Salvina von Dharma_Montgomery (Eine Reise beginnt) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 Die Offenbarung ------------------------------------ Kapitel 1 Die Offenbarung Schweiß gebadet wachte Salvina auf. Ihr T-Shirt klebte ihr am Rücken und ihre Haare und ihr Laken waren feucht. Sie hatte ihn wieder gehabt... diesen Albtraum, der sie jetzt nun schon seit einer Weile jede Nacht heimgesucht hat, doch heute Nacht hatte sie endlich ihre eigenen Gedanken, die sei dabei hatte, hören können. ‘Das macht doch alles keinen Sinn... Wieso sollte ausgerechnet ich irgendwo in den Dschungel in eine Ruine gehen, nur um da nach einem lange verschollenem Geheimnis zu suchen?’ Sie fasste sich an den Kopf. Plötzlich hatte sie Kopfschmerzen und ihr war übel. ‘Was soll das nur?’ Sie setzte sich auf und schlüpfte in ihre Pantoffel, bevor sie sich auf den Weg ins Bad machte, um sich ein Glas Wasser zu holen. Ihr blasses Gesicht erschien ihr im Spiegel noch blasser als sonst. Sie nahm sich ein Handtuch, machte es feucht und wischte sich damit über ihr Gesicht. ‘Ich muss das jetzt erst einmal vergessen, ich muss schlafen, schließlich schreibe ich morgen einen Test, da kann ich doch nicht halb schlafend hingehen!’ Leicht wankend machte sie sich wieder auf den Weg in ihr Bett. Wohl war ihr ganz und gar nicht und sie hatte Angst, dass die Bilder ihres Traumes zurückkehrten, sobald sie die Augen schließen würde. Deshalb legte sie sich erst einmal nur hin, versuchte sich zu entspannen und genoss die kühle Nacht Luft, die durch das geöffnete Fenster herein strömte. Irgendwann musste sie doch eingeschlafen sein, denn sie erwachte am Morgen, frierend, weil das Fenster die ganze Nacht geöffnet gewesen war. Der Schlaf hatte ihr keine Erholung gebracht und so fühlte sie sich nun wie gerädert. Entgegen ihrem Wunsch, einfach nur liegen zu bleiben und noch ein wenig vor sich hin zu dösen, stand Salvina auf. Sie ging zu ihrem Schrank, holte die Kleidungsstücke heraus, die sie heute anziehen wollte und legte sie erst einmal auf einen Stuhl. Sie ging ein paar Schritte und besah sich erst einmal im Spiegel. Salvina hatte Rot blondes, mittellanges Haar, welches sie immer zu einem Zopf zusammen band, wenn es ihr bei einer für sie wichtigen Tätigkeit im Gesicht hing. Ihre Haut war sehr blass und selbst im Sommer wurde sie nie richtig braun, obwohl sie fast ihre gesamte freie Zeit draußen verbrachte. Sie war schlank und sah für ein sechzehn jähriges Mädchen ziemlich jung aus, weshalb sie ständig für ein paar Jahre jünger gehalten wurde. Sie trat einen Schritt näher an den Spiegel und begutachtete ihr Gesicht. Es war zwar immer noch ein wenig blasser als sonst und sie hatte auch dunklere Schatten unter den Augen, als sie es sonst schon hatte, aber ansonsten sah sie für die vergangene Nacht doch ziemlich erholt und gesund aus. 'Wer weiß wie lange noch...', dachte sie fröstelnd und ging zum Fenster um es zu schließen. Es war Herbst, das Laub der Bäume hatte sich schon längst gefärbt und erstrahlte in einem rot und gelb, welches Salvina schon immer geliebt hat. Sie wandte den Blick vom Fenster ab und ging zu ihren Sachen um sich um zuziehen. "Salvina? Bist du bald fertig? Frühstück steht schon auf dem Tisch!" Wie jeden Morgen hatte ihre Mutter das Frühstück gemacht, und Salvina merkte, wie hungrig sie war. Schnell schlüpfte sie aus ihrem Nachthemd und zog sich an. Nach einem kleinen Abstecher ins Bad, um sich eben die Zähne zu putzen, eilte sie die Treppe hinunter. Als sie in die Küche kam, saß ihre Mutter bereits am Tisch. "Morgen, Mum!", sagte Salvina