ScHoKoHerZ von Double_H ================================================================================ Kapitel 1: 1.kApiTeL -------------------- SchOcKoHerZ » Schneller! «, dachte ich, als ich auf meine Uhr schaute. Es passierte nicht oft, dass ich zu spät zur Schule kam, aber heute Nacht musste ich unbedingt den Film zu Ende sehen. Wenn man schon mal eine freie Bude hatte, musste man es auch nutzen. Nur blöd, dass die Eltern gerade dann heimgekommen waren, als der Film grad spannend wurde. Mir kamen fast die Tränen. Es ging um ein Mädchen, das sich in einen Schläger verliebt hatte, als er sie vor fünf Jungs beschützt hatte. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass sie die Polizei anrief. Dann gingen die Schläger grad auf sie los…WUMPS! Da standen meine Eltern wütend in der Tür und machten den Fernseher aus. Toll nicht…? Ich hätte echt gern das Ende gewusst…sehr gern sogar! Egal. Wie gesagt, rannte ich grad wie die blöde in Richtung Schule. Die Glocke zur ersten Stunde musste bald läuten und dann machte auch ein idiotischer Depp von Hausmeister die Schultore zu, damit sich die Schwänzer nicht reinschleichen konnten. Nur noch um die Ecke und…KRAWUMPS! Knallte ich gegen etwas Hartes. Ich fiel auf den Boden und jemand schrie mich an: » Mann! Pass doch auf! « Erschrocken blickte ich hoch und schaute dem schlimmsten Schläger an unserer Schule in die Augen: Rion. Es klingelte und ich zuckte zusammen. Na toll… Mein Leben würde hier enden. Und die Schule hatte ich auch noch nie geschwänzt. Er musterte mich. » Wie heißt du? «, fragte er, als er mit Starren fertig war. Also echt, ich kam mir grad wie im Zoo vor. Ich bin eine kleine Maus, die zitternd in ihrem Käfig saß und von einem Typen namens Rion angestarrt wurde. Gott sei Dank stand vor dem Käfig: Bitte nicht füttern! Und auch nicht anfassen! Daran würde er sich sowieso nicht halten… Um seine Frage zu beantworten, spuckte ich erst ein paar Buchstaben aus, ehe ich stotternd antwortete: » S…S…S…ue… « Er fing an zu lachen. Hörte sich gar nicht so böse an. Aber man kann ja nie wissen. Immer noch lachend streckte er mir seine Hand entgegen. „ Na los! Steh endlich auf! « Total baff starrte ich ihn an. Und seine Hand, die er mir hilfsbereit hingestreckt hatte. Ich nahm sie und er zog mich nach oben. Mann war das peinlich… Erst bekomm ich nicht mal meinen Namen heraus und dann schwitzten meine Hände auch noch. » Keine Angst, die schmeißen dich nich von der Schule, bin ja auch noch drauf! « Ach so, er dachte wohl, dass ich vor dem Ärger Angst hatte und nicht vor ihm. Dann nahm er wieder meine Hand. Die Schweißperlen machten ihm wohl nichts aus. » Komm mal mit! « Oh Gott! Wo will er denn jetzt hin?! Ich entriss ihm meine Hand. » Nein! « Das sollte man doch immer sagen, wenn man was nicht will. Hab ich zumindest in der ersten Klasse gelernt. Und ja nicht zu Fremden ins Auto steigen. Sein verwirrter Gesichtsausdruck wechselte zu einem wütenden und wer weiß, was jetzt alles kommen kann… Er griff nach meinem Arm und zog mich hinter sich her: » Ich hab gesagt, das du mitkommen sollst! « Oh du meine Güte! Bye, bye, schöne Welt! Ciao ihr schönen Stunden meines restlichen Lebens! Danke Mum, dass du immer für mich da warst. Und auch dir danke, Dad! Heute hatte ich mal wieder keinen Bock in der Schule zu schlafen und bin geradewegs daran vorbei gelatscht. Dann wollte ich um die