Mondzeiten von risuma (Eine Drachengeschichte) ================================================================================ Kapitel 56: Unerwartetes Wiedersehen ------------------------------------ Hiro hatte sich im Wald gut eingelebt. Die Menschen waren nett und von ihm begeistert. Einen so guten Bogenmacher hatten sie noch nie gesehen. Und auch sonst verstand er sich in allerlei Handwerk – man konnte sagen Hiro war eine wirkliche Bereicherung für ihr Dorf. Karim war zufrieden, dass Hiro so gut aufgenommen wurde und betrachtete lächelnd, wie sich die Frauen um ihn scharrten, auch die verheirateten. Denn Hiro war zu keinem romantischen Abenteuer zu überreden – warum, das wusste Hiro selbst nicht, doch er meinte, dass er es nicht dürfe. So konnten die Männer beruhigt zusehen, wie ihre Frauen und Töchter von dem neuen Dorfbewohner schwärmten. Karim hatte nicht vergessen, dass Hiro nach einem weißen Drachen gefragt hatte. Aus diesem Grunde beschloss er mit Hiro zum Fischen zum See zu gehen. Hiro fand dies eine angenehme Abwechslung und baute flugs zwei Angeln und einen Käscher. Das war Arbeit ganz nach seinem Geschmack. Während sie auf dem Weg zum See waren gerieten die beiden Männer ins Plaudern. Hiro erzählte Karim davon, dass er eigentlich nicht wusste, wer er denn in Wirklichkeit war, weil er eines Tages mit einer großen Beule auf einem staubigen Bergweg aufgewacht wäre. Seitdem sei er auf der Suche nach seinem Selbst – das einzige, das er genau wusste war, dass er einen Sohn mit blauen Augen hätte. Und dass er diesen suchen müsse. Vielleicht bekäme er dann ja sein vergangenes Leben zurück. Karim nickte dazu, das konnte er sehr gut nachvollziehen. „Und der weiße Drache, nach dem du suchst? Was hat der damit zu tun?“, erkundigte sich Karim vorsichtig. „Er ist mein Sohn.“, antwortete Hiro bedächtig. Er wusste nicht warum, doch Karim hatte etwas an sich, dass ihn ihm dieses Geheimnis anvertrauen ließ. „Wenn wir am See sind, dann treffen wir auch auf meine Großmutter. Sie verbringt, wenn sie es kann, den Sommer am See.“, antwortete Karim nur, der soeben von Hiro die Bestätigung seiner Vermutung erhalten hatte. Hiro blickte verwundert zu dem Mann an seiner Seite. DIESE Reaktion hatte er jetzt nicht erwartet. „Und du bist nicht geschockt?“, wollte er von Karim wissen. „Jetzt nicht mehr.“, antwortete ihm der Waldbewohner. „Warum nicht?“, fragte Hiro weiter. „Weil ich vor nicht allzu langer Zeit erfahren habe, was für seltsame Dinge unter dem Sternenzelt alle möglich sind.“, war Karims Antwort. „Und was sind das für seltsame Dinge?“, forschte Hiro nach. Karim schluckte, er wollte seinem Begleiter doch nichts über die Drachen erzählen, dass sollte doch seine Großmutter machen... „Und?“, hakte der Ältere nach, als er nach einiger Zeit immer noch keine Antwort auf seine Frage bekommen hatte. Karim holte tief Luft. „Drachen verwandeln sich in Menschen, Menschen verwandeln sich in Drachen, Wesen die die Gedanken anderer hören können... Wissen so alt wie die Zeit.“, antwortete Karim nach einiger Zeit. „Doch am besten redest du über all das mit meiner Großmutter, wenn wir am See angekommen sind.