Silhouette of myself. von Papierherz (Sasuke und Sakura.) ================================================================================ Kapitel 2: Pech verfolgt. ------------------------- ERINNERUNGSSPLITTER  Es war ein freudiges Lachen. So unbekümmert. Sanft hüpften meine langen Haare mit mir, während ich auf dem Bett sprang, neben mir meine kleine Schwester, die sich lachend neben mir kugelte. So unbeschwert. Ich lachte lauter, wedelte vergnügt mit meinen Armen in der Luft. Die Matratze unter mir sank mit jedem Hüpfer unter meinem kümmerlichem Gewicht. Ein Blick nach unten, meine Schwester war weg. Doch ich lachte weiter. Bis mich etwas am Arm packte und ein donnernder Schmerz in mir hoch kroch. Meine Wange glühte und ich starrte entsetzt in das Gesicht meiner Mutter. Es tat so weh, so weh. Ich wollte schreien, weglaufen, doch sie krallte sich in meinen Arm fest. Schmerz. Schmerz. Schmerz. Was habe ich falsch gemacht? Ihr Gesicht verschwamm, die heißen Tränen kullerten meine schmerzende Wange hinunter. Meine Beine waren so schwach, ich sackte zusammen. Das Schluchzen schüttelte mich so stark. Die Luft blieb mir weg. Ich konnte nicht mehr atmen. Was habe ich falsch gemacht? Sie schimpfte. So laut. Meine Ohren taten weh. Meine Wange glühte. Mein Herz zerriss. Ich war doch immer so ein braves Kind gewesen. Ich habe doch nie Ärger gemacht. Was habe ich falsch gemacht? Plötzlich war es still. Ich wollte mich nicht rühren. Angst. So unbeschreibliche Angst. Kaum noch Luft zum Atmen. Mein Gesicht vollkommen benetzt von Tränen. Ich blickte auf und sah Anzu in der Tür stehen. Regungslos. Sie schaute mich an. Ihre Augen so mitleidvoll. In dem Moment beschloss ich, meine Mutter nie mehr zu verärgern. In dem Moment beschloss Anzu, nie so zu werden wie ich. Was habe ich falsch gemacht? “Sakura, das ist falsch.” Ich folgte Inos schmalen Finger, die mich auf einen Fehler in meiner Rechenaufgabe hinweißte. “Mhm.”, brummte ich und strich es durch. Viel zu weit weg waren meine Gedanken, als dass ich mich jetzt auf Mathe konzentrieren konnte. Es war ein unangenehmes Kratzen an meiner Wange und ich blickte zur Seite. Ino hielt mir ihre Haarspitzen ins Gesicht und kicherte. Ich schenkte ihr ein kleines Lächeln und wandte mich wieder meiner Aufgabe zu. Doch die Zahlen konnten nicht meine Gedanken verdrängen, die immer noch um ihn schwirrten. Das war doch völlig absurd! Ich kannte ihn nicht und ich würde ihn nie wieder sehen, basta! Aber irgendwie wollte das nicht in meinen Kopf rein, irgendetwas ließ ihn immer wieder in meine Gedanken. War es die Einsamkeit meines Herzens? “Sakuraaa.” Ich warf einen kurzen Blick zu meiner besten Freundin. Sie erinnerte sich nicht mehr an ihre Worte, sie tat als wäre dies nie geschehen. Dabei machte es mich kaputt, es quälte mich. “Was ist?”, fragte ich. “Mir ist langweilig.” Nur ein weiteres Nicken von mir. Und die Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich starrte stur gerade aus. Ich würde jetzt nicht weinen, nein, nicht jetzt. Und am besten nie wieder. Nie wieder weinen. Das war es nicht wert. Der Kampf gegen die Tränen war so schwer, denn mein Herz fühlte sich an wie ein riesiger Klumpen in meiner Brust, der verzweifelt versuchte, mich wieder zum Leben, zum Fühlen zu verleiten. Aber ich wollte nicht mehr. Es sollte alles an mir und dem Herzklumpen abprallen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Ino mich mit einem argwöhnischen Blick betrachtete. Es war so schwer, jetzt noch ein hübsches, glückliches Lächeln vorzutäuschen. Denn ich war weder hübsch, noch glücklich. Hässlich und einsam. Und ich wusste, dass das jeder so sah und so empfand. Selbst Ino, die mir immer wieder versuchte einzureden, sie wäre nicht hübscher als ich. Doch es war eine Tatsache. Daran würde sich auch nie etwas ändern. Ich