Ecke biegen und so´n gestörte Kind lief voll in mich rein. War natürlich eins von den Mädchen. Als ich die dann nach ihrem Namen gefragt hatte, brachte die nix raus. So was hab ich ja noch nie gesehen… Aber sie sieht ganz hübsch aus. Total nett, aber gar nicht mein Typ. Sue hieß sie, nich? Da wollte ich sie mitnehmen und sie reagierte total scheiße darauf. Wollt sie ja nur beschäftigen. Was soll sie denn auch machen, wenn sie nich in die Schule kommt? Ich weiß nicht, aber das hat mich total wütend gemacht. Sonst würde ich denen ja eine knallen, aber... wieso ichs nicht getan hab, weiß ich nicht wirklich. Auf jeden Fall, schliff ich Sue schon den ganzen Weg hinter mir her. Ab und zu versuchte sie ihren Arm wieder frei zu bekommen, aber ich ließ nich los. Wo gehen wir hin? , fragte sie dann. Ich zuckte mit den Schultern. Siehst du dann schon! Dann hielt sie wieder ihre Klappe. Langsam wurde mir das zu anstrengend, aber wir waren sowieso bald da. Ich zog sie in den Wald und dann standen wir auf meinem Lieblingsplatz. Hier kam ich immer her, wenn ich vor meinem drogensüchtigen Vater Schutz suchte oder mir einfach langweilig war. Wegen der Schule zum Beispiel. So! Wir sind da! , sagte ich stolz. Sie sollte sich gefälligst glücklich schätzen. Alle, denen ich den Platz gezeigt hatte, konnten sich nicht mehr daran erinnern. Ich schielte zu ihr runter und sah, wie ihr Mund aufklappte. Es gefiel ihr also. Dann konnte ich sie ja jetzt loslassen. Sie ging einen Schritt weiter und lächelte. Wieso freute ich mich so darüber?(i) Wow! Das war ja total toll hier! Er hatte mich zwar gezwungen, mit ihm mitzugehen, aber jetzt machte es mir nichts mehr aus. Und ich dachte schon, dass er mich kalt machen würde. Wir standen auf einer runden Wiese. Sie war nicht sehr groß. Zehn Schritte vor mir und ich stand am anderen Ende und in einem Gebüsch. Aber das Sonnenlicht strahlte genau in die Mitte des Kreises und das sah total schön aus. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. War Rion doch nicht so ein Schläger ohne Herz? Hatte ich mich in ihm geirrt? Rion ging einen Schritt auf die Wiese zu und legte sich hin. Er machte seine Augen zu und murmelte: » Machs dir gemütlich. « Er war anscheinend total müde. Ich tat das, was er mir sagte. Ich hockte mich ein paar Schritte von ihm entfernt auf das Gras und schaute ihn an. Sein Gesicht sah so ganz friedlich aus. Mir war aufgefallen, dass ich ihn noch nie so richtig angeschaut hatte. Er hatte mittellange, goldbraune Haare, braune Azgen und war ungefähr 185 Zentimeter groß. Seine Arme hatte er hinter seinem Kopf verschränkt. Unter dem gelben T-Shirt, das er trug, sah man ein kleines Stück von seinem Bauch. Seine kurze, karierte Hose und seine Schuhe, alles sah total verwaschen und abgenutzt aus. Ok! Das wars! Ich zwang mich weg zu sehen und genoss die Natur. Wie Rion, schloss ich meine Augen und entspannte mich. Sie sah mich an. Ich spür so was sofort. Es ist ein ekliges Gefühl. Machte mich total wütend, wenn die Idioten mich immer so anstarren mussten. Nur weil ich nicht so einen guten Ruf hatte, aber das kann denen doch voll egal sein. Nur, wenn sie mich anschaute... Das war halt einfach was anderes. Sie durfte das. Mann, Junge! Was is heute nur los mit dir?! Benimmst dich total bescheuert, wie so´n widerlicher, Hormon gesteuerter Volldepp! Dann schaute sie auf einmal weg. Vorsichtshalber schielte ich zu ihr rüber, bevor ich meine Augen aufmachte. Sie saß da, mit geschlossenen Augen und jetzt war ich dran mit abchecken. Was mir schon am Anfang aufgefallen war: Sie is mega klein! Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellen würde, könnt ich auf ihren Kopf spucken. Sind bestimmt nur so mickrige 155 Zentimeter. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie kurz und verwuschelt. Stand ihr. Ehrlich! Sie sah nicht wirklich tussenhaft aus, eher mehr ganz normal. Hemd, Hose, Schuhe. Grün, Lila und schwarz weiß kariert. Auf so was schau ich nicht wirklich. Dann passierte es, was ich eigentlich vermeiden wollte. Sie schaute her. Ganz tief in meine Augen. Und so verplant wie ich war, lächelte ich sie an. Sie lächelte zurück. Oh mann, ich glaub, ich bin im Himmel! Ich lag im Bett und dachte über den heutigen Tag nach. So was wie heute hatte ich noch nie erlebt. Es machte mir nichts aus, ganz im Gegenteil, es könnte immer so weiter gehen! Es machte total viel Spaß, mit Rion die Zeit tot zuschlagen. Er war eigentlich nicht so ein unnahbarer, grober, bescheuerter Typ. Man konnte total gut mit ihm reden und er war total lustig. Ich hatte immer noch Bauchschmerzen. Und ich konnte nicht einschlafen! Ich wälzte mich von rechts nach links, legte mich auf den Bauch und ging aufs Klo. Das war total ätzend. Rion spukt mir im Kopf herum und immer wenn ich dabei war was anderes zu machen, um mich zu beschäftigen, dachte ich mir, ob er das auch schon mal getan hatte oder, ob er so was mögen könnte. Total bescheuert! Dann dachte ich noch einmal an den Liebesfilm, den ich angeschaut hatte. Fast wie mein jetziges Leben. Rion is ja auch nicht grad ein problemloser Junge. Er hatte sicher schon manchmal ein paar Schwierigkeiten mit der Polizei. Aber, lassen wir das mal seine Sache sein. Außerdem stand in der Fernsehzeitung, dass er krankenhausreif verprügelt wurde und das kann ja wohl nicht passieren. Wär ja auch doof. Als ich am nächsten Tag wieder wie bescheuert durch die halbe Stadt rannte, kam ich mir echt blöd vor. Ich sollte mir mal nen Wecker kaufen. Warum kam ich eigentlich erst jetzt darauf? Und bevor ich um die Ecke rannte, blieb ich stehen und schaute erst nach, ob jemand da war. Ich wollte gerade wieder loslaufen, als mir jemand auf die Schulter tippte. Kreischend drehte ich mich um und schaute in die schönsten braunen Augen, die ich je gesehen hatte. So kam es mir auf jeden Fall vor. Sorry! , entschuldigte ich mich. Aber eigentlich hätte ich mich tot lachen können. Wie sie um die Ecke gelugt hatte und wie ich ihre hohe kreischende Stimme gehört hatte. Ich hatte mich schon die ganze Nacht darauf gefreut, dass ich sie wieder sehen konnte. Mann! Schleich dich nicht von hinten an! , schnauzte sie mich an. Ihre Angst hatte sie also verloren. Wie schön. Aber für sie war es nicht schön, als die Schulglocke läutete. Sie stampfte wie ein kleines Kind mit dem Fuß auf und fluchte: Manno! Schon wieder zu spät! Das kann ja wohl echt nicht sein! Scheiße! Ich konnte echt nicht widerstehen und streckte meine Hand aus. Dann verwuschelte ich ihre Haare. Sie schaute mich fragend an. Komm, gehen wir zu unserer Wiese! , schlug ich vor und sie lächelte. So war es viel schöner. So gefiel sie mir auch besser. Und es war jetzt nicht mehr nur meine Wieso, sondern unsere! An diesem Wochenende machte ich mich auf den Weg in die