Vermilion von KumaChan ================================================================================ Kapitel 4: Wendepunkt --------------------- Wendepunkt Ich wachte aus einem traumlosen Schlaf auf. Ich lag in einem Bett und neben mir sah ich den Schein einer Kerze. Jemand saß an dem Bett, aber ich war noch zu benommen, um diese Person zu erkennen. Mir tat alles weh. Das Gesicht dieser Frau fiel mir wieder ein und ich schreckte auf. „Ruhig, ruhig, mein Schatz.“ Es war die Frau! „Jetzt ist alles wieder gut.“ Ich wusste nicht, wovon sie sprach. Nichts war gut. Ich fühlte mich so schlecht, wie nie. Es waren noch andere Leute in dem Raum. Shirai, ihr Vater, die drei Cage – Männer und einige, die ich noch nicht kannte. Sie sahen alle ernst und dennoch feierlich aus. Es war völlig still im Raum, als ob sie darauf warteten, dass ich etwas sagte. Ich suchte nach meinem Hasen. Er lag nicht auf dem Bett und ich konnte ihn nicht finden. „Hier, mein Schatz.“ Die Frau neben dem Bett, Dilia hieß sie glaube ich, reichte mir Vermilions Geschenk. Ich nahm ihn wortlos an. Ich fühlte mich wieder etwas sicherer. Noch immer schauten mich alle an, doch nicht nur mich, wie ich jetzt merkte. Sie schauten auf mich und diese Dilia. Was war geschehen, als ich in Ohnmacht gefallen war? Ich war völlig verwirrt, doch offenbar hielt es niemand für nötig mich aufzuklären. Wieder war es völlig still. Dilia lächelte mir ununterbrochen zu. Die anderen schienen auf etwas zu warten. Ich konnte nicht anders. „Was ist hier los?“ Ein Aufatmen ging durch die Runde. Jetzt kamen Shirai und ihr Vater an mein Bett. „Ist alles mit dir in Ordnung, Kleine?“ Ich verstand gar nichts mehr. Der Hase in meinem Arm vibrierte, aber es war sowieso zu spät. Ich hatte mich verraten, doch Vermilion würde ich nie verraten. Das Spiel war aus, die Maske weg. „I-Ich... was ist hier los?“, fragte ich erneut. Shirai beugte sich zu mir hinab und umarmte mich. „Sie ist es, das weiß ich! Oh, wie schön!“ Sie weinte. Ich bekam langsam Kopfschmerzen. Auch der Mann an meinem Bett weinte. „Endlich sind wir wieder vereint!“ Manche der anderen Menschen fingen ebenfalls an zu weinen. Andere blickten mürrisch und misstrauisch, darunter dieser Orrin. Auch Dilia umarmte mich. „Ich habe solange auf dich gewartet, mein Schatz, solange. Endlich bist du wieder bei mir!“ – „I-Ich war doch noch nie hier.“, platzte es aus mir heraus. Endlich schienen sie zu begreifen, dass ich rein gar nichts verstand. Sie lächelten mich verständnisvoll an. Der älteste Mann, der mir bis jetzt noch nicht aufgefallen war, mischte sich ein. „Ich werde es dir erklären, Mädchen.“ Er war in etwa so groß wie ich und nach dem Aussehen zu urteilen an die 80 Jahre alt. „Du bist das vermisste Kind von Dilia und Boreg. Durch einen Zauber hat Dilia dich vor Gefahr beschützt und als Nebenwirkung fiel sie in diesen Schlaf.“ „Ich bin nicht 13!“, fiel ich ihm ins Wort. Er lächelte. „Doch. Die, die du für deine leiblichen Eltern hieltest, hatten dich nur adoptiert! Sie konnten dein Alter nur schätzen.“ – „Das ist nicht wahr!“ Ich konnte es nicht glauben. Meine Eltern waren immer alles für mich, sie hätten mich nie belogen. Der alte fuhr fort. „Durch eure Begegnung eben, hat sich der Zauber gelöst. Nun können wir alle beruhigter schlafen.“ Ich war noch immer verwirrt. Was sie erzählten ergab einfach keinen Sinn. Ich, eine Cage? Niemals! Tief im Innern gestand ich mir ein, dass das alles durchaus möglich sein konnte. Ich sah meinen Eltern kein Stück ähnlich, während ich Dilias Augen- und Boregs Haarfarbe hatte. Ich wollte nicht, das es stimmte. Was sollte dann aus Vermilion werden? Jetzt konnte ich nicht mehr zurück ins Waisenhaus, was sollte ich nur tun? „Was bedrückt dich, mein kleiner Liebling? Du solltest glücklich sein, denn jetzt bist du endlich wieder bei deiner Familie! Bei deiner Mutter!