“ Hiro schwieg einen Augenblick und dachte nach. „Dann... hältst du meinen Sohn nicht für ein Monster?“, zog er aus dem Gesagten seine Schlussfolgerung. „Wenn ich das täte, dann müsste ich meine Tochter ebenfalls für eines halten.“, erwiderte der Jüngere leise. „Wie?“ Hiro blickte überrascht seinen Weggefährten an. „Dieses süße kleine Baby?“ „Ja.“, seufzte Karim auf. „Dieses süße kleine Baby.“ „Was ist mit ihr? Verwandelt sie sich auch?“, erkundigte sich Hiro mitfühlend. „Nein, nein, der Himmel bewahre...“, grinste Karim schief, „aber wenn ich bedenke welches Wissen sie heute schon in sich trägt... und sollte sie die Fähigkeit meiner Großmutter ebenfalls geerbt haben, dann kann man nichts vor ihr verborgen halten. Meine Großmutter ist das lebende schlechte Gewissen aller Menschen hier im Wald.“ „Oh, dann hast du es aber auch nicht leicht.“, nickte Hiro. Mittlerweile waren die beiden Männer am See angekommen, und hatten gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Zielstrebig steuerten sie auf das kleine Lager, das aus zwei Zelten und einer großen Feuerstelle bestand, zu. ~~~ Moka trat gerade aus dem Zelt heraus, um zu ihren Kühen zu gehen, als sie zwei Männer herankommen sah. Erstaunt blickte sie die beiden, für sie fremden Männer an, bis sie einen spitzen Schrei ausstieß. Sofort stürzte Kisara aus dem Zelt heraus, um nach ihrer Tochter zu schauen, als auch ihr ein leiser Schrei entfuhr. Kisara glaubte zu träumen, und wie ihre Tochter musste sie sich ein paar Mal die Augen reiben, um sicher zu gehen, dass dies kein Trugbild war, das sie sah. „Hiroshi.“, flüsterte Kisara leise und hielt sich am Zelt fest. „VATER.“ Moka löste sich als erste aus ihrer Erstarrung und stürzte den beiden Männern entgegen. Kisara wartete bis die beiden Männer das Lager erreicht hatten und ging ihnen mit zittrigen Knien entgegen. ~~~ Karim war über die Reaktion der beiden Frauen mehr als überrascht. Wer waren die beiden überhaupt? Und was wollten sie hier? Misstrauisch beäugte er die Beiden und wartete darauf, dass Ishizu nun ebenfalls aus dem Zelt trat, doch nur Tea kam schauen, wer da zu Besuch kam. Erleichtert seufzte Karim auf, als er ein bekanntes Gesicht zu sehen bekam. „Hallo, Karim.“, begrüßte das Mädchen den Älteren schüchtern. „Wenn du zu Ishizu willst, die ist im Augenblick leider nicht da.“ „Hallo, Tea.“, begrüßte Karim ebenfalls das Mädchen. „Das macht nichts, dann warten wir eben auf sie. Wir wollten sowieso einige Fische angeln, also warten wir am See auf sie.“ „Ähm, das könnte aber noch dauern.“ Verlegen trat Tea von einem Fuß auf den anderen. „Wie meinst du das?“, wollte Karim von der Jüngeren wissen. „Na ja, Ishizu ist mit Shizuka davon geflogen, um Katsuya zu helfen. Wir wissen nicht, wie lange sie fortbleiben werden.“, antwortete das Mädchen ehrlich. Karim wiegte seinen Kopf und dachte nach. Neugierig betrachtete Tea den Mann, der zusammen mit Karim gekommen war. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, doch sie war sich sicher ihn vorher noch nie gesehen zu haben. Zu gerne würde sie nach ihm fragen, doch sie wusste, dass dies unhöflich war... „Nun, zwei Tage werden wir wohl bleiben können.