Stadt, einfach mal nur so rumlaufen. Meine Eltern waren daheim… Ich schaute mich um und als ich an einem Süßwarengeschäft vorbei ging, starrte mich ein großes Herz an. Ah! Nächste Woche war ja Valentinstag! Vielleicht…würde Sue sich ja freuen, wenn… Ich war jetzt schon zwei Tage nicht mehr in der Schule. Und ich dachte, dass die Lehrer bald meine Eltern verständigen würden. Aber, was sollte ich denn machen? Für Rion würde ich sogar von der Schule fliegen! Heute hatte ich im Gegensatz zu den anderen Tagen wieder besser schlafen können. Und war halbwegs rechtzeitig losgegangen, damit ich dieses Mal pünktlich kam. Rion wollte heute auch dem Unterricht besuchen. Das hatte er versprochen. Als ich an der Ecke stand, wollte ich nicht schon wieder ausgelacht werden und bog einfach ab. Ein großer Fehler, wie es sich herausstellte. Eher ich mich versah, lag ich wieder auf dem Boden, nur nicht auf meinem Hintern, sondern mit dem Gesicht voraus. Wem das schon mal passiert ist, der weiß, dass das sehr schmerzlich sein kann. (Nur mal zur Info, ich bin nicht gehbehindert) » Sorry! «, sagte jemand und mein Herz machte einen Freudensprung. Rion! Ich rappelte mich auf und schaute ihn an. Er verkniff sich ein Lachen. » Wehe du la…! «, fing ich an und erstarrte. Mein Blick blieb an seinem Gesicht hängen. Das tat es zwar immer, aber dieses Mal nicht, um es anzuhimmeln. Seine linke Wange war etwas angeschwollen und blau. Hatte er sich schon wieder geschlagen? Ich hatte ein mulmiges Gefühl und wollte nicht fragen. Er bemerkte es wohl, denn er flüstert: » Mein Vater… « » Was…? « » Er hat mich mal wieder geschlagen. «, sagte er. Eigentlich wollte ich ihr sagen, dass ich wieder bei einer Rauferei dabei war, aber wieso sollte ich sie anlügen? Ihr konnte ich doch vertrauen, oder? Sie schaute mich mit ihren großen Augen erschrocken an. Wenn ich gelogen hätte, wär sie sicher nicht glücklicher. Aber sicher nicht so erschrocken. Dann wandte sie ihren Blick ab und blickte zum Boden. Hey... Sie sollte doch mich anschauen! Ich ging in die Hocke und lächelte sie von unten an. Das brachte sie wenigstens zum kichern. Dann nahm ich ihre Hand und zog sie zum Schulhaus. Ich hatte versprochen, heute nicht blau zu machen. Aber sie wollte nicht. Sie zog mich in die andere Richtung. Ok, sie versuchte es. Sie war nicht wirklich kräftig. Was denn? , fragte ich. Können wir heute wieder zur Wiese gehen? Bitte..., sagte sie Wenn sie mich so nett bat, wieso nicht? Ich drehte mich um und wir gingen Hand in Hand zur Wiese. Ich hatte keine Lust sie loszulassen. Es war ein tolles Gefühl. Wieso ich jetzt doch nicht in die Schule gehen wollte, weiß ich nicht. Aber das Rions Vater ihn schlägt, das kann man ja nicht einfach im Raum stehen lassen. Deswegen musste die Schule noch einmal auf uns verzichten. Bis zur Wieso hielt ich seine Hand fest. Es machte mir nichts aus und ihm anscheinend auch nicht. Als wir ankamen, saßen wir nebeneinander auf dem Boden. Seine Hand lag jetzt neben meiner. Er hatte mich losgelassen, damit er sich strecken konnte. War wohl wieder eine schlaflose Nacht für ihn. » Wieso schlägt dich dein Vater? «, fing ich das Thema an. Er lächelte leicht. » Na ja… Sags bitte nicht weiter, aber der Grund sind: Alkohol und vielleicht auch Drogen. « Das war ja toll… Armer Rion. Ich glaub, langsam verstand ich, warum er so war, wie er war. Wenn man von klein auf nichts