Wie das Leben so spielt von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 4.3 ---------------------- Bis sie einige Minuten später die Stufen zur Haustür hinaufstiegen, wechselten sie kaum ein weiteres Wort und das Schweigen zwischen ihnen war fast schon erdrückend geworden. Swentje überlegte angestrengt, wie das Ganze jetzt wohl enden sollte... Jyri hatte unterdessen seinen Schlüsselbund herausgekramt und probierte konzentriert die einzelnen Schlüssel durch. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie ihn gewähren lassen sollte, doch sie spürte Tuomas Gegenwart wie ein Brennen im Rücken und so entschied sie sich dagegen. Die Situation war schon unangenehm genug, sie mussten jetzt nicht noch eine weitere halbe Stunde schweigend vor der Tür stehen, bis Jyri endlich den richtigen Schlüssel gefunden hatte. Sie trat neben ihren Freund und streckte fordernd die Hand nach dem Schlüsselbund aus. Jyri ignorierte die Geste und stocherte weiter mit dem Schlüssel für ein Vorhängeschloss an der Haustür herum. Als Swentje die Geste etwas eindringlicher wiederholte, grummelte er nur etwas und drehte sich ein Stück von ihr weg. Sie seufzte leicht genervt. Warum musste er nur immer so ein Kindskopf sein, wenn er getrunken hatte? Wortlos griff sie zu und versuchte Jyri den Schlüsselbund aus der Hand zu nehmen, doch dieser hielt ihn eisern fest und blickte sie nur stirnrunzelnd an. „Wass soll’nn daz werdn, wennz fertisch is?“ Swentje griff nun auch mit der zweiten Hand zu und versuchte seine Finger von dem Bund zu lösen. „Ich will die Tür aufschliessen.“, erklärte sie ruhig, während sie die Schlüssel aus seiner Hand zu winden begann. Entschieden zog er die Hand zurück und sie hatte keine andere Wahl, als die Finger von den Schlüsseln zu nehmen, wollte sie nicht Gefahr laufen, dass Jyri sich unabsichtlich einklemmte oder verdrehte. Sie stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn wie einen kleinen ungezogenen Jungen an. „Isch will das machn!“, nuschelte er und warf ihr einen strafenden Blick zu. „Ich würd aber gern noch vor Sonnenaufgang das Haus betreten“, gab sie schnippisch zurück, was aufgrund von Jyris überhöhten Alkoholkonsums zur Folge hatte, dass er unwillkührlich den Kopf drehte und den Nachthimmel inspizierte. Swentje schloss kurz tief einatmend die Augen und massierte sich die Schläfe. „Daz kriech isch’in“, meinte Jyri dann und probierte den nächsten Schlüssel am Bund. „Jyri, du bist total betrunken...“, versuchte sie zu argumentieren, doch er fiel ihr sofort ins Wort. „Bin isch nich!!!“ Er verengte die Augen, um das Schlüsselloch besser anvisieren zu können und verfehlte es dann um ganze fünf Zentimeter. „Nur Betrunkene verleugnen, dass sie betrunken sind“, meinte Swentje trocken. „Isch bin abba nich b’trunkn!“, versicherte er ihr und setzte zum zweiten Versuch an. „I’schaff daz...“, meinte er etwas leiser und traf nach dem vierten Versuch die gewünschte Stelle, nur um nach einigem erfolglosem Drücken festzuztellen, dass es wieder der falsche Schlüssel war. Swentje seufzte ergeben und liess sich mit dem Rücken gegen die Tür fallen. Ihre Hände wanderten wie von selbst wieder in ihre Hosentaschen und sie blickte zu Tuomas, um dann entschuldigend die Schultern zu heben. Er hob ebenfalls die Schultern. „Es könnte schlimmer sein... Immerhin regnet es nicht...