bemerkte wie meine Gedanken langsam abschweiften und unsere Mathelehrerin an der Tafel noch einige Aufgaben notierte. Doch das war egal. Eigentlich war alles egal. Wer vom Pech verfolgt wurde, durfte so etwas sagen. Und ich wurde vom Pech verfolgt. Der ganze Schultag zog an mir vorbei, als wäre ich gar nicht existent. Ich saß meine Stunden ab und beteiligte mich kein einziges Mal. Dabei war ich doch immer so gut gewesen, doch heute… ab heute schien alles anders zu sein. Selbst Ino war ganz anders. Sie redete nicht mehr so viel mit mir, sie warf mir nur noch seltsame Blicke zu, die ich nicht einordnen konnte. Aber es war so schwer zu realisieren, was um mich herum geschah, wenn in meinem Kopf immer das eine zu sehen und zu hören war. “Hast du mir überhaupt zugehört?” Ach ja, Ino war noch da. Ich hatte sie vollkommen vergessen, aber ich fühlte mich so unbehaglich, den gleichen Weg sind sie gestern zusammen gegangen. Und es tat immer noch weh zu wissen, dass Ino einfach Recht hatte. “Nein, nicht wirklich.”, antwortete ich wahrheitsgemäß. Meine Mutter meinte immer, ich soll nicht lügen. Hübsche, süße Mädchen lügen nämlich nicht, das hatte sie immer gesagt. Damals noch. Was würde sie heute sagen? Ino schüttelte den Kopf. “Ist auch nicht so wichtig.” Plötzlich umarmte sie mich und ging davon. Etwas verwirrt, brauchte ich Zeit um zu realisieren, dass sie schon abbiegen musste. Ich würde unsere Freundschaft zerstören. Das war sicher. Ich hatte das Gefühl, als würde ich alles kaputt machen, so wie mich alles kaputt gemacht hatte. War das denn fair? Oder hatte ich nicht einmal Recht dazu? »Ich komme hier nicht weiter, bin tausend Mal gescheitert.« Als ich plötzlich realisierte, wo ich mich befand, einige Meter vor meinem zu Hause, wollte ich wegrennen. Die Angst drückte mir schwer auf die Lungen, bekam kaum noch Luft und mein Herz schlug so laut, dass ich nichts anderes mehr mitbekam. Ich wollte noch nicht nach Hause. Meine Mutter würde im Flur auf mich warten, Anzu würde in ihrem Zimmer sitzen und mein Vater wäre noch nicht zu Hause. Was würde passieren? Ich wollte es mir nicht ausmalen. Also drehte ich mich herum und ging in eine kleine Straße hinein, die ich selten benutze. Ein Spaziergang, mehr brauchte ich jetzt nicht. Ich musste mich beruhigen, Selbstbewusstsein aufbauen. Das war genau das, was mir so oft fehlte. Es war viel leichter, selbstbewusst zu sein, wenn Ino nicht dabei war. Neben ihr fühlte ich mich immer so hässlich, noch hässlicher als ich eigentlich war. Doch jetzt war ich alleine und kein Mensch beachtete mich. Bis gerade eben. Ich weiß nicht, wie es passierte und was in meinem Weg lag, doch mein Fuß stieß gegen ein Hindernis und ich fiel. So wie mein Herz vor langer Zeit in ein schwarzes Loch fiel. Doch es wurde nicht gerettet, so wie ich. Seine Augen waren so atemberaubend, ich dachte, es gäbe nichts schöneres. Sein Griff stark und dennoch so einfühlsam, ich wollte, dass er mich nie wieder los ließ. Das zweite Mal. Das Schicksal hasste mich. Ich wollte ihn doch gar nicht wieder sehen. Oder? Ich lag noch immer in seinen Armen und starrte ihn erschrocken an. Kein Wort kam über meine Lippen und er sagte auch nichts. Nur ein Blick, mehr schenkte er mir nicht. Dann, war es ein Lächeln, dass sein wunderschönes Gesicht atemberaubend machte?, sagte er: “Du solltest vorsichtiger sein.” Nur ein Nicken, mehr konnte ich nicht machen. Ich war so erstaunt. Dabei wollte ich doch nicht mehr an ihn denken, aber wieso tat mir das Schicksal so weh? Ich hab das nicht verdient. Und dann stand ich wieder auf meinen Füßen und er verschwand ein weiteres Mal. Wieso lief er mir noch einmal über den Weg? Jetzt saß er in meinem Kopf fest und ich wollte ich rausschütteln, rauszerren, doch er wollte nicht, ich konnte nicht. Es war schrecklich. Und