One-Sot-Sammling 23 von Lesemaus (AlucardxIntegra, SerasxPip) ================================================================================ Kapitel 2: Weihnachtsspecial: Der Schneeengel --------------------------------------------- „Der Schneeengel“ Es hatte geschneit und wie! Noch immer fielen dicke Schneeflocken den Boden und ich streifte mir eilig meinen langen Mantel über, der mir bis zu den Knien reichte, um mich in das Schneegestöber zu stürzen. Bei einem wollte blieb es dann auch, denn die Stimme meines Vaters verhinderte mein Vorhaben, so wie sie mir fast jeden Spaß raubte, den ich in den letzten Monaten haben wollte! „Integra, du gehst nicht in dieses Schneegestöber hinaus. Dein Privatlehrer wartet bereits in deinem Lehrzimmer auf dich. Du hast noch zwei Französischstunden vor dir, von den Geigenstunden einmal abgesehen.“, erklang die strenge Stimme meines Vaters und ich ließ resigniert mein e Schultern sinken. „Ja, Vater.“, sagte ich leise, aber so, dass er es hören konnte. Laut hallten seine Schritte durch den Gang, als sie sich entfernten. Seufzend schaute ich noch einmal aus eines der großen Fenster der Eingangshalle, ehe ich mir meinen Mantel wieder auszog und auf den Hacken zurückhängte. Warum machte mir mein Vater immer einen Strich durch meine Rechnung, wenn ich mich einmal von meinen Aufgaben entspannen wollte?! Mein Privatunterricht ging von acht Uhr morgens, bis sechs Uhr abends und wenn ich es wirklich genau nahm, hatte ich noch eine ganze Viertel Stunde zu meiner nächsten Unterrichtseinheit. Warum also wollte mich mein Vater vom Schnee fernhalten? Es gab doch gar nichts wunderbareres, wenn man den gefrorenen Regen vom Himmel segeln sah! Die Hände in die Hüften gestemmt, dachte ich nach. Sollte ich mich dieses eine Mal gegen meinen Vater auflehnen? Ich gehorchte ihm aufs Wort, war er doch meine engste Bezugsperson, die ich hatte, seit meine Mutter gestorben war, als ich zwölf Jahre zählte, doch nun mit siebzehn wollte ich Freiheiten haben, die mein Vater nicht verstand. Mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen schnappte ich mir meinen Mantel zurück, band ihn mir eilig um und schlich mich aus dem Anwesen. Normaler Weise benutzte ich für einen Spaziergang immer die offiziellen Wege, damit die Soldaten ein Auge auf mich hatten. Mein Vater war einer der höchsten Adligen ganz Englands und ihm lag viel an meiner Sicherheit, gerade weil es Leute gab, die auf ihn eifersüchtig waren. Genau wie…damals bei meiner Mutter. Noch heute habe ich die Alpträume von damals. Sehe, wie mich der Schuss treffen sollte, doch meine Mutter sich vor mich stellt und ihn abfängt…sehe das Blut auf meinem weißen Kleid, dass Blut meiner Mutter…sehe wie sie in meinen kleinen Ärmchen stirbt, die Angst um mich in ihren Augen werde ich wohl nie vergessen können…häufig wache ich dadurch schweißgebadet in meinem Bett auf und kann nicht mehr schlafen. Sie hatte das Leben ihrer Tochter über ihr eigenes gestellt und mir damit das Weiterleben ermöglicht. Aber… Was war dieses Weiterleben? Ich war den ganzen Tag Zuhause eingesperrt, seit Jahren schon, hatte meine Pflichten zu erfüllen, zu lernen. Außer dem Butler Walter hatte ich im Haus keinen einzigen Freund. Die Protestanten, die sich jeden Tag mit meinem Vater beschäftigten, waren mir zu arrogant, sie hielten nichts von Mädchen in der Politik, da ich aber einmal dieses Anwesen erben würde, würden sie mich am Hals haben und diese Tatsache ließen sie mich bereits jetzt schon spüren! Die höflichen Anlässe, zu deren Zweck ich einzig das Anwesen der Hellsings verlassen durfte, waren beinahe noch unerträglicher. Adlige Jungen und Mädchen rissen sich um meine Gust, weil sie wussten, dass ich einmal reich erben würde, aber keiner interessierte sich für mich! Für die Person, die hinter dieser aufgesetzten Maske steckte und das machte mich traurig. Darum hegte ich nicht mehr Kontakt nach außen, als es nötig war. So ganz in meinen Gedanken versunken, bemerkte ich nicht, wohin mich meine Füße trugen und ich fand mich am Rande des Sees wieder, auf dem ich früher Schlittschuhgelaufen