“, versuchte er unbeholfen die Situation zu entspannen. Sie verzog leicht das Gesicht. „Sag das nicht. Bei dem Glück, was ich heute habe, könnt es glatt aus heiterem Himmel anfangen, zu hageln. Mit golfballgrossen Hagelkörner!“ Sie zog vielsagend die Augenbrauen hoch und blickte dann seufzend in die Ferne. „So hatte ich mir meinen Urlaub nicht vorgestellt... Babysitter für die Jungs spielen, na super... Man sollte meinen, dass sie mit 27 in der Lage sind, selbst auf sich aufzupassen...“ Tuomas musterte sie, wie sie in Gedanken versunken an der Tür lehnte. „Es ist ja erst der erste Tag, das heisst ja nicht, dass der Rest der Zeit hier genauso abläuft“, startete er unsicher einen Aufmunterungsversuch. „Na das will ich aber auch stark hoffen!“, gab sie zurück und sah ihn an. „Das war bis jetzt die dümmste Sauftour, die Jyri je gemacht hat und ich hab schon einge davon miterlebt.“ Er lächelte schief, aber aufmunternd. „Es kann also nur besser werden! Wie sagt man doch gleich: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen...“ Sie verkniff sich die pessimistische Antwort, die ihr auf der Zunge lag und lächelte stattdessen leicht. Das Geräusch eines sich im Schloss drehenden Schlüssels liess sie den Kopf drehen und sich vorsichtshalber leicht von der Tuer abstossen, bevor Jyri die Tuer aufreissen und sie somit ruecklings in den Flur befoerdern konnte. Swentje verzog anerkennend den Mund. „Das war schneller, als erwartet“, murmelte sie und betrat hinter Jyri den Flur. Tuomas blieb etwas unschlüssig im Eingang stehen. Erst, als Swentje an ihm vorbei zurück zum Schlüsselbund griff, das Jyri an der Tür hängengelassen hatte, betrat er, um ihr Platz zu machen, den Flur. Sein Blick huschte über die Einrichtung. Er konnte rechts am Ende des Flures eine Holztreppe an der Wand ausmachen, die auf eine Art Gallerie führte, von der ein paar Türen in andere Räume führten. Der Fuss der Treppe schien sich am Anfang des Wohnzimmers zu befinden, in welches Jyri gerade links einbog. Er war überrascht, wie modern, aber trotzdem warm hier alles eingerichtet war. Swentje warf die Schlüssel auf den kleinen Schrank neben der Garderobe und zog sich mit den Füssen die Schuhe aus. Dann wandte sie sich zu Tuomas um. „Okay~... Danke für die tatkräftige Unterstützung.“ Sie lächelte ihn an und er nahm dies als Aufforderung, ihr Bastian wieder zu übergeben. „Kein Problem. Ich hätt dich ja schlecht allein mit den Beiden kämpfen lassen können.“ Er lächelte zurück. „Oh, hättest du schon können... Jedenfalls wäre das die normale Reaktion in Deutschland gewesen“, gab sie zurück, winkte dann aber sofort ab, als er sie verwundert ansah. „Nicht so wichtig. Ich empfinde Deutschland einfach als ein sozial kaltes und egoistisches Land.“ Darauf wusste er spontan nichts zu erwidern und so half er ihr einfach, sich Bastian wieder anzunehmen, als aus dem Wohnzimmer ein begeisterter Ausruf ertönte. „Krass!!! Sait wann habn we denn’n Pool???“ Swentje erstarrte. Nein~... Bitte nicht~... „Jyri! Bleib von der Veranda weg!!!“, rief sie ihm drohend zu, als sie auch schon hörte, wie die Glastür aufgeschoben wurde. „Fuck!