und lächelte ihre Mutter an, während sie an ihr vorbei ging, um sich ein Glas Orangensaft ein zuschütten. “Morgen, mein Schatz!”, sagte Salvinas Mutter und erwiderte ihr lächeln. “Soll ich dich gleich zur Schule fahren? Ich muss eh' in die Richtung, da kann ich dich dann absetzen. Oder möchtest du lieber laufen?” Salvina, die sich gerade gesetzt hatte und einen Schluck Saft getrunken hatte, sah ihre Mutter vorwurfsvoll an. “Was ist denn das für eine Frage? Natürlich möchte ich lieber gebracht werden, wenn das geht!” Grinsend biss sie von ihrem Toastbrot ab, und schmierte sich, während sie kaute, ihr Brot für die Schule. “Ach übrigens, da ist ein Brief für dich angekommen. Es steht leider kein Absender drauf...”. Ihre Mutter reichte ihr einen Briefumschlag und als Salvina ihn sich anschaute, verschluckte sie sich an ihrem Toastbrot. Auf den ersten Blick sah der Briefumschlag völlig normal aus, wäre da nicht das Zeichen aus ihren Traum drauf gewesen! Hastig griff sie nach ihrem Saft Glas und trank einen Schluck. “Ist irgendwas, Salvina?”, verwundert und besorgt sah ihre Mutter sie an. “N-Nein... Es ist nichts, ich habe mich nur verschluckt, weil ich zu hastig gegessen habe...”, erwiderte sie fast wie in Trance und starrte weiter auf den Briefumschlag. Als sie merkte, dass ihre Mutter sie immer noch ansah, blickte sie schnell auf und lächelte ihre Mutter an. Damit offensichtlich zufrieden, widmete sich ihre Mutter wieder ihrem Frühstück. “Ich hol schon mal meine Sachen runter!” Schon stand Salvina auf und lief hoch auf ihr Zimmer, vorbei an ihrer gepackten Schultasche und setzte sich erst einmal auf ihr Bett und atmete tief durch. ‘Das kann doch alles nicht wahr sein! Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall, vielleicht habe ich das Zeichen ja auch schon mal irgendwo gesehen und es kommt mir deshalb so bekannt vor. Ja, das muss es sein!’ Nachdenklich drehte sie den Brief um und wollte ihn gerade öffnen, als ihr auffiel, dass unten auf der Rückseite des Briefumschlags noch etwas stand. Es war sehr klein geschrieben, dennoch konnte Salvina es gut lesen: ‘Erst am 5.8. öffnen!’ Salvina war wirklich überrascht. ‘Was soll das denn jetzt?’ Sie überlegte, ob sie wirklich solange warten wollte, schließlich war jetzt gerade erst einmal Mitte Oktober. Immer noch ziemlich unentschlossen wiegte sie den Brief in ihrer Hand hin und her, als ihre Mutter von unten herauf rief, dass sie jetzt fahren wolle und das Salvina sich doch bitte beeilen möchte. Kurzerhand stand Salvina auf, ging zu ihrem Schreibtisch und verstaute den Brief in der mittleren Schublade, gut versteckt unter Schulsachen und Stiften. “Kommst du?”, rief ihre Mutter, nun deutlich ungeduldig. “Ich bin schon halb unten!”, rief Salvina, rannte aus dem Zimmer, schnappte sich im Vorbeigehen ihre Schultasche und hüpfte die Treppe hinunter. Bereits, als sie sich neben ihre Mutter ins Auto setzte, waren ihre Gedanken schon bei der Schule, der Brief war komplett vergessen. "Man, der Test war echt schwer gewesen! Fandest du nicht auch, Alvi?" Salvinas Freundin Beatrix neigte sich zu ihr hinüber. Beatrix war genauso groß wie Salvina, hatte rotes Haar und eine kleine Stupsnase. Sie hatte immer ein offenes Ohr für alle, außer für jene, die ihren Kleidungsstil nicht mochten. Er war zwar eigen, aber dennoch zog Beatrix immer nur das an, was ihr selber gefiel. Manchmal beneidete Salvina sie für diese Selbstbewusstheit, die ihr selber fehlte. “Nun sag schon! Sag mal, träumst du?” Sie wedelte mit ihrer Hand vor Salvinas Gesicht herum. “Wie? Was? Tut mir Leid, ich war gerade ganz