“ Dilia strahlte mich an. „Und bei deinem Vater!“ Jetzt umarmte mich auch Boreg. Es war mir peinlich. „I-Ich hatte Eltern! Sie starben vor einem halben Jahr. Ich kenne niemanden von euch.“ Dilia sah mich verletzt an. „ICH bin deine Mutter!“ Wieder eine stürmische Umarmung. Es wurde mir zu viel und ich riss mich los. Ich stand auf und blieb mit meinem Hasen hinter dem Bett stehen. Alle Augen ruhten auf mir. Dilia war verblüfft. „Was hast du, mein Schatz? Wir sind doch deine Familie.“ „Außerdem bist du dank uns geheilt. Endlich sprichst du!“, mischte Shirai ein. „Das verdanke ich meinem besten Freund!“, platzte es aus mir heraus. Ich hoffte, sie wussten nicht, wen ich meinte! Doch ich wurde ertappt. Orrin grinste mich wissend an. „SOWAS nennst du deinen besten Freund? Was für eine Schande.“ Ich erwiderte nichts, denn nicht jeder im Raum wusste wovon er sprach. Kohir mischte sich ein. „Also weißt du, wo sich dieser Dämon befindet!“ Ich blieb Stumm. „Dann sag es uns, meine Kleine! Wir können den letzten dieser Familie, die deiner Mutter das angetan haben, endlich vernichten und in Frieden leben.“, sagte Boreg aufgeregt. Ich schüttelte meinen Kopf. Dilia sah mich nachdenklich an. „Darum geht es dir also. Du hast Angst um deinen kleinen Freund.“ Sie seufzte. „Es ist in Ordnung, wir werden deinen Freund verschonen.“ Protestrufe erklangen aus den Reihen der Familienmitglieder. Ich wurde neugierig. „Ihr werdet ihm nichts antun? Ist das ein Versprechen?“ Auch Boreg lenkte mit ein. „Wir versprechen es! Ich bin das Oberhaupt der Familie und werde den offiziellen Befehl so bald wie möglich ausrufen lassen. Die Suche nach dem Dämon ist hiermit endgültig vorbei.“ Endlich! Endlich, konnte Vermilion ohne Angst weiterleben. Ich war so glücklich, dass ich mich zu einem Lächeln hinreißen ließ. Dilia seufzte entzückt. “Das ist ja alles schön und gut, aber was soll nun mit dem Dämon geschehen?“, mischte sich Orrin ein. Boreg strahlte vor Freude. „Er soll bleiben, wo er ist und in Ruhe sein Leben leben, wenn meine Tochter das glücklich macht.“ Ich wusste, worauf Orrin hinaus wollte. Dort, wo er war, konnte er nicht bleiben, soviel war sicher. Was sollte nun mit Vermilion geschehen? Ich wollte ihn nicht verlassen, selbst wenn diese Menschen meine Familie sein sollten. Ich hatte ihn so lieb und diese Menschen kannte ich kaum. Ich war völlig unsicher. „Das hat doch alles noch seine Zeit. Wir sollten feiern, heute ist ein großer Tag! Ich möchte mich aber noch auf den neuesten Stand bringen. Schließlich habe ich die letzten 13 Jahre geschlafen. Wie groß doch alle geworden sind. Shirai, mein Engel, du bist eine richtige Frau geworden! Ich bin so gespannt, ihr müsst mir einfach alles erzählen!“ Dilia war munter, wie ein kleines Kind. Ich fühlte mich bei dieser Wiedersehensfreude völlig fehl am Platz. Ich wollte zurück zu meinem Freund, denn für keinen dieser Menschen hegte ich irgendwelche Gefühle. Doch hatte ich eine Wahl? Was, wenn sie Vermilion umbrachten, damit ich bliebe? Ich war absolut ratlos. Die Menschen verließen lachend und aufgeregt miteinander redend den Raum, bis nur noch meine vermeidlichen Eltern, meine Schwester und ich im Raum waren. Sie betrachteten mich über das Bett hinweg. Sie strahlten pure Glückseligkeit aus. Eine vereinte Familie, aber nicht meine Familie. „Komm mit, Evelyn. Wir haben so viel zu besprechen.“ Boreg reichte mir seine Hand. Ich rührte mich nicht und er nahm sie enttäuscht zurück. „Das hat doch noch bis morgen Zeit, Liebling. Lass ihr Zeit zum eingewöhnen. So viel, wie heute passiert ist, da wäre ich auch völlig durcheinander.“, redete Dilia beruhigend auf ihren Mann ein, dieser lächelte sofort wieder. „Wahrscheinlich hast du recht. Denk gut über alles nach, wir reden dann morgen, Evelyn. Ich wünsche dir eine gute Nacht!