Vacuity von Pfefferminze (~#Die Leere in mir#~) ================================================================================ Vacuity (engl. ‚Leere’) Alleine bekämpfte er die Leere in sich, verzweifelte fast daran und linste immer wieder zur Seite zu dem Hörer neben ihm, als könne er ihm eine Lösung offenbaren. Zögernd nahm er das Telefon schließlich in beide Hände und starrte die Tasten an, als könnten sie von alleine die eigentlich gewollte Nummer wählen und ihm zumindest diese schwere Aufgabe abnehmen. Er legte den schnurlosen Hörer schon bald jedoch seufzend wieder auf die Station und stand vom Sofa auf, flüchtete in die Küche und versuchte das Echo der plötzlich so bewusst leeren Räume zu ignorieren. Der komplette Tag verging und immer wieder nahm er den Telefonhörer in die Hand, schaffte es aber einfach nicht, die schon vor langer Zeit auswendig gelernte Nummer einzutippen. Immer wieder floh er und lenkte sich ab: ob nun mit kochen, Wäsche waschen, lesen, Fernseh gucken oder baden, Hauptsache es war Ablenkung genug. Gegen Abend setzte er sich auf das große Sofa, das er zusammen mit dem Anderen gekauft hatte. Ein weißes Leder mit silberner Stickerei. Früher sein Lieblingsmöbelstück der kompletten Wohnung, jetzt nur noch Hohn für den Fehler, den er begangen hatte. Eine schimmernde Träne bildete sich an den traurig ins Nichts starrenden, Bernstein so ähnlichen Augen und bahnte sich ihren Weg an den dichten Wimpern vorbei, über die bronzene Haut. Kurz darauf verließ ein leiser Schluchzer die zitternden Lippen und er zog die Knie an, schlang die Arme Halt suchend um die Beine. „Es tut mir so Leid.“ Immer wieder leise schluchzend, vergrub er den Kopf zwischen den Knien. Sein schmaler Körper zitterte und auf den Armen bildete sich eine feine Gänsehaut. Er wippte sich vor und zurück, versuchte sich verzweifelt zu beruhigen, aber mit der drückenden Stille um ihn herum und der schreienden Leere in ihm war es ein hoffnungsloses Unterfangen. Strähnen des seidig schwarzen Haares lösten sich aus dem nur lose geflochtenen Zopf und breiteten sich über ihm aus, streichelten sanft über seine Arme, wie ER es auch manchmal getan hatte, um ihn zu trösten. Genau wie SEINE Berührungen, ließen auch diese Berührungen ihn seltsamerweise langsam ruhiger werden. Als er aufsah, nahmen die bernsteinfarbenen Seelenspiegel einen entschlossenen Ausdruck an und er griff, zwar noch leicht mit sich ringend, zum Telefon und tippte die so bekannte Nummer ein. Leise tutete es am anderen Ende der Leitung und nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum. War es überhaupt so eine gute Idee anzurufen? Einfach nur, weil er die Stille nicht ertrug und sich schuldig fühlte? Es klingelte unaufhörlich weiter, bis ein Klacken ertönte und die raue Stimme von IHM einen Standart-Anrufbeantwortertext heruntersagte. Das penetrante Piepsen riss ihn aus seinem Zwiespalt zwischen auflegen und stur bleiben. „Hey, ich bin’s…“ Er linste kurz zur Uhr und strich sich dann die losen Strähnen seiner Haare zurück hinters Ohr, ehe er leise weiter sprach. „Du sitzt wahrscheinlich gerade irgendwo auf einem Stuhl oder auf dem Sofa und hast nicht abgenommen, weil ich es bin der anruft, aber bitte, bitte, hör mir zu. Es war…einfach stark zu spielen in dieser dämlichen Nacht, aber zu sagen, dass du mir nichts mehr bedeuten würdest…es war gelogen. Du bist noch der Einzige, der mich derart aus der Fassung bringen kann, indem er etwas nicht macht, sagt…aber je länger ich darüber nachdenke, desto bewusster wird mir, dass es für dich mehr Überwindung gewesen sein muss wenigstens den Anfang zu machen, als für mich alles bisher gewesene. Ich habe es anders verstanden und Sachen aus Enttäuschung gesagt, Sachen, die absolut verletzend sein müssen und sind, Sachen, für die ich mich jetzt verabscheue.