Zum Inhalt der Seite

Rachepläne

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Plotting

Plotting
 

Man hätte erwarten sollen, dass ein solches Treffen im Hinterzimmer einer verrauchten Kneipe stattfände, oder am Ende einer düsteren Gasse, in einem Lieferwagen mit getönten Scheiben oder an sonst einem zwielichtigen Ort (obwohl wir auf den Lieferwagen vielleicht später noch zurückkommen werden). Stattdessen saßen die vier Verschwörer um einen niedrigen Tisch auf dem Wohnzimmerfußboden ihres Rädelsführers. Die gerade noch angetrunken belustigte Stimmung allerdings war zumindest bei zwei der Anwesenden einem vorsichtigen Beobachten gewichen, je weiter der Plan sich entwickelte. Während bei zweien das Lachen lauter geworden war, hatten die beiden anderen besorgte Blicke ausgetauscht und sich bemüht, den Elan ihrer Kollegen zu bremsen, wenn er in scheinbar doch zu abwegige (oder einfach hundsgemeine) Richtungen ging.
 

"Vielleicht sollte wir morgen noch einmal darüber reden. Eine Nacht darüber schlafen, etwas Zeit vergehen lassen..." und euch ausnüchtern lassen. Kai sah beinahe schon flehend zu Reita, der allerdings nur hilflos mit den Schultern zuckte.
 

"Nein!" Eine schlanke Faust krachte auf den Tisch und ließ die Anwesenden zusammen zucken. Trotz der fortgeschrittenen Stunde und des fortgeschrittenen Alkoholkonsums schwankte Uruhas Stimme nicht. Seine Entschlossenheit scheinbar auch nicht, sehr zu Kais Leidwesen.
 

"Du hast selbst gesagt, dass er einen kleinen Denkzettel verdient hat."
 

Hatte er das? Gedanklich verfasste Kai ein Memo an sich selbst, dass Uruha scheinbar selbst im angetrunkenen Zustand ein gutes Gedächtnis hatte.
 

Beschwichtigend hob er die Hände. "Einen kleinen Denkzettel, ja. Aber langsam nimmt die ganze Idee beängstigende Ausmaße an. Immerhin ist er unser Freund..."
 

Und schon, als er es aussprach, sah Kai, wie Reita das Gesicht verzog und biss sich verlegen auf die Zunge. Natürlich, er hatte ja wieder mit Anlauf in den Fettnapf springen müssen.
 

Wie erwartet stürzten sich die Geier (also Uruha und Ruki) sofort gierig auf seinen Fehler.
 

"Das sieht er ja scheinbar anders." - "Überhaupt eine Frechheit, so etwas im Interview..." - "…braucht dringend einen kleinen Dämpfer..." - "...bin ich nicht distanziert..." - "Naja, nicht mehr als sonst..."
 

Nachdem er sich mit einem Blick versichert hatte, dass von Reita hier keine Hilfe zu erwarten war, schloss Kai ergeben die Augen und ließ die Tirade über sich ergehen. Vielleicht wäre es besser, zu allem ja und Amen zu sagen und zu hoffen, dass die Nacht die Erinnerung an die unheilige kleine Verschwörung, die hier zuerst so scherzhaft stattgefunden hatte, mit sich nahm. Kai riskierte einen kurzen Blick auf die Waschweiber und musste mit einem Seufzen anerkennen, dass dies relativ unwahrscheinlich erschien. Reita klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter. Wenn Uruha allein sich erstmal in etwas verrannt hatte, war es schon schlimm genug. In Ruki allerdings hatte er einen willigen Komplizen mit genug Führungspotential, um auch den Rest der Truppe reinzureißen.
 

"Also sind wir uns einig?" Ruki lehnte sich über den Tisch, um ihrem de facto Leader herausfordernd in die Augen zu sehen. Dem schwante zwar Böses, aber er nickte ergeben. Vielleicht ergab sich ja später noch Gelegenheit, die ganze Angelegenheit in geordnete Bahnen zu lenken. Was Kai selbst bezweifelte, als er Rukis daraufhin raubtierhaftes Grinsen in Uruhas Gesicht wiedergespiegelt sah. Reita stand sowieso eher auf Uruhas Seite. Kai konnte nur kopfschüttelnd hoffen, ihm würde ein Ausweg einfallen.
 

Ansonsten... armer Aoi.

Professional Paranoia

Aoi hatte ja bereits seit geraumer Zeit das dumpfe Gefühl, dass einige seiner Kollegen entweder ein heimliches Drogenproblem hatten oder schlicht und einfach dabei waren, unter dem ständig herrschenden Leistungsdruck zusammen zu brechen.
 

Eigentlich hatte er Kai und Reita für die belastbareren Kandidaten gehalten, aber in den letzten Tagen benahm vor allem Kai sich reichlich merkwürdig. Stolperte ab und zu und stieß dabei gegen Aoi oder ein anderes Bandmitglied, wobei mehr als einmal ein Getränk, dass Ruki netterweise für Aoi mitgebracht hatte, zu Boden gegangen war, worüber dieser verständlicherweise sehr verärgert erschien. Zum Glück schien der Sänger ihrem Drummer den Ausbruch einer neuen Form seiner Schusseligkeit nicht allzu sehr nachzutragen. Auf eine hastig gemurmelte Entschuldigung des Dunkelhaarigen hatte er ihm nur stützend den Arm um die Schultern gelegt.
 

"Kein Problem, Kai. Aber sei in Zukunft ein wenig vorsichtiger. Wir wollen doch nicht, dass du am Ende noch verletzt wirst."
 

(Was Aoi dabei entgangen war, waren die Krallspuren, die Rukis Nägel im Oberarm des Drummers hinterlassen hatten.)
 

Oder Kai schickte ihn, wie jetzt auch, aus plötzlichen Launen heraus auf die merkwürdigsten Botengänge, obwohl er sich gerade so gut mit Uruha unterhalten hatte. Aber nein, der Herr brauchte ja JETZT... Moment... Aoi sah auf den mit hastig gekritzelten Zeichen gefüllten Zettel... Ananas, Kokosflocken und einige Dinge, über die Aoi sich lieber keine Gedanken machen wollte. Notenpapier und Drumsticks aus einem ganz bestimmten Holz aus einem ganz bestimmten Laden waren da noch das Normalste. Ein wenig geschmeichelt hatte sich Aoi ja schon gefühlt, als Uruha angefangen hatte, zu seinen Gunsten mit Kai über die Notwendigkeit dieses Spontaneinkaufes zu streiten. Als Kai allerdings vorgeschlagen hatte, dass Uruha gern den Einkauf übernehmen könnte, er würde den Zettel noch um einige Kleinigkeiten ergänzen, hatte der Brünette Aoi mit einem freundschaftlichen Stoß in den Rücken schwungvoll auf den Weg geschickt.
 

~*~
 

Schon als er Aoi kurz vor dem eigentlichen Ende der Bandprobe mit der spontan erfundenen Einkaufsliste ausgestattet hatte, war Kai sich der vernichtenden Blicke Rukis und Uruhas bewusst gewesen. Besonders zu Uruha, der gefährlich nahe bei ihm stand, verschaffte er sich durch einige rasche, aber ruhige Schritte einen gewissen Abstand. Allerdings hatte er die Reichweite des großen Gitarristen unterschätzt, denn schlanke Finger legten sich um sein Genick. Kai zog unwillkürlich die Schultern hoch, ehe er bemerkte, dass Uruhas Griff nicht wirklich schmerzhaft war. Vielmehr zog der Größere ihn sacht zu sich zurück.
 

"Weißt du, Kai, man könnte glatt den Eindruck bekommen, dass du unsere Bemühungen ein wenig boykottieren möchtest." Ein gefährliches Lächeln spielte in Uruhas hübschem und sonst so verträumtem Gesicht. Kai schluckte trocken, hielt dem Blick des anderen jedoch stand.
 

"Ich weiß nicht, wovon du redest." Er grinste den großen Blonden überlegen an. "Wieso, was hattest du denn vor? Ihn zu Tode quatschen?"
 

Uruha schnaufte empört und verstärkte seinen Griff um das Genick des Drummers ein wenig, nur um ihn kurz darauf leise jammernd loszulassen und stattdessen nach Reitas Hand zu schlagen, die sein Ohr schmerzhaft eindrehte.
 

Kai grinste den Bassisten dankbar an, der allerdings nur sehr kurz verschwörerisch zurückgrinste, ehe er genervt die Augen verdrehte. Langsam wurde ihm das Ganze nämlich auch zu bunt, zumal er keine Ahnung hatte, was Uruha und Ruki für den armen Aoi geplant hatten.

"Ihr führt euch auf wie die Kleinkinder... Na komm, du darfst mir einen Kaffee ausgeben und mir dabei deinen Masterplan darlegen." Ohne sich von Uruhas zugegebenermaßen schwacher Gegenwehr beeindruckt zu zeigen, schleifte er den leise fiependen Gitarristen hinter sich aus dem Raum.
 

Was Kai von einem Problem erlöste. Und ihn mit einem kleineren, aber nicht minder missgestimmten Problem zurückließ. Ruki baute sich drohend mit verschränkten Armen vor dem Drummer auf.
 

"Waren wir uns nicht einig, dass unser Schneewittchen mit den Starallüren einen kleinen Dämpfer verdient hatte...?" zischte er drohend und versuchte dabei, Kai nieder zu starren. Einen gewissen drohenden Effekt erzielte er zwar durch die Tatsache, dass er lediglich die Augen hob und nicht den Kopf in den Nacken legte, um den Blickkontakt mit dem Größeren zu erzwingen. Kai allerdings war genervt genug von der Situation und noch immer ein wenig verstimmt wegen der leichten Nagelabdrücke auf seinem Oberarm und wollte sich keinesfalls von dem kleineren Sänger einschüchtern lassen.
 

"Sagen wir einfach, ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“, blaffte er zurück. "Wir haben übermorgen einen Auftritt in einer Fernsehshow, und ich habe keine Lust, es beim Management auszubaden, wenn ihr Aoi vorher unter Drogen setzt," Kai wimmerte innerlich, als Ruki für den Bruchteil eines Momentes schuldbewusst das Gesicht verzog, "...oder verkauft, aussetzt, einfärbt, oder was auch immer ihr Verrückten mit ihm vorhabt!"
 

"Einfärben..." Ruki legte grüblerisch einen Finger auf seine Lippe. Und Kai schlug sich gedanklich das Becken seines Drumsets an die Stirn. Er wollte die beiden selbsternannten Kreuzzügler auf der Mission, Aoi, der nichts von seinem Glück ahnte, einen Dämpfer zu verpassen, nicht auch noch ermutigen. Geschweige denn, auf Ideen bringen.
 

Er packte den Sänger bei den Schultern und schüttelte ihn leicht. "Vergiss doch mal den letzten Teil. Und versprich, dass ihr ihn zumindest bis nach dem Fernsehauftritt in Ruhe lasst!"
 

Ruki wand sich verwirrt aus dem Griff des Drummers. "Okay, ja, das ist uns vielleicht entfallen..." Er grinste, als Kai gequält das Gesicht verzog. "Also hat er eine zweitätige Schonfrist. Dass du ihn uns aber nicht verscheuchst..." drohte er, nur halb scherzhaft.
 

Kais plötzlich erhärteter Blick ließ den Sänger einen Schritt zurückweichen. Trotzdem ergriff der Drummer (und Bandleader! wie Kai sich selbst ins Gedächtnis zurückrief) sein Kinn mit festem Griff und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. "Wenn du jetzt schon so unbedeutende Kleinigkeiten wie einen Fernsehauftritt vergisst in deinem kleinlichen Kreuzzug, solltest du dir vielleicht mal Gedanken über professionelles Verhalten machen!" gab er in scharfem Tonfall zu bedenken.
 

Rukis Augen weiteren sich entsetzt. Dass Kai gegen ihr kleines Vorhaben bezüglich Aoi war und diesen schützte, hatte ihn noch amüsiert. Aber dass er ihn als unprofessionell bezeichnete, konnte er nicht so einfach auf sich sitzen lassen.

Kampf der Titanen

"Reita?" kam es etwas gepresst von rechts.
 

"Hmpf?" Der Angesprochene verlangsamte seine Schritte nicht wirklich.
 

"Könntest du jetzt bitte mein Ohr wieder loslassen...?" Grinsend wandte der Bassist den Blick zu Uruha, der in einer leicht verdrehten Haltung neben ihm hereilte, um den Zug auf sein malträtiertes Hörorgan möglichst zu minimieren und ihn aus großen Augen mit einem perfekt geübten Dackelblick ansah. Und allein wegen des Dackelblickes verdrehte Reita das Ohr seines Gefangenen mit einem fiesen Grinsen noch einmal kräftig, was diesem einen unwilligen Fiepton entlockte, ehe er ihn los lies.
 

Murrend rieb der Gitarrist sich das Ohr und richtete sich auf, bevor er seinem Bandkollegen zu den Getränkeautomaten am Ende des Flurs nacheilte. "Sei nicht immer so gemein zu mir..."
 

Reita lachte auf und hielt Uruha erwartungsvoll die ausgestreckte Handfläche entgegen. Der Gitarrist seufzte, suchte in seinen Hosentaschen ein paar Münzen zusammen und ließ diese in Reitas Hand fallen.
 

Reita entlockte der altertümlichen Maschine ein paar Getränkedosen. "Ich und gemein zu dir? Das sind rein pädagogische Maßnahmen." Er warf Uruha eine der Dosen zu, die dieser auch knapp vor einer Kollision mit seinem Kiefer abfangen konnte. "Sei mir lieber dankbar."
 

"Dankbar?!" Der Gitarrist lehnte sich gegen die Wand schnaubte amüsiert. "Dafür, dass du dich mit Kai verbündest und mir in den Rücken fällst?"
 

Reita verdrehte genervt die Augen, während er zwei weitere Getränkedosen in seinen weiten Hosentaschen verschwinden ließ. Eine dritte sah er einen Moment lang überlegend an, ehe er sie auf den Gitarristen zielen wollte. Dieser nahm sie ihm allerdings vorher genervt aus der Hand.
 

"Na? Wofür sollte ich dir dankbar sein?" fragte Uruha und trat in Ermangelung einer freien Hand spielerisch nach Reitas Schienbein.
 

"Dafür, dass ich dich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit davon abhalten werde, irgendwelchen Mist zu bauen und damit dafür zu sorgen, dass Aoi dich nicht mehr leiden kann." Reita konnte sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen, als Uruha kurzzeitig die Gesichtszüge entgleisten.
 

"Ichhabkeineahnungwovonduredest", stieß Uruha hervor, wobei er eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe entwickelte.
 

Reita klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

"Komm schon, ich kenne dich. Ich weiß genau, was in dir vorgeht."
 

Uruha schluckte trocken. "So. Tust du das."
 

Reita fragte sich, warum der andere plötzlich so angespannt wirkte.

"Es geht uns doch allen so. Zumindest ein bisschen", versuchte er, den Freund zu beruhigen. Welcher ihn nach dieser Aussage völlig perplex anstarrte. "Was meinst du mit 'Es geht uns allen so'...?" fragte er ein wenig misstrauisch.
 

Reita grinste amüsiert über Uruhas Begriffsstutzigkeit.

"Es kratzt allen ein wenig am Ego, dass der gute Aoi öffentlich bekannt gegeben hat, dass er uns nicht wirklich zu seinen Freunden zählt. Das geht nicht nur dir so", gab Reita zu.
 

"Oh. Achso. Klar." Uruha entspannte sich sichtlich.
 

Reita sah ihn streng an. "Trotzdem sollten wir eher versuchen, uns als Freunde zu beweisen, anstatt zu versuchen, ihn noch vollständig vergraulen, meinst du nicht auch?"
 

Uruha senkte schuldbewusst den Kopf und biss auf seiner Unterlippe herum.
 

Reita streckte die Hand aus und strubbelte dem Größeren durch die Haare. "Aber ich hätte nicht gedacht, dass es dich so sehr mitnimmt. Schließlich sollte ein so großes Ego wie deins mehr vertragen", stänkerte er. Uruha sog empört die Luft ein und schob Reita mit der Schulter schwungvoll zur Seite.
 

Unter Lachen und Scherzen entbrannte eine freundschaftliche Kabbelei auf ihrem Weg zurück zum Proberaum. Uruha wurde zwar durch die beiden Dosen in seinen Händen, von denen eine auch noch offen war, ein wenig behindert, schaffte es aber trotzdem beinahe, Reita durch taktischen Beineinsatz zu Fall zu bringen, wobei dieser einen guten Teil seines Getränkes über sein Hemd verschüttete. Woraufhin er sich kurz vor der Tür zum Proberaum mit einem Kampfschrei auf Uruha stürzte und seinen freien Arm um den Hals des Gitarristen schlang und versuchte, ihn in einen einarmigen Schwitzkasten zu nehmen. Uruha wich lachend zurück und versuchte mit einem Ellenbogen die Tür zu öffnen, um bei Kai oder Ruki Verstärkung oder zumindest Schutz zu suchen. Kaum jedoch schwang die Tür des schallisolierten Raumen auf, schreckten Reita und Uruha zurück.
 

"...ES WAGEN, MICH ALS UNPROFESSIONELL ZU BEZEICHNEN!" - "...SOLLTEST DU VIELLEICHT MAL LIEBER AN DIE BELANGE DER BAND DENKEN...!" - "...GEHT ES DOCH UM DIE BAND!" - "...WEIL DU ZU FEIGE BIST, IHM EINFACH DIE MEINUNG GEIGEN..."
 