“ Sie stiess Bastian zurück in Tuomas’ Arme, der diesen völlig überrumpelt auffing. Dann war sie auch schon im Wohnzimmer und aus seinem Blickfeld verschwunden. Irgendetwas landete mit einem dumpfen Geräusch auf einem Glastisch. Perplex starrte er ihr nach. Was war denn nun schon wieder los!? „Jyri, geh vom Pool weg!“, konnte er sie von draussen rufen hören. Dann schien eine Art Diskussion zu folgen, von der er allerdings nur ihre Worte verstehen konnte, da Jyri einfach zu leise und undeutlich sprach. „Ja, ich weiss, dass das Licht im Wasser cool aussieht. ... Nein, können wir nicht! ... Nein! ... Das kannst du morgen machen! ... Verdammt, Jyri!!!“ Suchend sah sich Tuomas um und entschloss sich, Bastian auf den untersten Stufen der Treppe abzusetzen. Also hievte er ihn wieder hoch und trug ihn halb zum Treppenabsatz hinüber. Rechts von ihm stand eine Tür etwas offen und er konnte ein grosses Badezimmer dahinter erkennen. „Nein, Jyri!!!... Nun komm schon!“ Dort setzte er ihn ab und bettete seinen Kopf am untersten Geländerpfosten, damit er nicht umkippte, bevor er sich wieder aufrichtete. „JYRI~!!!“, schallte Swentjes spitzer Schrei durch die Nacht und liess Tuomas zur Veranda herumfahren. Noch bevor er die Drehung ganz vollendet hatte, hörte er ein lautes Platschen und sah nur noch wie Wasser aus dem Pool aufspritzte und sich über die Terrasse verteilte. Er konnte nur noch ungläubig die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Das gab’s doch nicht! Wo war er hier nur hingeraten!? Kurz darauf tauchte Swentjes Kopf wieder auf, gefolgt von einer Hand, die Jyri am Kragen gepackt hatte. Der Pool schien tief zu sein, da sie immer wieder unterging, als sie Jyri zum Beckenrand zerrte. Mit einer Hand hielt sie sich an einer der eingelassenen Stufen fest, mit der anderen drückte sie Jyri hoch. Tuomas folgte der Szenerie nur weiter mit fassungslosem Blick. Bauten er und seine Freunde auch immer so einen Bockmist, wenn sie betrunken waren? Kurz blitzte eine der vielen Geschichten vor seinem inneren Auge auf, wenn sie waehrend einer Tour betrunken waren... Ja.... Definitiv... Jyri krabbelte aus dem Pool und richtete sich bedrohlich schwankend auf. Swentje beobachtete ihn einen Moment lang kritisch und stemmte sich dann selbst aus dem Wasser, als Jyri einen Schritt vom Pool wegmachte. Ein Schwall Wasser ergoss sich auf die Steinplatten, als sie sich aufrichtete und vermischte sich mit der Wasserlache, die Jyri bereits hinterlassen hatte. So gut es ging, versuchte sie so viel Wasser wie möglich aus ihrer Kleidung zu bekommen, bevor sie sich wieder dem Halbfinnen zuwandte. Die ganze Zeit hatte sie kein einziges Wort gesagt und auch jetzt stiess sie Jyri schweigend vor sich her Richtung Wohnzimmer. Dieser wollte erst bezüglich der Behandlung aufbegehren, aber ein einziger Blick in ihr Gesicht liess ihn jeden Gedanken an Protest vergessen. Viel eher begannen sich Schuldgefühle auf seinem Gesicht abzuzeichnen und seine ganze Körperhaltung begann mehr und mehr der eines jungen Hundes zu ähneln, der genau wusste, dass er Mist gebaut hatte und nun mit eingeklemmtem Schwanz auf das Donnerwetter seines Herrchens wartete. Welches ausblieb... Und Jyri nur noch elender zumute werden liess. Sie wurde nicht laut, sie bedachte ihn nicht mit unzähligen Schimpfnamen, sie sagte gar nichts... Sie war echt sauer... Auch Tuomas blieb stumm und beobachtete, wie sich kleine Wasserlachen auf dem Parkettboden im Wohnzimmer auszubreiten begannen. Swentje blieb an der Treppe stehen und stiess Jyri Richtung Badezimmer. „Ausziehen, alles!