in Gedanken versunken”, antwortete Salvina mit einem seufzen. “Mensch, was ist denn los? Hast du den Test verhauen, oder was?”, mischte sich nun auch Salvinas Freundin Camille ein. Camille hatte hellblondes, langes Haar, dass, wie Salvina fand, einfach wunderschön mit seinen Locken war. Camille war schlank, ein paar Zentimeter größer als Salvina und obwohl sie eigentlich ziemlich beliebt war, so war sie doch immer lieber mit Salvina und Beatrix zusammen, auch wenn das ihrem Ruf nicht gerade zum Vorteil war. Sie drei waren fast immer zusammen, deshalb fiel Salvinas beiden Freundinnen auch sogleich auf, dass etwas nicht stimmte. “Ähm...” ‘Was sag ich jetzt bloß? Das mit dem Brief kann ich ihnen nicht erzählen, auch wenn sie meine besten Freundinnen sind, sie würden mich vermutlich für verrückt erklären...’, dachte Salvina betrübt. Da ihr nichts anderes einfiel, antwortete sie auf Camilles Frage, dass es tatsächlich am Test liegen würde. “Der Test ist wirklich nicht so gut gelaufen, wie ich gehofft hatte und das obwohl ich so dafür gelernt habe...” Und das war nicht einmal wirklich gelogen. Der Test lief wirklich nicht gut, Salvina sind einige der Antworten nicht eingefallen, die sie sonst im Schlaf hätte aufsagen können. Darüber ärgerte sie sich, aber schließlich konnte sie nichts dafür, dass sie kaum geschlafen hatte und die Nacht wirklich alles andere als erholsam gewesen war. “Ach komm schon, so schlimm wird es schon nicht gewesen sein!” Beatrix sah sie lächelnd an. “Genau. Sonst schaffst du es doch auch jedes Mal! Komm, lass uns nach der Schule ein Eis essen gehen, dass muntert dich bestimmt wieder auf!” “Das ist eine gute Idee, Camille! Das lenkt mich sicherlich ab! Vor allem haben wir ja nächste Woche auch erst einmal Ferien, da kann ich mir keine schlechte Laune erlauben!” Salvina sah lachend zu ihren beiden Freundinnen, die ins Lachen einstimmten. So war es immer. Wenn es Salvina schlecht ging, oder sonst irgendetwas war, ihre Freundinnen waren immer für sie da. ‘Was würde ich nur ohne sie machen...’ Mit dem Gedanken an den bevorstehenden Eisdielen Besuch vergingen die letzten Schulstunden für Salvina wie im Flug. Es fühlte sich für sie so an, als wären sie direkt nach der Pause aufgebrochen, in die kleine Eisdiele, in die sie schon seit Jahren immer gemeinsam hingegangen waren. Wie immer setzten sie sich auf ihren Stammplatz, direkt neben dem Fenster, von wo aus sie einen guten Blick auf die Leute hatten, die auch an diesem Nachmittag wieder emsig am Fenster vorbei liefen. “Wie immer?” Fragte eine Stimme hinter ihnen. Es war der Besitzer dieser kleinen Eisdiele, der diese Eisdiele schon so lange besaß, dass er Salvinas, Beatrix’ und Camilles Eltern schon als Kinder kannte. Es war ein kleiner stämmiger Mann, die wenigen Haare die er hatte, waren schon seit langer Zeit ergraut. Dennoch hatte er immer ein lächeln auf dem Gesicht und selbst wer ihn nicht kannte, der merkte an seinem Umgang mit den Mädchen gleich, dass er sie sehr mochte. “Hallo Mr. Morrison!” Antworteten die Mädchen im Chor. Genauso, wie er die Mädchen mochte, konnten die Mädchen ihn gut leiden, er war fast so eine Art Großvater für sie. “Jepp, das übliche!” Salvina grinste. “Kommt sofort!” Grinsend wandte sich Mr. Morrison um und machte sich auf den Weg um den Mädchen ihre Eisbecher fertig zu machen. In Gedanken an das bevorstehende, leckere Eis (und es war wirklich lecker, dass Beste der gesamten Stadt) versunken schaute Salvina aus dem Fenster. “Du fährst doch in den Ferien mit deinen Eltern weg, oder?” Neugierig hatte sich Camille näher zu