Rachepläne von Demona ================================================================================ Kapitel 11: Freiheit -------------------- Die Hotelbar war angenehm eingerichtet, in dunklem Holz gehalten und bot dezente Nischen, in denen man sich ungestört unterhalten konnte. Zum Beispiel über Leute, die man mit Handschellen und Gürtel gefesselt hatte und darüber, dass Gitarristen immer gut harmonieren sollten. Genau wie Reita hegte Ruki schon länger den Verdacht, dass Uruha nur auf ein Zeichen seines Mitgitarristen wartete, um diesem etwas näher zu kommen. Vielleicht waren sie ein wenig albern, aber Ruki war der Ansicht, dies sei bei dem momentan herrschenden Druck durchaus verständlich. Ein Punkt allerdings schien Reita noch immer zu stören. „Hast du wirklich unsere Gitarristen unter Drogen gesetzt, Ruki?“ Das verlegene Grinsen auf Rukis Gesicht ließ ihn jünger und unschuldiger wirken, als er eigentlich war. Aber darauf fiel Reita nicht herein und sagte das auch. Ein wenig schmollend verschränkte Ruki die Arme vor der Brust. „Reita, du warst doch dabei, als wir das abgesprochen haben.“ Mochte sein. Reita verschwieg lieber, dass er an dem Abend noch betrunkener gewesen war als Uruha und sich eigentlich nur noch verschwommen an die Gespräche erinnern konnte. Also brummte er nur und bedeutete dem Sänger fortzufahren. „Und du weißt auch, dass ich keine leeren Versprechungen mache.“ Beschwichtigend hob Ruki die Hände, als der Bassist auffahren wollte. Irgendwie fühlte Reita sich an sein Gespräch mit Uruha erinnert. „Wenn du jetzt sagst, dass es aber ‚ganz harmloses Zeug‘ war, macht es den Umstand an sich immer noch nicht harmloser. Verdammt, Ruki!“ Reita beugte sich mit einem ärgerlichen Funkeln in den Augen über den Tisch. „Sie sind unsere Freunde! Und irgendwie läuft das Ganze etwas aus dem Ruder, denn mittlerweile haben wir ZWEI Gitarristen unter Drogen und unseren Bandleader gefesselt auf deinem Bett, wenn ich dich daran erinnern darf!“ Ruki erwiderte seinen Blick ruhig. „Ach komm schon. Wenn die Dosis schon für einen vorsichtig und ziemlich sparsam angesetzt war, was glaubst du, passiert dann, wenn man sie durch zwei teilt? Ich wollte Aoi schließlich nicht vergiften! Weißt du, wie aufwendig es wäre, einen neuen Gitarristen zu casten?“ Ruki schüttelte energisch den Kopf. „Theoretisch dürften die beiden kaum etwas davon bemerken.“ Reita nickte einigermaßen beruhigt. „Und Kai?“ Ruki räusperte sich. „Okay, ich gebe zu, das ist etwas außer Kontrolle geraten. Aber da steckst du genauso mit drin!“, erinnerte er den mittlerweile wieder grinsenden Bassisten. „Ich wollte lediglich verhindern, dass er unsere beiden hoffentlich endlich mal turtelnden Täubchen… bei irgendetwas stört. Und irgendwie kam er mir in letzter Zeit fast ein wenig homophob vor“, grübelte Ruki vor sich hin. Reita nickte nachdenklich. „Stimmt, das ist mir auch schon aufgefallen. Wir sollten uns mit dem Fanservice etwas zurückhalten. Auch wenn du zugeben musst, dass das erst angefangen hat, nachdem Uruha den armen Aoi während eines Liveauftritts geknutscht hat.“ Ruki schnaubte. „Na und? Fanservice eben, wenn man es erklären müsste. Die Jungs von Alice Nine sind da viel schlimmer drauf.“ „In letzter Zeit auch nicht mehr… Irgendwas ist da im Busch, Ruki. Ich weiß nur nicht, was.“ ~*~ Okay, Kai. Ganz ruhig. Keine Panik. Ruhig und gleichmäßig durch die Nase atmen. Stell dir einfach vor, was du mit Ruki und Reita anstellen möchtest, wenn du sie erwischt. Das wird nichts, wenn du jetzt in Panik gerätst und an einem verdammten Halstuch erstickst, das nach Rukis Parfum schmeckt! Mit einem frustrierten Knurren gab Kai den Versuch auf, den leider mehr als nur behelfsmäßig angelegten Knebel von seinem Gesicht zu schieben und konzentrierte sich lieber auf seine Atmung. Im Geiste ging er seine Möglichkeiten durch. Aufstehen und zur Tür springen? Das könnte schmerzhaft enden, wenn er das Gleichgewicht nicht halten konnte. Und dass dies ziemlich schwierig war, hatte er schon bemerkt, als er versucht hatte, sich aufzurichten. Ob er bis zur Tür und darüber hinaus kam, wäre dann fraglich, und er hatte gelinde gesagt keine Lust, gefesselt auf dem Boden herum zu liegen. Da zog er das Bett dann doch vor. Während er noch überlegte, wie er am besten weiter vorging und was er vor allem Ruki anzutun gedachte, spürte er ein Vibrieren an seinem Hintern. Natürlich, das Handy! Vorsichtig, um sich nicht versehentlich eine Schulter auszukugeln, versuchte er das kleine Gerät aus der Gesäßtasche seiner Jeans zu hangeln, wohin er es vorhin völlig zufällig eingesteckt und mittlerweile vergessen hatte. Zum