Schnell ließ Reita Uruhas Hals los, schob sich mit dem Gitarristen in den Raum und zog die Tür hinter ihnen zu. Schließlich musste ja nicht jeder, der sich gerade zufällig auf dem Flur aufhalten sollte, diesen Streit mit anhören. Kai und Ruki waren allerdings noch zu sehr darin vertieft, sich anzuschreien, als dass sie die Rückkehr ihrer beiden Bandmitglieder bemerkt hätten. Reita stieß ein anerkennendes Pfeifen aus, woraufhin Uruha ihn sehr zweifelnd ansah.
 

"Was denn? Dass Ruki gut bei Stimme ist, wussten wir doch. Aber dass Kai dagegen anschreien kann, finde ich beeindruckend."
 

Uruha brach in schallendes Gelächter aus. Dieses reduzierte sich jedoch zu einem hilflosen Glucksen, als sowohl Kai als auch Ruki plötzlich verstummten, zu ihnen herumfuhren und versuchten, Uruha mit Blicken zu erdolchen.
 

Die plötzlich Stille, nur durch Uruhas ersticktes Glucksen unterbrochen, barg einiges an Katastrophenpotential, befürchtete Reita. Und fühlte sich bestätigt, als Ruki die Stille brach.
 

"Und was, Uruha, was finden wir so äußerst amüsant...?" schnurrte der Sänger trügerisch ruhig.
 

Und als auch Kai sich böse lächelnd mit den Worten "Ja, was nur?" in Bewegung setzte und zu ihnen herüber schlenderte, versteckte Uruha sich mit einem wimmernden Laut hinter Reita.
 

Welcher wirklich an sich halten musste, um nicht laut los zu lachen.
 

~*~
 

Irgendwie bekam Aoi den Eindruck, dass heute nicht so ganz sein Tag war. Gut, dass man seinen Wagen abgeschleppt hatte, war irgendwie seine Schuld. Er hätte ja besser darauf achten können, ob über diesem hübschen und merkwürdigerweise freien Parkplatz ein Halteverbotsschild hing. Warum er sich allerdings entschlossen hatte, zu Fuß zum Gebäude der PSC zurück zu gehen, als er nicht sofort eine Straßenbahn erwischt hatte, war ihm selbst gerade irgendwie zu hoch. Nachdem er es beinahe geschafft hatte, sich überfahren zu lassen, weil er vor sich hin geträumt hatte, dabei beim olympiareifen Rückwärtssprung beinahe die Einkäufe für Kai, leider aber wirklich seine Sonnenbrille verloren hatte und daraufhin beinahe von einer (glücklicherweise kleineren und nicht sehr ausdauernden) Horde Fangirls erlegt worden wäre, geriet er nun auch noch in einen heftigen Regenschauer.
 

Während er so durch den Regen stapfte und sich mit seiner allgemeinen Körpertemperatur auch seine Laune abkühlte, fragte er sich verzweifelt, was Kai eigentlich in letzer Zeit gegen ihn hatte, dass er ihn einer solchen Tortur aussetzte. Kai die Schuld an seinem momentanen Zustand zuzuschieben, war vielleicht unfair. Aber trotzdem tat es einem fiesen kleinen Teil seiner Seele irgendwie gut, den Drummer zum Sündenbock zu erklären. Nichts lässt einen die Zeit schneller herum kriegen und den Regen so gut ignorieren, wie sich unfaire Strafaktionen auszudenken. Die Aoi selbstverständlich nie umsetzen würde. Aber man sollte immer auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Dementsprechend lag ein leicht fieses abwesendes Grinsen auf seinem Gesicht, als er endlich aus dem Regen heraustrat und durch die Flure in Richtung des Gazette-Probenraumes schlenderte.
 

Währenddessen war Reita immer noch bemüht, ihren Leadgitarristen vor eventuellen Vergeltungsschlägen (Betonung hier auf Schlägen) ihres Sängers und Drummers zu schützen. Was sich als gar nicht so einfach herausstellte, da er einem Lachanfall nahe war. Und dieses krampfartige Schütteln, das er zu unterdrücken versuchte, machte ihn ein wenig unkoordiniert. Was zumindest Ruki nicht verborgen blieb. Vielleicht lag es an seiner etwas geringen Körpergröße, aber der Sänger hatte früh gelernt, Schwächen in der Abwehr seiner Gegner zu erkennen und auszunutzen.
 

Reita hatte wirklich nicht vorgehabt, die Getränkedose über seinem Kopf auszuleeren. Aber er hatte die Arme besänftigend erhoben, als ihn ein gut platzierter Stoß des Sängers vor seine Brust zurück taumeln und gegen Uruha stoßen ließ. Dass er dabei instinktiv die Arme sinken ließ, um sich zu verteidigen, war verständlich. Ebenso, dass die Dose, die er hielt, dabei als unwichtig verworfen wurde. Verworfen im Sinne von fallen gelassen. Und dass Ruki eben ein Stück kleiner war und deswegen erst einiges vom klebrigen Inhalt der Getränkedose abbekam, ehe schließlich die Dose auf seinen Kopf traf, war auch nicht Reitas Schuld. Er war der Meinung, es wäre ihm hoch anzurechnen, dass er beim Anblick des verdatterten Gesichtsausdruckes ihres Sängers weder wie Uruha anfing zu glucksen, noch wie Kai breit zu grinsen. Er war nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, sich auf seine Atmung zu konzentrieren, damit sein Zwerchfell nicht unter dem sich anbahnenden Lachanfall platzte. Er wusste, wie sehr Ruki es hasste, wenn man ihn auslachte. Und Reita hielt sich noch ganz gut. Er war allerdings dankbar dafür, dass sich Uruhas Finger fast schmerzhaft in seine Schulter gruben, weil der Gitarrist ebenfalls damit kämpfte, nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Und abgesehen von der latenten Mordlust, die in Rukis Blick aufflackerte, hatte sich die Situation doch ganz gut entspannt.
 

Als sich dann allerdings die Tür öffnete und ein manisch grinsender Aoi eintrat, der momentan eher Ähnlichkeit mit einer ertrunkenen Ratte hatte als mit einem der begehrtesten Junggesellen Japans, und dessen Grinsen schnell einem Ausdruck absoluten Unverständnis wich, während er versuchte, aus der Situation im Probenraum schlau zu werden, um dann einfach Kai eine Tüte in die Hand zu drücken und die äußerst intelligente Frage zu stellen: „Ruki, warst du etwa auch im Regen draußen…?“ konnte Reita nicht mehr. Er hielt viel aus, aber irgendwann brach auch der härteste Bassist zusammen. Und zwar lachend. Zu Rukis Füßen. In einer klebrigen Lache Limonade. Aber das war Reita egal. Er war zu sehr damit beschäftigt, vor Lachen das Atmen nicht zu vergessen.

Während Aoi und Uruha seinen Niedergang mit sehr zweifelnden Blicken verfolgt hatten, erbarmte sich Kai und hielt den kleinen Sänger davon ab, dem sich am Boden wälzenden Bassisten in die Rippen zu treten.

Schäfchen ins Trockene

Kai fühlte sich unangenehm an seine Grundschulzeit erinnert. Es hatte da so ein Rätsel gegeben, das er immer furchtbar fand. Irgendetwas mit einem Wolf, einem Schaf, einem Salat und einem Boot auf einem Fluss… in die Situation des Schäfers fühlte er sich jetzt versetzt. Weder wollte er Aoi mit Ruki oder Uruha allein lassen, noch Ruki mit Reita.

Andererseits musste Reita irgendwie beruhigt werden, oder zumindest musste jemand greifbar sein, der notfalls einen Arzt verständigen konnte, falls die ungesunde rote Gesichtsfarbe ihres Bassisten auf eine unterbrochene Sauerstoffzufuhr schließen lassen sollte. Aoi musste man sozusagen trocken legen, da er es sonst fertig brächte, in den klatschnassen Sachen den Rest des Tages zu verbringen und sich dabei wahrscheinlich eine Lungenentzündung einfing. Ruki musste beruhigt und ebenfalls zumindest partiell getrocknet werden. Und Kai ertappt sich bei dem Gedanken, dass er vielleicht einfach den Raum verlassen, ein paar Minuten abwarten und mit dem oder den Überlenden dieses kleinen Intermezzos neue Besetzungen für die dann frei gewordenen Stellen casten sollte.
 

Der Drummer seufzte ergeben und verdrängte diesen verlockenden Gedanken, denn irgendwie mochte er doch alle seine Schäfchen. Auch den Wolf und den Salat. Als allerdings Ruki den Moment, in dem Kai kurz die Augen schloss, um sich für das Kommende zu wappnen, nutzte um ihrem scheinbar gerade etwas ruhiger werdenden Bassisten einen (wenn auch schlecht gezielten) Tritt in die Leistengegend zu versetzen, platze dem Drummer der Kragen. Er zerrte den kleinen Vocal am Kragen zur Tür, griff sich auf dem Weg eine Hand voll von Aois nassem Haar und während er seine beiden protestierenden Opfer Richtung Waschraum schleifte, raunzte er Uruha an, gefälligst dafür zu sorgen, dass die schwächer werdende Atmung des Bassisten nicht gänzlich aussetzte.
 

Nachdem er Aoi unter dem warmen Luftzug des Händetrockners geparkt und Ruki im wahrsten Sinne des Wortes und auch verbal den Kopf gewaschen hatte, beruhigte Kai sich wieder etwas. Sein sonniges Lächeln kehrte zurück. Allerdings wunderte er sich etwas, weil sowohl Aoi als auch Ruki zusammen zuckten und ein wenig zurück wichen, wenn er sie direkt ansah. Aber wenn er die beiden schon so unterwürfig hatte, konnte er diese Situation genauso gut ausnutzen (nein, nicht was ihr gleich wieder denkt! ^^).
 

„Aoi, du suchst die jetzt was trockenes zum Anziehen. Irgendwo fliegen sicherlich noch Jogginghosen und Tour-Shirts rum“, fügte er hinzu, als der Schwarzhaarige schüchtern zu einer Frage anhob. Ohne Widerrede verließ Aoi den Waschraum. Rückwärts, ohne den Drummer aus den Augen zu lassen. Kai war ihm heute irgendwie wirklich unheimlich.
 

„Und du…“ Der Drummer wandte sich unheilschwanger an den kleinen Vocal. „Du wirst dich sehr zusammenreißen in nächster Zeit. Sonst halte ich deinen Kopf nächstens etwas länger unter Wasser.“ Als Ruki anhob zu protestieren, schnitt ihm Kai nur mit einer Geste das Wort ab. „Es interessiert mich nicht mehr, ob du der Meinung bist, Aoi bräuchte einen Dämpfer. Wenn du ein Problem mit ihm hast, dann sag es ihm einfach. Wenn ihm aber irgendetwas zustößt, oder sich so eine Szene wie eben wiederholt und ich nur den kleinsten Hauch eines Verdachtes hege, dass du daran beteiligt sein könntest…“ Er stieß dem Blonden schmerzhaft mit einem Finger vor die Brust, „dann verpasse ich DIR einen Dämpfer. Und das wird dir überhaupt nicht gefallen. Haben wir uns soweit verstanden, Ruki?“
 

Der kleine Vocal hatte nicht wirklich zurück weichen wollen. Immerhin war Kai ja eigentlich an der Szene im Probenraum maßgeblich beteiligt gewesen. Aber nachdem Kai ihn gerade fast ertränkt hätte, sah er den Drummer mit neuem Respekt. Vielleicht auch einfach ein wenig Angst. Jedenfalls nickte er nur hastig, ehe er sich daran machte, mit einigen Papierhandtüchern bewaffnet zumindest sein Gesicht zu trockenen. Kai nickte zufrieden und ließ Ruki allein im Waschraum zurück.
 

~*~
 

Uruha hatte dem krampfhaft zuckenden Bassisten beruhigend über den Rücken gestrichen, bis dieser wieder einigermaßen ansprechbar war. Dass Uruha sich dabei die Unterlippe ziemlich zerbissen hatte, um nicht ebenfalls lachend am Boden zu liegen, würde er Reita später vorhalten. Momentan begnügte er sich damit, seinen Freund unsanft vom Boden hoch zu hieven und auf das Sofa zu verfrachten. Reita lehnte seinen Kopf erschöpft gegen die Schulter des Gitarristen, während er schweratmend langsam wieder zu einer normalen Gesichtsfarbe zurückkehrte.
 

Uruha tätschelte ihm nicht gerade zärtlich die Wange und ließ seine Hand dann auf der Schulter des Bassisten ruhen. „Danke, du Idiot.“, grinste er. „Aber das beste hast du wohl aus deinem Blickwinkel verpasst… Mann, ich glaube, ich habe Kai noch nie so wütend gesehen. Wer weiß, was er gerade mit Ruki und Aoi anstellt…vielleicht hat er sie irgendwo an den Füßen aufgehängt und peitscht sie gerade aus…“
 

„Uru, hör auf. Noch so einen Lachanfall überstehe ich nicht. Und grins nicht so sadistisch.“

Uruha schnaubte und schielte auf den Bassisten herab. „Du kannst doch gar nicht sehen, ob und wie ich grinse.“
 

Reita stieß ihm sanft mit dem Ellenbogen in die Seite. „Ich kenn dich eben." Er atmete tief durch, erfreut, dass kein erneutes Lachen sein Zwerchfell zusammenzog und so weiterhin die Sauerstoffzufuhr minimierte. „Aber du schuldest mir noch was.“, merkte er an, ohne den Kopf von der Schulter des Gitarristen zu heben.

„Hm?“, schallte es misstrauisch zu ihm herunter.

„Na, du hast mir immer noch nicht den ‚Masterplan‘ dargelegt.“
 

Uruha lachte leise auf. „Ach, bisher konnte Kai jeden Anschlag immer noch ganz gut abwehren. Ruki wollte Aoi irgendwas ins Getränk mischen…harmloses Zeug!“, fügte er eilig hinzu und drückte den Kopf des Bassisten, der sich protestierend von seiner Schulter heben wollte, wieder zurück. „Hoffe ich zumindest. Um ihn etwas ‚freundlicher und zugänglicher‘ zu machen, hat er gesagt. Viel mehr weiß ich auch nicht. Ich war wohl doch ein wenig neben mir bei der eigentlichen Planungsphase.“, grinste der Gitarrist reumütig.

„Wenn du mit ‚neben dir‘ strunzen dicht und unzurechnungsfähig meinst…“ Reita grunzte unwillig, als der Gitarrist ihn ins Ohr zwickte.

„Meinst du, die ganze Sache läuft jetzt wieder in geordneten Bahnen?“
 

Uruha dachte kurz nach. „Ich weiß es nicht. Du kennst Ruki, wenn der sich erst mal in etwas verbissen hat… mal sehen, was Kai erreicht hat. Und bis nach dem komischen Interview übermorgen hätte Aoi eh Schonfrist gehabt.“

„Hältst du dich denn da jetzt wenigstens raus?“ Reitas Stimme hatte einen etwas strengeren Tonfall angenommen.

Uruha zuckte mit den Schultern. Naja, eher mit einer Schulter, denn auf der linken hatte der Bassist es sich ja bequem gemacht. „Irgendwie kann der Kleine schon ganz schön überzeugend sein, wenn er will…“

„Hm. Du hast also mehr Angst vor Ruki als vor Kai und mir?“

Empörtes Schnauben von Uruha. „Angst? Ich und Angst vor dem laufenden Meter? Und überhaupt, wieso sollte ich Angst vor dir haben? Gerade wirkst du nicht sehr furchterregend. Da ist Kai momentan klarer Gewinner“, meinte er lachend.
 

„Schön, das zu hören.“, schallte es sardonisch von der Tür her. Kai hatte unbemerkt den Raum betreten und grinste das Duo auf der Couch strahlend an. „Das spart mir die Arbeit, dich-“

„-an den Füßen aufzuhängen und auszupeitschen!“, beendeten Uruha und Reita den Satz prustend im Chor, um sich danach auf dem Sofa lachend in den Armen zu liegen. Während Kai nur hilflos den Kopf schütteln und sich fragen konnte, was die beiden eigentlich von ihm dachten. Er ließ ein fieses Grinsen aufblitzen.
 

„Bringt mich bloß nicht auf Ideen…“, was mit erneutem Gelächter quittiert wurde. Während Reita sich ächzend die schmerzenden Seiten hielt, richtete Uruha gespielt inquisitorisch seinen Blick auf ihren Bandleader und fragte: „Aber mal ernsthaft: Wo sind die beiden und was hast du mit ihnen angestellt?“

Verschwörungen

Kai rieb sich verlegen über den Hinterkopf. „Gut, vielleicht bin ich ein wenig ausgerastet… Die beiden haben mich zumindest ziemlich schräg angeguckt. Ruki versteckt sich wohl immer noch im Waschraum, aber Aoi müsste eigentlich schon längst wieder hier sein. Er hat sich zumindest noch vor mir wieder auf den Rückweg gemacht. Meint ihr, er war so beleidigt, dass er einfach nach Hause gegangen sein könnte…?“

Grinsend schüttelte Uruha den Kopf. „Aber nicht doch, das würde er sich nie trauen, wenn der böse Leader es ihm nicht wörtlich befohlen hat…“ Quietschend wich er Kai aus, der ihm lachend einen Klaps auf den Hinterkopf verpassen wollte.
 