“, meinte Karim schließlich. „Doch, sag mal, wer sind denn diese beiden Frauen da?“, wollte er nun von Tea wissen. „Das sind Kisara und ihre Tochter Moka, Mutter und Schwester von Seth.“, stellte Tea ihre neuen Mitbewohner am See vor. „Mutter und Schwester von Seth?“, wollte Karim ungläubig wissen. Tea nickte. „Und was machen sie hier am See?“ „Ähm, sie wollten nicht mehr in Ihrem Dorf bleiben.“, meinte Tea unsicher. Wieso musste ausgerechnet sie Karim jetzt alles erklären? „Und wie sind sie hier her gekommen?“, fragte der Ältere nach. „Die Drachen haben sie geholt.“, erklärte das Mädchen zögernd. Karim nickte verstehend – irgendwie wunderte ihn das überhaupt nicht. „Dann weiß Seth also, dass seine Mutter und seine Schwester hier am See sind.“, stellte er fest. „Wo ist er überhaupt?“, wollte der Ältere wissen. „Seth und Jono sind in ihr Tal geflogen.“, antwortete Tea. „Das ist schade.“, meinte Karim nachdenklich. „Hier ist nämlich jemand, der ihn gerne kennen lernen würde.“ „Ja?“, entschlüpfte es neugierig dem Mädchen. Karim schmunzelte, Tea war ein gut erzogenes Kind, aber, wie alle Kinder war sie doch auch neugierig... „Das... ist Seths Vater.“, antwortete er und schaute das verblüffte Mädchen lächelnd an. „Das muss ich sofort Moka erzählen.“, meinte sie und wollte zu ihrer Freundin. „Meinst du nicht, dass sie das schon weiß?“, schmunzelte Karim und blickte zu Hiro, der ganz verwirrt auf das schwarzhaarige Mädchen blickte, dass an seinem Hals hing. „Oh, stimmt.“, murmelte Tea und schaute verblüfft zu ihrer Freundin. ~~~ Hiro schaute verwirrt auf das junge Mädchen, dass schluchzend an seinem Hals hing, nachdem es mit ihm mit einen lauten Aufschrei entgegen gestürzt war. Wie hatte sie ihn genannt? Vater? Seine Verwirrung nahm noch mehr zu, als ihm eine leichenblasse Frau entgegen kam. Wo war er hier nur gelandet? Automatisch streichelte er dem Mädchen über den Kopf und wartete, bis die Frau ihn erreicht hatte. Karim war weitergegangen, während ihn das schwarzhaarige Mädchen am weitergehen hinderte. Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch erwartete er die Ankunft der hellhaarigen Frau... ~~~ Kisara konnte nicht recht glauben, was ihre Augen erblickten. Nein, das war nur eine Halluzination... ganz sicher... Erst als Moka ihrem Vater entgegenstürzte, begann ihr Verstand, das schier Unmögliche zu akzeptieren... Wieso? Wieso erst hier am anderen Ende der Welt? „Hiroshi? Bist du es wirklich?“, flüsterte sie immer noch ungläubig. Zögernd trat sie an den von ihr so sehr geliebten und so schmerzlich vermissten Ehemann. Eine feine Narbe über seinem rechten Auge zeigte ihr, dass er es wirklich war. Sie wusste noch genau, wie er sich damals verletzt hatte... „Ja, du bist es.“, flüsterte sie erstickt und streichelte zärtlich über die feine Narbe. „Ihr kennt mich?“ Graue Augen schauten sie fragend an. „Ja“, nickte Kisara und schluckte, „warum?“ „Weil ich nicht weiß, wer ich bin.“, antwortete Hiro ernst. „Seit ungefähr zwei Jahren ziehe ich durch die Welt, in der Hoffnung, jemanden zu treffen, der mich kennt und der mir sagen kann, wer ich bin.“ Kisara erschrak, die Tränen standen ihr in den Augen. „Du weißt nicht, wer du bist?