen, die im Dunkeln vor sich hin starrten. Mit einem Mal klatschte Betty in die Hände und die Vögel stürzten sich wieder auf Patric und Lizzie. Sie hackten und pickten drauflos, krallten sich in die warmen Körper und zerfetzten sie. Betty stand nur da und schaute unbewegt zu. Es dauerte eine Weile, bis sie „Halt“ rief und die Vögel wieder ihre Kreise zogen. Patric und Lizzie lagen nun beide keuchend und nach Luft schnappend am Boden. Langsam schritt Betty auf Lizzie zu. Dabei zog sie langsam einen Dolch aus ihrer Hosentasche. Er war nicht besonders groß, aber sehr spitz. Sie kniete sich neben die verzweifelte, kraftlose Lizzie. Patric riss seine Augen auf. „Nein“, keuchte er, „wir sind doch noch deine Freunde. Wir haben dir nie etwas getan. Wir waren doch beide für dich da! Wieso hast du all diese Menschen umgebracht. Du weist doch, dass das falsch ist!“ Betty ignorierte ihn. Leise sprach sie zu Lizzie: „Danke, für dein reines Blut!“ Dann stach sie zu. Mitten ins Herz. Das warme Blut floss aus ihrem Körper heraus. Betty sprang auf und verließ das Zimmer. Patric versuchte zu Lizzie zu kriechen, doch bevor er sie erreichen konnte, war Betty wieder zurück. Sie hatte ihren Rucksack geholt und holte nun eine Flasche daraus hervor, mit der sie Lizzies Blut auffing. „Ich darf nichts vergeuden“, murmelte sie leise immer und immer wieder. Patric kroch weiter. Er packte Betty kraftlos am Arm. „Hör sofort auf damit“, flüsterte er. Seine Kraft wich langsam aus seinem zerkratzen Körper. Er versuchte vergeblich Betty von der toten Lizzie fort zu zerren, doch unbeeindruckt sammelte sie weiter das Blut seiner Freundin. Patric sammelte alle seine Kräfte und versuchte zum Nachttisch zu kriechen. Bald hatte er es geschafft. Betty kümmerte sich nicht darum. Sie war viel zu sehr mit Lizzies Blut beschäftigt. Er kramte sein Handy aus dem Nachttisch. Er wählte den Notruf. „Hallo? Sie müssen uns helfen. Ich weiß, wer der Mörder ist. Sie ist hier bei uns im Haus. Helfen sie mir, ich halte nicht mehr..“ Betty kam zu ihm gerannt und riss ihm das Handy aus der Hand. Sie warf es durch immer noch offene Fenster nach Draußen. „Wieso störst du mich? Freunde geben ihren Freunden alles. Wieso gibst du mir nicht auch dein reines Blut? Ich habe so lange nach liebenden Menschen gesucht, doch all das Blut reichte nicht, denn wo es Liebe gibt, sind auch Verrat und Hass nicht weit. Hilf mir doch endlich gutes Blut zu bekommen. Du bist doch mein Freund!“ Angewidert schaute er das verrückte Mädchen an. Er konnte kaum noch Betty in dieser Gestalt wiederfinden. Sie war voller Blut und wirkte wie ein unmenschliches Ungeheuer mit ihren Flügeln. „Gib mir dein Blut!“ Betty kniete sich neben ihn. Er zitterte. Er wollte etwas sagen, doch er konnte nicht. Er war wie gelähmt. Alles drehte sich in seinem Kopf. Noch immer zogen all die Vögel ihre Kreise im Schlafzimmer. Er konnte ihnen mit de Augen nicht folgen, denn ihm war so schwindelig. Betty hob den Dolch und sah ihn an. Er keuchte und schnappte nach Luft. Dann stach sie ihm ins linke Auge. Der Schmerz war nicht auszuhalten. Alles verschwamm vor seinen Augen, als sie ihm nun ins rechte Auge stach. Das letzte was er hörte, bevor sie ihm mehrmals in den Bauch stach war ein leises: „Die Blutfinke dankt für dein Liebesblut.“ Epilog: -------- Eine fremde Frau saß vor ihr und schaute sie mit einem durchdringenden Blick an. „Wieso hast du das nur getan?“ Sie grinste und musterte die Fremde. Betty war vollkommen zufrieden mit sich. Sie hatte noch lange genug Zeit gehabt bis jemand gekommen war. Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt und war nun voller Stolz und Freude. Sie hatte nichts dagegen der Fremden zu erzählen, was sie tolles geschafft hatte. „Meine Mama hat immer gesagt ich habe böses Blut in mir. Ihr Blut ist rein und gut. Aber sein Blut war böse. Sie hat es immer wieder gesagt. Sie sagte: In dir fließt sein Blut und ich verfluche es. Wenn doch nur anderes Blut in dir fließen würde. Reines, liebes Blut. Sie hatte keine Zeit für mich. Sie wollte mich nicht. Ich saß lange Zeit draußen im Garten und habe nachgedacht. Wir hatten einen großen Vogelkäfig voller Finken im Garten. Es waren Buchfinken, Bergfinken, Abendkernbeißer, Stieglitze.. Wir hatten sehr viele Vögel. Sie haben mir zugehört und mit mir gesungen. Wir waren gute Freunde. Doch dann hat er sie irgendwann aus Wut alle frei gelassen. Aber sie sind zu mir zurückgekommen und dann habe ich mit ihnen geübt und Menschen mit gutem Blut gesucht. Jetzt habe ich meine Aufgabe endlich erfüllt. Ich bin endlich frei von dem bösen Blut.“ Die fremde Frau schüttelte den Kopf. Dieses Mädchen war total verwirrt und krank. Wie war es nur dazu gekommen. Betty verstand nicht wieso sie in ein großes Haus mit vielen anderen, sehr seltsamen Kindern gebracht wurde. Aber was kümmerte es sie? Mit einem Lächeln auf den Lippen spazierte sie dort herein. Endlich war sie ein gutes Mädchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)