Mondzeiten von risuma (Eine Drachengeschichte) ================================================================================ Kapitel 24: Der Bund -------------------- Jono fühlte sich unwohl. Die ungewohnte Kleidung engte ihn ein, er fühlte sich darin gefangen, und der durchdringende Blick dieser Augen ließ ihn sich auch nicht besser fühlen. Diese Augen versuchten in ihm zu lesen und er wusste nicht, wie er dem entgehen konnte. Während Jono sich einfach nur unwohl fühlte, war Seth ziemlich überrascht. Diese Frau hatte auf sie gewartet? Wie konnte das sein? Er kannte sie doch gar nicht, und sie ihn doch auch nicht. „Setzt euch, ich habe Suppe gekocht.“, lud Ishizu die beiden ein bei ihr Platz zu nehmen. Jono blickte zögernd zu Seth, und als dieser sich hinsetzte, tat er es ihm gleich. Ishizu reichte jedem eine Schale von der Suppe und amüsierte sich über das verwirrte Gesicht von Jono. „Was ist das?“, fragte er Seth. „Das ist Suppe. Man nimmt Wasser, macht es über Feuer heiß, und kann dann verschiedene Dinge darin zubereiten, zum Beispiel Fleisch oder Wurzeln. Das nennt man kochen. Und wenn man alle Dinge klein schneidet und in dem Wasser lässt, dann nennt man das Suppe.“, erklärte ihm Seth. Ishizu war beeindruckt. Wie geduldig der Braunhaarige dem Gelbhaarigen erklärte, was eine Suppe war. Die Beiden waren wirklich ein schönes Paar und schienen sich ziemlich gut zu ergänzen. „Und wie isst man Suppe?“, wollte Jono nun wissen. „Man hält die Schale in beiden Händen,“ führte Seth ihm vor, „führt sie zum Mund,“ Seth führte seine Schale zum Mund, „pustet vorsichtig hinein und trinkt dann die Suppe aus der Schale.“ Jono schaute Seth aufmerksam dabei zu, wie er die Suppe aus seiner Schale trank und versuchte es nun selbst. Hatte Seth nicht gerade etwas von pusten gesagt? Pusten, was war das noch mal? Ach ja, der tote Fisch, der ihm so weh getan hatte… erinnerte er sich. Er roch erst mal an dem ungewohnten – es roch gar nicht mal schlecht, und nahm dann vorsichtig einen Schluck von diesem Suppenwasser. Das schmeckte ja richtig gut. Jono gefiel dieses Suppenwasser, ganz besonders das Fleisch darin. Kaninchen, wenn er sich nicht täuschte. „Und?“, forschte Seth neugierig nach. Die Suppe von dieser Frau war ausgezeichnet. „Das schmeckt ja richtig gut.“, begeisterte sich Jono. „Ich hab noch nie Wasser mit Geschmack getrunken.“ Jono war begeistert und Ishizu freute sich. „So, nach dem wir uns alle etwas gestärkt haben, kommen wir zu Euch.“, lächelte Ishizu die Beiden an. „Zuerst möchte ich mich vorstellen: Ich bin Ishizu, lebe seit 99 Jahren und bin Heilerin, Hochzeiterin und Bewahrerin. Ich warte schon mein ganzes Leben darauf, euch zu treffen.“ Die Blicke der Beiden waren Gold wert, fand Ishizu. Sie konnte es nicht lassen, sie musste die Beiden noch ein wenig auf die Folter spannen. „Sie warten schon ihr ganzes Leben lang – auf MICH?“ Ungläubig schaute Seth Ishizu an. „Ich bin erst 20 Jahre alt!“ Das konnte nicht sein, die Frau wollte ihn zum Narren halten und erzählte Märchen. „Nun, auf dich genau, Seth, habe ich selbstverständlich nicht gewartet, aber auf jemanden, wie dich.“ erklärte ihm Ishizu. „Aber auf dich, Jono,“ dabei schaute sie Jono fest an, „auf dich, denke ich schon.“ Wie von der Tarantel gestochen, sprang Seth auf. Diese Frau wurde ihm langsam unheimlich. Woher kannte sie ihre Namen? Und, kannte sie etwa ihr Geheimnis? Aber, woher? Unruhig lief Seth hin und her und übertrug seine Unruhe dadurch auch auf Jono, der sich plötzlich ebenfalls wieder sehr unwohl fühlte und sich der Kleidung auf seiner Haut bewusst wurde. Unsicher schaute er zu Seth. „Woher ich eure Namen kenne?