“, sagte er dann an mich gewandt. Er ging auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Shirai tat es ihm nach. „Gute Nacht, kleine Schwester! Ich bin so glücklich, dass ich dich doch noch kennen lernen darf.“ Sie folgte ihrem Vater in einen anderen Raum. Ich stand allein mit Dilia in einem Raum und irgendwie machte mich ihr Blick nervös. Es war, als würde sie etwas in mir suchen. „Ruh dich aus, es war ein ereignisreicher Tag, mein Kind.“ Ich reagierte nicht. Sie wirkte mit einem Mal sehr traurig. Sie beugte sich zu mir hinunter. „Ich bin deine Mutter, das musst du doch spüren! Alle Cage sind auf eine gewisse Art verbunden! Spürst du denn überhaupt nichts?“ Ich schüttelte meinen Kopf. Sie seufzte. „Das werden wir morgen dann klären. Schlaf gut!“ Sie machte sich auf den Weg, den anderen zu folgen. „Ich möchte nicht hier bleiben!“, sprudelte es aus meinem Mund. Sie drehte sich in der Tür zu mir um. „Morgen können wir alles besprechen, schlaf erst mal. Ist das in Ordnung?“ – „Jah...“ Sie ging und ließ mich grübelnd zurück. Ich konnte nicht einschlafen, denn zu viele Gedanken schwirrten mir im Kopf herum. Konnten diese Menschen wirklich meine leiblichen Eltern sein? Und selbst wenn, hieße das denn, dass ich sie unbedingt lieben musste? Ich kannte keinen von ihnen und keiner kannte mich. Dass sie einfach so annahmen, ich wäre genauso glücklich, wie sie, war geradezu lächerlich. Es stand außer Frage, dass sie mich hier behalten wollten, aber es konnte auch ein Trick sein, damit ich sie zu Vermilion führte. Aber sie hatten versprochen, ihm nichts zu tun. Oder war das auch nur ein Trick? „Ach Vermilion, wärst du nur hier!“ Der Hase in meinem Arm wurde wärmer. „Eve?“ Ich schrak auf. „Vermilion, bist du das?“ Ich flüsterte. „Ja!“, kam eine leise Stimme zurück. Ich sah mich um, nichts. „Wo bist du?“ – „Ich sprechen durch Stofftier.“ Ich hielt den Hasen vor mein Gesicht. Die Augen waren rot geworden. „Hast du alles mitbekommen?“ Eine Pause. „Ja.“ Ich bemerkte, dass auch er verwirrt war. „Was sollen wir jetzt tun? Du hast gehört, sie sind nicht mehr hinter dir her, aber was wird jetzt aus dir?“ Vermilion dachte nach, seine Antwort klang wohl durchdacht. „Ezz könnte allez nur gelogen zzein, aber dazz ich nicht glauben. Wahrscheinlich, du wirklich Cage. Ich... Dämonen dafür geboren alleine zu überleben, du keine Zzorgen machen. Ich ztark!“ Ich war bis jetzt nicht auf den Gedanken gekommen, dass ich wahrscheinlich zu der Familie gehörte, die Vermilions Familie ausgelöscht hatte. Was er wohl in jenem Moment von mir dachte? Ob er mich jetzt genauso hasste, wie diese Menschen hier? Mir kamen unwillkürlich die Tränen. „I-Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst. Schließlich gehöre ich zu dieser Familie!“ - „Dazz mir egal! Du meine Freundin! Ich dir immer noch lieb haben!“ Ich musste noch mehr weinen. Ich versuchte meine Schluchzer zu unterdrücken, aber ich hatte schon so lange nicht geweint und jetzt kam alles raus. „Ja, wir sind Freunde, für immer! Mir ist egal, ob sie meine Familie sind, ich möchte zurück zu dir, Vermilion! Was soll ich nur tun? Wie soll ich denen hier das klar machen? Sie werden mich nicht gehen lassen und dich notfalls umbringen, damit ich nicht zurück zu dir möchte. ... Ich vermisse dich!“ Vermilion schluchzte nur, sonst war nichts zu hören. Er wusste genauso wenig, was wir tun konnten, wie ich. Wir weinten einfach nur stumm miteinander. Es klopfte an meiner Tür und ich hielt die Luft an. Ob sie uns gehört hatten? Ich verkroch mich unter meine Decke und versuchte meine Schluchzer zu unterdrücken. Die Tür wurde geöffnet. „Schatz?“ Es war Dilia. Ich versuchte krampfhaft mein Schluchzen zu ersticken. Sie setzte sich auf mein Bett. „Schatz, ich muss mit dir reden.“ Ich rührte mich nicht. „Ich habe dein Gespräch eben gehört. Ich wollte nicht lauschen, aber ich ging zufällig an deiner Tür vorbei..