Reita rückte ein Stück zur Seite und lehnte erschöpft den Kopf zurück auf die Sofalehne. Morgen würde er Muskelkalter haben, soviel war klar. Irgendwie hielt sich sein Mitleid mit seinen Kollegen gegenüber deswegen gerade ziemlich in Grenzen. „Der taucht schon wieder auf.“, brummte er.
 

Und wo war Aoi? Theoretisch war er Kais Anweisungen gefolgt. Er war nämlich auf dem Rückweg zum Probenraum gewesen, um sich trockene Kleidung zu suchen, als er auf dem Flur Shou in die Arme gelaufen war. Der Alice Nine-Sänger hatte ihn fürsorglich mit in ihre Garderobe geschleift, mit trockenen Sachen ausgestattet und sich kurz mit ihm über die allgemeine Grausamkeit der Drummer der PS-Company ausgetauscht. Aoi hatte nie wirklich darüber nachgedacht, aber als Shou ihn darauf stieß, fand auch er es merkwürdig, dass die Position des Bandleaders scheinbar immer vom Drummer der Band ausgeübt wurde. Und als der Sänger ihm dann noch seine kleine Verschwörungstheorie bezüglich geheimer Treffen der Bandleader, auf denen sicherlich neue Strategien zur unauffälligen Psychofolter der Bands besprochen würden, darlegte, bedankte er sich hastig und machte sich lieber wieder auf den Weg zu ihrem eigenen Probenraum. Ehe er seinen Bandleader durch ungenehmigte Abwesenheit noch mehr verstimmte. Shou nickte nur mitleidig und klopfte ihm auf die Schulter. „Aber kein Wort zu Kai... die sollen nicht wissen, dass wir sie durchschaut haben.“

Aoi nickte, fragte sich im Stillen aber, ob irgendjemand in der Cafeteria Drogen in den Nachtisch gemischt hatte. Irgendwie benahmen sich heute alle ziemlich merkwürdig.
 

Am Probenraum angekommen zögerte er kurz, ehe er die Tür vorsichtig nur einen kleinen Spalt aufzog. Als ihm aber weder Geschrei noch eisige Stille, sondern fröhliches Gelächter entgegenschlug, fasste er Mut und wagte sich vorsichtig in den Raum. Kai musterte ihn kurz, zog fragend eine Augenbraue hoch, nickte dann aber zu Aois Erleichterung gnädig. Nur Uruha konnte es sich einfach nicht verkneifen, die peinliche Frage aufzuwerfen: „Sag mal, Aoi, hast du dich in der Garderobe geirrt, oder warum trägst du ein Alice-Nine-T-Shirt? Oder gibt es da etwas, das wir wissen sollten…?“.

Aoi lief zwar kurz rot an, stimmte dann aber in das allgemeine Gelächter mit ein.
 

~*~
 

Im Waschraum sah Ruki in den Spiegel und versuchte vergeblich, seine Frisur irgendwie zu retten. Wie Aoi hatte auch er seine Haare unter dem Händetrockner wenigstens ansatzweise trocken geföhnt, sah aber entsprechend zerwühlt aus. Innerlich Kai verfluchend haderte er mit sich selbst, ob er in den Probenraum zurückkehren oder lieber nach Hause fahren sollte. Es gab nur ein Problem mit diesem Plan. Seine Autoschlüssel befanden sich in seiner Tasche. Und die befand sich im Probenraum. Aufseufzend starrte Ruki sein Spiegelbild nieder, als könnte ihm dieser geschlagene Fremde mit der nichtexistenten Frisur Antworten auf alle seine Fragen geben. Nur eines war ihm klar: er konnte jetzt unmöglich vor Kai kuschen und klein beigeben. Sein Plan hatte noch nicht einmal ansatzweise angefangen, sich zu entfalten. Und es ging ihm schließlich um das Wohl seines Lieblingsgitarristen. Ruki lehnte die Stirn gegen das kalte Spiegelglas und knurrte frustriert. Manchmal war es nicht einfach, sich jemandem gegenüber als Freund zu beweisen. Zumal, wenn dieser jemand nichts von seinem Glück ahnte.
 

~*~
 

„Meint ihr, Ruki ist schon nach Hause gefahren?“ Kai kaute nervös auf seiner Unterlippe und machte sich langsam Sorgen um ihren kleinen Sänger. Dieser war oft ziemlich aufbrausend und würde es wahrscheinlich wirklich fertig bringen, einfach abzuhauen, während die anderen hier auf ihn warteten. Wenn er sauer genug war. Und Kai ging davon aus, dass Ruki im Moment sauer genug war.
 

Reita grinste nur und nickte in Richtung des Tisches, auf dem Rukis Tasche stand. „Gefahren ist er sicher nicht.“

Kai nickte, tigerte aber weiterhin unruhig im Probenraum auf und ab und spielte nervös mit einem seiner neuen Drumsticks. Hatte er es übertrieben? Vielleicht hätte er den Sänger nicht so anfahren sollen. Die Tatsache, dass Aoi sich neben Uruha auf die Couch gekauert hatte und beinahe ängstlich jede seiner Bewegungen verfolgte, machte die Sache auch nicht wirklich besser. Kai zischte frustriert, woraufhin Aoi ängstlich zuckte. Uruha lachte leise und tätschelte dem anderen Gitarristen freundschaftlich die Schulter.

„Keine Angst. Wenn er dich hätte fressen wollen, hätte er das erledigen können, als er dich vorhin weggeschleift hat…“, stänkerte er. Sowohl Aoi als auch Kai warfen ihm vernichtende Blicke zu.
 

Kai verdrehte genervt die Augen. „Okay, das wird heute eh nichts mehr. Fahrt nach Hause. Aber seid übermorgen ja pünktlich fertig, mit gepackten Koffern. Wir treffen uns hier und werden dann direkt zum Fernsehstudio gebracht. Wenigstens zahlen die auch für die Übernachtung im Hotel.“
 

Aoi murmelte irgendetwas vor sich. Sogar Uruha, der direkt neben ihm saß, beugte sich etwas näher zu ihm, um ihn besser verstehen zu können. Er grinste und stützte sich mit einer Hand auf dem Knie des Schwarzhaarigen ab.

„Keine Angst, Liebchen, der böse Kai tut dir nichts mehr. Was hast du auf dem Herzen?“
 

Aoi war fasziniert von der neuentdeckten Geräuschvielfalt an seinen Bandkollegen. Von Reita kam ein wimmerndes Röcheln, von Kai etwas, das verdächtig nach einem Fauchen klang (und Uruhas Versicherung damit irgendwie hinfällig wirken ließ). Aber wenn er nicht in einem Alice Nine T-Shirt in die Straßenbahn wollte, musste er wohl oder übel seine Sorgen klar verständlich formulieren. Er räusperte sich und schielte ängstlich zu ihrem Drummer.

„Könnte mich bitte einer von euch nach Hause fahren? Und vielleicht schnell noch zur Polizei, wenn ich mich umgezogen habe? Die haben meinen Wagen abgeschleppt“, warf er schnell beruhigend hinterher, als die anderen ihn mit Gesichtsausdrücken von verschreckt bis fragend ansahen.
 

Uruhas Grinsen wurde immer breiter. „Kai, das ist doch eigentlich deine Schuld.“

„Wah?“, war der intelligente Kommentar ihres Bandleaders.

„Klar, wenn du den armen, verschreckten Aoi nicht losgejagt hättest, um für dich einzukaufen…“

Irgendetwas an Kais Blick ließ Aoi schlucken und glücklich sein, dass die mörderischen Augen sich momentan nicht auf ihn richteten, sondern auf den anderen Gitarristen.

Einen Moment starrten sich die beiden noch an, Uruha nach wie vor grinsend und Kai mit dem bösen Blick, einem Deathglare, der schon fast Rukis würdig gewesen wäre. Aber Uruha war einfach zu abgehärtet. Oder einfach furchtlos. Es war Kai, der zuerst den Blick abwandte und ein Grunzen von sich gab, das man wohl als Zustimmung deuten könnte. Oder als: Ich fress ihn doch noch, wenn ihr alle weg seid. Hilfesuchend blickte Aoi zu Reita und Uruha, die sich gemeinsam auf den Weg machten. Aber sie klopften ihm nur mitleidig und verabschiedend auf den Rücken (Reita etwas fester, als eigentlich nötig gewesen wäre) und während Aoi schmerzhaft das Gesicht verzog, ließen sie sich von Kai noch einmal die Zeiten für den übernächsten Tag bestätigen.

In der Tür drehte Uruha sich noch einmal um. „Ach Kai… vergiss nicht, unseren Sänger wieder einzusammeln.“
 

Mit einem frustrierten Laut warf Kai den Drumstick nach dem lachenden Uruha, der aber rechtzeitig von Reita aus der Schusslinie gezogen wurde.

Friends

„Du kannst es aber auch nicht lassen, oder?“
 

Reita dachte im Stillen bei sich, dass Uruha die Begegnung mit Kais Drumstick vielleicht ganz gut getan hätte. Dieser lachte allerdings nur und zupfte die Hand des Bassisten von seiner Jacke, um sich für den Weg durch die Flure freundschaftlich bei ihm einzuhaken.
 

„Ach, wenn Kai schon mal so leicht reizbar ist, macht es einfach Spaß, das ein wenig auszunutzen.“
 

Reita grunzte halb zustimmend. „Aber dass du auch noch so auf dem ‚armen, verschreckten Aoi‘ rumhacken musstest…“ Der Bassist stieß Uruha leicht den Ellenbogen in die Seite. „Und ihn dann auch noch Kai ausliefern, wo er doch sowieso schon Angst vor ihm hat.“ Sie lachten beide.
 

„Kai hätte ihn doch eh nicht mit mir fahren lassen.“, kam es dann aber etwas gedämpft von der Seite.
 

Reita stutzte kurz. „Schmollst du etwa darüber…?“ Er beugte sich leicht zu Uruha, um dem Gitarristen ins Gesicht sehen zu können. Was ihm allerdings nicht leicht fiel, weil dieser den Kopf so gesenkt hielt, dass ihm die Haare ins Gesicht fielen und seine Augen verdeckten. Allerdings fiel Reita die dezente Röte auf, die auf den Wangen des Größeren erschien.
 

„Uruha…?“
 

Sie waren schon lange befreundet und mittlerweile kannte der Angesprochene die Betonungen des Freundes gut genug, um aus dieser kurzen Frage, die eigentlich gar keine war, verschiedene Bewusstseinszustände und Vorhaben herauszuhören: Reita war besorgt um ihn, Reita hatte irgendeinen Verdacht (der ihm missfiel), Reita würde ihn notfalls foltern, um an Informationen zu gelangen und Reita wollte doch immer nur sein bestes.
 

Frustriert fuhr Uruha sich durch die Haare. „Was?“
 

„Warum genau schmollst du darüber, dass Kai das arme Opfer eurer Verschwörung nicht mit dir allein lassen möchte?“, fragte Reita scheinbar sanft.
 

„Mach dich bitte nicht über mich lustig“, fauchte Uruha irritiert zur Seite. So einen Sarkasmus bekam er von Reita sonst nicht zu spüren.
 

„Werd ich schon nicht“, grinste der Bassist. „Wenn du mir freiwillig sagst, was in deinem hübschen, hohlen Köpfchen vor sich geht.“ Er blieb ruckartig stehen und zog Uruha an ihren eingehakten Armen so vor sich, dass er ihm die Augen sehen konnte. Der Gitarrist allerdings widmete irgendwelchen imaginären Fusseln auf seiner Jacke wesentlich mehr Aufmerksamkeit als seinem Gesprächspartner. Die Sache mit dem Hohlkopf schien er überhört zu haben oder ignorierte die Beleidigung gekonnt.
 

„Uruha…!“ Da, schon wieder. Aber diesmal mit stärkerer Betonung auf ‚foltern, um an Informationen zu gelangen‘. Vielleicht sollte er mit seinem Reita-Verständnis in eine Quiz-Show gehen.
 

„Was?!“, gab er schon etwas genervter von sich. Und machte den Fehler, Reita dabei gereizt in die Augen zu sehen. Seinem Freund aus Grundschulzeiten. Der ihn nur scharf beobachten musste, um mit geradezu unheimlicher Genauigkeit jeden seiner Gemütszustände mit Grund und möglichen Folgen zu benennen. Uruha zuckte ein wenig zusammen, als der Gesichtsausdruck des Bassisten von besorgt-bedrohlich zu verständig-belustigt wechselte.
 

„Nur um ganz sicher zu gehen…“
 

Ein kurzes Wimmern von Uruha auf diese Ansage von psychologischer Folter.
 

„Es geht dir sehr nahe, was Aoi in dem Interview gesagt hat.“
 

Nicken.
 

„…um nicht zu sagen, ziemlich nahe.“
 

Erneutes Nicken und Erröten.
 

„Und das ist so, weil…?
 

Schweigen. Kopfschütteln. Aber heftigeres Erröten.
 

Reita schien eine sadistische Belustigung daraus zu ziehen, den großen Blonden zu quälen. Er schnurrte schon fast: „Komm schon… sprich es aus, dann geht es dir besser. Damit du dir selbst sicher sein kannst.“
 

Uruha dachte nicht, dass er noch heftiger erröten könnte, aber sein Gesicht fühlte sich schon unangenehm warm an. Aber er schüttelte tapfer den Kopf und starrte Reita aus trotzig verengen Augen an.
 

Dieser lachte nur. „Schon klar. Du befindest dich sozusagen in der Phase des Verleugnens.“
 

Uruha krächzte empört.
 

Reita schüttelte belustigt den Kopf und legte dem blonden Gitarristen einen Arm um die Schultern. „Okay. Werd dir erst mal selbst darüber klar, warum dich das ganze so mitnimmt. Und wenn du dich dann emotional von einem Teenager zu einem Erwachsenen weiterentwickelt hast...“, er wich gekonnt einem frustrierten Stoß in seine Magengegend aus. Jahrelange Übung. „ ...dann erzählst du es mir.“
 

Uruha starrte den Bassisten verstört an. „Wenn du schon solche Verdächtigungen hegst, warum bist du dann nicht schockiert und schreist mich an?“, fragte er vorsichtig.
 

Reita lächelte überlegen. „Ich sage doch ständig, ich kenne dich eben. Freunde akzeptiert man eben so, wie sie sind.“ Er lehnte seine Stirn gegen die des Größeren und dieser ließ sich dankbar in den Körperkontakt fallen.
 

„Außerdem hatte ich ja schon einige Jahre Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, während du eine bestimmte Person angeschmachtet hast.“
 

Uruha schnaubte. „Pfft. Ich habe sehr subtil geschmachtet.“
 

„Natürlich. Besonders subtil war, wie du es bei einem Konzert doch wirklich fertig gebracht hast, ihm die Zunge in den Hals zu stecken.“
 

Uruha legte die Hände auf die muskulösen Oberarme seines Freundes und schon ihn ein Stück von sich. „Okay. Wer bist du, und was hast du mit meinem Freund Mister Macho gemacht?“
 

Reita lachte, löste sich aus Uruhas Griff und wuschelte dem Größeren durch die Haare, was dieser mit einem Grummeln quittierte. In schweigendem Einverständnis machten sie sich auf den Weg zu Reitas Wagen. Allerdings konnte Reita es sich nicht verkneifen, Uruha ein wenig aufzuziehen. Er hatte sich jetzt so lange damit zurückgehalten, hatte er den anderen doch nicht verschrecken wollen. Und Uruha wunderte sich. Darüber, wie gelassen Reita es hinnahm, dass der Gitarrist sich seiner sexuellen Orientierung unsicher geworden war. Wie Reita das wohl schon vor ihm selbst bemerkt hatte. Aber mehr darüber, wie nachdrücklich er ihn warnte, doch ihrem Bandleader gegenüber lieber nichts davon anzudeuten. Ziemlich nachdenklich stieg er zu ihrem Bassisten ins Auto, um sich von ihm nach Hause fahren zu lassen.
 

~*~
 

Besagter Bandleader hatte einen ziemlich verschüchterten Aoi im Probenraum mit seinen Blicken auf dem Sofa festgenagelt (er musste ja sowieso warten, wenn der Drummer ihn fahren sollte) und sich auf den Weg gemacht, ihren Giftgnom, pardon: Sänger einzusammeln. Er hatte einen Moment darüber nachgedacht, dem kleinen Blonden nur einen Zettel mit den anstehenden Terminen an die Tasche zu heften und sich mit Aoi auf den Weg zu machen. Aber ein wenig quälte ihn schon das schlechte Gewissen. Zumal er nicht wissen konnte, ob Ruki vielleicht zu verwirrt wäre, um seine Tasche zu finden. Also musste Kai sich persönlich davon überzeugen, ob ihr Sänger geistig momentan in der Lage war, sich die Termine für den übernächsten Tag zu merken. Schließlich hatte er das ganze schon einmal vergessen, hielt Kai sich vor Augen.
 

Auf dem Weg zu den Waschräumen begegnete er Ruki nicht. Kai hoffte inständig, ihren kleinen Sänger noch dort vorzufinden, wo er ihn zurück gelassen hatte. Denn ihn im gesamten Company-Gebäude zu suchen, darauf hatte der Drummer keine Lust. Warum hatte er sich nochmal freiwillig dazu gemeldet, Uruha als Bandleader abzulösen? Ach ja, da war etwas gewesen. Melde dich, hatten sie gesagt. Du bist der einzige, der diesen Sauhaufen zusammen halten kann. Wir helfen dir, hatten sie gesagt. Schöne Pleite, dachte Kai.
 

