Der erste Schnee in Rune Midgard von Kiako-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Lange war es den Menschen in Rune Midgard verwehrt geblieben, die weiße Pracht von ihrem Haus aus betrachten zu können. Der einzige Ort, an dem der Boden weiß bedeckt wurde, war Lutie, die Stadt der ewigen Weihnacht. Trotz dessen waren in allen Ländern des Königreichs die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest in vollem Gange. Auch die recht temperamentvolle Ritterin Aiko und der ihr zumindest körperlich unterlegene Mönch Yasu, welche frisch verheiratet waren, besuchten die zahlreichen Stände der Händler in Prontera. Widerwillig stillte Yasu die Kaufsucht seiner Frau, in dem er sein hart verdientes Geld opferte. Solange es sie glücklich machte, schmerzte es nur seinem Geldbeutel. Als es bereits dämmerte machten sich die Beiden auf den Heimweg. Natürlich gab es auch abends noch viele Stände und auch Straßenmusiker waren überall zu sehen. Alle schienen glücklich zu sein, auch wenn wie immer der traditionelle Schnee ausblieb. Das hatte die Bewohner der Stadt nicht daran gehindert, ihre Häuser zuschmücken und somit die Straßen zu erleuchten. Doch ein Haus blieb ohne Glanz und schien traurig wie immer. Das Waisenhaus wirkte unter den vielen Lichtern wie ein noch deprimierender Ort. Alle Leute die daran vorbei gingen, konnten es nicht lassen, es anzusehen. So auch das junge Ehepaar. Aiko hatte Mitleid mit den Kindern dort. Sie selbst war durch die schrecklichen Kriege zur Halbwaise geworden. Der Mönch an ihrer Seite drückte leicht ihre Hand, als er die in ihr aufkommende Trauer spürte. „Willst du hinein gehen?“ ertönte es aus seinem Mund und seine Frau nickte nur. Mit langsamen Schritten gingen sie auf die Tür zu. Schon immer war das Waisenhaus offen gewesen für Besucher. Die Betreuer dort freuten sich über jedes halbwegs glückliche Gesicht das durch die Tür kam, wenn bei den Kindern herrschte meist gedrückte Stimmung. Sei es, wenn eine neue Waise zu ihnen gebracht wurde oder ebenso, wenn eine Familie kam und eines der Kinder adoptierte. Yasu und Aiko wurden freundlich empfangen. Im Haus selbst war etwas Schmuck aufgehängt worden, damit wenigstens ein bisschen weihnachtliche Stimmung aufkam. „Die Kinder kennen schon lange die wahre Bedeutung von Weihnachten nicht mehr. Das Einzige was ihnen früher noch Spaß gemacht hatte, war es draußen im Schnee zu spielen. Doch seit dieser auch ausbleibt, ist dieses Fest wie jeder andere Tag im Jahr für sie“ erzählte eine der Betreuerinnen den Beiden, als sie ein wenig durch das Haus gingen. „Auch wenn man es nicht von außen sieht, leiden die Kinder sehr unter der momentanen Situation hier. Uns wurde vor kurzem das Geld gekürzt, das wir zur Verfügung gestellt bekommen hatten.“ In den großen und doch leeren Zimmern des Hauses sah man vereinzelt Kinder, die miteinander spielten oder einfach nur da saßen und aus den Fenstern sahen. „Wir möchten gerne eines der Kinder adoptieren“ sagte Aiko plötzlich und zog die Blicke der Betreuerin und ihres Mannes auf sich. „Willst du das wirklich? Ich meine… Ist das nicht ein bisschen zu früh?“ fragte Yasu etwas verunsichert. „Gibt es eine bessere Zeit, als kurz vor Weihnachten einem der Kinder ein neues Heim zu schenken?“ antwortete ihm Aiko und lächelte. Auf seine spezielle Weise wirkte es zart, was den Mönch nach geben ließ. In einem kleinen Raum, der bis auf einen Schreibtisch und ein Bett vollkommen leer war, saß ein kleines Mädchen. Die Wände waren herunter gekommen und durch die 2 Fenster dort drang nur wage Licht. Das Mädchen saß am Schreibtisch und blickte aus dem Fenster, vor dem er stand. Viel Ausblick hatte sie nicht, denn das einzige was sie sehen konnte war die Wand des gegenüber liegenden Hauses. Doch irgendetwas schien sie zu faszinieren. Man erkannte es nur, wenn man genau hin sah. Am Fuße der Mauer waren Steine über einander gestapelt. Die Kinder des Waisenhauses hatten sie dort hingebracht. Die Steinhaufen sollten Schneemänner darstellen, die restlichen Engel und andere Figuren. Das Mädchen war damit beschäftigt zu zeichnen. Wie immer zeichnete sie genau das, was sie sah. Die Mauer und die Steine. Natürlich zeichnete sie immer wieder verschiedene Sachen dazu, welche ihr gerade in den Sinn kamen. Sie war so darin vertieft den Stift über das Papier zu bewegen, dass sie gar nicht merkte, wie jemand in das Zimmer eintrat. „Kiako? Hier