anderes kannte, als nur Gewalt… Rion erzählte weiter: » Keine Angst, es passiert nicht oft, aber ab und zu krieg ich dann mal eine gewischt, wenn er mal nicht gut drauf war oder er einfach einen schlechte Tag hatte « » Und was sagt deine Mutter dazu? « Er machte denn Mund auf, als es hinter uns im Gebüsch raschelte. Erschrocken sprang ich auf und ging einen Schritt nach hinten. Rion stand auch auf und schrie wütend: » Was wollt ihr den hier?! Verpisst euch! « Ich sah den Grund, warum er schrie. Fünf Jungs, fast alle waren größer als Rion, kamen mit erhobenen Händen und einem Grinsen im Gesicht aus dem Gebüsch. » Na Alter? «, fragte der Größte von allen, er war wahrscheinlich der Gangleader. Waren das etwa auch Schläger? Sie sahen auf jeden Fall so aus. » Was wollt ihr?! «, fragte Rion noch einmal. » Ey mann! Begrüßte so deine Freunde? «, fragte ein anderer. Rion ging auf sie zu. » Ihr seid nicht meine Freunde! « Dann entdeckten sie mich und fingen alle an zu lachen. Der Große fragte: » Ist das der Grund, warum du jetzt zu keinem Treffen mehr kommst? « Welches Treffen, bitte schön? » Larry, halts Maul! «, schrie Rion ihn an. Larry ging auf mich zu und ein weiterer folgte ihm. Die anderen Drei standen mit verschränkten Armen bei Rion und grinsten ihn an. » Name? «, fragte Larry, als er vor mir stand. Ich schaute auf den Boden. Ich hätte lieber antworten sollen, denn er schlug mir so fest ins Gesicht, dass ich auf den Boden fiel. Rion schrie. Er war total wütend, das hörte ich. Die Backe haltend, schaute ich Larry erschrocken an. Der grinste nur und fragte ruhig: » Deinen Namen? « Also, mal ganz ehrlich, was würdet ihr in so einer Situation tun? Den Namen sagen oder schweigen. Oder sogar versuchen wegzulaufen? Ich entschied mich fürs zweite: » Das geht dich gar nichts an! « Ok, ich hatte zwar Angst und meine Stimme zitterte, aber so etwas ließ ich mir sicher nicht gefallen! Larrys Lächeln verschwand. Er griff mir ins Haar und zog mich hoch. Ich schrie. » Wenn ich nach deinem Namen frage, dann antworte mir gefälligst! «, zischte er mir ins Gesicht. Wieso? Woher wissen die scheiß Typen, das ich hier bin? Hätten sie mich wenigstens alleine erwischt. Jetzt wird Sue da auch noch mit rein gezogen. Und das erste Mal im Leben hatte ich Angst. Nein, nicht dass ich mir was taten, sondern dass Larry Sue noch einmal schlagen würde. Aber wenn Larry sich ein Opfer ausgesucht hatte, konzentrierte er sich so darauf, dass er alles andere um sich vergas. Das war meine Chance. Ein Typ, den ich nicht kannte, hatte mich festgehalten. Die zwei anderen standen noch vor mir. Ich dachte, das schaff ich schon! Ich schlug dem Jungen hinter mir den Ellbogen mit voller Wucht ins Gesicht. Es knackste. Das war etwas fest, brechen wollte ich dem ja eigentlich nichts. Er lies mich wenigstens los und krümmte sich auf den Boden. Dabei schrie er. Jetzt gingen die anderen zwei auf mich los. Wenigstens konnte ich Rion eine kleine Hilfe sein. Ich lenkte Larry ab, während er die anderen demolierte. Larry hatte mich immer noch fest im Griff. Hinter ihm hörte man ab und zu jemanden schreien, aber Rion gehörte da Gott sei Dank nicht dazu. Ein Junge, der etwa so groß war wie ich, tippte Larry an. Wütend schaute der zu seinem Kumpel. Er hasste es, unterbrochen zu werden. Genau da schrie jemand hinter uns und er drehte sich um. Seine drei Freunde lagen blutend am