“ fragte Ishizu. Himmel, Gedankenlesen kann sie auch noch! Seth wusste nicht mehr, was er von dem Ganzen halten sollte. „Ich war vor kurzem in Solomons Dorf und traf dort auf euren Freund Yugi.“, erklärte sie ihnen. Ishizu musste ihr Geheimnis kennen, woher sonst wusste sie, dass der junge Mann bei ihm Jono war. Und dann diese Andeutung mit dem Warten… Seth bereute zum ersten Mal, dass er der drängenden Aufforderung seines Traumes nachgegeben hatte. >Was ist los?< versuchte Jono Kontakt zu Seth aufzunehmen. >Die Frau weiß alles über uns! Und ich weiß nicht, wieso!< schrie Seth selbst noch in Gedanken aus sich heraus. >Ist das schlimm für uns?< wollte Jono wissen. >Was weiß ich? Ich hab keine Ahnung! Ach, wären wir doch bloß im Tal geblieben.< stöhnte Seth. >Sind wir aber nicht. Jetzt sind wir nun mal hier. Ich bin sicher, gleich werden wir eine Antwort auf all das von ihr bekommen.< versuchte Jono ihn zu beschwichtigen. >Setz dich hin, und beruhige dich erst einmal wieder.< Die ruhige Gelassenheit, mit der Jono zu ihm sprach, tat Seth gut und er beruhigte sich tatsächlich, setzte sich wieder hin und gab Ishizu so die Gelegenheit mit ihrem Erzählen fort zu fahren. „Tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe.“ meinte Ishizu mitfühlend zu Seth. „An deiner Stelle würde ich wohl genauso reagieren. Aber wie ich schon sagte, ich bin eine Bewahrerin. Die Bewahrerin des Wissens um den Bund zwischen Menschen und Drachen, der noch vor den Alten Zeiten zwischen ihnen geschlossen wurde.“ Und Ishizu erzählte ihnen die Geschichte über den Ursprung ihres Seins, den Bund zwischen Drachen und Menschen. Der Bund Vor langer Zeit lebten Drachen und Menschen in Frieden und Eintracht miteinander. Sie pflegten einen regen Austausch, schlossen Freundschaften und profitierten von einander. Zu jener Zeit konnten Drachen und Menschen noch zaubern, mächtige Zauber wirkten in dieser Zeit, wie es sie heute nicht mehr gab. Und so geschah es, dass Drachen und Menschen einen Bund miteinander schlossen, aus gegenseitigem Respekt und Achtung, und um ihre Verbundenheit miteinander zu zeigen. Um den Bund zu besiegeln „schenkte“ jedes Volk dem anderen ein Kind. Es sollte die Fähigkeiten beider Rassen in sich vereinen und auch gleichzeitig das Verständnis für das andere Volk fördern. In einer Vollmondnacht nahmen sie einen frisch geschlüpften Drachenjungen und ein frisch geschlüpftes Drachenmädchen und in der darauf folgenden Neumondnacht einen neugeborenen Menschenjungen und ein neugeborenes Menschenmädchen und sprachen über sie die Worte, die ihre Rassen enger miteinander verbinden sollten, und riefen die Sterne als Zeugen für dieses Bündnis an. Mit erreichen der Geschlechtsreife sollten sich der Drachenjunge zu Vollmond und der Menschenjunge zu Neumond in jeweils die Gestalt der anderen Rasse verwandeln. Die Mädchen waren dazu auserwählt die Erinnerung an diese Zeremonie in sich zu tragen und das Wissen darum an ihre weiblichen Nachfahren weiter zu vererben. Als Zeichen für ihr Wissen erschien auf ihrer Stirn ein kleines rautenförmiges Mal. Der Menschenjunge erhielt als Zeichen für den Bund mit den Drachen blaue Augen und würde zu einem weißen Blauaugendrachen werden, und der kleine Rotaugendrache erhielt als Mal eine kleine rautenförmig rote Stelle zwischen seinen Flügeln und sollte als Mensch Haare so gelb wie die Sonne bekommen. Die beiden Mondkinder, wie sie liebevoll von ihren Völkern genannt wurden, wuchsen eng miteinander auf, da das Menschendorf, aus dem Seth, der Menschenjunge, stammte mitten im Gebiet der Drachenkolonie lag, zu der Jono, der Drachenjunge, gehörte. Sie waren beste Freunde, wo der eine war, fand man auch den anderen. Mit 15 Jahren verwandelte sich Seth zum ersten Mal bei Neumond in einen weißen Blauaugendrachen und deshalb