ist ein nettes Ehepaar, das gerne dich kennen lernen möchte“ sagte die Betreuerin zu dem Mädchen und legte ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter. Die Kleine nickte nur ohne aufzusehen. Die Betreuerin trat beiseite und ließ Yasu und Aiko den Vortritt. Der Mönch blieb jedoch stehen, nur Aiko ging auf Kiako zu. Vorsichtig ging sie etwas in die Knie und versuchte dem Mädchen in die Augen zu sehen. „Hallo Kiako… Ich bin Aiko“ fing sie an und blickte kurz Yasu an, der sie nur aufmunternd anlächelte. Als die Ritterin zu dem Mädchen zurück sah, haftete deren Blick immer noch auf der Zeichnung. Aikos Blick verkleinerte sich etwas, doch dann musste sie lächeln. „Was zeichnest du denn da?“ fragte sie nun. Kiako wurde hellhörig und sah nun etwas auf. Ohne jedoch den Mund zu öffnen, zeigte sie auf das Fenster. „Ich zeichne die Steinmänner und Engel die ich mit meinen Freunden draußen gemacht habe“ sagte sie nun und sah Aiko genau in die Augen. Man konnte die leichte Röte und Verunsicherung in ihrem Gesicht erkennen. Dann sah sie jedoch über ihre Schulter zu Yasu. Nun konnte man aus ihrem Gesichtsausdruck ein Fragezeichen ablesen. „Das ist Yasu, mein Mann. Wir sind gekommen um dich kennenzulernen“ erklärte Aiko, obwohl die Betreuerin es eigentlich schon gesagt hatte. „Das ist aber ein komischer Name“ sagte die Kleine sofort und lachte süß. Yasu lief rot an und drehte sich weg. „Was soll daran komisch sein?“ sagte er aufgebracht und verschränkte die Arme. Auch Aiko kicherte nun, wodurch sie Kiakos Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. Das Mädchen rutschte leicht auf ihrem Stuhl herum und blickte abwechseln zu Aiko und wieder weg. „Na was hast du denn, Kleine?“ – „Du… du… bist so hübsch!“ Nun wurde die Ritterin rot, lächelte trotzdem noch weiterhin. „Du bist süß, weißt du das?“ – „Jetzt schon.“ Die Beiden lachten kurz auf. Dann sah Aiko wieder etwas ernster drein, verlor jedoch nicht das nette Lächeln. „Kiako… Wir würden dich gerne in unsere Familie auf nehmen, wenn du das willst.“ Die Augen des Mädchens weiteten sich. Sie strahlte richtig. Sofort klammerte sie sich an Aiko, die überwältigt auf den Boden fiel. „Mama“ sagte Kiako glücklich und kuschelte sich an die Ritterin. Die Betreuerin sah etwas verwundert zu den Beiden. „Sonst ist Kiako nie so anhänglich. Oft bekommt man aus ihr nicht mal ein Wort heraus. Deshalb wurde sie nie adoptiert“ sagte sie jedoch an Yasu gerichtet, der lächelnd seine Frau und das Mädchen in ihren Armen ansah. „Nun hat sie ja eine Familie.“ „Wird dir nicht zu kalt?“ fragte das kleine Mädchen ihre neue Mutter, als diese ihr einen Schal umband und Fäustlinge anzog. „Nein nein, ich bin mit Wärme erfüllt, ganz tief hier drinnen.“ Erklärte diese ihr noch und legte sich die Hand auf die Brust, dort wo ihr Herz saß. „Deine Sachen holen wir später ab, ich möchte dich an Weihnachten einfach bei uns haben.“ – „Danke, Mama.“ Wieder lächelte Kiako zuckersüß, dass Aiko noch wärmer ums Herz wurde. „Los kommt, wir müssen schließlich noch nach Hause laufen.“ Hand in Hand ging die kleine Familie nun die Straßen von Prontera entlang. Dort trafen sie eine alte Freundin, ebenfalls mit ihrem Sprössling, einem Mädchen, das sich schützend hinter den Beinen ihrer Mutter versteckte. „Ihr Name ist Maia.“ sagte die Mutter der Kleinen und begann ein Gespräch mit Aiko und Yasu. Kiako blickte jedoch wie gebannt auf Maia. Vorsichtig zog sie aus ihrer Tasche ein Bonbon und hielt es ihr Lächelnd hin. „Willst du meine Freundin sein?“ fragte sie leise. Maia sah sie jedoch überwältigt an und ein zartes Rosa zierte ihre Wangen. Als Kiako ihr einen Schritt entgegen kam, streckte Maia ihr vorsichtig die Hand entgegen, um sich das Bonbon zu nehmen. Doch sie hielt inne, als etwas auf ihrem Fäustling landete. Beide Mädchen blickten gen Himmel. Dann fielen vereinzelt schneeweiße Flocken herab und alle Leute, egal ob in den Häusern oder auf der Straße, blickten nun hinauf oder aus dem Fenstern. Es gibt Wunder, auch wenn sie noch so klein sind. Sie erfüllen die Menschen mit Glück und Freude. An diesem Weihnachtsabend herrschte auf der ganzen Welt Friede. Jeder war von diesem Anblick überwältigt und ein Mädchen hatte nicht nur eine Familie, sondern auch eine Freundin gefunden, welche diese für nichts auf der Welt freiwillig hergegeben hätte. Hosted by Animexx e.V. 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