“, flüsterte sie beklommen. Hiro nickte. „Dann weißt du auch nicht, wer wir sind?“ Das Herz wurde ihr schwer. Zu dem Schreck und der anschließenden Freude, kam nun neuer Kummer. Würden sie wieder eine Familie sein können, so wie früher? „Nein.“, antwortete Hiro ehrlich. „Ich kann mich an euch nicht erinnern.“ Moka hatte erstaunt ihren Eltern zugehört, während sie sich immer noch an ihren Vater schmiegte. „Du weißt nicht, wer ich bin?“, fragte sie erstaunt den Mann, den sie umarmte und der ihr zärtlich über die Haare streichelte – genau wie früher... „Nein, leider.“, bedauerte Hiro das Mädchen mit den grauen Augen, die ihn erwartungsvoll anschauten, enttäuschen zu müssen. Zögernd löste sich das Mädchen von dem Mann, den es bis eben fest umarmt hatte, als es so gar kein Erkennen in den grauen Augen, die ihren so ähnelten, feststellen konnte. „Entschuldigung.“, murmelte sie enttäuscht und klammerte sich an ihre Mutter. „Schon gut, mein Schatz.“, versuchte Kisara ihre Tochter zu trösten. Sie konnte ihre Enttäuschung sehr gut nachvollziehen. „Aber wenn er ein bisschen bei uns bleibt, vielleicht erinnert er sich dann ja wieder an uns.“ Sie musste nicht nur ihrer Tochter Mut zusprechen... ~~~ Hiro gab es einen Stich, als er die beiden Frauen sah, die ihm so verloren gegenüber standen. „Aber, vielleicht könnt ihr mir ja sagen, wer ihr seid.“, meinte er vorsichtig lächelnd. Moka schöpfte neuen Mut und blickte ihrem Vater hoffnungsvoll entgegen. „Ich bin Moka, und du bist mein Papa.“, antwortete Moka zurückhaltend. „Und das ist Kisara, meine Mama, deine Frau.“, übernahm Moka die Vorstellung ihrer Mutter. „Moka.“, mahnte Kisara leise. Es war ihr gerade sehr unangenehm, dass ihre Tochter so vorpreschte. „Tschuldige.“, nuschelte Moka und blickte zu Boden. Hiro beobachtete den Umgang von Mutter und Tochter und was er sah, gefiel ihm sehr gut. Aber er konnte nicht verhindern, dass er ein schlechtes Gewissen bekam, auch wenn er für seinen Zustand nichts konnte. „So, du bist also meine Tochter und heißt Moka.“, lächelte Hiro das Mädchen an. „Tut mir leid, dass ich mich nicht an dich erinnern kann, denn du bist ein wunderbares Mädchen. Du bist eine Tochter, auf die jeder Vater stolz sein kann.“ Danach wandte er sich Kisara zu. „Auch bei dir möchte ich mich entschuldigen.“, sagte er und blickte ihr aufrichtig in die Augen. „Kannst du mir sagen, wie ich heiße, Kisara?“ Kisara schluckte, wie hatte sie doch den Blick in diese Augen vermisst. Ihr Herz schlug schneller, als sie zu einer Antwort ansetzte: „Hiroshi.“, flüsterte sie mit trockenem Mund. „Dein Name ist Hiroshi.“ Kisara konnte den Blick nicht von den grauen Augen abwenden. „Hiroshi.“, murmelte Hiro leise und konnte den Blick von Kisaras Augen, die ihn so traurig und sehnsuchtsvoll anschauten, nicht lösen. Das Herz tat ihm weh, er würde so gerne diese Augen zum Leuchten bringen, doch er wusste, dass er momentan nicht dazu in der Lage war. Kisara wandte sich enttäuscht um, als sie in den geliebten Augen nur Bedauern und Mitleid lesen konnte, und verkroch sich weinend in das Zelt. „MAMA.“ Moka stürzte ihrer Mutter hinterher, nicht ohne einen vorwurfsvollen Blick in Richtung ihres Vaters zu werfen. „Nicht weinen.