Boden. Nur Rion stand noch da. Er hatte auch etwas abbekommen, aber es schien ihn nicht zu stören. Larrys Griff wurde kräftiger. Er hatte mir sicher schon ein paar Haare ausgerissen und meine Tränen sammelten sich schon. » Einen Schritt weiter und es tut ihr weh! «, drohte Larry. Rion blieb stehen und schaute ihn wütend an. Grinsend drehte Larry sich wieder zu mir und fragte noch einmal nach meinem Namen. Ich presste meine Lippen aufeinander. » Luke! «, gab er seinem Kumpel bescheid » Zeig ihr mal, was wir machen, wenn man uns ignoriert! « Luke grinste und ging auf Rion zu. Dann hob er seine Faust und rammte sie ihm in den Bauch. Rion krümmte sich und fing an zu husten. » Nein! Hör auf, bitte! «, schrie ich. Mir liefen die Tränen über meine Wangen. Dann wandte ich mich zu Larry und sagte mit zitternder Stimme: » Sue…« » Jetzt rückst du mit deinem scheiß Namen raus, aber es bringt dir sowieso nix, es ist zu spät! Luke! Mach ihn kalt! « Luke grinste und packte Rion am Kragen. Wie gestört können Menschen eigentlich sein? Freuen sich, einen umzubringen… » Warte! Bitte! «, flehte ich Larry an. » Mann, halt endlich dein Maul, ey! «, schrie er und knallte mir noch mal eine. Meine Backe war sicher feuerrot und sie brannte höllisch. Als ich zu Rion rüberschaute, versuchte er sich zu wehren. Larry packte meinen rechten Arm und verdrehte ihn nach hinten. Ich schrie auf. Rions Augen blickten leer gerade aus. Er wusste, das er verlieren würde, egal wie. » Lass sie los! Dann geh ich ohne Widerstand mit! «, sagte Rion ruhig. Er wollte doch wohl nicht wegen mir…! Das kann er doch nicht tun! Ich machte wieder meinen Mund auf und Larry verdrehte meinen Arm noch mehr. Ich biss mir auf die Zunge, um nicht schon wieder zu schreien. Luke schubste Rion auf den Rand der Wiese zu und er ging einfach mit! Bevor ich sie vielleicht nie wieder sehen würde, muss ich mir das Gesicht doch für immer merken! Ich drehte meinen Kopf ein bisschen zu Seite und schaute in ihre Augen. Sie waren schon wieder vor Schreck aufgerissen und sie weinte sogar… Am liebsten würde ich sie jetzt in den Arm nehmen und ganz fest an mich drücken, aber das geht jetzt nicht. Sie wird sicher einen besseren wie mich finden. Mein Leben war sowieso total kaputt. Mit ihr hatte ich zwar das Gefühl, endlich etwas zu empfinden, aber, das war sicher die Strafe für das, was ich den anderen Menschen angetan hatte… Ich grinste, bevor ich im Wald verschwand. Er kann doch nicht einfach weg gehen! Mit einem Grinsen im Gesicht. Wie soll ich denn so weiterleben? » Du solltest jetzt ein bisschen schlafen! «, murmelte Larry. Dann zog er an meinem Arm und es knackte schmerzhaft an meiner Schulter. Ich fiel ins Gras. Meine Schulter pochte. Ich war total müde und irgendwann schloss ich einfach die Augen. Alles, was noch in meinem Kopf hallte, waren Rions Schreie… Mein Kopf brummte. Ich stöhnte und machte blinzelnd meine Augen auf. Ich schaute mich um. Ein Einzelzimmer. Weißes Bett, weißer Boden, weißes Nachtkästchen. Mehr registrierte ich nicht. Mir wurde speiübel, als ich mich an den Tag mit Larry und Luke erinnerte. Rion! Was ist mit ihm passiert? Ich schlug die Bettdecke zurück und torkelte aus meinem Zimmer zum Informationsschalter. » Bitte! «, sagte die Frau beim Schalter » Legen Sie sich wieder hin, Sie müssen sich ausruhen! « Ich ignorierte sie und fragte: » Wo ist Rion? « Die Frau gab mir ein