„Hey.“

Vorsichtig schob Kai die Tür des Waschraumes ein Stück auf und sah durch den Spalt. Ruki stand ruhig da, die Augen geschlossen, die Stirn an das Spiegelglas über den Waschbecken gelehnt. Kai lächelte, denn der Sänger musste sich dazu ein wenig auf die Zehenspitzen stellen. Als Ruki weder anfing ihn anzuschreien, noch auf ihn losging, trat Kai hinter ihn und legte ihm sacht die Hände auf die Schultern. Immerhin zuckte der Sänger nicht ängstlich zusammen, sondern öffnete lediglich die Augen und hob den Kopf leicht an, um den Drummer im Spiegel ansehen zu können.

„Was.“, brummte Ruki ungnädig. Er ließ sich nicht von Kais daraufhin strahlendem Lächeln blenden, schließlich war er noch etwas verstimmt, was dessen Angriff auf seine Frisur und seine Person vorhin anbelangte. Vielleicht wirkten Kais unheimliche Kräfte auch nicht, wenn man ihn nur im Spiegel sah. Wie beim Basilisken. Ruki nahm sich vor, diese These später noch auszutesten. Leider drehte der Dunkelhaarige ihn nämlich gerade an den Schultern zu sich herum.
 

„Tut mir leid“, nuschelte der Drummer und ließ Ruki los, um sich verlegen den Hinterkopf zu reiben. „Ich hab da wohl ein wenig überreagiert… aber ihr macht es mir auch nicht immer leicht.“

Wieder gab der Sänger einen ungnädigen Brummton von sich, aber wie er Kai so vor sich hatte und dessen beinahe schon nuklear niedlichen Grinsen der Marke ‚ich bin eigentlich ganz harmlos und das ganze ist mir peinlich‘ schutzlos ausgeliefert war, blieb ihm nach ein paar Sekunden nichts anderes übrig, als seinerseits zurück zu grinsen. Er seufzte geschlagen.

„Schon gut. Aber für meine Frisur wirst du noch büßen!“, versuchte er, den Drummer zu bedrohen. Dieser lachte allerdings nur und fuhr ihm mit beiden Händen durch die Haare. Ruki schrie empört auf und stemmte sich mit beiden Händen gegen Kais Brustkorb.
 

Kai lachte. „Komm, wir gehen zurück zum Proberaum und sprechen nochmal wegen übermorgen alles durch. Uruha und Reita sind schon los. Aoi ist aber noch da, falls du noch… mit ihm reden möchtest. Wir können das auch gemeinsam machen“, schlug er vor.

Ruki schüttelte nur den Kopf. „Das geht noch nicht“, meinte er kryptisch. Wenn er Aoi jetzt auf das Interview ansprach, konnte er den seinen Plan gleich völlig verwerfen.

Kai runzelte verwirrt die Stirn und dachte sich seinen Teil. Sicherlich überlegte Ruki nur, wie er die Sache am besten ansprechen könnte. Zumindest hoffte Kai das.
 

„Ruki?“

„Hm?“

„Du kannst mein T-Shirt jetzt wieder loslassen.“
 

~*~
 

Aoi saß ein wenig nervös, aber dennoch gelangweilt im Probenraum herum. Er spielte gerade mit dem Gedanken, die Abwesenheit seiner Bandkollegen zu nutzen, um entweder Kais oder Rukis Autoschlüssel an sich zu nehmen, als der Bandleader und sein kleines blondes Anhängsel auch schon wieder in der Tür standen. Mit möglichst unschuldigen Augen begegnete Aoi dem fragenden Blick der beiden und fragte sich, wie viel seiner Gedanken in seinem Gesicht gestanden hatte. Er musste wohl lernen, sich schneller zu entscheiden. Also doch mit Kai fahren. Yippie.
 

Kai schrieb Ruki schnell noch die Abfahrtszeit für den übernächsten Tag auf und der Sänger machte sich auf den Weg. Aoi kam sich schon langsam paranoid vor, denn er hätte schwören können, der kleine Sänger hätte ihn böse angesehen, als er sich verabschiedete.
 

Kai seufzte und suchte seine Sachen zusammen. Dabei fragte er sich, was er mit den größtenteils völlig nutzlosen Dingen anfangen sollte, die Aoi für ihn hatte einkaufen müssen. Er ging gerade im Geiste Rezepte durch, die sowohl Ananas als auch Kokosflocken beinhalten könnten, als ein Räuspern ihn daran erinnerte, dass er nicht allein im Raum war. Er drehte sich zu Aoi um und musste unwillkürlich grinsen, weil der Schwarzhaarige wie ein Häuflein Elend auf der Couch hing und ihn unsicher ansah.
 

„Kai?“
 

Ein ermunterndes Nicken deutete dem Gitarristen, fortzufahren.
 

„Bist du irgendwie sauer auf mich…?“
 

Kai seufzte. „Nein, Aoi. ICH bin nicht sauer auf dich. Denke ich.“
 

Aoi hob zwar fragend eine Augenbraue wegen der merkwürdigen Betonung des Drummers, hakte aber nicht weiter nach.
 

„Ich dachte nur… du benimmst dich mir gegenüber irgendwie komisch in letzter Zeit. Es tut mir leid, wenn ich da etwas missverstanden habe.“ Aoi wurde immer leiser und Kais Grinsen immer breiter. Allerdings sah der Schwarzhaarige ihn nicht direkt an, sondern klebte förmlich mit dem Blick auf dem Boden.
 

Kai schüttelte den Kopf und fragte sich, warum ihr Gitarrist so schreckhaft war, dass ihn schon so ein kleiner Ausraster des Bandleaders dermaßen verunsichern konnte. Er ging zu Aoi hinüber, ließ sich auf den Knien vor der Couch nieder und neigte den Kopf grinsend in einem unbequemen Winkel um dem Schwarzhaarigen in die Augen sehen zu können. Dieser erwiderte seinen Blick allerdings erst, nachdem sich seine Augen kurz schreckhaft geweitet hatten.
 

„Aoi, was ist los mit dir? Ich hab dir doch wirklich nichts getan.“ Kai konnte sich gerade noch auf die Zunge beißen, um nicht hinzuzufügen ‚noch nicht‘. So gern er den Gitarristen etwas geärgert hätte, spürte er doch instinktiv, dass er sich besser etwas zurückhielt.
 

Aoi machte eine hilflose Geste mit den Händen, setzte sich aber wenigstens wieder aufrecht hin, so dass Kai sich auch wieder aufrichten konnte. Beide ließen die Hände dann auf den Knien ruhen, und Kai grinste Aoi dermaßen an, dass dieser unwillkürlich zurück lächelte.
 

„Bist du denn jetzt wenigstens davon überzeugt, dass ich nicht vorhabe, dich aufzufressen?“ Kai blickte übertrieben unschuldig zu Aoi auf, der daraufhin kurz lachte.
 

„Wer weiß“, meinte er. „Dürr, wie du bist…“
 

Kai stützte sich auf Aois Knien ab, um sich vom Boden zu erheben und nutze die Gelegenheit, den Gitarristen in den Oberschenkel zu zwicken. Aoi jaulte kurz auf und fragte: „Testest du jetzt doch, ob an mir genug dran ist?“
 

„Klar. Was meinst du, warum ich so gut kochen kann… jahrelange Übung.“ Kai stieß ein gespielt düsteres Lachen aus. Wieder ungezwungen mit Aoi zu scherzen freute ihn. „Willst du heute Abend zum Essen vorbeikommen?“, drohte er lachend, wurde aber gleich darauf wieder etwas ernster. „Wenn du artig bist und alles aufisst, verrate ich dir vielleicht sogar, warum ich mich so komisch dir gegenüber benommen habe in letzter Zeit.“ Würde er Ruki eben in die Pfanne hauen. Der kleine Sänger konnte zwar aufbrausend sein, aber es brach Kai schier das Herz, wenn Aoi ihn so dermaßen ängstlich ansah wie vorhin. Wenn auch ein fieser kleiner Teil seiner Seele sich über diese Art der Kontrolle freute.
 

Aoi sah ihn fragend an. Neugierig war der Gitarrist schon, aber seine Gedanken rasten. Er verfluchte gedanklich die Zeit am letzten Wochenende, die er aus purer Neugier im Internet verbracht und nach Meinungen über seine Band gesucht hatte. Dabei war er an Geschichten geraten, die selbst ihn zum Erröten gebracht hatten. Und normalerweise war Aoi niemand, der schnell errötete. Und wie hoch stand schon das Risiko, dass Kai ihn in seine Wohnung locken, ihm nach einem romantischen Abendessen seine unsterbliche Liebe gestehen und ihn ins Bett zerren würde?
 

„Aoi? Ist alles in Ordnung? Du bist ein wenig blass geworden.“ Kai beugte sich besorgt über den Schwarzhaarigen und fuhr erschrocken zurück, als dieser hastig aufstand und dabei beinahe mit seinem Gesicht kollidierte.
 

Aoi schüttelte hastig den Kopf. „Nein, alles okay. Vielleicht etwas zu viel Aufregung heute. Wollen wir fahren?“
 

„Okay…“ Kai kramte nach seinen Autoschlüsseln.
 

Und während Aoi sich fest vornahm, nie wieder im Internet die eigene Band zu googeln, fragte Kai sich, ob Aoi vielleicht ein heimliches Drogenproblem hatte.

Therapy

Die Fahrt zu Aois Wohnung verbrachten Kai und der Gitarrist weitestgehend schweigend. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, und Kai musste sich ja auch noch auf den Straßenverkehr konzentrieren. Während Kai wartete, bis Aoi sich umgezogen hatte, ließ er seinen Blick durch dessen Wohnzimmer streifen und wunderte sich wieder einmal, wie pedantisch ordentlich ihr Gitarrist zu sein schien. Er traute sich nicht einmal, sein Wasserglas auf dem Couchtisch abzustellen aus Angst, es könnte einen Rand auf der staubfreien Tischplatte hinterlassen. Dementsprechend erleichtert war er, als der andere endlich fertig war und ihm das Glas abnahm, um es in der Küchenspüle zu parken.
 

Als kleine Wiedergutmachung für sein Verhalten leistete der Bandleader Aoi sogar moralischen Beistand, als sich dieser auf der Polizeiwache eine Moralpredigt wegen seines Falschparkens anhören durfte. Wobei er sich schmerzhaft auf den Innenseiten seiner Wangen herum kaute, um nicht zu lachen, weil der Schwarzhaarige scheinbar wirklich mit den Nerven ziemlich am Ende war und aussah, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Kai gönnte sich allerdings ein kleines Grinsen, als er endlich mit Aoi, der einen Zettel mit der Anschrift des Abschleppunternehmens und den Zahlungsbefehl in den zitternden Händen hielt, unter vielen Verbeugungen die Polizeistation verließ. Aber irgendwie explodierte sein kleines Grinsen in ein ausgewachsenes Lachen, als sie wieder im Auto saßen und Aoi die Zettel in seiner Hand vollkommen traumatisiert anstarrte.
 

„Ich weiß nicht, was an dieser Situation amüsant sein sollte“, gab der Gitarrist leicht säuerlich von sich.
 

Kai grinste nur noch breiter. „Dein Gesicht… als wären diese Zettel das Siegel des Bösen oder sowas.“
 

Der Gitarrist grummelte zwar noch etwas, rang sich dann aber auch ein halbherziges Lächeln ab. „Hauptsache, ich bekomme den Wagen problemlos wieder.“ Er boxte seinem Fahrer leicht auf den Oberarm. „Nicht, dass ich noch länger auf deine Gnade angewiesen bin.“
 

„Soso. Und sowas Undankbares hab ich für heute Abend zum Essen eingeladen.“ Kai schüttelte scheinbar betrübt den Kopf. „Wenn du nicht artig bist, gibt es keinen Nachtisch!“
 

Das wollte Aoi dann doch nicht riskieren, also hielt er für den Rest der Fahrt den Mund, ein neutrales Lächeln auf den Lippen und die Hände artig im Schoß gefaltet.
 

Später am Abend dankte Aoi allen Göttern für die Fügung, die aus ihrem Drummer einen dermaßen begnadeten Koch gemacht hatte. Er ertappte sich sogar bei dem Gedanken, allein wegen des Essens dem Dunkelhaarigen nicht völlig abgeneigt zu sein, sollte dieser wirklich noch auf die Idee kommen wollen, über ihn herzufallen. Nicht, dass Aoi unbedingt schwul wäre, aber um an der Quelle für solche Nahrung zu sitzen, könnte man Opfer bringen.
 

Trotzdem wand der Schwarzhaarige sich unruhig auf seinem Stuhl, als er Kais Blick unverwandt auf sich ruhen spürte. Und als der Drummer dann noch nach dem Nachtisch Kaffee auftischte und Worte wie ‚Stunde der Wahrheit‘ an das noch im Fressrausch ruhende Hirn des Gitarristen drangen, fuhr er erschrocken auf.
 

Kai verdrehte genervt die Augen ob Aois Schreckhaftigkeit. Er sah dem Gitarristen fest in die Augen. „Aoi, falls du ein Problem mit Drogen oder ähnlichem hast, solltest du es mir sagen. Als Bandleader habe ich der Band gegenüber schließlich eine gewisse Verantwortung.“
 

Aois intelligenter Kommentar hierzu bestand aus einem ungläubigen Krächzlaut und vehementem Kopfschütteln.
 

Kai nickte, sah aber noch immer nicht vollständig überzeugt aus. „Ich lasse das mal als Nein gelten.“ Er rührte ein wenig Zucker in seinen Kaffee, ehe er Aoi wieder in die Augen sah. „Aber gnade Dir Gott oder wer auch immer, wenn ich auf anderem Wege mitbekomme, dass dem doch so sein sollte. Sowas könnte uns unseren Vertrag bei der Company kosten, Aoi.“
 

Aoi sog zischend die Luft ein, ehe er seine Kaffetasse mit einem Klirren schon beinahe auf den Tisch donnerte. „Jetzt wirft man MIR ein Drogenproblem vor? Hast du sie noch alle?“ Er bemühte sich, ruhig zu atmen und nicht zu laut zu werden. Trotzdem schmerzte ihn Kais Verdacht. „Warum ist es denn plötzlich meine Schuld, wenn du plötzlich unter dem Stress durchdrehst?“
 

Kai sah den Schwarzhaarigen verdutzt an. Und begann dann zu dessen Erstaunen leise zu lachen. Aoi verschränkte die Arme vor der Brust und starrte den Drummer über den Tisch hinweg herausfordernd an. Kai gluckste noch ein wenig vor sich hin, ehe er sich endlich zu einer Erklärung herabließ.
 

„Das mit den Drogen war auch eher so ein Schuss ins Blaue. Aber das ‚komische Benehmen‘, Aoi. Ist dir das wirklich nur bei mir aufgefallen?
 

Der Angesprochene schnaubte, dachte aber kurz über die Worte des Drummers nach. „Okay, halt mich für paranoid… aber irgendwie kam es mir heute so vor, als hätte Ruki mich böse angesehen.“ Er knabberte an seiner Unterlippe. „Reita benimmt sich eigentlich wie immer. Uruha scheint sich immer mehr vor mir zurück zu ziehen …“ Aoi stockte kurz, was Kai mit einem fragenden Blick bemerkte. Diesem begegnete Aoi jedoch herausfordernd: „Aber du hast dich in den letzten Tagen mit Abstand am merkwürdigsten benommen. Jagst mich raus in den Regen“, Aoi grinste kurz, als Kai abwehrend auffahren wollte, ließ den Drummer aber nicht zu Wort kommen, „und hast mindestens zwei oder dreimal ein Getränk zerdeppert, das Ruki mitgebracht hatte.“
 

„Siehst du, damit kommen wir der Sache schon näher.“ Kais Grinsen wirkte etwas zufriedener und irgendwie drängte sich Aoi der Vergleich mit der Grinsekatze aus Alice im Wunderland auf. Zumal der Drummer nun auch noch die Arme vor sich auf dem Tisch verschränkte und sich darauf lehnte.
 

Aoi schüttelte hilflos den Kopf und bedeutete Kai forzufahren, da er sich keinen Reim auf dessen Worte machen konnte.
 

Kai seufzte. „Jetzt überleg doch mal.“ Er sprach langsam und deutlich, als wolle er einem Kind etwas begreiflich machen. Aber bevor Aoi dahingehend einen Kommentar machen konnte, fuhr der Drummer auch schon fort. „Was hast du denn in letzter Zeit allein gemacht, im Hinblick auf die Band?“
 

Aoi sah ihn verwirrt an.
 

„Nehmen wir mal an, rein hypothetisch natürlich, du hättest irgendetwas getan, was den Rest deiner Band verstimmen könnte…? Klingelt da gar nichts?“ Kai zuckte bedeutungsvoll mit den Augenbrauen.
 

Aoi saugte gedankenverloren an seiner Unterlippe, eine alte Angewohnheit noch aus der Zeit, als er sein Piercing noch getragen hatte. Worauf könnte Kai hinauswollen? „Ich habe nicht schlechter gespielt als sonst.“, überlegte er laut und brachte Kai damit erneut zum Grinsen.
 