“ Moka kniete sich neben ihre Mutter und versuchte sie zu trösten. Sie merkte dabei gar nicht, dass ihr selbst die Tränen über die Wangen liefen. ~~~ Tea hatte lächelnd dem Wiedersehen zwischen Vater und Tochter zu gesehen, sie freute sich wirklich für ihre Freundin, dass sie ihren Vater wieder hatte. Umso erstaunter registrierte sie, dass etwas überhaupt nicht so lief, wie sie es angenommen hatte. Als erst Kisara und danach Moka zurück ins Zelt stürzten, schaute sie verwirrt zu Karim. „Hiro hat sein Gedächtnis verloren.“, sagte er leise zu dem Mädchen. „Aber – du hast doch gesagt, er wäre Seths Vater.“ Tea blickte den Älteren zweifelnd an. „Daran kann er sich wieder erinnern... aber nur daran... er weiß, dass er einen Sohn mit blauen Augen hat – und auch, dass er sich in einen Drachen verwandeln kann. Aber an seine restliche Familie hat er zurzeit keine Erinnerungen. Ich hoffe, dass sie mit der Zeit wieder kommen.“, seufzte Karim besorgt. „Oh...“, schluckte das braunhaarige Mädchen, „das ist traurig...“ Tea gab sich einen Ruck, ging zum Zelt, betrat es und kniete sich zu ihrer Freundin. Moka spürte die Bewegung neben sich, drehte sich um und fiel ihrer Freundin weinend um den Hals. „Er erkennt uns nicht mehr...“, schluchzte die Schwarzhaarig auf. Tea konnte nichts anderes tun, als ihre Freundin zu umarmen und ihr hilflos über den Rücken zu streicheln. Sie wusste weder was sie sagen, noch was sie tun sollte. Aber schon allein, dass sie da war, und ihr Halt bot, tat Moka unendlich gut. Schließlich versiegten ihre Tränen ein wenig und sie wischte sich mit dem Ärmel ihr Gesicht trocken. „Danke.“, flüsterte sie und drückte das jüngere Mädchen dankbar, bevor sie aufstand und sich wieder ihrer Mutter zuwendete. „Mama, nicht mehr weinen, bitte...“, flehte sie ihre Mutter beinah verzweifelt an. „Papa wird sich schon wieder an uns erinnern, du wirst es schon sehen. Wir müssen ihn nur ganz doll lieb haben...“, versuchte das Mädchen auf kindliche Art und Weise seine Mutter zu trösten. Langsam drang Moka in ihr Bewusstsein vor – Kisara drehte sich um und erblickte ein hilflos dreinblickendes junges Mädchen, dass auf die Zukunft hoffte und gerade versuchte, sie zu trösten. Mit schlechtem Gewissen erhob sie sich und umarmte ihre Tochter. „Mein großes Mädchen.“, flüsterte sie unter lauter Schluchzern. „Eigentlich sollte ja ich DICH trösten...“ „Schon gut, Mama...“, antwortete Moka leise und drückte sich Schutzsuchend an ihre Mutter. „Papa hat uns nicht ganz vergessen, ganz bestimmt, ganz bestimmt...“, flüsterte sie, wie eine Beschwörungsformel. „Ja, ganz bestimmt.“, flüsterte Kisara unter Tränen lächelnd zurück. Sie mussten nur ganz fest daran glauben, so wie sie auch niemals daran geglaubt hatten, dass er tot war... ~~~ Yugi, Shisara und ihre Mutter bekamen von all dem erst einmal gar nichts mit. Yugi hatte sich langsam damit angefreundet, mit dem Ei zu reden, und schmiedete immer mehr Pläne, WAS er so mit einem kleinen Drachenfreund anstellen könnte. Shisara freute sich darüber, und machte sich auf die Jagd nach Kaninchen, damit ihre Mama nicht Hungern musste. Die weiße Drachendame bedankte sich immer höflich bei ihrer Tochter, und verschlang alle Kaninchen, die sie gebracht bekam. Shisara wurde immer geschickter, und stöberte immer schneller die kleinen Flitzer auf. Zu Vollmond hatte sie Glück, sie stieß auf einige Rehe und wagte sich an das kleinste Kitz heran – und war erfolgreich. Stolz brachte sie ihren Fang zu ihrer Mama und legte ihn vor sie hin. >Hast du das Kitz ganz allein gefangen?