Zeichen, das ich warten sollte und tippte eine Nummer in das Telefon. Dann führte sie ein kurzes Gespräch und legte wieder auf. » Wenn Sie bitte wieder auf Ihr Zimmer gehen würden. Dort wartet ein Arzt, der Ihnen sicher weiterhelfen kann. «, sagte sie zu mir. Ich drehte mich weg und ging auf mein Zimmer. Könnten die einem nicht einfach sagen, wo der Kranke lag? Das is echt schlimm! Wie die Frau sagte, in meinem Zimmer wartete ein Arzt. Weißer Kittel, Brille und so, wie halt Ärzte aussehen. Ich ging auf ihn zu und fragte: » Wo ist Rion? « Der Arzt, Herr Schmidt, fragte erst, bevor er antwortete: » Wie geht es Ihnen? « » Mein Arm is wieder in Ordnung, aber was ist mit Rion? Geht es ihm gut? « Herr Schmidt schaute weg. Es fiel ihm schwer zu antworten. Oh, oh… Das sah nicht gut aus, oder? Er atmete einmal aus, ehe er antwortete: » Er liegt im Zimmer links von deinem. Es…geht ihm…gut, sein Zustand ist stabil, aber…« Oh nein! Jetzt kommts! » Er… liegt im Koma… « Ich stand vor seinem Zimmer und atmete tief durch. Dann hob ich meine Hand, ich zitterte, und drückte die Klinke nach unten. Da lag er. Der beste Junge, der mir je begegnet war… Langsam ging ich auf ihn zu und biss mir auf die Lippe, damit ich nicht anfing zu weinen. Ich nahm seine Hand. Sie war schön warm, so wie immer, nur dass seine Finger sich nicht bewegten. Ich sollte mit ihm reden, so hatte es auch das Mädchen getan, das aus dem Liebesfilm. Vielleicht war es doch nicht so unlogisch, dass es doch so passieren wird. Ganz glauben wollte ich es aber nicht… Ich weiß ja nicht einmal den Schluss! Oh Gott! Was ist, wenn er am Schluss doch nicht mehr aufwacht? » Rion? «, fing ich an zu reden. Ich kam mir da ein bisschen doof vor, aber mir viel nichts Besseres ein… » Rion, bitte…wach auf! « An diesem Tag konnte ich wieder nach Hause gehen. Ich erklärte meinen Eltern, dass ich von einem Baum fiel. Mir war egal, was sie dachten. Nachdem ich endlich mal wieder in der Schule war, machte ich mich sofort auf den Weg zu Rion. Als ich die Tür aufmachte und vor seinem Bett stand, kämpfte ich wieder mit den Tränen. » Hallo, Rion! Wie geht’s dir denn? Ich musste heute wieder in die Schule… Der Lehrer war total sauer! Wenn deine…äh… Brüche endlich heilen, dann kannst du auch wieder in die Schule! Versprochen, ok? Und dieses Mal werd ich sicher nicht mehr woanders hingehen wollen! « Ich war mir sicher, dass er wieder aufwachen würde! Ganz bestimmt! Ich besuchte Rion in jeder freien Minute, die ich hatte. Dabei erzählte ich ihm viel, was ich so tat oder wie es mir so geht. Über meinen gebrochenen Arm sprach ich aber nie. Er musste sich ja keine Sorgen machen. » Hey, Rion! «, begrüßte ich ihn, als bereits eine Woche vorbei war, » Heute war wieder ein total blöder Tag! Wir haben einen Test geschrieben… Mann! Ich hab gar nichts gewusst! « Ich hockte mich auf den Stuhl neben seinem Bett und nahm seine Hand. » Rion…Wie lange willst du mich denn noch alleine lassen? « Ich bekam keine Antwort, wie denn auch…? » Weißt du… als ich dich zum ersten Mal sah, das heißt, als ich voll in dich rein gelaufen bin, da hatte ich Angst vor dir. Eigentlich wie jeder normale Mensch an unserer Schule. Und dann hast du mich auch noch in den Wald geschleppt! Ich hab gedacht, dass du mich umbringen würdest oder so. Aber als ich dann dein Lachen gehört hatte, wusste ich, dass du nicht so einer bist, wie die anderen