Salvina gebeugt. “Ja, da freue ich mich schon sehr drauf!” Salvina strahlte. Durch den Test und der ganzen Aufregung wegen ihrer Träume hatte sie diesen schönen Urlaub, der ihr bevorstand, fast vergessen. “Wir fahren für zwei Wochen an die See und machen dort Urlaub, schön etwas abseits, nahe einem kleinen, hellen Sandstrand. Ich muss jetzt am Wochenende unbedingt schon überlegen, was ich mitnehmen möchte, schließlich sind es bis dahin nur noch sieben Tage! Und wer weiß wie das Wetter wird? Es könnte ganz schön warm werden, oder vielleicht auch ganz schön kalt, oder...” Camille und Beatrix grinsten sich an. Das war Salvina, wie sie sie kannten. Salvina konnte wirklich wie ein Wasserfall reden und wenn sie dann doch einmal still war, wusste man, das etwas nicht stimmte. Froh darüber, dass jetzt alles wieder in Ordnung war, verspeisten sie ihr Eis, das Mr. Morrison ihnen gerade an den Tisch gebracht hatte. Als sie wenig später bezahlt hatten und hinaus gingen, verabschiedeten sie sich noch von Mr. Morrison und beschlossen danach noch eben kurz etwas einkaufen zu gehen, da Salvina unbedingt noch einen Pullover für den Urlaub brauchte. Sie verbrachten einen schönen Nachmittag zusammen, so dass der schlechte Test vergessen war. Als Salvina nach Hause ging, fühlte sie sich so gut wie schon lange nicht mehr. All der Stress und die Sorgen, die sie vorher gehabt hatte... Es kam ihr jetzt so vor als hätten sie nie existiert. Zu Hause angekommen ging sie immer noch lächelnd auf ihr Zimmer und fing schon einmal an, ihre Sachen für den Urlaub durch zuschauen. Sie machte sich eine Liste, was sie unbedingt brauchen würde und auch eine Liste mit Sachen die zwar nicht notwendig waren, die sie aber dennoch gerne mitnehmen würde, sofern es das Volumen ihres Koffers erlauben würde. Als sie damit fertig war, war sie so müde, dass sie sich nur noch für das Bett fertig machte und mehr als eine halbe Stunde früher als sonst, ins Bett ging. Ihr Schlaf war ruhig und Traumlos. Die restlichen Schultage vergingen für Salvina wie im Fluge. So kurz vor den Ferien gab es hauptsächlich nur noch Wiederholungen im Stoff. Das konnte Salvina nur recht sein. So war die Schule wenigstens nicht mehr so stressig für sie und sie konnte sich auf den Urlaub freuen. Es war der erste Urlaub, den sie mit ihrer Familie seit drei Jahren machte. Ihr Vater war wegen seines Berufes häufig weg und konnte auch nicht so oft Urlaub nehmen. Und wenn er dann einmal Urlaub hatte, hatte er ihn wegen seines Chefs nur außerhalb der Ferien legen können, wo das verreisen unmöglich war. Es war eine große Überraschung gewesen, als Salvinas Vater vor etwa vier Monaten nach Hause gekommen war und verkündet hatte, dass er dieses Jahr den Urlaub so legen konnte, dass sie endlich einmal wieder in den Urlaub fahren könnten, richtig als Familie. Das war Salvina sehr wichtig, denn obwohl sie ihren Vater liebte, dadurch dass er so oft nicht da war, fühlte es sich einfach in letzter Zeit nicht mehr wie Familie an. Salvinas Vater kam immer so spät nach Hause, dass Salvina schon schlief und morgens war er fast immer schon aus dem Haus. An den Wochenenden musste er sich um die kleineren Reparaturen kümmern. Salvina fühlte sich dann immer sehr einsam, ihr Vater war zwar da, aber konnte keine Zeit mir ihr verbringen. Ihren Vater schmerzte es genauso, wie ihr, das wusste sie. Er kam häufig mit Geschenken an, als Entschuldigung für die versäumte gemeinsame Zeit. Dennoch konnte eben diese Zeit dadurch nicht zurück gebracht werden. Doch das war jetzt hoffentlich bald vorbei: Salvinas Vater hatte ihr