wurde ihm zu Ehren, von Drachen und Menschen gemeinsam, ein großes Fest veranstaltet. Ganz besonders freute sich der junge Rotaugendrache über seine Verwandlung, fühlte er sich doch schon immer ganz besonders zu diesem Menschenjungen hingezogen. Und nun wurde Seth zu seinem allerbesten Freund. Sie lernten gemeinsam, was ein Drache so alles zu lernen hatte und Jono genoss diese Tage ganz besonders. Seth war ein eifriger Schüler, auch wenn ihm Sitten und Gebräuche der Drachen nicht so fremd waren. Immerhin lag sein Dorf in einer Drachenkolonie, und ganz besonders die jungen Drachen und die Kinder liebten es, ihre Zeit miteinander zu verbringen. Die Menschen nutzten Kraft und Stärke der Drachen und ihre Fähigkeit zu fliegen, und die Drachen profitierten davon, dass die Menschen kleiner und geschickter als sie waren. Die beiden Mädchen freundeten sich ebenfalls eng an. Sie gingen ihr gemeinsames Wissen immer wieder durch und konnten von diesem „Spiel“ nicht genug bekommen. Den anderen Kindern wurde dies recht bald langweilig und so blieben die Mädchen bald unter sich. Am liebsten waren sie mit den beiden Jungen zusammen, die auch an dem Bund beteiligt waren, denn sie waren ebenfalls anders als die anderen. Die Mondkinder eben. Ishizu, die Bewahrerin der Menschen, wurde mit Seth vermählt, da sie nicht miteinander verwandt waren. Sie bekam, zu ihrem Bedauern, keinen Sohn mit blauen Augen von ihm. Doch die zweite Tochter, die sie bekam, trug ebenso das Zeichen auf der Stirn, wie sie und Shizuka, und sie konnte deutlich spüren, dass sie ebenfalls das Wissen um den Bund in sich trug. Seth war ihr ein guter Ehemann, aber manchmal war er mit seinen Gedanken nicht bei ihr. Ganz besonders spürte sie dass, wenn dies beim Geschlechtsakt der Fall war. Wenn sie ihn dann fragte, was los sei, dann konnte er ihr keine Antwort darauf geben. Nicht, dass er nicht wollte, nein, er hatte wirklich keine Antwort auf ihre Frage. Er verstand es ja selbst nicht. So vergingen die Jahre, er konnte sehen, wie sein Sohn zu einem starken jungen Mann heran wuchs, und seine Töchter zu hübschen jungen Frauen wurden. Seine zweite Tochter, Zui, war genauso klug, wie ihre Mutter, und hatte von Geburt an das Wissen um den Bund. Es beruhigte ihn zu sehen, dass diese wichtige Fähigkeit vererbt wurde. So war gewährleistet, dass es immer Antworten für seine Nachfahren gab. Die Nachfahren der Mondkinder, wie man sie auch nannte. Als Zui sich verliebte und mit dem jungen Mann, dem ihre Liebe galt, herumschäkerte, wurde ihm bewusst, was ihm in seinem Leben fehlte. Er mochte Ishizu und achtete sie, aber er liebte sie nicht, nicht so, wie seine kleine Zui ihren Ryou liebte. Für ihn waren die Tage am schönsten, die er in der Drachenkolonie bei Jono verbrachte. Dort fühlte er sich am wohlsten. Oft gesellte sich Shizuka zu ihnen, und er genoss die Gespräche mit ihr. Noch durften sie Umgang mit ihr haben, doch wenn sie in die Geschlechtsreife kam, durften sie keinen Umgang mehr mit ihr haben. Drachenmännchen mussten sich, während der Zeit ihrer Geschlechtsreife, von den Weibchen fernhalten, bis sie ihren 50. Geburtsmond erreichten und sich als Zeichen ihrer Geschlechtsreife ihre Bauchfalte geöffnet hatte. Und Seth galt, auch wenn er schon 84 Drachenjahre zählte, noch nicht als Geschlechtsreif, da seine Bauchfalte noch verschlossen war. Jono beschwerte sich bei Seth, dass sein Bauch, seine Bauchfalte so fürchterlich juckte. Immer, wenn es zu schlimm wurde, legte Seth beruhigend seine Hände auf Jonos Bauch und massierte ihn ein wenig. Und es half auch fast immer, doch manchmal konnte Jono sich nicht beherrschen. Seth verbrachte immer mehr Zeit mit Jono, während Ishizu damit beschäftigt war, die Hochzeit