“ Tief durchatmend ordnete er seine Beine und strich sich über die Augen, um den Tränenfluss zu stoppen- vergebens. „Ich wünsche mir so sehr, die Zeit zurückzudrehen und alles anders machen zu können, dir die Antwort zu geben, die ich eigentlich hätte sagen sollen und die ehrlich ist. Ich war dumm und lag falsch einfach anzunehmen, dass man dich als Durchschnittsbürger dieser Welt ansehen kann. Du bist einzigartig und besonders. Vielleicht hast du’s nicht so mit dem offenen Auftreten wie andere, aber du hörst dafür zu und behältst so selbst die kleinsten Merkwürdigkeiten, die andere vielleicht nicht einmal als etwas Wichtiges ansehen oder überhaupt bemerken. Ich habe dich im Stich gelassen und enttäuscht…es tut mir Leid. Ich…ich überlege die ganze Zeit schon, ob es überhaupt etwas gibt, was es gut machen könnte, Worte, Gesten, Taten…aber immer wieder drängt sich mir eigentlich nur eine Sache auf, ein Wunsch…lass unseren letzten Kuss nicht der Letzte gewesen sein, bitte.“ Er schluckte und biss sich hart auf die Lippe, um den Schluchzer wenigstens ein bisschen zu dämpfen, der seinen wieder zitternden Körper verließ. Ein schiefes Lächeln zierte seine Mundwinkel und er schmeckte den leicht metallischen Geschmack von Blut in seinem Mund. „Es klingt so egoistisch, nicht? Es war mir nie so bewusst, wie viel du eigentlich von meinem Leben einnimmst, wie viel du von mir einnimmst. Ich höre nicht mehr auf zu zittern und ich vermisse deine Berührungen und Liebkosungen, deinen Duft, deine Anwesenheit, dich.“ Einen kurzen Moment hoffte er, dass ER abnehmen würde, ihm beruhigend zuspräche und ihm versichere, dass ER auf dem Weg sei. Im nächsten Moment wollte er nichts lieber als auflegen und wieder wegrennen vor den noch ausbleibenden Worten. Doch nach einer, nur von kleinen Schluchzern durchbrochenen Stille, atmete er noch einmal tief durch und redete, mit anfangs unsicherer, dann aber immer fester klingender Stimme, weiter. „Ich möchte nicht…ich kann einfach nicht verlangen, dass du mir vergibst, für alles, was ich dir an den Kopf geworfen habe oder für das, was ich dir angetan habe, aber ich…ich will so…so verzweifelt eine Chance. Eine Chance, nicht nur den ganzen Tag über dich nachzudenken, sondern dich zu erleben und dich um mich zu haben. Du bist der Mensch für mich, der mir alles bedeutet… Bitte, Kai…bitte…“ Eine erneute Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus und ein Schütteln ging ihm durch Mark und Bein. „Ich liebe dich doch.“ Nur ein leises Flüstern und er legte auf. Der Hörer rutschte ihm durch die Finger und schlug dumpf auf dem Leder auf, während er verzweifelt versuchte, seine Tränen, das Schütteln und Schluchzen zu stoppen. Endlos saß er zusammengekauert und frierend auf der Ledercouch, ehe ihm erschöpft die Augen zufielen und er in einen unruhigen Schlaf glitt. Stunden später, als die Dunkelheit der Nacht hinter den Fenster schon langsam wieder an Intensität verlor, öffnete sich mit einem leisen Klacken die Wohnungstür und ER trat ein. Ohne jegliche Emotion auf seinem Gesicht zu zeigen, ohne zu offenbaren, was er dachte und fühlte, sah er sich um und ging mit leisen Schritten durch das Appartement. „Kalt…“ Leise murmelnd trat er schließlich ins Wohnzimmer und seine rubinroten Augen fielen auf die wimmernde und zusammengekauerte Gestalt auf der Couch. Bedächtig näherte er sich dem jungen Mann und ging vor ihm in die Hocke. Genauestens musterte sein Blick das Gesicht, erfassten den noch immer ängstlichen Ausdruck, die geröteten Augen und die Tränenspuren auf den Wangen, die leicht aufgebissene Lippe. Seufzend hob er seine Hand und strich einzelne, schwarze Strähnen aus dem sonst so hübschen und fröhlichen Gesicht. „Du Dummkopf…“ Seine Augen wanderten über die von Gänsehaut überzogenen Arme, zu den dünnen Kleidungsstücken, die der Schlafende anhatte und hob ihn ohne zu Zögern hoch. Sofort kuschelte sich der Kleinere an seine Brust und ersuchte die Körperwärme, die selbst durch den warmen Mantel hindurch strahlte. Der Blick in den Rubinen wurde sanft und er trug ihn in das große Schlafzimmer, das in verschiedenen Rottönen und einem Sandfarbenen gehalten war. Schnell waren die Schritte zu dem gigantischen Himmelbett überbrückt und der Schlafende sicher dort abgelegt. Die schwere Daunendecke, die wegen des besonders kalten Winters, der draußen herrschte, herausgelegt worden war, wurde eilig auf dem