„Es hat nichts mit deinem Gitarrenspiel oder dem Komponieren zu tun.“, half Kai nach. Und verwirrte Aoi damit noch zusätzlich. Er machte ein dermaßen hilfloses Gesicht, dass Kai beschloss, ihm weitere Tipps zu geben.
 

„Denk nach. Was könntest du in welchem Zusammenhang gesagt haben, das jemand in den falschen Hals hätte kriegen können…?“
 

Aoi stöhnte frustriert auf. „Kai, wir sind hier doch nicht in einer Quizshow. Ich weiß, dass ich manchmal viel Mist erzähle, wenn der Tag lang ist.“
 

Kai nickte abgebrüht. „Einsicht ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung.“
 

Aoi warf seinen Kaffelöffel nach dem Drummer, Kai konnte das kleine Wurfgeschoss jedoch abfangen.
 

„Hey! Ich versuche hier, dir zu helfen!“
 

„Ja klar…“
 

Kai schlug kurz mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Jetzt schmoll hier nicht rum, sondern DENK NACH, verdammt nochmal!“
 

Aoi zuckte zusammen und sah sich unwillkürlich nach dem schnellsten Fluchtweg um. Das Adrenalin schien allerdings auch seinem Hirn etwas auf die Sprünge zu helfen, denn als er sich schon halb erhoben hatte, um zur Tür zu sprinten, ließ er sich geschockt wieder auf den Stuhl sinken.
 

„Das Interview…?“
 

„Bingo! Der Kandidat hat 100 Punkte. Sie haben diese nagelneue Waschmaschine gewonnen!“, freute der Drummer sich sarkastisch.
 

Aoi stützte die Ellenbogen auf den Tisch und versteckte das Gesicht in den Händen. „Ich wusste, dass ihr mir das irgendwann noch die Ohren hauen würdet!“, wimmerte er gedämpft.
 

Kai lachte auf. „Wenn es das nur wäre.“
 

„Hm?“ Aoi schielte durch seine Finger zu Kai.
 

„Lass es mich so ausdrücken: An deiner Stelle wäre ich in nächster Zeit Ruki und Uruha gegenüber etwas vorsichtig. Vorsichtig im Sinne von, nicht allein mit ihnen in einem Raum.“
 

„So schlimm?“ Aoi ließ die Hände sinken und runzelte verwirrt die Stirn. „Uruha… das kann ich noch verstehen. Im Nachhinein fiel mir ja auch auf, dass ein paar Sätze ziemlich falsch rüberkamen.“ Aoi ließ den Kopf auf den Tisch sinken und schlug ein paar Mal leicht mit der Stirn auf die Tischplatte. Kai trat schnell zu ihm und strich ihm beruhigend über die Haare (und drückte seinen Kopf dabei leicht nach unten, um jegliche Selbstverletzung zu unterbinden). Aoi kämpfte nicht gegen die Hand des Drummers an, sondern ließ den Kopf nur resigniert auf der Tischplatte aufliegen. Deswegen klangen seine nächsten Worte etwas gedämpft.
 

„Du kennst mich doch… ich werde bei Interviews immer so nervös und dann labere ich irgendwelchen Mist. Wie das dann ausgelegt werden kann, merk ich auch meist erst, wenn es zu spät ist.“ Aoi stieß ein frustriertes Stöhnen aus und begann sich die Haare zu raufen.
 

Kai tätschelte ihm beruhigend den Rücken. „Dann halt bei dem Interview übermorgen am besten einfach die Klappe.“, stänkerte er.
 

Aoi warf ihm über die Schulter einen bösen Blick zu. „Und was mach ich solange mit den anderen?“
 

„Hm… das Ganze klären, so schnell du kannst. Am besten gleich nach dem Interview. Gib ihnen keine Gelegenheit, sich irgendwie zu rächen.“
 

Aoi wurde blass. „Rächen?“, krächze er. „Was meinst du damit?“
 

Kai trat einen Schritt zurück und rieb sich verlegen das Genick. „Ach weißt du, stell dir einfach vor, da sind ein schmollender Uruha, ein planungswütiger Ruki und eine Menge Alkohol….“
 

Aoi lehnte sich schaudernd zurück und sah bettelnd zu Kai auf. „Ist es nicht irgendwie deine Pflicht als Bandleader, sowas zu klären…?“
 

Das böse Grinsen, das auf Kais Gesicht erschien, ließ Aois hoffnungsvollen Gesichtsausdruck schnell schwinden. Der Drummer rieb ihm zwar mitfühlend die Schultern, blieb aber hart und meinte:
 

„Das hast du dir selbst eingebrockt. Ich hab dich die letzte Zeit abgeschirmt, aber jetzt bist du gewarnt und darfst du auf dich selbst aufpassen.“
 

„Kai? Irre ich mich, oder hast du da gerade ein echt sadistisches Grinsen ausgepackt…?“

Gruppentherapie

„Wird das etwa LIVE übertragen? Bitte, bitte sagt mir, dass das keine Live-Übertragung wird!“, flehte Aoi seine Kollegen vergebens an. Er saß händeringend auf einem der unbequemen Plastikstühle in der Garderobe, die ihnen vom Sender zugewiesen worden war.

Während Uruha noch mitleidig hinter ihm stand und beruhigend die Hände auf seine Schultern gelegt hatte, erntete er vom Rest der Band nur gelangweilte Blicke. Genauer gesagt, von Ruki und Reita, denn Kai sah ihn deutlich genervt und vielleicht sogar ein wenig böse an.

„Wenn du heute Morgen besser zugehört hättest, als wir das Ganze im Detail durchgesprochen haben, würde dich diese Erkenntnis nicht so unvorbereitet treffen“, zischte der dunkelhaarige Drummer wütend.

Aoi senkte schuldbewusst den Kopf. Er war wirklich den Tag über zu beschäftigt damit gewesen, Ruki und Uruha genau im Auge zu behalten, um den Worten ihres Bandleaders große Aufmerksamkeit zu schenken. Das rächte sich nun, zumal es sich nicht einmal gelohnt hatte, denn keiner der beiden hatte ein auffälliges Verhalten erkennen lassen. Aoi murmelte eine Entschuldigung in Kais Richtung und fing vor lauter Nervosität wieder an, an seiner Unterlippe zu saugen. Allerdings wurde dies sofort mit einem erschreckten Aufschrei der zuständigen Visagistin quittiert, die unter dem amüsierten Grinsen seiner Kollegen mit Lipgloss über ihn herfiel.
 

Sie schlugen sich anfangs ganz gut während des Interviews. Wenn nicht direkt angesprochen, saßen die Gazette-Mitglieder mit neutralen Gesichtern auf den Ledersofas und ließen Kai reden, während sie versuchten, sich nicht anmerken zu lassen, wie das Makeup unter dem heißen Scheinwerferlicht unangenehm zu prickeln begann. Uruhas Blick schweifte wie immer etwas verträumt ab, Reita wirkte eigentlich nur gelangweilt und Rukis Blick nahm nach einer halben Stunde auch wieder das bekannte und beliebte Todesversprechen an. Sie mussten allerdings nicht allein leiden, denn außer ihnen waren noch eine relativ unbekannte Visual-Key-Band, die durch ihr Outfit zumindest optisch von Gazette ablenkte und zwei Solokünstler anderer Labels ausgestellt. Die meisten Fragen bezogen sich darauf, ob es einfacher wäre, als Band oder als Solokünstler Erfolg zu haben. Es wäre sicherlich alles gut ausgegangen, hätte man einfach weiterhin Kai tapfer lächelnd alle Fragen beantworten lassen.

Als aber die scheinbar sadistische Moderatorin damit anfing, auch die anderen Bandmitglieder einzeln anzusprechen, versank langsam aber sicher alles im Chaos. Aoi war nicht ganz sein quirliges Selbst und beantwortete Fragen eher zögerlich, dafür sehr überlegt. Uruha bekam von Reita kurz und unauffällig einen Ellenbogen in die Seite gerammt, als er sich zu viel Zeit mit einer Antwort ließ. Alles noch keine Katastrophe. Bis die Moderatorin sich an Ruki wandte und den Sänger fragte, was die Band denn täte, wenn sie plötzlich auf eine andere Erwerbsquelle angewiesen wären. Kai, der zwischen Ruki und Uruha saß, sah den Vocal noch beschwörend an, als sich ein sadistisches Grinsen über dessen Züge legte. Trotzdem antwortete ihr Sänger voller Überzeugung: „In diesem Fall können wir Aoi und Uruha immer noch in die Porno-Industrie verkaufen. Damit dürften wir genug Geld machen, um eine Weile über die Runden zu kommen.“
 

Das hätte man trotz Kais und Aois mörderischen Blicken noch gut als Scherz verkaufen können. Zumal man Reita ansehen konnte, wie sehr er sich abmühte, ein Lachen zurückzuhalten. Leider nur dachte Aoi dieses eine Mal nicht nach, als er schnippisch auf Rukis provozierende Worte antwortete.

„Na, eh ich mit dir Pornos drehen würde, dann sowieso eher mit Uruha!“

Während Ruki empört nach Luft schnappte und Kai den Versuch aufgab, seine Band mit Blicken zu erdolchen und stattdessen resigniert das Gesicht in den Händen vergrub, lachte Reita laut auf und stieß dabei versehentlich Uruha wieder in die Rippen. Dieser hatte von dem ganzen Unglück noch nichts mitbekommen und dachte wohl, wieder eine Frage verträumt zu haben. Um möglichst neutral zu antworten, ließ er nur ein leises „Man muss alles einmal ausprobiert haben.“ hören.

Für einen Moment herrschte atemlose Stille, bis glücklicherweise die andere Band geschlossen in ungläubiges Gelächter ausbrach. Da so kurz die Aufmerksamkeit von ihnen abgelenkt war, fiel nur den Betroffenen auf, wie Kai kurz schmerzhaft seine Fingernägel in erreichbare Körperteile der neben ihm Sitzenden grub und zischte: „Ich nehm die Idee mit dem an die Decke hängen und auspeitschen vielleicht wirklich noch mal auf…“

Glücklicherweise neigte sich die Sendezeit fast schon dem Ende zu. Für den Rest der Sendung konzentrierte man die Fragen merklich auf die anderen Gäste.
 

Kai war merkwürdig ruhig, als sie durch den Flur zurück in ihre Garderobe gingen, während die vier jüngeren Mitglieder der anderen Band wie junge Hunde um sie herumsprangen und sie mit Fragen bombardierten. Denen Aoi und Reita sich plötzlich allein ausgesetzt sahen, als ihr Bandleader ihnen die Garderobentür vor der Nase zuschlug, um sich allein mit ihrem Sänger und dem Leadgitarristen zu unterhalten.

Leider waren die Garderobentüren des Studios nicht schallisoliert wie ihr Probenraum.

Ja, das ist unser Bandleader. Ja, das fing erst an, als wir bei unserer jetzigen Company unter Vertrag genommen wurden.

Verschüchtert rückte die andere Band ab, und Reita musste unwillkürlich grinsen, als sie ihren Bandleader beschworen, sein sonniges Gemüt beizubehalten. Ja, diese jugendliche Naivität hatte auch er einmal besessen.

Nachdem wieder Ruhe herrschte, klopfte Reita energisch an die Tür des Probenraumes und trat dann ein, als wäre nichts gewesen. Aoi hielt sich, so gut es eben ging, hinter dem Bassisten, damit der Blick ihres Bandleaders nicht auf ihn fallen konnte. Trotzdem musste er lächeln, als er Ruki und Uruha wie gescholtene Schulkinder zusammengesunken auf ihren Stühlen hocken sah. Den schmollenden Sänger ignorierte er, schenkte aber Uruha ein aufmunterndes Lächeln, das dieser halbherzig erwiderte. Was leider Kais Aufmerksamkeit auf Aoi lenkte. Der wieder seine Klappe nicht hatte halten können. Der wieder nicht nachgedacht hatte, ehe er etwas gesagt hatte. Der jetzt unter dem wütenden Blick ihres Bandleaders ein wenig schrumpfte und sich weiterhin bemühte, Reita als lebendes Schild zwischen sich und dem Drummer zu behalten. Allerdings drehte der Bassist sich plötzlich spöttisch lachend zu Aoi, um diesen an den Oberarmen vor sich und zu Kai zu schieben.

„Und DU…“ Kai stieß ein resigniertes Seufzen aus. „Später.“
 

‚Später‘ stellte sich als später im Hotel heraus. Nachdem sie sich umgezogen und frisch gemacht hatten, hatte Kai per herrschaftlichem Befehl die gesamte Band in Aois Zimmer versammelt. Der Schwarzhaarige fand sich verschüchtert auf einen Stuhl verfrachtet, während seine Bandkollegen im Halbkreis vor ihm standen. Außer Reita, der es sich gelangweilt auf dem Bett bequem gemacht hatte. Es beruhigte Aoi nicht wirklich, dass die anderen scheinbar auch nicht wussten, was genau ihr Drummer vorhatte. Ruki und Uruha starrten Kai genauso neugierig an, wie Aoi sicherlich ängstlich um sich linste. Vor allem, als Kai sich vor ihnen aufbaute und mit einer gerollten Zeitschrift gestikulierte, während er sprach.

„Es reicht mir langsam mit euch.“ Sein stechender Blick ruhte in diesem Moment eher auf Ruki. Der kleine Sänger hatte sogar den Anstand, etwas betreten zu Boden zu sehen, während Kai fortfuhr.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass gewisse Spannungen zwischen den Bandmitgliedern liegen“, meinte er neutral, sah dabei aber Aoi ziemlich stechend an. Aoi musste sich wirklich konzentrieren, um kein ängstliches Winseln auszustoßen.

„Und genau diese Spannungen möchte ich jetzt ausgeräumt wissen“, fuhr Kai düster fort. Er ließ die Zeitschrift aufschnappen, und Aoi schnappte nach Luft.

MusiQ vol. 13. Das Interview.

Der Gitarrist fing an zu schwitzen und wimmerte doch kurz auf, weil Ruki und Uruha ihrem Bandleader plötzlich sehr interessiert an den Lippen hingen.

„Und wie stellst du dir das jetzt genau vor…?“, fragte Uruha und verschränkte ablehnend die Arme vor der Brust.
 

Kai grinste düster. „Ach, Aoi hat schon ganz richtig vermutet damit, dass wir ihm dieses Interview noch um die Ohren hauen würden.“

Zustimmendes Nicken der anderen, während Kai die Zeitschrift wieder zusammenrollte. Und Aoi plötzlich ohne Vorwarnung einen Klaps auf den Hinterkopf damit verpasste, woraufhin ihn drei seiner Bandmitglieder entgeistert anstarrten. Reita ließ sich einfach rückwärts auf Bett fallen und lachte.
 

Ruki grinste diabolisch. „Das nenne ich mal eine wörtliche Umsetzung.“ Er wollte Kai die Zeitschrift abnehmen, aber dieser hielt sie etwas hoch und damit außer seiner Reichweite.

„Ich meine jetzt nicht, dass wir den Armen einfach damit schlagen, bis ihr eure Aggressionen abgebaut habt.“

Ruki machte ein enttäuschtes Gesicht. Kai schüttelte tadelnd den Kopf.

„Ich will einfach, dass ihr ihm sagt, was euch stört, was für Gefühle das Interview in euch ausgelöst hat etc.“ Er grinste, als er die fragenden Gesichter seiner Kollegen sah. Und Aois panischen Gesichtsausdruck. „Und um das Ganze für euch etwas schmackhafter zu gestalten und für ihn etwas eingängiger, bekommt er eben für jedes Argument einen Klaps.“

Rukis Gesicht hellte sich wieder auf.

„Klaps, Ruki… wir brauchen ihn noch, und zwar ohne Gehirnerschütterung!“

„Ähm… und wer sagt euch, dass ich da mitmache…?“ wagte Aoi schüchtern einzuwerfen.

Reita war unbemerkt hinter ihn getreten und legte ihm die Hände auf die Schultern, um ihn von der Idee abzubringen, sich eventuell erheben und davonmachen zu wollen. „Hast du konstruktive Gegenvorschläge, wie du das abbüßen möchtest? Ist doch eigentlich eine gute Idee von Kai. Kurz und schmerzhaft, statt langsam und qualvoll.“

Aoi wandte den Kopf, um den Bassisten ängstlich anzustarren. „Ich hab keine Chance, oder?“

Reita grinste. „Nope. Nicht die geringste.“ Innerlich gab Aoi seinen Bandkollegen Recht. Und wenn sich die ganze Sache wirklich so relativ einfach aus der Welt räumen ließe…

Aoi senkte geschlagen den Kopf und harrte der Dinge (eher: der Schläge), die da kommen mochten.
 

Kai tätschelte ihn mitfühlend. „Trag es mit Fassung. Immerhin hast du dir das selbst eingebrockt. Möchtest du noch etwas zu deiner Verteidigung sagen?“

Aoi nickte ergeben und murmelte in etwa die gleiche entschuldigende Erklärung, die er Kai bereits gegeben hatte. Er sei nervös gewesen und habe nicht richtig überlegt. Und mit dem Versuch, bereits betretene Fettnäpfchen wieder zu verlassen, habe er sich noch tiefer reingeredet.

„Es tut mir ja auch leid“, endete er zerknirscht. „Ich wollte niemandem zu nahe treten.“ Bildete er es sich nur ein, oder wurde zumindest Uruhas Miene etwas weicher?