Glück hatte Ruki die Handschellen dabeigehabt und ihm nicht auch die Handgelenke mit einem Schal zusammengebunden, denn die kurze Kette zwischen den Handgelenken gab ihm gerade die Bewegungsfreiheit, die er brauchte. Weiterhin war er dankbar, dass diese Jeans nicht seine engste war und er deswegen das Handy nach ein paar Minuten aus seiner Gesäßtasche und aufs Bett befördert hatte. Ein wenig gelenkig war er also doch noch. (Wenn auch nicht gelenkig genug, die mit Handschellen gefesselten Hände über die zusammengebundenen Beine nach vorne zu ziehen. Im Fernsehen sah das immer so einfach aus… Er hatte es versucht. Nachdem der Schmerz abgeklungen war, hatte er sich dazu entschlossen, wieder Mitglied in irgendeinem Fitnessstudio zu werden.) Nun lag das Handy also auf dem Bett, und weiter? Vorsichtig fuhr er hinter seinem Rücken mit den Fingern über die Tasten und war froh, das Gerät so gut zu kennen. Eine längere Nummer würde er nicht hinbekommen, aber eine Kurzwahl müsste gehen. In seinem Hinterkopf wusste er auch schon welche. Aber war er wirklich schon so verzweifelt? Leider musste er sich eingestehen, dass dem durchaus so war. Er atmete noch einmal tief durch und drückte die beiden notwendigen Tasten, um sich dann so über das Bett zu robben, dass er ein Ohr zumindest in die Nähe des Hörers bekam. Ein Muskelkater war ihm sicher. Gut, dass er die nächsten paar Tage nicht hinter seine Drums musste. Nervös lauschte er auf das Tuten und hoffte, der Angewählte wäre zuhause. Erleichtert stieß er den Atem aus, als eine Verbindung zustande kam. „Kai?“, meldete sich eine verwirrt klingende Männerstimme. Kai gab einige dumpfe Geräusche von sich. „Kai, ich kann dich nicht verstehen. Ist alles okay bei euch?“ Vielleicht war das doch keine gute Idee gewesen. So klar wie möglich versuchte Kai, ein ‚Hilfe‘ durch den Knebel zu mümmeln. Hörte er da ein Lachen in der Leitung? „Okay, hör zu, ein Geräusch für ‚Ja‘, zwei für ‚Nein‘“, kicherte es ihm aus dem Hörer entgegen. „Hat dich wirklich jemand geknebelt?“ Frustriert knurrte Kai einmal auf, lobte aber innerlich die schnelle Auffassungsgabe des anderen. Die Stimme am anderen Ende der Leitung nahm einen etwas besorgteren Tonfall an. „Bist du in Gefahr?“ Eigentlich nicht wirklich. Also gab Kai zwei kurze Geräusche von sich. Ein erleichtertes Aufatmen am anderen Ende der Leitung, das Kai mit so etwas wie Genugtuung erfüllte. Wenn sich schon seine eigene Band nicht um ihn sorgte… „Ich hoffe, du bist im Hotel, denn einen anderen Ort durchzugeben, dürfte dir schwer fallen.“ Der andere grinste wieder, das hörte Kai ganz genau heraus. Trotzdem grunzte er zustimmen. „Dein Zimmer?“ Kai verneinte. „Okay, dann gehen wir mal deine Bandkollegen durch… Ruki?“ Zustimmendes Brummen. „Ich kümmere mich darum, dass dich jemand abholt. Aber wir reden noch darüber, sobald ihr wieder in Tokio seid. Bleib ganz ruhig, es ist bald jemand da.“ Mit diesen Worten wurde die Verbindung unterbrochen. Und Kai war sich sicher, dass man ihn mit diesem Anruf noch in mehreren Jahren aufziehen würde. Aber da musste er durch. Solange nur bald jemand kam und ihn befreite. Tatsächlich dauerte es ganze zwölf Minuten, ehe Kai das Klacken des Schlosses hörte, als eine Schlüsselkarte durchgezogen wurde. Er rechnete es dem eintretenden Pagen hoch an, dass ihm nur kurz die Gesichtszüge entgleisten, ehe er wieder passend zu seiner Uniform ein professionell-neutrales Gesicht zeigte und Kai zuerst von dem Knebel und dann von dem Gürtel um seine Fußgelenke befreite. „Da hab ich meine Wette verloren“, gab der Page dann lächelnd zu. „Ich dachte wirklich, es wäre ein Scherzanruf gewesen. Warten Sie, ich habe eine Zange dabei. Damit müssten wir die Handschellen lösen können.“ Kai murmelte mit glühenden Wangen ein paar Worte des Dankes, als der Page die dünne Kette durchtrennte. Ihm war das Ganze schrecklich peinlich. Zum Glück waren es scheinbar keine ‚professionellen‘ Handschellen gewesen, solche hätten sich sicherlich nicht so einfach lösen lassen. „Natürlich können Sie sich auf die Diskretion unseres Hauses verlassen“, versicherte der Hotelangestellte Kai unter einigen Verbeugungen, bevor er sich anschickte, das Zimmer zu verlassen. Ein wenig der Professionalität fiel allerdings von dem junge Mann ab, als er sich mit einem Grinsen noch einmal umdrehte. „Wir hätten da allerdings noch einen Geräteraum, der etwas abseits liegt. Falls Sie sich bei Ihren Freunden für diesen Streich ‚bedanken‘ möchten.“ Kai nickte düster und rollte seine schmerzenden Schultern. „Auf dieses Angebot komme ich vielleicht sogar zurück.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)