war, als Vater noch Humor besaß. Gedanken durchströmten mich, die ich lieber nicht haben sollte. Manchmal fragte ich mich, wozu ich überhaupt am Leben war, wenn der ganze Tag nur für das ewige Lernen draufging, ich keine Freunde hatte und mein Vater sich lieber mit seinen Geschäftspartnern herumschlug, anstatt sich um sein eigen Fleisch und Blut zu kümmern. Mit gesenktem Kopf trat ich ans Ufer des zugefrorenen Sees, auch wenn kein Flecken Wasser über dem Eis zu sehen war, wusste ich, dass noch eine lange Zeit vergehen würde, bis das Eis sicher zum Betreten war. Sollte ich oder sollte ich nicht? Einerseits hatte ich Angst, dieselbe Angst, die ich damals bei Mutters Tod verspürt hatte, andererseits dachte ich mir, dass es nun nicht mehr schlimmer kommen konnte, bedachte man, dass ich eh bereits alleine auf der Welt war…allein gelassen. Jedes Jahr brachen in diesem See viele Leute ein, was auch zum Teil daran lag, dass sie sich mit der Tiefe des Wassers unterschätzen. Anstatt, dass der Boden seicht nach und nach abstieg, konnte man bereits ab der Höhe des Knies nicht mehr stehen, da es danach steil nach unten ging. Ich stieg auf den Bootssteg, der fünf Meter auf den See raus führte und protestierend unter meinem Gewicht knartschte, obwohl ich mal gerade fünfzig Kilo wog, viel zu leicht für meine Altersklasse, aber egal wie viel ich aß, ich nahm einfach nicht zu. Finstere Gedanken überfielen mich. Tat es weh sich umzubringen? Verspürte man Schmerzen dabei, die einen derart überwältigten, dass man doch lieber wieder Leben wollte? Oder war sterben… einfach? Friedlich? Wurde man von jemanden vermisst? Stand jemand jeden Sonntag am Grab und legte frische Blumen nieder? Oder wurde man vergessen, sobald die Beerdigung vorbei war und man sich drei Meter unter der Erde befand? Kam man in den Himmel oder kam man in die Hölle? Wer entschied das? Wie wurde das entschieden? Ich beschloss es auf meine Art und Weise herauszufinden und begann den schlimmsten Fehler meines bisherigen Lebens. Einen Moment, kaum eine Sekunde, schwebte ich in der Luft, dann durchbrachen meine Füße das Eis und ich tauchte in Tiefe, eiskalte Gefilde hinab. Wasser schlug über mir zusammen, raubte mir die Luft zum Atmen. Sofort stach die Kälte wie tausend kleine Nadelstiche auf meiner Haut, machte meine Glieder schwer. Eine Müdigkeit breitete sich in meinem Körper aus, die ich willkommen hieß, bedeutete es doch, dass der gewaltige Schmerz nach und nach abklang. Meine Lungen füllten sich mit Wasser, als ich mich dazu überwunden, es tief einzuatmen. Das Wasser zerrte an meiner Kleidung, drang in jede Pore ein, zog mich weiter in die Tiefe, wo es noch kälter wurde. Kleine schwarze Punkte begannen vor meinen Augen zu tanzen, dann war alles vorbei und ich versank in einer warmen Ohnmacht, aus der ich nie wieder erwachen würde… Keuchend spuckte ich das Wasser aus, das sich tief in meiner Lunge festgesetzt zu haben schien, als würde es sich verzweifelt an meine Bronchien klammern. Irgendjemand hatte mich aus dem Wasser gezogen. Ich lag am Flussufer, tropfend nass, die Haare verklebt und wirr und musste Reanimationsmaßnahmen über mich ergehen lassen, die ich nicht wollte. Verdammt, ich hatte mich nicht in den See gestürzt, um gerettet zu werden, sondern um mich zu ertränken! Ich musste mich auf die Seite drehen, um das ganze Wasser aushusten zu können, ansonsten hätte ich mich nur daran verschluckt. Eine warme Hand, die ich aber nicht spürte, strich mir über den Rücken, hielt mir ein paar meiner langen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mein Kopf pochte unangenehm, jeder Knochen meines Körpers schien auf der Stelle brechen zu wollen und von meiner Lunge wollte ich gar nicht erst anfangen. Wütend schlug ich die Hand an meinen Haaren weg, brachte mich in eine sitzende Position und funkelte den Mann vor mir an, der genauso durchnässt war wie ich. Also hatte mich dieser Kerl ohne meine Zustimmung gerettet, na klasse… Er schien noch gar nicht so alt zu sein, gerade einmal Anfang zwanzig, aber das irritierende waren die roten Augen, die mir entgegen leuchteten. Ein schwarzer Haarschopf bedeckte sein Haupt, vielleicht auch ein dunkles lila, durch die Nässe konnte man das nicht so genau sagen und er trug einen komplett weißen Anzug, der beinahe den Anschein erweckte, als wäre er ein Engel, doch dafür fehlten eindeutig die Flügel. „Was sollte das?