< Kisaras blaue Augen leuchteten stolz auf. >JA.< Shisara schaute ihre Mutter erwartungsvoll an. >Das hast du ganz toll gemacht.< lobte die Weiße ihre Tochter. Shisara wurde gleich ein Stückchen größer. >Und es war nicht allein, da waren noch ganz viel andere dabei.< erklärte Shisara mit stolzgeschwellter Brust. >Wie viele?< forschte Kisara vorsichtig nach. >Ungefähr zwanzig.< Das Drachenmädchen war immer noch sehr stolz auf sich. >Das war allerdings etwas leichtsinnig.< bremste ihre Mutter sie ein klein wenig aus. >Du hattest eben gewiss nur die Überraschung auf deiner Seite. Solange du noch so klein bist, solltest du nur ein Reh jagen, wenn nicht mehr als vier zusammen sind.< mahnte Kisara ihrer Tochter liebevoll. >Ja, Mama.< antwortete Shisara geknickt. Das weiße Drachenweibchen musste lächeln – man konnte dem kleinen Drachenmädchen einfach nicht lange böse sein. Zärtlich leckte sie mit ihrer Zunge über den Kopf ihrer Tochter. >Ich bin trotzdem sehr stolz auf dich. Du bist noch nicht einmal einen Geburtsmond alt, und hast schon dein erstes Reh erlegt. Komm, jetzt lass uns das Reh auch genießen.< forderte sie ihre Tochter zum gemeinsamen Fressen auf. Erleichtert hob Shisara ihren Blick, und als sie das Lächeln ihrer Mutter sah, war ihre kleine Welt wieder in Ordnung. ~~~ Tea schluckte und zog sich aus dem Zelt zurück und überlegte. Schließlich suchte sie sich etwas Brennholz, um das Feuer zu schüren und stellte Wasser über das Feuer, um einen Tee zu kochen. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein, doch ein heißer Tee tat immer gut, das wusste sie. Karim betrachte das junge Mädchen, und es gefiel ihm sehr, wie sie sich verhielt. So jung sie auch noch war, sie packte tatkräftig an, und in dieser Situation einen Tee zu kochen, war eine gute Idee. „Möchtet ihr auch einen Tee?“, erkundigte sich die Braunhaarige schüchtern, als der Tee fertig war. „Ja, gerne.“, bedankte sich Karim, und nahm eine Schale Tee entgegen. „Ich nehm auch gerne welchen.“, nickte Hiro und setzte sich neben Karim. Tea reichte ihm eine Schale Tee und nahm sich ebenfalls welchen. Nachdenklich tranken die Drei ihren Tee und hingen ihren Gedanken nach. „Wo ist eigentlich Yugi?“, erkundigte sich Karim nach einiger Zeit. „Oh, der ist mit Shisara bei Kisara und ihrem Ei.“, antwortete Tea erleichtert, dass das Schweigen nun vorbei zu sein schien. „Ein Ei?“ Karim blickte Tea überrascht an. „Ja, Kisara konnte nicht mehr zu ihrer Höhle zurück fliegen, und hat ihr Ei hier bekommen. Und Yugi leistet Shisara Gesellschaft, die sich nicht von ihrer Mutter entfernen möchte. Wir können sie gerne besuchen gehen, wenn ihr wollt.“ Hiro horchte auf. Höhle? Fliegen? Ei? „Bedeutet das, dass es hier am See Drachen gibt?