versprochen, dass er mehr Zeit für sie hätte, wenn er jetzt erst einmal befördert werden würde. Der Urlaub sollte also nur der Anfang sein. Darüber freute sich Salvina, wie über nichts anderes auf der Welt. Sie saß in ihrem Zimmer und packte eifrig ihren Koffer, voller Vorfreude. Als sie fertig war mit packen, war der Koffer so schwer geworden, dass sie ihn nicht mehr alleine tragen konnte und sie fragte sich, ob es wirklich nötig war, alleine sechs verschieden Bücher mitzunehmen. Doch dafür war es jetzt zu spät, der Koffer war so voll gepackt, dass sie weder die Bücher finden und raus nehmen könnte, noch den Koffer danach wieder schließen könnte. “Papa? Kannst du mir wohl mit meinem Koffer helfen?”, rief sie die Treppe hinunter und zog den Koffer noch ein Stück weiter, ehe ihr Vater von unten die Treppe heraufkam und sie grinsend ansah. “Hast mal wieder zu viel eingepackt, oder Lia?” Sein Grinsen wurde noch breiter. Salvinas Vater war ziemlich groß, hatte kurze dunkle Haare und trug eine Brille. Er hatte fast immer, wenn Salvina ihn sah, ein lächeln auf den Lippen. Und sie mochte es von ihm bei ihrem Spitznamen "Lia" genannt zu werden. "Du kennst mich doch, wie immer nur das Nötigste!", antwortete sie mit einem verschmitzten Lächeln und zwinkerte ihm zu. " Na wenn das so ist...", Salvinas Dad, der ein Lachen nun nicht mehr unterdrücken konnte, schnappte sich ihren Koffer und trug ihn zum Auto. Wie immer, wenn sie in den Urlaub fuhren, sah die Einfahrt zur Garage eher wie ein Schlachtfeld aus, als irgendetwas sonst. Koffer standen im Weg und einige Sachen lagen tatsächlich noch leer einfach dazwischen. Um ans Auto zu kommen musste man über Bücher steigen, immer darauf bedacht nicht zufällig auf eine Tube Sonnencreme oder eine Flasche Shampoo zu treten. Bei diesem Anblick musste Salvina grinsen. Es war für sie so normal, dass es kein Urlaub gewesen wäre, wenn nicht das Chaos bis direkt vor der Fahrt die Überhand hatte. "Da kommt ihr ja endlich! Wir müssen uns beeilen, wenn wir pünktlich losfahren wollen", das Grinsen auf dem Gesicht ihrer Mutter konnte nicht über den Stress hinwegtäuschen, den sie wohl hatte. Sie wollten in einer Stunde losfahren und bis dahin war noch wirklich viel zu erledigen. "Ich helfe dir, Mama!" Eilig überstieg sie die Berge von Gepäckstücken und half ihrer Mutter beim Einladen des Autos, während ihr Vater sich damit abmühte, die restlichen Koffer aus dem Haus zu tragen. Eineinhalb Stunden später, also eine ganze halbe Stunde später als geplant war, saß die gesamte Familie endlich im Auto und war bereit los zu fahren. "Ich denke zwar immer noch, dass wir für zwei Wochen Urlaub eindeutig zu viel Gepäck mit haben, aber ich sehe jetzt einfach einmal darüber weg und fahre los", Salvinas Vater musste erst einmal laut lachen und auch Salvina und ihre Mutter stimmten mit ein. Das Auto war so voll gepackt, dass man meinen könnte, sie würden umziehen und nicht bloß in den Urlaub fahren. Aber das war nun egal. Jetzt konnte es endlich losgehen! Die mehrstündige Fahrt bis an die Küste verlief ohne Probleme, die Straßen waren frei und auch mit den Ampelphasen in den Städten durch die sie fuhren, hatten sie Glück. So holten sie die halbe Stunde Verspätung wieder auf und waren sogar noch vor der mit den Hausbesitzern vereinbarten Zeit am Ferienhaus angelangt. Ihr Vater hatte noch nicht ganz den Wagen zum Stehen gebracht, da war Salvina auch schon ausgestiegen und lief zum Haus, um es sich ganz genau anzusehen. "Es ist ja so schön! Und der Garten... Wow!" Salvina, die bis eben gerannt war, blieb ehrfürchtig vor dem Gartentor stehen. Der Garten war riesig, mit einer großen Rasen Fläche und von vielen großen, alten Bäumen eingeschlossen. In einer Ecke gab es einen Teich, mit Goldfischen und Fröschen darin, umgeben von Schilf und hohem Gras. In einer anderen Ecke standen die Bäume ziemlich dicht, doch ließen sie eine kleine Lichtung dazwischen frei, auf die einzelne Sonnenstrahlen durch das Geäst der Bäume sickerte und die kleine Lichtung in eine magische, grüne Aura hüllte. 