Symphonie der Gefühle von DarkHide ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Symphonie der Gefühle Langsam wiegte er sich vor und zurück. Seine Augen waren geschlossen und seine Finger glitten gemächlich über die schwarzen und weißen Tasten des Klaviers. Auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln. Yoshiki liebte die Musik. Er hatte sie schon immer geliebt. Um ihn herum war es still. Alles was er hörte, waren die Klänge des Flügels. Wenn er spielte, war er frei. Sein Körper schien jedes Mal mit dem Instrument zu verschmelzen. Und seine Gefühle gingen unmerklich durch seine Hände in die schwarzen und weißen Tasten des Klaviers über und verwandelten sich in Musik - in melancholische, hoffnungsvolle, euphorische. Und wenn er dann aufhörte zu spielen, fühlte er sich erschöpft und irgendwie leer, aber auch befreit. Doch für heute war er noch nicht fertig. Es gab noch so viele Gefühle und Gedanken in ihm, denen Ausdruck verliehen werden wollte. ~~~ Toshi war schon immer sein bester Freund gewesen. Dennoch, er freute sich auch wahnsinnig über seine anderen Freunde. Auch sie waren etwas besonderes für ihn. Jeder einzelne von ihnen. Und er war auch glücklich, dass Toshi seit einiger Zeit eine Freundin hatte. Sie passte recht gut zu ihm und Yoshiki mochte Toshis erfreutes Lächeln, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, sobald irgendjemand auch nur auf seine Freundin anspielte. Toshi hatte dieses Glück einfach verdient. Aber manchmal wünschte Yoshiki sich, es wäre so wie damals, als es noch keine Mädchen in ihrem Leben gegeben hatte, wo sie noch zu zweit waren und das vollkommen genügt hatte. So wie zu der Zeit, als sie zwar auch kein Geld hatten, aber sich gegenseitig. Wo Yoshiki in dem kleinen 1-Zimmer-Apartment gewohnt hatte. Und wenn Toshi ihn besucht hatte, dann war er sogar über Nacht geblieben, auch wenn die Wohnung selbst für einen schon fast zu klein war. Doch seit dem hatte sich so viel verändert. Mittlerweile hatte Yoshiki viele andere Freunde - Taiji, hide, Pata - und sie waren ihm gleichermaßen sehr wichtig, aber tief in seinem Innersten sehnte er sich zu der Zeit zurück, als er sie noch nicht kannte. ~~~ "Wo bleibst du denn?", hörte er eine ihm sehr bekannte Stimme fragen. Yoshikis Stirn, die schon seit mehreren Minuten auf der Tischplatte geweilt hatte, erhob sich langsam. Er wandte sich erstaunt zur Tür, in der er seinen besten Freund Toshi erblickte. Dieser näherte sich einige Schritte. "Beeil dich doch mal. Ich warte schon seit Ewigkeiten auf dich!" Yoshiki runzelte kurz irritiert seine Stirn, dann fiel ihm mit einem Mal wieder ein, dass Toshi und er verabredet waren. Toshi hatte schon längst Schulschluss, doch er hatte sich bereit erklärt auf seinen Freund zu warten, der mal wieder nachsitzen musste. Gähnend erhob sich Yoshiki von seinem Platz und streckte sich ausgiebig. Schon vor Minuten hatte der Lehrer den Raum verlassen, während der Junge erschöpft an seinem Tisch sitzenblieb. Er hatte das Nachsitzen also ein weiteres Mal überlebt. Yoshiki sah aus den Augenwinkeln, dass Toshi schon begonnen hatte, seine Schulsachen zusammenzupacken. Einen Moment fragte er sich, ob er ihm helfen sollte, zumal es ja seine Sachen waren, dann bemerkte er jedoch, dass Toshi schon längst fertig war. Er drückte Yoshiki den Rucksack vor die Brust und ehe dieser sich bedanken konnte, sagte er "Gern geschehen!". Yoshiki lächelte leicht, als er Toshi nun aus dem