Kai nickte zufrieden, zog Aoi aber trotzdem noch eins mit der Zeitung über. Dafür, dass Aoi der Meinung war, in Tokio keine Freunde zu haben. Ruki wiederholte Kais Argument, fügte aber noch hinzu, Aoi solle sich gefälligst bei Interviews besser überlegen, ob er jemanden mit dem, was er sagte verletzen könnte. Reita schloss sich dem an und übergab schließlich Uruha die Zeitschrift. Aoi schüttelte währenddessen kurz den Kopf, um das leichte Klingeln in seinen Ohren loszuwerden und sah den anderen Gitarristen dann erwartungsvoll an.

Dieser blickte unglücklich von der gerollten Zeitschrift in seiner Hand erst zu Aoi, dann zu den anderen Bandmitgliedern.
 

„Ich kann das nicht“, murmelte er.

Machtwechsel

"Warum nicht?" wunderte sich Ruki. "Gerade du solltest doch..." Er brach plötzlich ab, als ihr Bandleader ihn für seinen Geschmack etwas zu interessiert an seinen nächsten Worten betrachtete und räusperte sich. "Gerade dich hat Aoi doch reingerissen!"

Was ihm wiederum einen von Kais strafenderen Blicken einbrachte. "Ach, und du gar nicht? Ich darf dich an das heutige Interview erinnern...?!"
 

Ruki grinste nur frech. "Dazu darf ich anmerken, dass ich nie gesagt habe, an welche Art von Pornofilmen ich gedacht habe... Ich hab das Ganze generell gehalten... Die Deutung, die wir sicherlich bald in der Zeitung lesen werden, hat Aoi wieder verbockt."

Dass Uruhas verträumter Kommentar die Sache auf die Spitze getrieben hatte, ließ er gekonnt unter den Tisch fallen.
 

Kai knurrte nur: "Uruha, Zeitschrift!" Er nahm dem verwirrten Gitarristen die Rolle ab und zog sie erst Ruki, dann nach kurzem Überlegen auch Aoi noch einmal kräftig über den Kopf. Beide stießen Protestlaute aus und Ruki wollte sich scheinbar lautstark beschweren, klappte den Mund aber wieder zu, als Kai nur drohend die gerollte Zeitschrift wieder erhob.
 

"Besser?" fragte Reita ihren Bandleader mitfühlend. Kai überlegte einen Moment, zauberte dann aber wieder ein strahlendes Lächeln auf seine Lippen.

"Ich hätte es nicht gedacht, aber: ja."

Reita zwinkerte verschwörerisch. "Dann weiß ich ja schon, dass ich dir zum nächsten Geburtstag eine Reitgerte schenken kann. Da wird Ruki dann sicher auch etwas von haben", stichelte der Bassist, um schnell kichernd hinter Kai Schutz zu suchen, da ihr Sänger einen seiner schönsten Todesblicke aufsetzte und auf ihn zutrat.
 

"Ruki, sitz!" Kai ließ die gerollte Zeitschrift einmal in seine Handfläche klatschen, und tatsächlich nahm der kleine Sänger erschrocken auf dem Bett Platz. Die Macht! dachte Kai und grinste selig, während er die Zeitschrift wieder Uruha übergab.

"Komm schon, Uruha, bring es hinter dich, damit wir die ganze Sache abhaken können." Auffordernd schubste er den Blonden ein Stück näher an Aoi.
 

Unschlüssig rollte Uruha die Zeitschrift in seinen Händen und sah hilfesuchen zu Reita. Aoi wunderte sich ehrlich, denn gerade von ihrem Leadgitarristen hätte er harte Worte erwartet, denn im Nachhinein hatte das Interview sogar für ihn unterschwellig so geklungen, als wäre er in mehr als nur freundschaftlicher Weise an dem großen Blonden interessiert. Gerade dadurch, dass er dies leidenschaftlich abgestritten hatte.
 

Reita seufzte und versuchte, die ganze Sache für Uruha etwas einfacher zu machen. "Kai? Reicht es nicht, wenn er Aoi zwei, dreimal haut? Du kennst doch Uruha, er war noch nie ein Mann vieler Worte."

Sowohl Uruha als auch Aoi protestierten, der eine wegen der "drei", warum der andere protestierte, wusste keiner so genau.

Kai nickte zwar erst zustimmend zu dem Gesagten, schüttelte dann aber den Kopf. "Das würde den Sinn des Ganzen etwas verfehlen, oder?"
 

Reita begegnete Uruhas weiterhin bettelndem Blick nachdenklich. Dann grinste er hinterhältig, packte Kai und Ruki bei den Armen und fing an, sie aus dem Zimmer zu zerren. Was tat man nicht alles für seinen ältesten Freund.

"Dann lassen wir die beiden jetzt mal allein. Vielleicht will Uruha ja einfach keine Zeugen, wenn er Schneewittchen hier vermöbelt."
 

Zugegebenermaßen waren alle seine Bandkollegen ziemlich überrascht von Reitas Aktion. Deswegen fiel niemandem Rukis leicht verschlagener Blick auf, als Reita ihn und Kai und den Flur schob und die Zimmertür hinter ihnen schloss.
 

Uruha starrte die geschlossene Tür einen Moment lang verblüfft an, ehe er den Blick wieder auf Aoi richtete. Er konnte sich ein etwas böses Lächeln nicht verkneifen, denn der andere sah ihn fragend, wenn nicht sogar ein wenig ängstlich an.
 

„Denkst du wirklich, ich wollte die anderen aus dem Weg haben, damit ich dich in Ruhe verprügeln kann?“ schnaubte Uruha.
 

Aoi senkte den Kopf und errötete leicht. „Ich könnte es zumindest nachvollziehen“, murmelte er leise.
 

Uruha seufzte und ließ die Zeitschrift aufs Bett fallen, präsentierte Aoi dann seine leeren Hände. „Guck, ich bin ganz harmlos“, grinste er.
 

„Das hat Kai auch behauptet“, grummelte der andere Gitarrist.
 

Uruha lachte. „Ja… Aber du musst zugeben, dass die Idee als solche nicht schlecht war.“
 

„Warum scheust du dich dann so, sie umzusetzen?“
 

Diesmal war es an Uruha, eine gesunde Gesichtsfarbe zu entwickeln.

„Vielleicht denke ich ja, dass es nicht deine Schuld ist, wenn ich mich durch unbedachte Worte verletzen lasse.“
 

Schuldbewusst zuckte Aoi zusammen. Schnell erhob er sich und legte dem anderen eine Hand auf die Schulter.

„Hör zu, es tut mir leid. Ich wollte nichts implizieren. Ich weiß doch, wie sehr wir aufpassen müssen. Die meisten Fans gehen doch eh schon davon aus, dass wir ein Pärchen sind, nur weil wir ab und zu eine gute Bühnenchemie haben. Und ich muss da auch noch so einen Mist von mir geben…“

Er ließ die Hand wieder sinken und zuckte hilflos mit den Schultern.
 

Uruha lächelte ein wenig traurig, und räusperte sich. Plötzlich kam ihm sein Hals sehr trocken vor und er trat an Aoi vorbei zur Minibar, um sich etwas zu trinken heraus zu suchen. Dabei blieb sein Blick an einer kleinen Flasche hängen, die mit zwei Gläsern zusammen appetitlich auf einem Tablett angerichtet war. Ein kleines Schild auf dem Tablett wies den Apfelsaft und das stiefmütterlich daneben geparkte Mineralwasser als „Geschenk des Hauses“ aus. Nicht, dass sie es selbst bezahlen müssten, wenn sie die Minibar plünderten, aber wenn das Hotel schon so darauf bestand… Er drehte die Saftflasche auf, wunderte sich kurz über den beiliegenden Flaschenöffner, verteilte den Inhalt dann aber rasch auf die beiden Gläser und hielt Aoi eines davon entgegen. Dankbar nahm der Schwarzhaarige das Getränk an, prostete seinem Kollegen spöttisch zu und leerte das Glas durstig mit schnellen Schlucken. Uruha tat es ihm gleich, stockte aber nach zwei Schlucken.
 

„Irgendwie schmeckt das Zeug komisch.“
 

Auch Aoi verzog angewidert das Gesicht. „Wahrscheinlich überm Datum. Und ich dachte, Ruki meint es nett, dass er einen Apfelsaft...“ Erschrocken starrte Aoi zu Uruha, der in einen Hustenanfall ausbrach.
 

„Ruki?“ röchelte der Blonde. „Verdammt!“
 

Aoi sah ihn fragend an. „Das wäre dann vielleicht ein guter Zeitpunkt, mir zu erklären, warum Kai meinte, ich solle dir und Ruki gegenüber vorsichtig sein?“
 

Panikartig stürzte Uruha zum Telefon und wählte Rukis Zimmernummer an. Kaum dass auf der anderen Seite abgenommen wurde, zischte er wütend in den Hörer: „Du kleine Kanaille wirst mir jetzt sofort sagen, was du in den Apfelsaft gepanscht hast. Ich dachte, du hättest diesen Plan verworfen? Und wie hast du es überhaupt geschafft, irgendetwas an Kai vorbei in Aois Zimmer zu schmuggeln?!“
 

„Er war vorhin als erster hier“, flüsterte Aoi wenig hilfreich. Uruha winkte wütend ab, während er auf eine Reaktion auf der andere Seite der Verbindung wartete.
 

„Uruha? Verlasst auf keinen Fall das Zimmer. Ich werde mich darum kümmern.“ Während Uruha verwirrt den Hörer wieder auf die Gabel sinken ließ und sich fragte, was Kai im Zimmer ihres Sängers zu suchen hatte, drehte der Bandleader sich drohend zu Ruki um.
 

Dieser hatte es sich neben Reita auf dem Sofa bequem gemacht, seit sie beschlossen hatten, dass sein Zimmer am nächsten lag und sie deshalb hier abwarten wollten, bis Uruha und Aoi sich ausgesprochen hatten.

Unsicher und ertappt starrte Ruki zu ihrem Bandleader empor, während Reita besorgt die Stirn runzelte.

„Es ist doch niemand verletzt, oder?“ Der Bassist hatte sich schon erhoben und war auf dem Weg zur Tür.
 

„Ruki...“, begann Kai scheinbar sanft. „Wieso ist Uruha der Meinung, du hättest Aoi verpanschten Apfelsaft untergeschoben?“ Unsanft packte er ihren Sänger am Kragen und zog ihn in die Höhe. „Wir werden jetzt rübergehen und nach den beiden sehen. Und wehe, wenn du es wirklich gewagt haben solltest…“ Er ließ die Drohung im Raum stehen, während er sich hinter Reita zur Tür wandte.
 

Und da beschloss Ruki, alles auf eine Karte zu setzen. Er lenkte Reitas Aufmerksamkeit auf sich.

„Wenn dir Uruhas Seelenheil am Herzen liegt, darf Kai diesen Raum jetzt nicht verlassen.“
 

Reita hob zwar fragend eine Augenbraue, griff aber beinahe automatisch nach Kais Arm, um diesen aufzuhalten, als er die Hand nach der Türklinke austrecken wollte.
 

„Was soll das, Reita, wir müssen nachsehen, ob bei den beiden alles in Ordnung ist!“ zeterte Kai unwirsch und versuchte, sein Handgelenkt aus Reitas Griff zu befreien. Dieser allerdings machte einen Schritt zurück ins Zimmer, auf Ruki zu.
 

„Erkläre. Aber schnell“, forderte er den kleinen Blonden auf, während er sich bemühte, ihren inzwischen heftiger zappelnden Bandleader unter Kontrolle zu behalten. Ruki trat schnell hinzu und griff nach Kais anderem Arm, um dem Bassisten diese Aufgabe zu erleichtern.
 

„Sagen wir einfach, die beiden sollten jetzt einige Zeit allein haben, damit Uruha unserem Schneewittchen erklären kann, was ihn wirklich an dem Interview gestört hat.“
 

Ruki sah Reita beschwörend an, und in Kai kam langsam der Verdacht auf, dass er irgendetwas verpasst haben könnte, denn der Bassist gab klar nach.

Mit vereinten Kräften beförderten Sänger und Bassist ihren Bandleader aufs Bett, ohne sich an dessen Gezeter zu stören. Beinahe hätte Kai sich befreien können, als Ruki ihn in Reitas nicht gänzlich liebevoller alleiniger Obhut zurückließ, um in seiner Tasche nach irgendetwas zu kramen, aber der Bassist beförderte ihn kurzerhand auf den Bauch und setzte sich auf seine Oberschenkel, um ihn bewegungsunfähig zu halten, während er Kais Arme schmerzhaft auf dessen Rücken verdrehte.

„Sorry, Kai-chan, aber ich bin dann doch eher auf Uruhas Seite.“
 

„Und deswegen lässt du ihn von Ruki unter Drogen setzen?!“ wetterte Kai und wand sich wütend unter dem Bassisten, um kurz darauf ein wütendes Zischen auszustoßen, als sich Metall um seine Handgelenke legte und mit einem Klick zuschnappte.
 

Reita lachte verblüfft auf. „Ruki, warum schleppst du Handschellen in deiner Handtasche mit dir rum...?“

Pseudo-Bondage

Ruki bedachte erst seine schwarze Tasche, dann Reita mit einem bösen Blick.
 

„Tasche, Reita. Meinetwegen auch ‚Kampftasche‘. Aber keinesfalls Handtasche“, knurrte er. „Handtaschen sind was für Mädchen.“
 

Reita prustete und wäre fast von Kais Oberschenkeln gerutscht, da der immer noch verzweifelt vor sich hin bockte.
 

„Nee, is klar. So eine Totenkopfapplikation aus Strasssteinchen macht das ganze auch unheimlich männlich. Und du“, er blickte auf Kai hinab, um Rukis mörderischem Blick auszuweichen und tippte dem Dunkelhaarigen kurz auf den Rücken, „hörst jetzt besser damit auf, so rum zu zappeln, ehe ich noch Gefallen daran finde.“
 

Schlagartig lag Kai still und vergrub mit einem resignierten Knurren das Gesicht in einem Kissen. Er wünschte nicht zum ersten Mal innerhalb der letzten Minuten ihren Sänger zum Teufel, als dieser kindlich quietsche: „Wie süß, Kai wird rot!“
 

Da reichte es Kai. Mit klaren und vor allem lauten Worten machte er den beiden anderen klar, was er von der momentan Situation hielt – oder setzte viel eher dazu an, denn plötzlich blieb ihm die Luft zum Brüllen weg, als Reita seinen Kopf ins Kissen drückte. Kai fing gerade an sich zu fragen, ob seine Bandkollegen ihn wirklich ersticken lassen würden, als sein Kopf vorsichtig wieder angehoben wurde und Ruki ihm schnell ein Halstuch vor den Mund band. Reita war inzwischen von seinen Beinen gerutscht. Kai ignorierte den Bassisten komplett, als er sich leicht seitlich zu Ruki drehte und versuchte, den Sänger durch pure Willenskraft und böse Blicke dazu zu bringen, ihm den Knebel und die Fesseln wieder abzunehmen. Immerhin sah der Sänger leicht unsicher aus.
 

„Kai, das ganze tut mir wirklich leid. Aber es ist besser so, glaub mir. Wenn du nicht wieder anfängst rumzuschreien, nehm ich das Tuch wieder weg und wir unterhalten uns wie vernünftige Erwachsene, okay?“ Er ließ sich neben Kai auf dem Bett nieder und legte eine Hand auf seinen Kopf, eine Geste, die sicherlich beruhigend wirken sollte, Kai aber momentan nur noch wütender machte.
 

Leider schaffte Kai es nicht, die pure Mordlust aus seinem Blick zu verbannen, als er Rukis Hand abschüttelte. Dieser seufzte daher nur resigniert und machte keinerlei Anstalten, ihn von dem Knebel zu befreien oder die Handschellen zu öffnen.
 

„Ruki, meinst du nicht, dass das langsam alles etwas zu weit geht?“ Reitas Stimme war sanft, fast als fürchte er, Ruki zu noch drastischeren Maßnahmen anzustacheln, wenn er ihn reizte.
 

Vehementes Kopfschütteln antwortete ihm.

„Nein, Reita, wirklich nicht. Aber das kann ich dir jetzt und hier nicht erklären.“
 

Kai konnte nur raten, dass Ruki ihm bei diesen Worten einen Seitenblick zugeworfen hatte, denn er bemerkte, wie Reita sich hinter ihm vom Bett erhob und hörte das Grinsen in dessen Stimme.
 

„Dann gehen wir doch runter in die Bar. Gib mir doch mal eben einen Gürtel“, meinte der Bassist fröhlich.
 

„Wieso Gürtel…?“ fragte Ruki verwirrt, stand aber auf, um für Reita das Gewünschte aus einer Reisetasche zu suchen.
 

„Damit Kai uns in der Zwischenzeit nicht davon spaziert.“ Seelenruhig machte der Bassist sich daran, Kais Fußgelenke mit dem Gürtel zusammen zu binden.
 

Kai ächzte empört durch den Knebel und versuchte nach Reita zu treten, war aber gegen die Übermacht aus Pseudo-Bondage-Artists in Form von Sänger und Bassist erneut machtlos. Er sparte sich jeglichen Kommentar, da ein solcher von dem Knebel, der unangenehm nach Rukis Parfum schmeckte, sowieso unverständlich gemacht worden wäre und stieß lediglich ein dunkles Knurren aus.
 