“, fauchte ich ihn an, wobei mich ein irrtierender Blick traf. „Ich hab dich nicht gebeten, mich zu retten!“, warf ich ihm an den Kopf und versuchte mich mit wackligen Armen vom Boden hochzustemmen. Das kalte Wasser hatte mir mehr Kräfte geraubt, als ich mir einzugestehen bereit war. Nun wurde mein Gegenüber anscheinend doch wütend, er verengte seine Augen zu Schlitzen und machte einen bedrohlichen Schritt auf mich zu. „Danke schön, hat mich auch gefreut dich zu retten!“, höhnte er, dabei schien es, als würden seine Augen aufleuchten, aber das bildete ich mir ein. Welcher Mensch hatte schließlich schon so etwas wie Laseraugen? Genau: Niemand! „Was glaubst du wohl, warum ich in den See gesprungen bin, freiwillig?!“, zischte ich. „Um mich umzubringen, Selbstmord zu begehen oder weiß der Teufel, was es sonst noch für Umschreibungen dafür gibt, aber bestimmt nicht, damit mich so ein Depp aus dem Wasser zieht, nur weil er meine Absichten nicht checkt!“ Ich wusste, dass ich zu weit gegangen war, als seine Hand sich um meine Kehle schloss und ich mit einem Ruck an ihn herangezogen wurde, sodass ich seinen Atem über meine Wangen streifen spürte, was mir eine ungewollte Gänsehaut über den Rücken jagte. Nein, dieser Mann war definitiv kein Schneeengel, so wie ich es mir zuvor eingebildet hatte. „Du kleine, undankbare, zickige, verwöhnte Göre!“, spie er aus und, vielleicht spielte mir meine Fantasie auch einen Streich, aber ich sah deutlich wie zwei Reihen scharfer Eckzähne im Licht des reflektierenden Schnees aufblitzten. Aber wenn er jemanden zum Streiten brauchte, hatte er genau den richtigen Partner dafür gefunden, ich war gerade so schön in Rage! „Ich bin keine verwöhnte Göre, du missratener, grobschlächtiger Schneemann, der das Denkvermögen einer Walnuss hat!“, schimpfte ich genauso laut zurück und plusterte dabei die Backen auf. Ein Moment verging in dem wir versuchten uns gegenseitig in Grund und Boden zu starren, doch dann löste sich ein Knoten aus meiner Brust, der mich zum Auflachen brachte. Der Griff um meinen Hals löste sich und mein Gegenüber musste sich selbst den Bauch halten, um nicht vor Lachen vorne über zu kippen! Ich kriegte mich gar nicht mehr ein, sosehr ich es auch wollte, aber die Kälte brachte mich wieder zu Besinnung, die sich schmerzlich durch meinen Körper frass. Wenn ich nicht aufpasste, hatte ich schneller eine Lungenentzündung, als ich gucken konnte! „Ich sollte zurück.“, sagte ich leise, sah vorsichtig zu dem Mann auf, der mir eben noch ans Leder wollte. „Das solltest du, besonders in deinem Zustand, aber warte!“, hielt er mich auf, als ich mich bereits umdrehen wollte. Ein rotes Tuch legte sich flatternd über meine Schultern, bedeckte meine Arme und einen guten Teil meines Oberkörpers. Verwirrt sah ich zu ihm auf, während sich ein schelmisches Lächeln auf seine Lippen schlich. „Damit du dich nicht noch mehr erkältest und wenn du wieder gesund bist, werde ich es mir wieder holen.“, sprach er mit einer angenehmen Baritonstimme, die ich als sehr angenehm empfand. Ich blinzelte einmal, weil der scharfe Wind mir ins Gesicht schnitt, wollte mich bedanken, doch da stand niemand mehr, dem ich hätte danken können. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse, doch der Mann von eben blieb verschwunden. Hatte ich mir das ganze vielleicht doch nur eingebildet? Nein, sagte meine innere Stimme, als ich wie von selbst über das rote Tuch über meiner Schulter strich. Er war dagewesen, mein persönlicher Schneeengel. Ende So, mit diesem One-Shot melde ich mich bei dieser FF auch mal wieder zurück und hoffe, ich werde sie endlich einmal regelmäßig schreiben^^ Diesen One-Shot widme ich meiner Freundin Chiyo, die immer der ruhige Pool ist und mein aufgewühltes Gemüt beruhigt^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)