Gebäude heraus folgte. Alle anderen Schüler waren schon lange weg. Das Wochenende konnte beginnen. ~~~ Yoshikis Blick fiel auf die schwarzen und weißen Tasten. Er spielte eine ruhige Melodie. Warum hatte sich bloß alles seit damals so verändert? Wie gerne würde er noch ein wenig Zeit mit Toshi allein verbringen. Unmerklich stieß er ein Seufzen aus. Seine Gedanken schweiften ein weiteres Mal ab. ~~~ Schon vor Wochen hatte er sich überlegt, X Japan nach den nächsten drei Konzerten eine Weile frei zu geben. Und sogleich hatten Toshi und er einen Ausflug geplant. Es sollte in die Berge gehen. Da Yoshiki aufgrund der Konzerte viel beschäftigt war, hatte Toshi die Planung der Reise übernommen. Seit Wochen freute Yoshiki sich darauf. Er hatte seit Ewigkeiten keine Zeit mehr mit Toshi allein verbracht. Natürlich, er hatte auch noch Taiji, Pata und hide und er respektierte auch Toshis Wunsch mehr Zeit mit seiner Freundin Kaori zu verbringen, aber er vermisste die Zeit als Toshi und er noch zu zweit waren. Und die nächsten zwei Wochen würde es wieder so sein. So hatte Yoshiki das jedenfalls bis vor kurzem geglaubt. ~~~ Er merkte kaum, wie sein Klavierspiel intensiver wurde. Schneller, abgehackter, verzweifelter. ~~~ Er hatte tatsächlich geglaubt, dass Toshi und er nur zu zweit waren. Wie war er eigentlich auf die Idee gekommen? Warum hatte er das automatisch angenommen? Denn wie sich zeigen sollte, lag er falsch. Er erinnerte sich noch genau an Toshis glückliches Gesicht, als er etwas eher als die anderen zu den Proben aufgetaucht war und Yoshiki verkündet hatte, dass Kaori "nun doch freibekommen" hatte und sie auf ihrer Reise begleiten würde - ebenso wie einige weitere Bekannte. Nun doch freibekommen? Yoshiki hatte sich über diese Ausdrucksweise gewundert. Hatte Toshi sie etwa schon die ganze Zeit dabei haben wollen? ~~~ Yoshiki atmete schwer. Sein Puls hatte sich merklich erhöht. Diese Sache wollte einfach nicht aus seinem Kopf. Es war ja nicht so, dass er Kaori nicht mögen würde - ganz im Gegenteil, eigentlich fand er sie recht sympathisch. Doch warum wollte offensichtlich keiner verstehen, dass er Zeit mit Toshi allein verbringen wollte. Sie waren noch immer die besten Freunde, oder etwa nicht? Und auch Toshi musste doch den Wunsch verspüren, mal wieder etwas Zeit mit Yoshiki zu verbringen? Früher waren sie sich doch auch immer einig gewesen, hatten dieselben Ansichten, dieselben Träume. ~~~ Ungeduldig wartete Yoshiki vor der Haustür von Toshis Familie. Toshi hatte Geburtstag und auch wenn er nicht feiern wollte, hatte Yoshiki ihm versprochen vorbeizukommen. Wo blieb Toshi denn bloß? Nervös hibbelte Yoshiki von einem Bein zum anderen. Er war schon äußerst gespannt, zu erfahren, was Toshi wohl zu seinem Geschenk sagen würde. Nach einigen weiteren Sekunden öffnete sich endlich die Haustür und Yoshiki blickte seinem grinsenden Freund ins Gesicht. "Herzlichen Glückwunsch!", stieß Yoshiki sofort hervor und drückte Toshi kurz an sich, ehe er ihm das Geschenk überreichte. "Du hättest mir doch nicht extra etwas kaufen müssen...", murmelte Toshi verlegen. Der andere warf ihm einen strengen Blick zu und augenblicklich warf Toshi seine übertriebene Höflichkeit ab. "Darf ich's aufmachen?", fragte er nun überaus neugierig. Yoshiki grinste. "Klar!" Während Toshi also schon mal ins Wohnzimmer stürmte, stieß Yoshiki die Tür zu, schlüpfte aus seinen Schuhen und folgte seinem Freund eilig. Dieser hatte sich längst