von Zui und Ryou vorzubereiten. An seinem 49. Geburtsmond riss Jonos Bauchfalte komplett auf, und dies hatte eine merkwürdige Wirkung auf Seth: Seine bisher noch verschlossene Bauchfalte meldete sich, und der Prozess der Bauchfaltenöffnung wurde durch den veränderten Geruch, der von Jono ausging, in Gang gesetzt. Dieser Geruch, den seine feinen Nüstern wahrnahmen, machte Seth schier verrückt, er ließ ihn unruhig werden, ließ ihn sich nach Jono sehnen. Moment!, stoppte Seth seine Gedanken, wohin sollte das denn jetzt führen? Er sehnte sich nach Jono, wie er sich damals danach gesehnt hatte, endlich den Geschlechtsakt mit einer Frau zu vollziehen? Und stärker, als er sich je nach seiner Frau sehnte? Seth war verwirrt, wie konnte er solche Gefühle haben? Jono betrachtete seinen Freund aufmerksam. Es war ihm nicht entgangen, dass dieser ihn schon eine geraume Zeit ziemlich irritiert anschaute. Als er ihn darauf ansprach, antwortete Seth ihm verblüfft, dass er den Wunsch verspürte, sich mit ihm paaren zu wollen. Und wie zur Bestätigung dessen, fühlte er auf einmal ein heftiges Drängen in seinem Bauch, so heftig, dass er auf dem Boden herum zu rutschen begann. Jono bat ihn, ihm den Bauch zu zeigen und konnte eine starke Schwellung bemerken. Mit einigen kräftigen Zungenstrichen wollte Jono Seth beruhigen, so wie er es bei ihm mit seinen Händen gemacht hatte. Doch er erreichte eher das Gegenteil: der Druck in Seths Bauch nahm zu, so stark und heftig, dass mit einem Mal auch seine Bauchfalte aufriss und zu erkennen gab, was in ihr ruhte. Jono blieb von dem veränderten Geruch, der jetzt auch von Seth ausging, ebenfalls nicht unberührt. Auch ihn ließ dieser schwere süßliche Duft sich nach der Paarung mit Seth sehnen, und noch ehe sie sich beide darüber im Klaren waren, was nun geschah, bestimmten ihre Nüstern ihr weiteres Handeln. Sie begannen sich gegenseitig zu beschnuppern, überall, und ganz besonders in der Bauchregion, und vollzogen so, langsam und auch noch ein wenig unbeholfen, den Paarungstanz. Jono schützte seine empfindliche Bauchregion, in dem er seine Füße ganz eng darunter stellte, als Seth sich mit ihm paarte. „Das nächste Mal bin ich aber an der Reihe.“, meinte er nur, als sie sich hinterher ausruhten und Seth nickte nur dazu. So verging die Zeit, immer zu Vollmond paarten sie sich, immer im Wechsel, jeden zweiten Vollmond war der gleiche das „Weibchen“. Sie störten sich überhaupt nicht daran, dass sie mit ihrem Tun gegen sämtliche Regeln ihrer beider Völker und Rassen verstießen. Ihnen erschien es einfach richtig so. Seth fühlte sich auf einmal viel ausgeglichener, so sehr, dass es auch Ishizu auffiel. Er hatte vor ihr keine Geheimnisse, immerhin war auch sie ein Kind des Bundes, und so erzählte er ihr, dass er sich mit Jono immer an Vollmond paaren würde, seit dessen Bauchfalte, und anschließend auch seine, gerissen war. Ishizu war darüber nicht weiter verwundert, sie hatte irgendwie schon damit gerechnet. Und auch vor Shizuka blieb dies nicht verborgen, auch wenn sie mit Jono zurzeit keinen Kontakt pflegen durfte, denn sie traf sich regelmäßig mit Ishizu und Zui. Die Bewahrerinnen, wie sie sich aufgrund ihrer Bestimmung nannten, trafen sich oft. Sie waren Freundinnen, ebenso wie Seth und Jono Freunde waren, von Geburt an. Nach einigem Bereden der Gegebenheiten, kamen sie zu dem Schluss, dass Seth und Jono, nach Jonos erster Verwandlung, den Wunsch verspüren würden, sich auch als Menschen paaren zu wollen. Also sannen sie darüber nach, wie sie ihnen denn helfen könnten. Sie untersuchten die Unterschiede zwischen Körperbau und Paarungsgewohnheiten von Drachen und Menschen, und entschieden, dass Jono und Seth etwas brauchen könnten, dass ihnen