seltsam. Konnte es Zufall sein, dass ich ihm in die Arme fiel? Aber er hielt mich wahrscheinlich für das dümmste, was ihm je über den Weg gelaufen ist. Ein kleines, hässliches Entlein, das nicht laufen konnte. Um mich herum drehte sich die Welt weiter, während ich dastand und mich nicht mehr recht bewegen konnte. Mein Kopf war wie leergefegt, ich dachte nichts und ich fühlte nichts und ich wollte es auch nicht. Mit stummen Mund und stummen Herzen ging ich nach Hause, wo mich die Hölle erwartete. Wie jeden Tag. Es herrschte drückende Stille, als ich die Tür aufschloss. Keine liebende Mutter, die mich erwartete, oder eine kleine Schwester, die sich auf einen freute, oder ein Vater, der einen vermissend umarmte. Nur eine Mutter, die in den Flur stürmte, mit einem wütenden Gesichtsausdruck, eine kleine Schwester, die auf der Treppe stand und einen wie fremd anstarrte und einen Vater, der desinteressiert in der Küche saß. “Wie siehst du denn aus?”, fragte meine Mutter und musterte mich mit einem argwöhnischem Blick. Und wieder bemerk ich, wie ich immer tiefer falle, wie das Gewicht mich immer weiter in die Tiefe zerrt. Fiel ihr plötzlich auch auf, wie schrecklich ich war? “Bist du etwas durch den Regen gelaufen? Was denkst du dir dabei? Immerhin bin ich diejenige, die sich dann um ein krankes Kind kümmern muss!” Du egoistische, egoistische, egoistische Mutter! Ich war so wütend, aber es tat auch weh, wenn sie so etwas sagte. Vielleicht war es nicht böse gemeint, aber es war so verletzend. Aber das bemerkte sie natürlich nicht, das würde sie nie. “Ist doch mein Problem.”, antworte ich. Kurzschlussreaktion. Ich wollte sie nicht verärgern, das war nicht geplant. Ich konnte beobachten, wie sich ihre Miene erhärtete und sie mich mit zugekniffenen Augen anstarrte. “Fräulein, ich weiß nicht, was du dir seit Tagen erlaubst, aber so geht das nicht weiter. Mach, dass du auf dein Zimmer kommst.” “Ich glaube aber Sakura möchte mit uns essen.”, hörte ich Anzu sagen, die nun die Treppe runter kam und mich hinter sich in die Küche zog. Ich war ihr verdammt dankbar, dass sie mir half, als ich den Blick meiner Mutter gesehen habe. Sie frage sich bestimmt, was sie falsch gemacht hatte. Ich konnte es ihr sagen. Alles. Mein Vater blickte nicht mal von der Zeitung auf, dabei habe ich sein Gesicht das letzte mal vor zwei Wochen richtig gesehen, als ich ihm im dunklen Flur ausversehen in die Arme gelaufen bin. Aber das war nicht so schön gewesen, wie dem unbekannten in die Arme zu fallen. Ich schloss frustriert die Augen. Wieso erinnert ich mich schon wieder an ihn? Wieso konnte mich der Gedanke nicht einfach in Ruhe lassen? Und jetzt raus aus meinem Kopf! Das Essen verging unangenehm still. Meine Mutter gönnte mir keinen einzigen Blick und mein Vater saß wie ein völlig Fremder am Esstisch, während Anzu die einzige war, die ab und zu munter drauf los plapperte. Dieses Familienverhältnis war ein einziges Wrack. Wenn ich daran dachte wie munter es immer bei Ino war. Sie stritten sich oft, sehr oft, doch es war immer um einiges liebevoller als dieses Szenario hier. Nachdem ich lustlos in meinem Essen gestochert hatte, stand ich auf und entsorgte es. Lieber verbringe ich die Zeit alleine schweigend in meinem Zimmer als diesem Tisch. Ohne ein weitere Wort, aber mit den Blicken meiner Mutter im Nacken kleben, verließ ich das Zimmer. Schweigen kann mehr wehtun, als ausgesprochene Worte. Ich war armselig. Mit meinen 17 Jahren lag ich an einem normalen Tag einfach nur in meinem Bett und starrte an die Decke. Was machten all die anderen Leute? Sie waren draußen mit ihren Freunden, sie hatten Spaß. Ich drehte mich auf die Seite und starrte nun auf meine Tür. Worauf wartete ich eigentlich? Auf ein Wunder? Würde es einfach so vom Himmel und mir in den Schoß fallen? Schön wäre