in einen der Sessel sinken lassen und war schon damit beschäftigt das Geschenk von dem Papier, mit dem Yoshiki es so sorgfältig eingepackt hatte, zu befreien. Yoshiki setzte sich ihm gegenüber und versuchte möglichst ruhig zu bleiben, doch Toshis Aufregung färbte auf ihn ab. Keine Sekunde lang hatte er geglaubt, dass Toshi das Geschenk nicht mögen würde, nein, er war sich sogar ziemlich sicher, dass er es lieben würde. Und so war es dann auch. Kaum war das Geschenkpapier ab, starrte Toshi auch schon mit glänzenden Augen auf das Video in seinen Händen. Vorsichtig ließ er die Finger darüber gleiten und drehte es ehrfürchtig, um es von allen Seiten betrachten zu können. Sekunden später sah er auf, blickte in Yoshikis erwartungsvolles Gesicht und sprang dann auf ihn zu um ihn an sich zu drücken. "Vielen Dank!! Den Film wollte ich schon seit Ewigkeiten unbedingt sehen!", stieß er hervor und lächelte noch immer erfreut als er sich wieder auf seinen Platz setzte. "Weiß ich doch. Ich will ihn doch auch unbedingt sehen!!" An dem Tag hatten die beiden einstimmig beschlossen, die Kuchenzeit, für die Toshis Mutter extra einen Schokokuchen gebacken hatte, auf später zu verschieben und erst den Film zu gucken. ~~~ Yoshiki warf seinen Kopf in den Nacken um die nervigen Haarsträhnen aus seinem Gesicht zu schleudern. Er versuchte ruhig zu bleiben, einfach normal weiterzuspielen, aber er konnte nicht. Seine Gefühle waren schon zu weit an die Oberfläche getreten, nun konnte er sie nicht einfach unterdrücken, nun musste er sie herauslassen. ~~~ Warum hatte Toshi sich bloß so verändert? Oder war er es etwa, der sich verändert hatte? Verdammt, warum unterschieden sich ihre Ansichten in letzter Zeit eigentlich ständig!? Es war ja nicht so, dass sie sich stritten, das absolut nicht, aber... offenbar verstanden sie sich auch nicht mehr so wortlos wie früher einmal. ~~~ Er schlug mit den Fäusten auf die Tasten. Innerlich wünschte er sich, die Zeit irgendwie zurückstellen zu können. Es musste ja nicht unbedingt bis zu ihrer Kindheit sein, ein paar Jahre würden schon ausreichen. Aber vielleicht würde sich dieses Problem auch einfach ändern, wenn er einige Zeit frei hatte. Der Streß zehrte an ihm. Vermutlich waren seine Nerven nur überspannt. Und deshalb spielten seine Gefühle verrückt. In einigen Tagen würde alles wieder okay sein. Und dann würde er sich wundern, warum er sein Klavier abermals malträtiert hatte. ~~~ Seine Finger spielten nun langsamer, entspannter. Er fühlte sich nicht mehr so aufgekratzt wie vorher. Schließlich trat Toshi an den Flügel heran. Yoshiki erwachte aus seiner Trance. Er blickte um sich. Natürlich, X gaben gerade ein Konzert. Unendlich viele Augenpaare beobachteten ihn erstaunt. Yoshiki hob seinen Kopf. Er sah Toshi an, versuchte in seinen Augen eine Antwort auf all sein Gefühlschaos zu finden. Mit jeder weiteren Sekunde, die Yoshiki seinen Freund aufmerksam musterte, wuchs die Spannung des Publikums. So lange Yoshiki auch in Toshis Augen blickte, so konnte er doch nichts in ihnen lesen. Sie reflektierten lediglich das Licht eines Scheinwerfers. Doch dafür konnte er etwas in seinem Gesicht erkennen. Das Lächeln auf seinen Lippen sagte so viel aus. Es war irgendwie ermutigend, drückte eine gewisse Freude aus. War es eine Antwort auf seine Fragen? Yoshiki sah wieder auf die Tasten des Flügels und spielte die ersten Töne von Say Anything... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)