I'm Fine... von Liare (über ein Mädchen, dass seine Zukunft wählt) ================================================================================ Kapitel 1: I'm fine ------------------- „Sere, komm endlich! Du musst zur Arbeit!“ Arbeit! Was für eine Lüge! Lügen, alles Lügen.... Sie stand wieder an der Ecke, wieder in dem kurzen Röckchen, den hochhackigen Stiefeln, in denen sie kaum laufen konnte. Obendrüber eine feines, fast durchsichtiges Oberteil mit tiefem Ausschnitt. Eine Hure, eine Nutte, eine Wertlose! Neben ihr ein Junge, ebenfalls in sehr offenherziger Kleidung. Kev. Seine Augen waren unendlich traurig und an seine Hals waren Hämatome, deren Anordnung nicht auf Knutschflecke schließen lies. Er war jünger als sie, ein Kind. Sie war bereits 'erwachsen' mit ihren sechzehn Jahren. Ein Auto hielt vor ihnen. Ein teures Auto. Wenn sie mit ihm ging würde sie viel Geld bekommen. Sie würde etwas von ihrem 'Lohn' zur Seite legen können, unter den Augen ihrer Zieheltern verschwinden lassen. Der Mann verlangte, dass sie näher kam und so kam sie näher. Gekonnt schwang sie ihre Hüften. Er versuchte ihren absichtlich hoch gesetzten Preis herunterzuhandeln. Sie kannte das. Diese Leute hatten so viel Geld, wollten aber nichts abgeben. Arme waren ihr lieber, die rochen zwar nicht so gut, aber sie benahmen sich nicht wie Schweine. Allerdings brachten sie sich auch weniger ein. Er bezahlte im Vorraus. Sie stieg ein, lies sich zu irgendeinem Ort mitnehmen. Arbeit... Lächerlich! Sie kam erst im Morgengrauen nach Hause. Er hatte viel von ihr verlangt, hatte aber auch noch Geld draufgelegt. Bald hatte sie genug, dann konnte sie endlich gehen. Niemand würde sie dann dazu zwingen die Beine breit zu machen, niemand. „Sere, da bist du ja wieder. Heute Abend nimmst du Tia mit. Sie kann endlich auch so viel Geld wie du verdienen! Sie ist jetzt alt genug.“ Tia, süße, kleine, unschuldige Tia. Ihre kleine Schwester, gerade mal zwölf Jahre alt. Bald würde der Terror vorbei sein, dann würde sie in Sicherheit sein, nur sie allein. Sollten alle Anderen doch in der Hölle schmoren, das konnte ihr dann egal sein. Sie hatte alles geplant, die zukünftige Unterkunft, das neue Leben. Kev, der Junge, der jeden Abend neben ihr stand, bis ihn jemand mit dem Auto mitnahm würde sie begleiten. Kev war nicht gerne alleine und sie auch nicht. Der Abend kam. Sie kam mit Tia zu ihrer üblichen Stelle. Kev war bereits da. Man sah Tia ihre Angst an. Sie blieben nicht stehen und als sie an Kev vorbeikamen, folgte er ihnen ohne ein Wort. Er wusste, dass es jetzt so weit war. Schweigend gingen sie zum Bahnhof. Sere hatte ihre Ersparnisse schon dabei, Kev holte seine gesamte Habe und Kleidung für das Mädchen aus einem Schließfach. Tia weinte, als der Zug aus dem Bahnhof fuhr. Sie wollte nicht von ihrer Schwester getrennt sein. Kev hielt sie fest, während er Sere zuwinkte, die am Bahnhof zurückgeblieben war. Sie hatte Tia versprochen nachzukommen, wenn sie genug Geld hatte. Tia hatte sie schwören lassen und sie hatte einen Meineid geleistet. Sie wandte sich ab, als der Zug noch nicht ganz außer Reichweite war. Sie hatte Tia angelogen. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie sie begleiten können. Doch ihre Welt war zerstört. Sie konnte nicht mehr. Kev wusste es, er wusste, dass Sere nie kommen würde. Aber er würde sich um Tia kümmern, das war sicher. Sie hatten oft darüber geredet, sie und Kev. Er hatte sie einen Feigling genannt, dass sie keinen Schritt in ein neues Leben wagte und sie hatte nur genickt. Es gab einen Unterschied zwischen ihr und Kev. Sie hatte aufgegeben, er nicht. Sie ging 'nach Hause'. Es war komisch bereits zu so einer frühen Stunde hier zu sein. Der Ziehvater und seine Frau amüsierten sich im Bett, wie passend! Sie ging in die Küche und nahm das einzige wirklich schneidende Messer. Es fühlte sich gut an. Leise schlich sie zu dem Zimmer aus dem die Laute kamen. Dann stach sie zu, ohne nachzudenken, ohne Vorwarnung, immer wieder. Bis sich die zwei Personen nicht mehr rührten. Als sie aufsah, war alles voller Blut. Es störte sie nicht. Sie sahs auf der Brücke, die Beine hoch über dem Wasser baumelnd. Ihre Kleidung war noch voller Blut, aber es störte sie nicht. Langsam hob sie eine Rasierklinge an ihr Handgelenk. Ein Schnitt, nicht tief, aber befriedigend. Ein weiterer Schnitt... Sie streckte die blutenden Arm aus, sodass ihr warmes Blut direkt in den Fluss tropfte. Wirklich schön. Leider war es dunkel und die konnte nicht sehn, wie es auf das Wasser auftraf. Langsam wurde alles um die herum taub, ihr Blickfeld verschwamm und dann lies sie sich einfach fallen. Ein Auftreffen auf das Wasser, viel sanfter, als sie es eigentlich spüren müsste, dann verschwand alles in angenehmer Finsternis. Tia, ich liebe dich. Und ich wünsche die das schönste Leben der Welt. Mach dir keine Sorgen, mir geht’s jetzt gut. Nur denk manchmal an mich. Leb wohl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)