Wie das Leben so spielt von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 13: Kapitel 10 ---------------------- Kapitel 10 “Ich bin raus.” Der Satz schien wie ein Peitschenschlag die Geräuschkulisse zu zerreissen. Geschockt starrte Jyri ihr hinterher. Was? Er fuhr zu seinen Bandkollegen herum. „WAS???“ Kim und Stefan schienen unter diesen Worten regelrecht zusammenzuschrumpfen. Beide sahen aus, wie zwei sprichwörtlich geprügelte Hunde. Nur Bastian blieb weiterhin ruhig. Die ganze Art seines Auftretens liess in Jyri den immer stärker werdenden Verdacht aufkommen, dass er hinter all dem steckte. „Sie ist raus.“ Ernsthaft, aber gelassen blickte er ihm ins Gesicht. „Es war ihre eigene Entscheidung. Sie wollte, dass wir uns zwischen ihr und mir entscheiden.“ „Und ihr habt euch allen Ernstes für >ihn< entschieden?!“ Jyri deutete fassungslos auf Bastian, während er Kim und Stefan mit ungläubigen Blicken taxierte. „Sagt mal, seid ihr noch bei Trost!? Ihr könnt doch nicht einfach den Songwriter rausschmeissen! Geht’s noch?!“ Tuomas Kopf ruckte hoch. >Was? Songwriter?< „Sie ist die Seele dieser Band, habt ihr den völlig den Verstand verloren!?“ Fassungslos starrte Jyri auf die Beiden nieder und klammerte sich immernoch an den Glauben, dass das Ganze nur ein Alptraum sein konnte. Tuomas Blick wanderte stetig zwischen den jungen Männern hin und her. Er konnte seinen Ohren kaum glauben. >Sie war der Songwriter dieser Band?!< Wiedermal blitzte ein Bild vor seinem geistigen Auge auf, wie sie zusammen nach Hause gegangen waren. >Wieso hatte sie das nicht erwähnt?!<, fragte sich ein Teil von ihm, während der Rest noch mit dem Schock zu tun hatte, dass diese Band gerade wirklich ihren Songwriter gekickt hatte. Er konnte gar nicht anders, als an Sami und Tarja zurückzudenken. Was wäre damals wohl passiert, wären die Dinge etwas anders gelaufen? Hätten die Beiden dann vielleicht auch eine Entscheidung von der Band gefordert? Hätten sie damals wirklich von Angesicht zu Angesicht erstmal versucht, dass Ganze zu diskutieren, wie Swentje hier, wäre es dann auf ein ähnliches Szenario hinausgelaufen? Aber die Band hätte ihn niemals rausgeworfen!! Er war der Songwriter! Der Gründer von Nightwish! Die Seele der Band, wie Jyri so schön formuliert hatte. Aber war das wirklich ein Grund dafür, eine feste Position in einer Band zu haben? Konnte man sich sicher sein, immer ein fester Bestandteil einer Band zu sein, nur weil man derjenige war, der die Idee hatte, eine Band zu gründen? Einfach nur, weil man die Lieder schrieb? Hatte man dadurch eine unkündbare Stellung in einer Band inne? War das hier nicht gerade ein Parade Negativbeispiel, wie sehr man sich täuschen konnte? Nein! Auf die Idee, ihm zu kündigen, würde niemand überhaupt kommen! Ohne ihn wäre Nightwish wirklich nicht mehr Nightwish! Aber war Nightwish nicht auch so anders geworden? Einfach aufgrund der Zeit, die vergangen war, dem Ruhm, dem sie ausgesetzt sind und dem Sängerwechsel!? Wieder erinnerte er sich an all die Kritiken, als sie Anette das erste Mal vorgestellt hatten. An die negativen Reaktionen vieler Fans, als sie Anettes Stimme gehört hatten, die mit Tarjas gar nicht zu vergleichen war. Mit Absicht, da Tarja einfach die Beste in ihrem Fach war und niemand sie ersetzen konnte. Sie hatten keinen Vergleich zwischen den beiden Sängerinnen provozieren wollen und doch war genau das eingetreten. Es gab so viele, die meinten, dass Jemand mit einer Opernausbildung besser geeignet gewesen wäre, um Tarjas Platz zu übernehmen. Einfacher zu akeptieren gewesen wäre… Tuomas Gedanken kreisten wie wild um die eigenen Trennungen, die er miterleben musste und über die, für die er selbst verantwortlich gewesen war. Sami… Ob er sich genauso gefühlt hatte, wie Swentje es jetzt tat? Wieder blitzte ein Bild vor seinen Augen auf. Der zutiefst verletzte Ausdruck auf ihrem Gesciht. Die halbgeschlossenen Augen, die den Schmerz in der Seele verbergen sollten. Die Tränen, die sie nicht vergiessen wollte. All das hatte er sehen können, als sie sich an ihm vorbeigeschoben hatte. Diese kleine Sekunde