„Reita? Ich fürchte, Kai wird uns wehtun, wenn wir ihn nachher losbinden“, meinte Ruki beklommen, als die beiden Geiselnehmer sich auf den Weg zur Tür machten. Reita allerdings grinste nur.
 

„WENN wir ihn losmachen, Ruki. WENN.“
 

Während die Tür ins Schloss fiel entschied Kai, dass scheinbar doch Reita der ernstzunehmendere Gegner war.
 

~*~
 

Uruha starrte immer noch verwirrt das Telefon an. Aoi starrte Uruha eine Weile ebenfalls verwirrt, dann neugierig und als dieser überhaupt nicht reagierte nach einiger Zeit sogar ein wenig ängstlich an.
 

„Uruha…?“ wagte er schließlich zögerlich zu fragen.
 

Der Angesprochene schüttelte noch einmal verwirrt den Kopf, ehe er seinen Blick vom Telefon löste und zu Aoi sah.
 

„Kai ist ans Telefon gegangen. Ich denke, Ruki hat sich da ziemlichen Ärger eingebrockt.“ Uruha war ein wenig bleich um die Nase, aber Aoi glaubte trotzdem, eine gewisse Genugtuung in seiner Stimme wahrzunehmen.
 

„Glaubst du wirklich, Ruki würde uns Drogen in ein Getränk mischen?“ Aoi ließ sich am Fußende aufs Bett fallen.
 

Uruha seufzte und ließ sich neben ihm nieder. „Theoretisch nicht uns, Aoi. Dir.“
 

„Danke“, erwiderte der andere etwas säuerlich.
 

„Jetzt schmoll nicht!“ wies Uruha ihn zurecht. „Ruki konnte nicht ahnen, dass Kai sich etwas wegen des Interviews einfallen lassen würde. Er wollte dich eigentlich etwas… zugänglicher stimmen um herauszufinden, was du dir bei der ganzen Sache gedacht hast.“
 

Aoi rückte ein Stück von ihm ab und starrte ihn verstört an. „Du wusstest davon?!“
 

„Nicht, dass er es heute versuchen würde. Ich wusste nur, dass er es generell mal erwähnt hat…“ Uruha brach ab und grinste schief, als er Aois verständnisloses Gesicht sah. Aber der leicht verletzte Ausdruck, der unter diesem Unverständnis lag, tat ihm weh. So auch Aois nächste Worte.
 

„Ich bin auch dämlich. Ich hätte auf Kai hören und um dich und Ruki einen großen Bogen machen sollen“, grollte Aoi hilflos und ließ sich rückwärts aufs Bett klappen.
 

Uruha wollte auffahren und alles abstreiten, klappte aber den Mund wieder zu, ehe er eine Silbe hervorgebracht hatte. Eigentlich hatte Aoi ja recht. Er stand auf, trat zum Fenster und sah unentschlossen hinaus. „Wie fühlst du dich?“ fragte er schließlich besorgt in das viel zu stille Zimmer.
 

„Ich weiß nicht“, kam es gedämpft zurück. „Komisch. Mir ist irgendwie ziemlich warm.“
 

Schnell war Uruha neben Aoi auf dem Bett und legte ihm eine Hand auf die Stirn, die dieser erst grummelnd abwehren wollte. Uruha aber hatte eine weitaus günstigere Position als der halb liegende andere Gitarrist und hatte seine Hand schnell an Aois Stirn. Aoi verzog unwillig das Gesicht, ließ den anderen dann aber gewähren.
 

„Uruha?“ fragte er schließlich ängstlich. „Weißt du, was genau Ruki in den Saft gemischt haben könnte?“ Er hatte dem kurzen Telefongespräch entnehmen können, dass der andere nichts Genaueres wusste, aber vielleicht hätte er eine Ahnung.
 

Statt einer Antwort hörte er erst einmal nur ein Brummen. Uruhas tiefe Stimme aus diesem androgynen Körper zu hören, verwirrte Aoi manchmal immer noch. Er wollte fragend eine Augenbraue heben, wurde aber von Uruhas Hand, die noch immer auf seiner Stirn lag, daran gehindert. Warum wurde ihm auf einmal so warm? Sein Herz klopfte wie verrückt und er war sich der Nähe des anderen plötzlich sehr bewusst.
 

Uruha, dessen Blick kurz überlegend abgeschweift war, deutete Aois sich windende Bewegung als Ungeduld. „Ich überlege ja schon! Es war irgendwas mit E… irgendetwas mit empathisch und entaktisch?“ Er kaute auf seiner vollen Unterlippe, und Aoi meinte zu spüren, wie seine Körpertemperatur noch um ein paar Grad anstieg.
 

„Ha! Ich weiß es wieder: empathogen und entaktogen!“ freute Uruha sich.
 

„Aha…?“ Aoi richtete sich halb auf und schob sich auf den Armen rückwärts etwas weiter aufs Bett. Dabei wirkte er wie eine ängstliche Krabbe, das war ihm klar, aber es brachte ein wenig Abstand zwischen ihn und den plötzlich merkwürdig erfreuten Uruha, der seine Flucht amüsiert beobachtete. Auf allen vieren folgte er Aoi zum Kopfende des Bettes, an das dieser sich gelehnt hatte, und sah dabei so verboten anziehend aus, dass Aoi… schnell den Kopf schüttelte und der festen Überzeugung war, dass eines der merkwürdigen Fremdwörter, die der andere benutzt hatte, sicherlich für ein aphrodisierendes Mittel stand. Warum sonst würden plötzlich solche Gedanken durch seinen Kopf spuken. Seine Gedanken mussten sich ziemlich deutlich auf seinem Gesicht wiederspiegeln, denn Uruha lachte und ließ sich auf seinen Fersen nieder, nur leicht zu Aoi geneigt, um diesen nicht zu sehr zu bedrängen.
 

„Es bedeutet lediglich, dass man ungezwungener mit anderen Menschen Kontakt aufnehmen kann – ja, Aoi, auch Körperkontakt – und dass man seine eigenen Gefühle besser versteht“, dozierte er und beobachtete den anderen leicht lauernd.
 

„Und muss ich dir jetzt wirklich haarklein erklären, warum ich so verletzt und wütend über dieses blöde Interview war, oder überspringen wir den tränenreichen Erklärungsteil und ich darf dich gleich küssen?“

Freiheit

Die Hotelbar war angenehm eingerichtet, in dunklem Holz gehalten und bot dezente Nischen, in denen man sich ungestört unterhalten konnte. Zum Beispiel über Leute, die man mit Handschellen und Gürtel gefesselt hatte und darüber, dass Gitarristen immer gut harmonieren sollten. Genau wie Reita hegte Ruki schon länger den Verdacht, dass Uruha nur auf ein Zeichen seines Mitgitarristen wartete, um diesem etwas näher zu kommen. Vielleicht waren sie ein wenig albern, aber Ruki war der Ansicht, dies sei bei dem momentan herrschenden Druck durchaus verständlich. Ein Punkt allerdings schien Reita noch immer zu stören.
 

„Hast du wirklich unsere Gitarristen unter Drogen gesetzt, Ruki?“
 

Das verlegene Grinsen auf Rukis Gesicht ließ ihn jünger und unschuldiger wirken, als er eigentlich war. Aber darauf fiel Reita nicht herein und sagte das auch. Ein wenig schmollend verschränkte Ruki die Arme vor der Brust.
 

„Reita, du warst doch dabei, als wir das abgesprochen haben.“
 

Mochte sein. Reita verschwieg lieber, dass er an dem Abend noch betrunkener gewesen war als Uruha und sich eigentlich nur noch verschwommen an die Gespräche erinnern konnte. Also brummte er nur und bedeutete dem Sänger fortzufahren.
 

„Und du weißt auch, dass ich keine leeren Versprechungen mache.“ Beschwichtigend hob Ruki die Hände, als der Bassist auffahren wollte.
 

Irgendwie fühlte Reita sich an sein Gespräch mit Uruha erinnert.
 

„Wenn du jetzt sagst, dass es aber ‚ganz harmloses Zeug‘ war, macht es den Umstand an sich immer noch nicht harmloser. Verdammt, Ruki!“ Reita beugte sich mit einem ärgerlichen Funkeln in den Augen über den Tisch. „Sie sind unsere Freunde! Und irgendwie läuft das Ganze etwas aus dem Ruder, denn mittlerweile haben wir ZWEI Gitarristen unter Drogen und unseren Bandleader gefesselt auf deinem Bett, wenn ich dich daran erinnern darf!“
 

Ruki erwiderte seinen Blick ruhig. „Ach komm schon. Wenn die Dosis schon für einen vorsichtig und ziemlich sparsam angesetzt war, was glaubst du, passiert dann, wenn man sie durch zwei teilt? Ich wollte Aoi schließlich nicht vergiften! Weißt du, wie aufwendig es wäre, einen neuen Gitarristen zu casten?“ Ruki schüttelte energisch den Kopf. „Theoretisch dürften die beiden kaum etwas davon bemerken.“
 

Reita nickte einigermaßen beruhigt. „Und Kai?“
 

Ruki räusperte sich. „Okay, ich gebe zu, das ist etwas außer Kontrolle geraten. Aber da steckst du genauso mit drin!“, erinnerte er den mittlerweile wieder grinsenden Bassisten.
 

„Ich wollte lediglich verhindern, dass er unsere beiden hoffentlich endlich mal turtelnden Täubchen… bei irgendetwas stört. Und irgendwie kam er mir in letzter Zeit fast ein wenig homophob vor“, grübelte Ruki vor sich hin.
 

Reita nickte nachdenklich. „Stimmt, das ist mir auch schon aufgefallen. Wir sollten uns mit dem Fanservice etwas zurückhalten. Auch wenn du zugeben musst, dass das erst angefangen hat, nachdem Uruha den armen Aoi während eines Liveauftritts geknutscht hat.“
 

Ruki schnaubte. „Na und? Fanservice eben, wenn man es erklären müsste. Die Jungs von Alice Nine sind da viel schlimmer drauf.“
 

„In letzter Zeit auch nicht mehr… Irgendwas ist da im Busch, Ruki. Ich weiß nur nicht, was.“
 

~*~
 

Okay, Kai. Ganz ruhig. Keine Panik. Ruhig und gleichmäßig durch die Nase atmen. Stell dir einfach vor, was du mit Ruki und Reita anstellen möchtest, wenn du sie erwischt. Das wird nichts, wenn du jetzt in Panik gerätst und an einem verdammten Halstuch erstickst, das nach Rukis Parfum schmeckt!
 

Mit einem frustrierten Knurren gab Kai den Versuch auf, den leider mehr als nur behelfsmäßig angelegten Knebel von seinem Gesicht zu schieben und konzentrierte sich lieber auf seine Atmung. Im Geiste ging er seine Möglichkeiten durch. Aufstehen und zur Tür springen? Das könnte schmerzhaft enden, wenn er das Gleichgewicht nicht halten konnte. Und dass dies ziemlich schwierig war, hatte er schon bemerkt, als er versucht hatte, sich aufzurichten. Ob er bis zur Tür und darüber hinaus kam, wäre dann fraglich, und er hatte gelinde gesagt keine Lust, gefesselt auf dem Boden herum zu liegen. Da zog er das Bett dann doch vor.
 

Während er noch überlegte, wie er am besten weiter vorging und was er vor allem Ruki anzutun gedachte, spürte er ein Vibrieren an seinem Hintern. Natürlich, das Handy! Vorsichtig, um sich nicht versehentlich eine Schulter auszukugeln, versuchte er das kleine Gerät aus der Gesäßtasche seiner Jeans zu hangeln, wohin er es vorhin völlig zufällig eingesteckt und mittlerweile vergessen hatte. Zum Glück hatte Ruki die Handschellen dabeigehabt und ihm nicht auch die Handgelenke mit einem Schal zusammengebunden, denn die kurze Kette zwischen den Handgelenken gab ihm gerade die Bewegungsfreiheit, die er brauchte. Weiterhin war er dankbar, dass diese Jeans nicht seine engste war und er deswegen das Handy nach ein paar Minuten aus seiner Gesäßtasche und aufs Bett befördert hatte. Ein wenig gelenkig war er also doch noch. (Wenn auch nicht gelenkig genug, die mit Handschellen gefesselten Hände über die zusammengebundenen Beine nach vorne zu ziehen. Im Fernsehen sah das immer so einfach aus… Er hatte es versucht. Nachdem der Schmerz abgeklungen war, hatte er sich dazu entschlossen, wieder Mitglied in irgendeinem Fitnessstudio zu werden.)
 

Nun lag das Handy also auf dem Bett, und weiter? Vorsichtig fuhr er hinter seinem Rücken mit den Fingern über die Tasten und war froh, das Gerät so gut zu kennen. Eine längere Nummer würde er nicht hinbekommen, aber eine Kurzwahl müsste gehen. In seinem Hinterkopf wusste er auch schon welche. Aber war er wirklich schon so verzweifelt? Leider musste er sich eingestehen, dass dem durchaus so war.
 

Er atmete noch einmal tief durch und drückte die beiden notwendigen Tasten, um sich dann so über das Bett zu robben, dass er ein Ohr zumindest in die Nähe des Hörers bekam. Ein Muskelkater war ihm sicher. Gut, dass er die nächsten paar Tage nicht hinter seine Drums musste. Nervös lauschte er auf das Tuten und hoffte, der Angewählte wäre zuhause. Erleichtert stieß er den Atem aus, als eine Verbindung zustande kam.
 

„Kai?“, meldete sich eine verwirrt klingende Männerstimme.
 

Kai gab einige dumpfe Geräusche von sich.
 

„Kai, ich kann dich nicht verstehen. Ist alles okay bei euch?“
 

Vielleicht war das doch keine gute Idee gewesen. So klar wie möglich versuchte Kai, ein ‚Hilfe‘ durch den Knebel zu mümmeln. Hörte er da ein Lachen in der Leitung?
 

„Okay, hör zu, ein Geräusch für ‚Ja‘, zwei für ‚Nein‘“, kicherte es ihm aus dem Hörer entgegen. „Hat dich wirklich jemand geknebelt?“
 

Frustriert knurrte Kai einmal auf, lobte aber innerlich die schnelle Auffassungsgabe des anderen.
 

Die Stimme am anderen Ende der Leitung nahm einen etwas besorgteren Tonfall an. „Bist du in Gefahr?“
 

Eigentlich nicht wirklich. Also gab Kai zwei kurze Geräusche von sich. Ein erleichtertes Aufatmen am anderen Ende der Leitung, das Kai mit so etwas wie Genugtuung erfüllte. Wenn sich schon seine eigene Band nicht um ihn sorgte…
 

„Ich hoffe, du bist im Hotel, denn einen anderen Ort durchzugeben, dürfte dir schwer fallen.“ Der andere grinste wieder, das hörte Kai ganz genau heraus. Trotzdem grunzte er zustimmen.
 

„Dein Zimmer?“
 

Kai verneinte.
 

„Okay, dann gehen wir mal deine Bandkollegen durch… Ruki?“
 

Zustimmendes Brummen.
 

„Ich kümmere mich darum, dass dich jemand abholt. Aber wir reden noch darüber, sobald ihr wieder in Tokio seid. Bleib ganz ruhig, es ist bald jemand da.“ Mit diesen Worten wurde die Verbindung unterbrochen. Und Kai war sich sicher, dass man ihn mit diesem Anruf noch in mehreren Jahren aufziehen würde. Aber da musste er durch. Solange nur bald jemand kam und ihn befreite.
 

Tatsächlich dauerte es ganze zwölf Minuten, ehe Kai das Klacken des Schlosses hörte, als eine Schlüsselkarte durchgezogen wurde. Er rechnete es dem eintretenden Pagen hoch an, dass ihm nur kurz die Gesichtszüge entgleisten, ehe er wieder passend zu seiner Uniform ein professionell-neutrales Gesicht zeigte und Kai zuerst von dem Knebel und dann von dem Gürtel um seine Fußgelenke befreite.
 

„Da hab ich meine Wette verloren“, gab der Page dann lächelnd zu. „Ich dachte wirklich, es wäre ein Scherzanruf gewesen. Warten Sie, ich habe eine Zange dabei. Damit müssten wir die Handschellen lösen können.“
 

Kai murmelte mit glühenden Wangen ein paar Worte des Dankes, als der Page die dünne Kette durchtrennte. Ihm war das Ganze schrecklich peinlich. Zum Glück waren es scheinbar keine ‚professionellen‘ Handschellen gewesen, solche hätten sich sicherlich nicht so einfach lösen lassen.
 

„Natürlich können Sie sich auf die Diskretion unseres Hauses verlassen“, versicherte der Hotelangestellte Kai unter einigen Verbeugungen, bevor er sich anschickte, das Zimmer zu verlassen.
 

Ein wenig der Professionalität fiel allerdings von dem junge Mann ab, als er sich mit einem Grinsen noch einmal umdrehte. „Wir hätten da allerdings noch einen Geräteraum, der etwas abseits liegt. Falls Sie sich bei Ihren Freunden für diesen Streich ‚bedanken‘ möchten.“
 

Kai nickte düster und rollte seine schmerzenden Schultern. „Auf dieses Angebot komme ich vielleicht sogar zurück.“

Nehmt euch doch ein Zimmer...

Für einen Moment sah Aoi nur wie hypnotisiert auf den lächelnden Mund seines Gegenübers, näherte sich ihm unwillkürlich… bis er erschrocken zurückfuhr und Uruha ihn mit einem verwirrten Blick bedachte, der irgendwo zwischen Enttäuschung und Hoffnung zu liegen schien.
 