es. Meine Augen schlossen sich automatisch und ich versuchte an etwas anderes zu denken. Immer diese negativen Gedanken, das konnte doch so nicht weitergehen. Vielleicht sollte ich einfach rausgehen, ohne Grund und ohne Ziel. Das Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken. Noch bevor ich jemand hereinbitten konnte, wurde die Tür aufgerissen. Anzu stand da mit einem großen Lächeln auf dem Gesicht. Ich richtete mich auf. “Was möchtest du?” Sie verdrehte die Augen, allerdings nicht ohne ihr Lächeln zu verlieren. “Ach, sei doch nicht so missmutig! Ich wollte nur mal sehen, wie es dir geht. Hast du dich mit Mama gestritten?” Ich nickte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen. “Nun lass mich dir nicht alles aus der Nase ziehen. Erzähl schon.” Wieso interessierte sie das so? Konnte ich ihr einfach sagen, was ihre eigene Mutter über sie sagte? Dass sie sich nicht so eine Tochter gewünscht hatte? Aber wenn ich es mir so überlegte, wahrscheinlich juckte Anzu das nicht wirklich. Sie würde mit den Schultern zucken und sagen, ihr sei es egal, bald würde sie sowieso ausziehen. “Du kennst sie doch. Sie nervt.”, versuchte ich mich rauszureden. Die beiden hatten ein schon genug gespanntes Verhältnis. Ich wollte nicht daran schuld sein, dass sie sich gar nicht mehr ausstehen konnten. Anzu lachte kurz auf. “Allerdings. Ich dachte schon, du merkst das nie!” Es war seltsam. Es fühlte sich an, als wäre ich die kleine Schwester, die so viel zu lernen hatte. Und du hilfst mir. “Hach.”, seufzte sie dann und zuckte kurz mit den Schultern. “Ich geh jetzt mal. Bin noch verabredet.” Sie zwinkerte mir zu. Wollte sie mir etwas damit sagen? Dass sie sich mit ihrem Freund traf? “Mit wem denn?” Sie hatte meine Neugierde geweckt - und ich wollte immer noch wissen, wer es war. Sie grinste. “Kannst du dir schon denken.” Und bevor ich ein weiteres Wort sagen konnte, bevor ich einen Einwand einwerfen konnte, zwinkerte sie mir zu und stürmte aus der Tür. Dann war ich wieder alleine. Körperlich, seelisch. Die Zeit schien zäh wie Kaugummi, sie wollte nicht verfliegen. Wie lange ich nichts tuend saß, lag, stand wusste ich nicht. Ich konnte mir nicht die Zeit vertreiben, ohne an Dinge zu denken, die ich verdrängen wollte. Er schwirrte ständig in meinem Kopf rum, seine Stimme übertönte manchmal alle anderen Geräusche. Die Worte meiner Mutter haben sich in meinen Kopf gebrannt. Mit einem Seufzen setzte ich mich auf mein Bett und fuhr mir durch die Haare. Draußen dämmerte es schon und die Gardinen wehten sachte mit dem Wind, der durch das gekippte Fenster kam. Wie schön es doch war, schweiften meine Gedanken um absolut banale Dinge. Mein Kopf fühlte sich dann angenehm leicht. Automatisch schloss ich die Augen und ich hätte mit Leichtigkeit einschlafen können, bis ich unten lauten Krach hörte. Es schepperte, als hätte meine Mutter eine Pfanne auf den Boden geworfen. Dann hörte ich nur noch das dumpfe auftreten der Füße auf der Treppe und das Lachen von Anzu hallte durch das Haus, während sie in ihr Zimmer lief und von unten nur laute Gezeter zu hören war. Harmonie wird komplett überbewertet. Oder? Ich stand vor Anzus Tür, um sie zu fragen, was passiert sei, als ich ein lautes Rumsen und ihr Lachen von drinnen hörte. “Alles in Ordnung?”, hörte ich die Stimme meiner Mutter von unten hören. Wieso kam sie nicht selber hoch? Wieso machte sie sich nicht die Mühe, nach ihrer eigenen Tochter zu sehen? “Ja.”, sagte ich schlicht und legte meine Hand auf die Türklinke. War ihr Freund da? Ich wollte sie nicht wirklich stören. Aber die Neugierde gewann Oberhand. Sie stand immer noch lachend im Raum und er saß in ihrem Schreibtischstuhl. Als die Tür aufging, blickten beide zu mir und ich starrte ihn geschockt an. Scheiße. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)