“ Ich richtete mich auf und sah sie an. Sie hatte uns entdeckt, nun war alles aus! Sie wischte meine Tränen aus dem Gesicht und lächelte mich an. Ich war verwirrt. Was hatte sie vor? „Ich ertrage es nicht, dich so leiden zu sehen! Als ich schlief, habe ich dir jeden Schmerz genommen, aber nun musst du alleine damit fertig werden. Ich kann nichts versprechen, aber ich denke, ich kann euch aus dieser Zwickmühle befreien.“ Sie wollte uns helfen? „Wie?“ Sie streichelte meine Wange. „Bedeutet dir dieser Dämon wirklich so viel, mein Schatz?“ Ich nickte. Der Hase vibrierte leicht und ich drückte ihn noch fester an mich. „Dann findet sich eine Lösung. Wir wollen dich nicht verlieren, nicht noch einmal! Du bist die Nachfolgerin deines Vaters, die Familie ist auf dein Wohl bedacht.“ – „Was ist mit Shirai? Sie ist älter, als ich.“ Dilia legte sich zu mir ins Bett und umarmte mich. „Wir haben sie aufgenommen, als ihre Eltern im Kampf starben. Sie ist für uns, wie eine richtige Tochter, aber unser Erbe bist du, das wissen alle. Auf dir wird eine Menge Verantwortung lasten, aber du bist stark, auch wenn dir das noch nicht bewusst ist.“ Sie machte eine kurze Pause. „Evelyn, Schatz, ich werde dafür sorgen, dass du glücklich bist, auch wenn das bedeutet, dass wir einen Dämon in unser Haus aufnehmen müssen!“ Mein Magen verkrampfte sich. Ihn aufnehmen, hier? „Wie kann ich sicher sein, dass ihm niemand etwas antut? Hier hassen doch alle Dämonen! Er wird niemals freiwillig hierher kommen und das kann ich verstehen. Diese Familie hat seine Familie gejagt und ausgelöscht, wie kann er das jemals vergessen?“ Der Hase in meinem Arm vibrierte zustimmend. Auch Dilia schien es gemerkt zu haben und legte den Hasen zwischen uns auf die Bettdecke. „Unsere Familien befinden sich schon etliche Generationen im Krieg. Auch ich kann verstehen, wenn du nicht in die Nähe dieses Hauses möchtest, aaber bedenke, kleiner Dämon, dass wir dich in unser Haus einladen. Und das bedeutet die Offenbarung unseres Versteckes. Für uns ist es genauso riskant, wie für dich, dir hier eintritt zu gewähren.“ Der Hase war still, vibrierte dann aber. „Ihr zzeid aber zztärker alzz ich. Ihr mich einfach umbringen könnt!“ Dilia zuckte ein wenig zusammen. Sie hasste Dämonen, das merkte ich, aber sie sah mich an und fuhr fort. „Nun, dann müsst ihr uns einfach vertrauen. Ihr habt noch die ganze Woche Zeit, euch zu entscheiden. Ich werde euch nach Kräften unterstützen. Doch lass dir eins gesagt sein, Dämon. Wenn du meiner Tochter auch nur im geringsten wehtust, werde ich dich umbringen.“ Die Augen des Hasen leuchteten rot auf. „Dazz gebe ich gerne zzurück! Wenn ihr meiner Freundin wehtut, ich werden zzo viele von euch in den Tod mitnehmen, wie möglich.“ Es schien, als gäbe es eine unausgesprochene Übereinkunft zwischen den beiden. Dilia stand auf. „Nun, ihr könnt mir dann in einer Woche sagen...“ – „Nein, ich habe mir entschieden!“, unterbrach sie der Hase. Wir sahen ihn beide verwundert an. „Und?“ Es schien, als habe der Hase einen entschlossenen Gesichtsausdruck bekommen. „Ihr könnt mir morgen abholen, ich nehme dazz Angebot an. Wenn ihr mir umbringen, Eve wizzen, ob zzie euch vertrauen kann!“ Dilia nickte. „Dann ist es entschlossen. Wir werden dich morgen abholen und in diesem Haus aufnehmen. Es soll euch beiden an nichts fehlen, gute Nacht.“ Die Endgültigkeit dieser Worte erschrak mich ein wenig. Dilia drehte sich um. „Danke!“, flüsterte ich kaum hörbar. Sie drehte sich um und lächelte mir zu. Sie verließ den Raum und ließ mich mit Vermilions Häschen allein. „Das ist unglaublich mutig von dir!“, platzte es aus mir heraus. Ich war glücklich, wie noch nie. Schon morgen würde ich ihn wieder in meine Arme schließen können. „Ich nicht mutig. Ich habe angst!“ – „Ich bin bei dir, Kleiner. Alles wird gut!“ Ich kuschelte mit dem Hasen. „Ja, allez wird gut.“ Wir schliefen zusammen ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)