“, erkundigte er sich vorsichtig. „Aber nur zu Besuch, eigentlich leben sie wo anders.“, antwortete Tea eilfertig und wurde rot, als sie erst danach Karims mahnenden Blick erkannte. „Entschuldigung.“, nuschelte sie verschämt und senkte ihren Kopf. „Du kannst doch nicht jedem Wildfremden von den Drachen erzählen!“, tadelte sie Karim ernst. „Aber...“, versuchte sich Tea zu verteidigen, „er hat doch nach Drachen gefragt...“ Hilflos sah sie zwischen beiden Männern hin und her. „Er ist doch der Papa von Moka...“, flüsterte sie leise und blickte wieder zu Boden. Hiro lächelte. Das junge Mädchen gefiel ihm sehr gut. Es wollte die Drachen gewiss nicht verraten – aber Karim hatte mit seinem Einwand schon recht... „Jetzt ist es nicht schlimm“, versuchte er das Mädchen zu trösten, „aber stell dir vor, ich wäre Drachen nicht wohl gesonnen, dann hätte dein Satz verheerende Auswirkungen für sie.“ „Ja, Hiro hat vollkommen recht.“, bestätigte Karim. „Diesmal war es noch kein Fehler. Doch du musst immer daran denken, auch wenn es für dich normal geworden ist, Drachen zu kennen und mit ihnen eine Zeitlang zusammen zu leben – nicht alle Menschen heißen das gut... Und dann bringst du die Drachen in Gefahr.“ Kleinlaut saß Tea am Feuer und schwieg. Karim ließ ihr Zeit das Gehörte und das Gesagte zu verarbeiten und Hiroshi überließ ihm das Feld, denn er kannte schließlich länger, als er selbst. „Ich würde gerne zu den Drachen gehen.“, begann Hiroshi nach einer Weile das Gespräch und schaute dabei Karim an. „Aber nur, wenn du es für richtig hältst.“ Karim schluckte – sooo normal war es für ihn schließlich auch noch nicht, Drachen zu kennen und Umgang mit ihnen zu haben, aber Hiro war wohl ziemlich daran interessiert. „Das wäre schon in Ordnung.“, gab sich Karim einen Ruck und Hiros Gesichtsausdruck hellte sich auf. „Aber du kommst doch sicherlich mit.“, wandte sich er sich an Tea. „Sicher.“ Erfreut sprang Tea auf und schaute die beiden Männer erwartungsvoll an. „Ich bekomm Yugi kaum noch zu Gesicht, seit er jeden Tag zu Kisara geht.“ Dabei vergaß sie ganz, dass sie eigentlich genauso viel Zeit mit Moka verbrachte... „Ich sag nur schnell Bescheid.“ Tea flitze schnell ins Zelt, um Moka und ihrer Mutter Bescheid zu sagen, dass sie nun zu den Drachen gehen würden und machte sich gemeinsam mit den beiden Männern zum Lagerplatz der Drachen. ~~~ Erstaunt bemerkte Shisara eine fremde Präsenz in der Nähe. >Mama, wir bekommen Besuch.< meldete das Drachenmädchen und war neugierig, wer da kommen würde. Sie erkannte Tea, und nach kurzem Nachdenken auch Karim. Nur der dritte, der war ihr fremd... Als die drei Menschen die Lichtung betraten, die die Drachen bewohnten, schauten ihnen drei paar Augen erwartungsvoll entgegen. „Hallo, Karim, hallo, Tea.“, begrüßte Yugi zwei der drei Ankömmlinge. „Schön, dass ihr uns besuchen kommt.“ „Hiro, das ist Yugi.“, stellte Tea Yugi vor. „Und dies sind Kisara und ihre Tochter Shisara.“, stellte sie die beiden Drachen vor, die sich auf der Lichtung befanden. „Kisara, das ist Hiro, der Vater von Seth und Moka.“, vollendete Tea die Vorstellung. Die Drei auf der Lichtung schauten erstaunt auf den fremden Mann in ihrer Mitte. Kisara verneigte sich höflich vor dem Neuankömmling. >Willkommen, Hiro, Vater von Seth.