die menschliche Paarung leichter und angenehmer machen würde. Nach einigem Nachdenken entschlossen sie sich, ein Öl dafür herzustellen und sammelten dazu verschiedene ölhaltige Samen und Kerne. Sie probierten die unterschiedlichsten Zusammensetzungen aus, bis sie schließlich mit dem Ergebnis zufrieden waren. Mit duftenden Heilkräutern versetzt, füllten sie ihr Produkt in einen kleinen, extra dafür angefertigten und kunstvoll verzierten Lederbeutel, den sie aus dem Magen eines Kaninchens hergestellt hatten. Dies würde ihr Geschenk an Jono zu seiner ersten Mondzeit sein. Seth und Jono waren ziemlich aufgeregt, als Jonos erste Mondzeit nahte. Wie würde Jono wohl als Mensch aussehen? Seth war hingerissen, als er Jono zum ersten Mal als Mensch sah: Er hatte Haare, so gelb wie die leuchtende Sonne und seine roten Augen wurden zu einem warmen Haselnussbraun. Er verliebte sich sofort in ihn, auch wenn er soviel jünger war als er. Jono erging es nicht viel anders, als er Seths Reaktion auf sein Aussehen sah. Die blauen Augen Seths, die er schon sooo lange kannte, begannen zu leuchten und färbten sich langsam dunkel wie die Nacht (nachtblau ^^). Ishizu, Shizuka und Zui traten an sie heran und überreichten ihnen ihr Geschenk: einen gefüllten, kunstvoll verzierten, kleinen Wassersack aus Leder. Überrascht schauten blaue und braune Augen sie an, sie hatten keine Ahnung, was sie damit anfangen sollten. Ishizu meinte dazu nur, dass ihnen der Inhalt gewiss noch nützlich sein würde, wenn sie Zeit zu zweit verbrächten. Es dauerte eine Weile, bis sie die Bedeutung dessen verstanden. Seth war der erste, und machte seiner Frau den Gefallen bis an die Ohren rot zu werden. Er flüsterte Jono ins Ohr, zu welchem Zweck dieses Geschenk gedacht. Nun überzog auch Jonos Gesicht eine leichte Röte, die ihm allerliebst stand, fanden alle drei Frauen. Das Geschenk probierten sie allerdings erst in der nächsten Mondzeit aus, da Jono vor lauter neugierigen Gratulanten nicht zur Ruhe kam. Außerdem wurde auch ihm zu Ehren ein Fest zu seiner ersten Verwandlung, seiner ersten Mondzeit, gefeiert, und es wäre äußerst unhöflich gewesen nicht anwesend zu sein. Mit diesem Fest wurde Jono außerdem als ein besonderes Mitglied in die Schar der erwachsenen Drachen aufgenommen. Die Weibchen rissen sich förmlich um ihn, es wäre ihnen eine Ehre, seine Gefährtin werden zu dürfen, doch er erwählte keine von ihnen. Sein Herz gehörte schon seit Jahren dem weißen Blauaugendrachen und auch Seth, dem Menschen. Er erwählte Shizuka als Gefährtin, damit Ruhe in die Kolonie einkehrte, doch er paarte sich mit ihr nur zweimal, damit sie Junge bekommen konnte. Shizuka legte zwei Eier, aus dem ersten schlüpfte ein Junge und aus dem zweiten schlüpfte die Tochter, die ihr Wissen weiter geben konnte. Sie trug ebenfalls das Zeichen des Bundes, und wuchs gemeinsam mit Zuis jüngster Tochter auf, die auch das Zeichen des Bundes auf ihrer Stirn trug. Ihre Frauen wahrten das Geheimnis ihrer Liebe, und so erfuhr niemand im Dorf und in der Kolonie, dass Seth und Jono nicht nur durch den Bund miteinander verbunden waren, sondern auch durch die Liebe. Seth lebte viele Jahre länger als andere Menschen, er trug Ishizu, Zui und seine anderen Kinder, sowie deren Kinder zu Grabe, erst Zuis Enkeltochter Ishizu trug ihn zu Grabe. Er wurde 120 Jahre alt und Jono trauerte unendlich um ihn. Shizuka machte sich große Sorgen um ihn und befürchtete schon, dass ihn sein Lebenswille verlassen hätte, als bei den Menschen wieder ein kleiner Junge mit strahlend blauen Augen geboren wurde. Wegen seiner blauen Augen wurde auch dieser Junge Seth genannt. Als Ishizu den Säugling zu Jono brachte, und er ihm in seine blauen Augen schaute, wusste