“, befahl sie leise. Er wollte sich umdrehen und etwas sagen, doch ein kurzen Verengen ihrer Augen liess ihn dieses Vorhaben sofort wieder vergessen und ins Bad verschwinden. Sie drehte sich um und öffnete eine Tür hinter der Treppe. Nach einigen Augenblicken kam sie mit Wischmop und Eimer wieder hinaus und stellte diese auf den Gang, bevor sie die Tür wieder schloss. „Und ich laechelte und war froh, und es kam schlimmer...“, knurrte sie leise, in Anlehnung an Tuomas Aufmunterungsversuch vor der Haustuer. „Oh man...“, sagte Tuomas schliesslich leise zu sich selbst. Swentje blickte auf und direkt in seine Augen. Einen kurzen Augenblick war er in dem harten Ausdruck der Augen und dem Gewitter darin gefangen, aber dann wandte sie den Blick wieder ab und griff nach dem Mop. „Keine Sorge.“ Ihre Stimme klang ruhig, leise, aber gleichzeitig unnatürlich beherrscht, fast schon emotionslos. „Er wird es ueberleben. Morgen wird er sich nichtmal mehr daran erinnern können.“ Sie schnaubte geringschätzig und fischte ihr triefendes Portemonaie aus der Hosentasche. Mit einem lauten, nassen Klatschen landete es auf der Treppe und begann dort ebenfalls eine Wasserlache zu bilden. „Auch wenn Alkohol keine Entschuldigung ist, kann ich ihm deswegen schlecht den Arsch aufreissen.“ Tuomas Blick war auf ihren Rücken geheftet, als Jyri aus dem Badezimmer trat und sich die Aufmerksamkeit der beiden wieder auf ihn richtete. Er trug ein schmales Handtuch um die Hüfte und blieb einen Moment lang unschlüsslig stehen. Er warf Swentje einen vorsichtigen, scheuen Blick zu, aber da sich an ihrer brodelnden Ausstrahlung nichts geändert hatte, schlich er schliesslich nach oben und zog Bastian gleich mit sich. Sie folgte ihm mit Blicken, als sie Tuomas sagen hörte: „Ok... Ich werd dann auch mal nach Hause gehen...“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zu und erwiderte dann das leichte Kopfnicken mit einem Heben der Hand. „Tu das... Ich hab noch was zu tun.“ Sie hob den Mop. „Der Boden soll ja kein Eigenleben entwickeln.“ Irrte er sich oder war das gerade ein Scherz gewesen?! Ein Mundwinkel zog sich leicht nach oben und er hob nun ebenfalls die Hand zum Gruss. „Viel Spass dabei!“ Sie knurrte leise und warf ihm einen bitterbösen Blick zu, den er mit einem absolut unschuldigem Grinsen quittierte. Dann zog er die Tür hinter sich ins Schloss und verliess das Grundstück. Komische Leute..., grinste er leicht in sich hinein. Er wusste nicht wirklich, was er von ihnen halten sollte. Besonders Swentje wirkte irgendwie... Ja, wie eigentlich?! Er hatte keine Ahnung... Einerseits sehr lebhaft und direkt, andererseits... Tja... Sie schien sehr ... facettenreich zu sein... Er schüttelte den Kopf und zog die kühle Nachtluft tief in seine Lunge, bevor er wieder in seine Jackentasche griff und seine Zigaretten herausholte. Was soll’s. Er hatte wahrhaft wichtigeres zu tun, als sich den Kopf über sie zu zerbrechen. Es wartete genug anderen Kram auf ihn, den er sich um die Ohren schlagen konnte, als ein paar Urlauber in Kitee... Er zündete sich eine Zigarette an und machte sich auf den Heimweg. Allzu weit war es ja nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)