< begrüßte sie den Menschen und Tea übersetzte für ihn. Hiroshi schaute sie ziemlich überrascht an. „Du kannst verstehen, was die Drachen sagen?“, fragte er ungläubig. „Ja, das können wir.“, antwortete an ihrer Stelle Karim. „Wie kann das gehen? Können das alle Menschen hier im Wald?“, wollte Hiroshi wissen. „Nein, alle Menschen können das nicht – noch nicht.“, antwortete Karim lächelnd. „Wir haben einen Tee getrunken, der uns in die Lage versetzt, die Drachen verstehen zu können.“ Hiro nickte, das klang plausibel. „Und die Drachen können euch auch verstehen, nehm ich mal an.“, schloss Hiroshi aus dem eben erlebten. „Ja, sie haben die Blätter zu fressen bekommen, aus denen der Tee hergestellt wurde.“, nickte Tea. „Aha.“, nickte Hiroshi verstehend. Die Drachen und der fremde Mensch beäugten sich interessiert. Shisara machte den ersten Schritt und trat auf Hiroshi zu. Auffordernd stupste sie ihn an, da sie das Interesse an ihrer Art deutlich vernehmen konnte. Zögernd hob Hiroshi eine Hand und blickte Tea und Yugi fragend an. „Trau dich ruhig.“, lächelte Yugi, der sich die Gedanken des Fremden sehr gut vorstellen konnte. „Sie mag es besonders im Genick gekrault zu werden.“ Hiroshi streichelte vorsichtig den Kopf des Drachenmädchens. Er war erstaunt, wie warm sich die Haut des Drachens anfühlte und angenehm. „Wie bist du in unseren Wald gekommen?“, wollte Yugi neugierig wissen und stellte somit die Frage, die auch die beiden Drachen interessierte. „Ich war auf Wanderschaft – und auf der Suche nach meinen Erinnerungen.“, antwortete Hiroshi auf die Frage des Jungen. „Welche Erinnerungen?“, wollte Yugi wissen. „Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, woher ich komme und wohin ich gehöre.“, antwortete der Ältere ehrlich und ohne zu zögern. „Aber einen Teil meines Lebens scheine ich hier wieder gefunden zu haben.“ Hiroshi wirkte auf einmal unglaublich ernst, und auch ein bisschen traurig. Shisara legte den Kopf schief und schaute den fremden Mann mitfühlend an. >Es wird alles wieder gut.< meinte sie nach einer Weile zu Yugi, der für sie übersetzte. „Meinst du wirklich?“ Hoffnung keimte in Hiroshi auf. >Ja, das wird es.< nickte das Drachenmädchen. Hiroshi fiel ein Stein vom Herzen, als Yugi ihm den letzten Satz übersetzte. „Kann ich auch den Tee haben?“, wollte Hiroshi nach einer kurzen Zeit wissen. „Das geht schlecht.“, meinte Tea verlegen. „Den kann nur Ishizu richtig machen.“ „Schade.“, seufzte Hiroshi, denn er hätte sich gern direkt mit dem Drachenweibchen unterhalten. Er fühlte sich seltsam aufgeregt, seit er den Drachen gegenüber stand. „Wisst ihr vielleicht, wann Seth wieder hier zum See kommt?“, stellte er die Frage, die ihn am brennendsten interessierte. >Nein, da müssen wir dich leider enttäuschen.<, antwortete Kisara. >Das haben Seth und Jono nicht gesagt.< Yugi übersetzte wieder die Antwort. „Schade.“, seufzte Hiroshi. „Nun, dann muss ich wohl noch ein bisschen geduldig sein. Aber er kommt doch wieder mal vorbei?“, forschte er hoffnungsvoll nach. „Ja, das wird er.“, nickte Tea. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)