Jono, dass er seinen Bündnispartner nicht verloren hatte. Es verwunderte niemanden, dass der kleine Seth den großen schwarzen Drachen und auch den gelbhaarigen Mann innigst liebte. Für alle stand fest, für Drachen und Menschen, dass die beiden Mondkinder zu einander gehörten. Sie waren zwar keine Blutsbrüder, aber durch den Bund genauso eng miteinander verbunden. Das dieser Bund noch tiefer ging, wussten sie nicht, und das war auch gut so, denn sie hätten diese Liebe nicht geduldet, weder Menschen noch Drachen, und einzig die Bewahrerinnen wussten um die Sehnsucht, die sie nur gegenseitig stillen konnten. So vergingen die Jahrhunderte. Das Wissen um den Bund bewahrten die Nachfahrinnen von Ishizu und Shizuka, und wenn ein Mondkind starb, wurde ein neuer Sohn des Bundes geboren. Die Sterne waren die Zeugen des Bundes gewesen, zu ihnen hatten Drachen und Menschen geschworen, und sie waren es auch, die darüber wachten, dass keines der Mondkinder allein leben musste. Doch die Zeiten veränderten sich. Während die Anzahl der Drachen sich in einer Kolonie nicht vermehrte, vermehrten die Menschen sich immer mehr. Und so begannen sie sich gegenseitig den Platz streitig zu machen und führten einen grausamen Krieg gegeneinander, denn sie beherrschten noch immer mächtige Zauber. Im Laufe dieses Krieges musste die Bewahrerin der Drachen miterleben, wie ihre Tochter, noch vor ihrer Geschlechtsreife, getötet wurde. Als auch sie tödlich verwundet war, rief sie die Sterne an, denn sie fürchtete um die Mondkinder. Ihr Schicksal würde in Zukunft das Leben von Verbannten sein, verachtet von Menschen und Drachen, denn diese standen sich mittlerweile unerbittlich und unversöhnlich gegenüber. Sie bat die Sterne um Beistand für die Mondkinder, dass sie einen Ort für sie schufen, der nur für die Mondkinder bestimmt war und weder von Drachen noch von Menschen betreten werden konnte. Einen Ort, den nur sie finden und auch betreten konnten. Wenn die Welt es ihnen unmöglich machen würde in Frieden leben zu können, sollten sie zu diesem Ort gelangen können. Und so wurde der letzte mächtige Zauber auf dieser Welt gesprochen. Sterbend sprach Shizuka die Worte, die allen Zauber von dieser Welt nahmen, nur noch der Ort für die Mondkinder sollte von Zauber geschützt sein und die Bewahrerinnen der Menschen sollten Kenntnis von diesem Ort erlangen, damit sie die Mondkinder treffen konnten. Und sie treffen können mussten sie, um ihnen von dem Bund erzählen zu können. Dem Bund, den Drachen und Menschen gemeinsam miteinander geschlossen hatten, und den auch nur beide gemeinsam hätten auflösen können. Doch wenn dieser Zauber vollendet war, gäbe es keine Möglichkeit mehr diesen Bund zu lösen, denn auch dafür wäre ein mächtiger Zauber nötig. So lange diese Welt bestand würde es immer zwei Mondkinder geben und die Bewahrerin ihr Wissen an ihre weiblichen Nachfahren vererben. Shizuka spürte, wie der Zauber wirkte und als aller Zauber von der Welt verschwunden war, schloss sie die Augen und die Bewahrerin der Drachen war nicht mehr. Ihrer Zauberkräfte beraubt, fand auch der Krieg zwischen Drachen und Menschen ein Ende. Doch die Mondkinder wuchsen nicht mehr miteinander auf, und auch nicht mit einer Bewahrerin, und so geriet mit der Zeit in Vergessenheit, was niemals hätte vergessen werden dürfen. Die Mondkinder fristeten ein trostloses Leben, nachdem sie ihre erste Mondzeit hatten. Wenn sie es überlebten, fanden sie den Weg in das verborgene Tal, dass die Sterne ihnen geschaffen hatten, und wenn sie Glück hatten, fanden sie sogar einander. Und fanden sie den Weg in das Tal, dann trafen sie auch auf eine Bewahrerin, um ihre Geschichte zu erfahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)