hatte gereicht, um sich in seinem Kopf festzusetzen. Ob Tarja so gefühlt hatte? ... Bestimmt... Sami?... Vielleicht... Er hatte ihn ja nach der Mitteilung durch das Management noch persönlich besucht, um Tuomas eigene Stellungnahme dazu zu hören... Er dachte nicht gern daran zurück... An sein eigenes Versagen, seinem ehemaligen Freund gegenüber... Am liebsten würde er diese Erinnerung aus seinem Gedächtnis löschen... Sami war enttäuscht gewesen. Wütend und verletzt.. Zurecht... Er hatte nie die Courage besessen, Sami von seinen Problemen mit ihm zu erzählen. Ihm persönlich zu kündigen... Er hatte versucht, es bei Tarja besser zu machen. Richtig zu machen. Aber auch das war anders gelaufen, als erwartet... Tuomas Gedanken begannen sich in einer Horrorspirale eigener Vorwürfe und Schuldzuweisungen zu verfangen. Er bekam kaum noch mit, was um ihn herum gesprochen wurde. Das Einzige, was er unterbewusst registrierte, war, dass sie nicht mehr in englisch sprachen... „-bekloppt seid ihr eigentlich!?“, donnerte Jyri und bewirkte so ein Kopfheben Tuomas’. Sein Blick richtete sich wieder auf die Szenerie vor ihm, doch er sah und hörte alles wie durch dichten Nebel. Immer wieder zogen unliebsame Szenen seiner eigenen Bandvergangenheit vor seinem inneren Auge vorbei und wollten ihn wieder aus dem Hier und Jetzt reissen. Immer wieder musste er die Augen schliessen, um den Bildern erfolgreich Herr zu werden und sie zurückzudrängen. Irgendwann fand er sich selbst schwer an die Wand gelehnt vor, den Kopf leicht gesenkt. Jyri tobte immernoch. Plötzlich schossen seine Hände vor und packten Bastian am Kragen. Tuomas Magen erkrampfte sich und er betete inständig, dass es jetzt nicht auch noch zu einer Schlägerei kommen würde. Wenn er etwas verabscheute, dann war es Gewalt. “Was habt ihr euch dabei gedacht, verdammt!?” Aufgebracht begann Jyri den anderen zu schütteln, sodass Kim und Stefan schliesslich beunruhigt dazwischengingen und Bastian aus seinem Griff befreiten. „Hast du dir überhaupt irgendwas dabei gedacht!?“ Immernoch aufgebracht liess er sich von Stefan zurückhalten, während Bastian sich den schmerzenden Hals rieb. „Natürlich hab ich mir was dabei gedacht, für wie blöd hältst du mich bitte!?“, erwiderte er beleidigt mit rauer Stimme und funkelte den Drummer böse an. „Willst darauf echt eine Antwort haben!?“, schoss Jyri zurück und erwiederte den Blick fast schon provozierend. „Denn im Moment halt ich euch Drei für unwahrscheinlich blöd!“ Bastians Augen zuckten kurz und er biss sich auf die Unterlippe, um nicht irgendetwas unüberlegtes zu sagen. Dann atmete er einmal tief durch und fand seine nervtötende Gelassenheit wieder. „Sei doch mal vernünftig! Wir haben alle in den letzten Monaten gemerkt, wie es mit der Band immer weiter bergab ging. Hätten wir nichts unternommen, dann wäre noch die ganze Band auseinandergebrochen! Das war die beste Lösung!“ „Die beste Lösung...“ Jyri schnaubte ungläubig. „Ihr habt unseren Songwriter gekickt und das verstehst du unter >bester LösunggutgehenNein<, beantwortete er seine stumme Frage in Gedanken. Ohne sich die Mühe zu machen, noch einmal den Kopf zu drehen, fügte er hinzu: „Ihr habt drei Stunden, um eure Sachen zu packen. Seid ihr dann nicht aus meinem Haus verschwunden, werde ich nachhelfen. Hausfriedensbruch ist auch in Finnland strafbar.“ Fast schon befriedigt registrierte er das Keuchen hinter sich und konnte Tuomas leicht ungläubigen Blick auf seinem Gesicht spüren, als er an ihm vorbeiging. „Und ach ja: Ich lege dir nahe, nur das mitzunehmen, was auch wirklich dir gehört, Bastian.“ Mit diesen Worten verliess er das Grundstück und schlug die Richtung ein, in die Swentje vorhin davongelaufen war. Tuomas starrte ihm noch lange hinterher. Er konnte immernoch kaum glauben, was hier gerade abgelaufen war. Einfach so von hier auf jetzt eine Band aufgelöst... Er fühlte sich elend. Auch wenn er die Band nicht kannte, so traf ihn die ganze Sitaution doch tief und liess etwas in ihm anklingen, dass er schon lange sicher vergraben geglaubt hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)