immer dachten. Und... ich mag dich wirklich sehr… Vielleicht… lie… « Oh Gott, war mir das peinlich. Mitten im Satz sprang ich auf und sagte: » Also! Ich muss dann wieder los. Wir sehen uns Rion! « Mit den Worten ging ich nach Hause. Ich machte Umwege. Besser als gelangweilt im Zimmer zu sitzen. Ich ging an der Schule vorbei, an die wirklich sehr gefährliche Ecke und am Wald blieb ich stehen. Unsere Wiese… Sie sah immer noch so toll aus wie am ersten Tag. Nur etwas fehlte. Ich ließ mich auf den Boden fallen. Hier saß er immer… Mir liefen die Tränen über die Wangen. Wieso tat es so weh? Er wird wieder aufwachen, ich weiß es! Er kann mich nicht einfach so alleine lassen… Ich lief nach Hause. Plötzlich stolperte ich und fiel der Länge nach hin. Autsch! Das tat auch weh! Ich machte mir nicht die Mühe aufzustehen. Ich weiß, es klingt bescheuert, aber wenn jetzt jemand hinter mir gelacht hätte, dann würde ich mich darüber freuen… Rion, du fehlst mir… » Rion! Morgen ist Valentinstag! Ich komme dann vorbei! « Gesagt getan, ich stand in meinem Zimmer und machte mich fertig. Meine Hose war an, Hemd richtig rum angezogen und die Schuhe gut zugeschnürt. Plötzlich schlug Mum meine Tür auf und sie schaute mich besorgt an. » Schatz! Rion ist… « Nein! Das kann nicht sein? Wieso heute? Warum ausgerechnet jetzt!? Ich lief zum Krankenhaus. Völlig außer Atem stand ich in seinem Zimmer und schaute ihm ins Gesicht. Er lag wie immer ruhig in seinem Bett. Aber heute wird alles anders werden… Es war vorbei. Ich ging auf ihn zu und sagte: » Rion! Wie kannst du das tun? Du bist so gemein! Ich liebe dich doch « Ich schrie. Und ich weinte. Wie konnte er das nur tun? » Ich dich doch auch! Sorry, das ich eingenickt bin…Prinzessin! « Diese Stimme… Wie ich die doch vermisst hatte! Ich starrte ihn an. Mum hatte doch gesagt, das er aufgewacht ist und wieder schläft… Ou! Ich schlug mir gegen die Stirn. Nicht das Ich war gerade im Koma und lieg wieder darin… sondern das andere schlafen… ich bin ja sooo doof! Rion lächelte. » Ich hab schon auf dich gewartet. « Er strich mir meine Tränen weg. » Ich hab länger gewartet! «, gab ich beleidigt zurück. Er lachte. » Ja… das stimmt! Tut mir leid, ich mach’s wieder gut, versprochen. Wünsch dir was « Ich wusste genau, was ich wollte. Und da musste er nun mal mitspielen. Er hat es versprochen. Dann zog er seine Augenbrauen hoch und fragte: » Du dachtest, dass ich dich umbringen würde? « Ich war total baff und starrte ihn mit offenem Mund an. Wie sie mich angestarrt hatte, als ich erzählte, dass ich alles gehört hab. Alles! Jede Kleinigkeit, die sie mir gesagt hatte. Und diese Kleinigkeiten machten mich echt glücklich. Ja…, Ich hab ihr ja versprochen, dass sie sich etwas wünschen darf. Und jetzt hocken wir gerade vor ihrem Fernseher und schauen so einen komischen Liebesfilm. Für sowas musste ich zehn Euro weglegen… Dafür hätte ich echt was Besseres kaufen können. Und mein ganzes Geld ist weg, weil ich ihr das auch noch geschenkt hatte. Mann bin ich ein netter Junge! Ehrlich! Wir schauten den Film zu Ende und Sue kämpfte mit den Tränen. Sie war aber ganz schön nah am Wasser gebaut… Ich nahm sie lachend in den Arm und strich ihr Haar zur Seite. Sie hatte es nicht losgelassen, die ganze Zeit nicht. Das Schokoherz, das ich ihr geschenkt hatte. Mein Herz gehörte nur ihr… Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)