nun zitternden Körper ausgebreitet und nachdem der Mann die Heizung aufgedreht hatte, zog er sich den Mantel aus und die Schuhe und legte sich mit ins Bett. Beinahe augenblicklich wandte sich der frierende Körper der schmaleren Person, der Wärmequelle neben ihm zu und rückte näher, solange, bis er sich eng an den Größeren schmiegte und die Finger fest in dem langärmeligen Shirt verankert waren. Die Gesichtszüge des Rubinäugigen nahmen einen entspannten und sanften Ausdruck an und ein zartes Lächeln umspielte die schmalen Lippen. Als er aufwachte war es warm. Zu warm dafür, dass er seit Tagen die Heizung ausgelassen hatte und das Balkonfenster in der Küche fast andauernd aufstand. Zu warm, als dass es ihm auf dem Sofa im Wohnzimmer hätte werden können. Und doch… Die Wärme war in jede Faser seines Körpers eingedrungen und hatte die Leere vertrieben oder aber zumindest eingelullt, sodass sie Ruhe gab. Sie hatte seine Verspannungen gelöst und er fühlte sich so frei von Sorgen, als wäre dieser Streit nie passiert. Sofort versteifte er sich und verschluckte mühsam die, bis eben so im Hintergrund stehenden, Erinnerungen und den Schmerz. Er kuschelte sich näher an seine Wärmequelle und versuchte die Gedanken zu verdrängen. Er bemerkte nicht, wie eine Träne sich seine Wange herab schlich, auch nicht den besorgten Blick seiner Wärmequelle. Minutenlang versuchte er sich auf die Wärme zu konzentrieren, um nicht weiter aufzuwachen und mit einer leeren Wohnung begrüßt zu werden. Eine leere Wohnung, in der jeder Blick, den er umher wandern ließ, etwas Schmerzhaftes barg, seien es Photographien von gemeinsamen Ferien, Zeichnungen, Erinnerungsstücke an gemeinsame Erlebnisse. Ein leises Seufzen schlich sich über seine Lippen und ein trauriges Lächeln auf diese. Er atmete tief ein und hatte plötzlich das Gefühl, als würde die Leere sich dezimieren und seine Sorgen von ihm weg weichen. Der Geruch des anderen kitzelte ihn in der Nase und er drückte sich nah an seine Wärmequelle. „Kai…“ Langsam schlug er die Augen auf und blinzelte einige Male, bevor seine Sicht klar war und seine Wimpern nicht mehr zusammenklebten. Er kuschelte sich näher und versuchte sich zu erinnern, wie es vorher war. Mit einem Mal bemerkte er den ruhigen Atem, der seine Stirn streifte und die sachte Bewegung der Bauchdecke an seiner eigenen…zudem fühlte er mit den Fingern, die in Stoff vergraben waren, das starke…und bekannte Schlagen eines Herzen. Zögerlich fokussierte sich sein Blick und erkannte Porzellanhaut. Weitaus mutiger hob er den Blick und sah sich sofort mit Rubinen konfrontiert, die ihn mit einem ganzen Gemisch aus Gefühlen, seien es Sorge, Trauer und Liebe, ansahen. „Kai… Du…du bist hier!“ Der Kleinere rutschte weiter hoch, um ihm genau in die Augen sehen zu können und strich vorsichtig mit den Fingern über die Wange Kais. „Wie bist du nur…?“ „Mein Schlüssel.“ Überrascht sahen die bernsteinfarbigen Augen in die seines Gegenübers und senkten dann schuldbewusst den Blick. „Es tut mir Leid, Kai…“ „Mhm… „kaltherziger Fürst der Eiswüste ‚Emotionslos’“?“ „Und arrogantes Arschloch mit Machogehabe…“ Der Kleinere flüsterte nur und legte die Hände auf die Brust Kais, um sich wegdrücken zu können, doch vorher schoben sich Lippen in sein Blickfeld und verschlossen die seinen. Nur federleicht und zart war die Berührung, und doch jagten Stromschläge durch den Körper des Schwarzhaarigen und ein freudiges Kribbeln breitete sich von seinen Zehen bis zu seinen Haarwurzeln aus. Scheu dreinblickend öffneten sich die Augen des Jüngeren und er sah fragend zu Kai auf, der ihn sanft anlächelte und ihn mit diesem ansteckte. „Ich denke, das eben war auch eben nicht der letzte Kuss von uns, Rei…“ Das Lächeln beider verwandelte sich in ein verspieltes Grinsen, ehe sie die rückblickend so lächerlichen Gründe für diesen Streit hinter sich ließen; ehe sie erneut ihre Lippen in einer unendlich süßen und süchtigmachenden Zärtlichkeit vereinten und so die Leere in Rei gemeinsam bekämpften… *#~12-11-2oo7 #~Ming-sama //\\ANGRIFF DER KOMMATA//\\ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)