„Was…“, würgte er hervor. Wunderbar, jetzt konnte er nicht einmal mehr eine klare Frage formulieren.

Uruha seufzte resigniert und setzte sich etwas zurück. Er wirkte ein wenig unsicherer als eben noch, das fiel Aoi auf.
 

„Und da dachte ich, wir könnten uns das ganze Herumgerede sparen.“ Leichte Enttäuschung schwang in Uruhas Stimme mit und er sah etwas betreten zur Seite, als würde er seine vorherigen Worte bedauern.
 

Zu sehen, wie der eben noch erfreute und verspielte Gesichtsausdruck seines Freundes zu unsicher und beinahe verschämt wechselte, löste in Aoi ein ihm unerklärliches Bedauern aus. Deswegen legte er mit plötzlicher Entschlossenheit eine Hand an Uruhas Kinn, um das Gesicht des anderen wieder zu sich zu drehen und völlig unspektakulär seine Lippen auf die des Blonden zu drücken.

Scheinbar hatte Uruha damit nicht gerechnet, denn im ersten Moment zuckte er erschrocken zurück, und in Aois Kopf begannen die Gedanken zu rasen, sich aber immer daran festhalten, dass es Uruha gewesen war, der ihn zuerst hatte küssen wollen. Sein Panikmoment hatte glücklicherweise keine Möglichkeit, sich in eine weitere ausgewachsene Paranoia zu verwandeln, denn Uruha näherte sich seinen Lippen sofort wieder, zwar zurückhaltend, aber durchaus entschlossen.

Allerdings nicht entschlossen genug, um den kurzen Abstand zwischen ihnen komplett zu schließen, nur eben beinahe. Aoi musste unwillkürlich grinsen.
 

"Auf der Bühne bist du nicht so schüchtern", stänkerte er leise und erntete dafür ein entrüstetes Schnauben von Uruha. Den eventuellen Gegenkommentar erstickte Aoi allerdings im Keim, und das wortwörtlich, indem er Uruhas Mund schnell wieder mit seinen Lippen verschloss. Vorsichtshalber legte er eine Hand in den Nacken des anderen, damit er ihm nicht wieder entwischen konnte.
 

Uruhas abweisendes Brummen, das herrlich an Aois Lippen kitzelte und ihn dazu brachte, gegen Uruhas Lippen zu grinsen, schien sich auch eher auf Aois Kommentar als auf dessen Aktionen zu beschränken, denn Uruha neigte gehorsam den Kopf und versuchte nicht mehr, Aoi irgendwie ausweichen.
 

Aber obwohl Uruha verlangend die Lippen öffnete, als Aoi vorsichtig mit seiner Zunge darüberfuhr, machte er keinerlei Anstalten, Aoi ansonsten irgendwie entgegen zu kommen. Das verwirrte Aoi, war es doch bei ihrem letzten Kuss Uruha gewesen, der sich ihm quasi aufgezwungen aufgezwungen hatte. Hielt er sich deswegen momentan zurück?
 

Vorsichtig, um keinen falschen Eindruck zu vermitteln, löste Aoi sich von Uruha um ihm ins Gesicht sehen zu können. Zurückhaltung lag nicht in diesen Augen. Das einzige, was Uruha ausstrahlte, während der Aois Blick ruhig erwiderte und sich dabei zu allem Überfluss auch noch lasziv über die Lippen leckte, als könne er Aoi dort noch nachschmecken war - Herausforderung?
 

Aoi hob fragend eine Augenbraue, was von Uruha nur mit einem breiter werdenden Grinsen beantwortet wurde. Ein Grinsen, das langsam auch an Aois Mundwinkeln zu ziehen begann, als er sich, immer darauf bedacht, den Blickkontakt mit Uruha nicht zu lösen, langsam aus seiner halb sitzenden Position auf die Knie hochzog. Uruha musste bemerkt haben, wie Aois Blick ein wenig lauernder wurde. Und es schien ihm zu gefallen, denn Aoi konnte deutlich sehen, wie die Augen des Blonden ein wenig dunkler wurden. War das reiner Instinkt? Ich Jäger, du Beute? Mein Reptil ruft dein Reptil? Eine kleine Ecke von Aois Hirn dachte darüber nach, während er seine Hand von Uruhas Nacken aus über dessen Wange wandern ließ, kurz über die geröteten Lippen strich und die Hand dann langsam bis auf Uruhas Brustkorb gleiten ließ, um den Größeren sanft, aber bestimmt rückwärts aufs Bett zu drücken.
 

Uruha leistete keine Gegenwehr, aber Aoi konnte ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen wahrnehmen. Außerdem machte der größere Gitarrist eine ziemliche Show daraus, seine langen Gliedmaßen möglichst verführerisch auszustrecken und sich in scheinbarer Hilflosigkeit vor Aoi auf dem Bett zu drapieren. Die linke Hand ruhte neben seinem Kopf, schon fast eine stumme Bitte, sie dort festzuhalten, während die andere Hand kaum spürbar über Aois Arms strich, auf dem er sich abstützte. Er sah Aoi aus großen und verdunkelten Augen bittend an, während er die Zähne leicht in die Unterlippe grub. Dieses Bild verführerischer Hingabe wurde eigentlich nur von dem schalkhaften Glitzern in Uruhas Augen und dem leicht überlegenen Grinsen auf den ansonsten so einladenden Lippen gestört.
 

Aoi schüttelte ebenfalls grinsend den Kopf. Uruha verstand es, sich in Szene zu setzen, das musste man ihm zugestehen. Wenn Aoi sich eine ähnliche Szene vorher ausgemalt hatte (und das hatte er), waren immer Befürchtungen aufgetaucht, dass der andere die Kontrolle klar an sich nehmen würde, wie er es auch auf der Bühne meist tat. Aber das hier… das war einfach zu verführerisch, die Art und Weise, wie Uruha ihm scheinbar die Dominanz überlassen wollte. Außerdem reizte Aoi der verspielte Unterton in der Stimmung, die Uruha gerade kreierte. Also nahm er die stumme Einladung an und schmiegte sich seitlich an den anderen Gitarristen, während er dessen Hände mit seinen einfing und neben seinem Kopf ins Kissen drückte. Und als Aoi seine Lippen wieder auf Uruhas sinken ließ, machten sich sämtliche Bedenken, die er noch hätte haben können, auf einen kleinen Urlaub davon. Statt daran zu denken, was 'die Leute wohl sagen könnten', ließ er lieber seine Zunge auffordernd über Uruhas Lippen wandern. Erkundete lieber dessen Mund, als Uruha beinahe ohne Zögern seine Lippen öffnete, als sich Sorgen über die Band zu machen. Begrüßte lieber Uruhas Zunge mit der seinen, nahm den Geschmack des anderen auf, als darüber nachzudenken, dass Kai so etwas sicherlich nicht als Möglichkeit zur Beilegung der Differenzen angedacht hatte.

Und er intensivierte lieber den Kuss, plünderte lieber beinahe brutal den Mund seines Kollegen, als darüber nachzudenken, dass er sich eigentlich immer als heterosexuell bezeichnet hätte.
 

Aoi hatte nur kurz Zeit sich über das plötzliche Grinsen zu wundern, das er auf Uruhas Lippen spürte. Eigentlich war Aoi ja von Anfang an klar gewesen, dass Uruha bei weitem nicht so hilflos und unschuldig war, wie er eben den Anschein erweckt hatte. Trotzdem war Aoi sich nicht ganz, wie der andere es geschafft hatte, einen Oberschenkel zwischen seinen Beinen zu platzieren. Er stöhnte überrascht in den Kuss hinein und Uruha nutze diesen Moment aus, um seine Hände aus Aois schwächer gewordenem Griff zu befreien und die Arme um ihn zu legen. Er zog Aoi mit schon beinahe brutaler Kraft an sich und jagte ihm einen ziemlichen Schrecken ein, als er versuchte sich zu drehen und somit ihre Positionen zu vertauschen. Aoi wollte das nicht kampflos hinnehmen, und irgendwie geriet das Ganze etwas außer Kontrolle, waren Lippen und Hände plötzlich überall, gieriger, kämpferischer. Irgendwann war Aois Shirt einem Angriff von Uruha zum Opfer gefallen (allerdings hatte nur der Umstand, dass er sich von Uruha lösen musste, als dieser ihm das Shirt über den Kopf zog, Aoi daran gehindert einen farbenfrohen Knutschfleck in Uruhas Halsbeuge zu hinterlassen), und Uruhas Hände und seinen heftigen Atem auf nackter Haut zu spüren, hätte Aoi beinahe schwach werden lassen. Was machte es schon, dachte er, Uruha machte sowieso einen erfahreneren Eindruck, vielleicht sollte er sich einfach zurücklehnen und den anderen machen lassen… Nur der Gedanke, was genau der andere dann sicherlich tun würde, fachte den kleinen Funken Widerstand in Aoi wieder heißer an, ließ ihn sein ganzes Körpergewicht gegen Uruha einsetzen. Was er auch brauchte, um den Größeren unter sich zu halten. Irgendwie waren sie dann wieder am Anfang, minus ein Shirt und plus dem Umstand, dass Aoi jetzt rittlings auf der Hüfte des anderen saß und sich fragte, wo eigentlich seine eigene schüchterne Zurückhaltung geblieben war.
 

Wie sie sich so schwer atmend in die Augen sahen, fühlte Aoi, wie sich ein ziemlich unheiliges Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete, das Uruha in gespielter Angst spöttisch um Gnade winseln ließ. Das brachte beide zum Lachen, aber als sich ihre Augen wieder trafen, war da mit einem Mal eine neue Ernsthaftigkeit, ein tieferes Verlangen, das ihnen den Spott austreiben zu wollen schien. Aoi wurde sich sehr stark bewusst, wie er eigentlich auf Uruha saß, genauso wie er sich bewusst wurde, dass Uruha mit der Gesamtsituation alles andere als unzufrieden schien. Aus purer Boshaftigkeit bewegte Aoi probehalber ein wenig seine Hüften, was Uruha ein Zischen entlockte. Die Rache folgte auf dem Fuße, als Uruha beide Hände in Aois Haaren vergrub und ihn wieder zu sich herunterzog, um ihn in einen Kuss zu verwickeln, der Aoi seine Umwelt vergessen ließ. Er hörte nichts mehr außer ihren heftigen Atemzügen und dem Pochen seines Herzens, das ihm unnatürlich laut erschien. Und immer lauter und drängender wurde. Und als er Uruhas Aufstöhnen als frustriertes und nicht mehr lustvolles Geräusch definieren konnte und sein Pulsschlag sich plötzlich nicht mehr mit dem lauten Klopfen deckte, wurde auch Aoi klar, dass jemand an der Tür klopfte. Oder eher, ziemlich nachdrücklich dagegen hämmerte.
 

Für einen kleinen Moment des Trotzes klammerte Aoi sich an Uruha und vergrub seinen Kopf an dessen Brust, genau wie er sich frühmorgens beim Klingeln seines Weckers an die Bettdecke klammerte und versuchte, alle störenden Geräusche auszublenden. Aber dass auch dieser Traum fürs erste beendet war, wurde ihm spätestens dann bewusst, als er Kais Stimme hörte.
 

„Wenn in genau fünf Sekunden niemand diese Tür öffne, benutze ich die Schlüsselkarte, die ich mir von der Rezeption geholt habe.“
 

Mit einem Wimmern hob Aoi den Kopf und sah Uruha bettelnd an. Der andere biss sich leicht auf die Unterlippe, jedoch diesmal nicht in verführerischer Absicht, sondern einfach um ein Kichern zu unterdrücken.
 

„Gib uns zehn Sekunden“, feilschte Uruha fröhlich, bevor er Aoi entschuldigend den Kopf tätschelte und ihn vorsichtig von sich aufs Bett rollte. Grinsend drückte er dem Schwarzhaarigen einen Kuss auf die Lippen und fragte flüsternd: „Wollen wir ihn schockieren, oder soll ich ihm brav die Tür aufmachen?“
 

Aoi dachte ernsthaft darüber nach. „Meinst du, er geht einfach wieder, wenn er uns in einer eindeutigen Situation erwischt?“
 

Uruha lachte und schüttelte den Kopf.
 

„Dachte ich mir“, murrte Aoi, rollte sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht in den Kissen, während er Uruha mit einer Handbewegung bedeutete, die Tür zu öffnen. Dieser verpasste ihm noch einen zärtlichen Klaps auf den Hintern und murmelte irgendetwas von Dienstmädchen, was Aoi aber vorsätzlich ignorierte. Genauso wie er vorhatte, Kai zu ignorieren, sobald Uruha diesem die Tür geöffnet hatte.
 

--- - - - ---
 

An dieser Stelle mal vielen Dank für die lieben Kommentare bisher ^^ Okay, auch für die Favoritennehmer. Die irgendwie wesentlich zahlreicher sind... >_> ;-)
 

Jarr... auch ich lebe noch ^^ Und ich gelobe Besserung... In letzter Zeit erstmal viele schöne Inspirationen gesammelt... ]:->



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (68)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
/ 7

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ayume-ko
2009-07-26T17:54:02+00:00 26.07.2009 19:54
Soooo...^^
Ich will hier auch endlich mal einen Kommi hinterlassen...XDDD
Also ich muss sagen, ich bin süchtig nach dieser ff...*g*
Ich hab sie gestern und heute gelesen, hab gedacht "bloß schnell weiterlesen" und natürlich nicht an die Kommis gedacht...*drop* Gomen!!! U.U *verbeug*
Aber ich muss sagen wirklich weil, was du da fabrizierst!!!! *nick nick* Ich musste sowas von lachen, bzw. meine Lachen verkneifen (gestern wars dann doch schon ein wenig spät), dass ich einfach nur sagen kann: Ich möchte bitte ganz schnell weiterlesen können...*bettel*
^.~
Nein, ich freu mich einfach riesig, wenns weitergeht, denn ich bin ja mal sowas von gespannt, wies jez weitergeht... Ich mein so mit Ruha und Aoi und was Ruki und Reita so blüht und wer eigentlich der unbekannte Mister X ist, obwohl ich an dieser Stelle einen kleinen Verdacht äußern möchte; Nao??? O.o
Also zusammenfassend: genialer Schreibstil gepaart mit genialer Story gleich einmaliges Leseerlebnis!!! x3
LG Ayume ^-^
Von:  Ruha_Chan
2008-12-12T13:34:01+00:00 12.12.2008 14:34
Wie toll, es geht weiter! Ich freu mich ja für die zwei! Aber dass sie auch immer wieder gestört werden! Darf ich für Kai ein grünes Kleid vorschlagen?
Das Warten hat sich gelohnt, ich warte weiter!
Von:  julien
2008-12-11T20:31:00+00:00 11.12.2008 21:31
du nutzt kai aus, um dich vor der lemon zu drücken! tzzzzzzz. schreib's doch einfach, es ist nicht so schlimm!
aber fürs nächste kapitel haste ja kai versprochen, nich? *sabber*
sooo, pflichkommi dagelassen hab, wundertolle geschichte, weißt du ja und wir sehen uns bei insane ;)
Von: abgemeldet
2008-12-08T20:41:12+00:00 08.12.2008 21:41
die armen armen gitarristen xD
wurden sie einfach gestört *gg*
es soll ja auch nicht langweilig werden xD
ich bin gespannt wie es weitergeht^^

lg
*schokonikolaus dalass*
Von:  neko-anna
2008-12-07T22:02:58+00:00 07.12.2008 23:02
alles liebste zum Nikolaus - zwar verspätet, aber dein Geschenk war dann ja pünktlich XD

'Ich Jäger, du Beute'? ~ wenn das so einfach ist, geh ich auch mal jagen *höh*

hnn, ich mag Kai zwar - aber das nächste Mal bind ich ihn fest, damit er garantiert nich mehr stören kann...

nyo ~ es war einfach grandios, mich interessiert jetzt nur noch Kais Rache an zwei gewissen anderen ^^

da ich am Zug bin, meld ich mich die Tage mal wieder ausführlicher ~ also bis dann *__*
Von:  NoUseForAName
2008-12-07T20:46:04+00:00 07.12.2008 21:46
Liebste Demona,
dieses Kapitel war es eindeutig wert, so lange (!!) darauf zu warten.
In ewiger Ergebenheit und freudiger Erwartung weiterer literarischer Ergüsse verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
XD
Von:  Terra-gamy
2008-12-07T19:50:05+00:00 07.12.2008 20:50
Kai kommt genau im falschen oment, hoffentlich schocken Aoi und Uruha ihn^^
Von:  Snaked_Lows
2008-12-06T18:03:32+00:00 06.12.2008 19:03
hey^^
Super lustig das Kapitel XDD
Ich kann mir gut vorstellen wie Kai genervt vor der Tür steht XDDDDDDDDDDDDD
Von: abgemeldet
2008-12-06T17:06:20+00:00 06.12.2008 18:06
argh!!!XD scheiß kai! warum zum henker können die ihn nicht richtig festbinden und warum musste Mr X helfen?!><
und was heißt bitte mein reptil ruft dein reptil?XD erklärs mir mal.-^^-
also lob auf allen ebenen von mir und ein nikolauskeks.^^ cu
Von:  novembermond
2008-12-06T16:58:26+00:00 06.12.2008 17:58
FIRST! (ja?)

ooooh, inspirationen sind was tolles! XD mehr davon! *stups*


Zurück