'Das ist ja wie im Märchen!', dachte sich Salvina, die so etwas Faszinierendes noch nie zuvor gesehen hatte. Sie öffnete das Tor und trat halb in Trance ein. Sie konnte einfach nicht den Blick abwenden, es war, als würde sie diesen Garten schon ewig kennen, doch sie wusste genau, dass sie ihn heute zum ersten Mal erblickte. Sie war gerade ein paar Schritte weit gegangen, als sie ihre Eltern rufen hörte. Es fiel ihr wirklich schwer, ihren Blick zu lösen, doch schließlich drehte sie sich um und lief zu ihren Eltern zurück. "Salvina, da bist du ja endlich! Der Hausbesitzer und seine Frau sind gerade eben angekommen, sag ihnen doch bitte einmal Hallo, bevor du die Umgebung erkundest!" Ihre Mutter schaute sie lächelnd an. "Guten Tag!" Salvina schüttelte den Leuten die Hand und stellte sich dann zu ihren Eltern. "Wir möchten sie auch gar nicht länger aufhalten, sie sind sicher froh, endlich angekommen zu sein!" Der Hausbesitzer lachte. Er war ein kleiner dicklicher Mann, dessen Haare schon längst ergraut waren und dem ein Schnurrbart über den Lippen saß. Salvina fand, dass er irgendwie putzig aussah, behielt dies jedoch für sich, schon alleine deshalb, weil ihr der Mann sympathisch erschien und sie ihn damit nicht verletzen wollte. "Hier ist der Schlüssel. Wir werden in den nächsten Tagen noch einmal anrufen, um uns zu vergewissern, das alles okay ist!" Die Frau des Hausbesitzers übergab Salvinas' Vater den Schlüssel zum Haus. Im Gegensatz zu ihrem Mann, war die Frau sehr schlank, jedoch auch nicht größer als ihr Mann. Auch ihre Haar waren schon ergraut, was sie durch das tragen eines Hutes zu verstecken versuchte, jedoch nicht sehr erfolgreich, da ihre widerspenstigen Haare an den Seiten hervorquollen. Doch auch sie fand Salvina sehr sympathisch. Sie verabschiedeten sich noch kurz, um dann mit ihrem Auto die Strasse hinunter zu fahren. Salvina konnte es nicht erwarten, ihren Eltern den Garten zu zeigen. "Los, kommt schon mit!" Sie zog ihre Eltern bis zum Tor. "Ist ja gut, wir kommen ja schon!" Ihre Eltern lachten, da sie so viel Enthusiasmus von ihrer Tochter gewöhnt waren. “Schaut euch mal den tollen Garten an!” Ihre Eltern warfen sich kurz viel sagende Blicke zu, bevor Salvinas Mutter schmunzelnd meinte: “ Na, da wissen wir ja, wo du dich die meiste Zeit der nächsten zwei Wochen aufhalten wirst!” Sie zwinkerte Salvina kurz zu, drehte sich danach um und begann damit, das Auto auszuräumen. Salvina, die liebend gerne den ersten Nachmittag im Garten verbracht hätte, überwand sich und half ihren Eltern. Zum Glück dauerte das Ausladen bei weitem weniger als das Einladen, und so waren die Koffer schnell in den Flur gebracht. Salvina wollte sich gerade umdrehen und in den Garten laufen, als ihr Vater sie an der Schulter festhielt. "Moment, kleiner Wirbelwind", lachte er," Die Koffer können nicht im engen Flur stehen bleiben! Aber da ich weiß, wie sehr du endlich deine Ruhe haben möchtest, reicht es, wenn du deinen eigenen Koffer auspackst!" "Danke schön!" Darüber freute sie sich wirklich. So hatte sie nicht so viel zu tun. Gleich nachdem ihr Vater den Koffer hoch getragen hatte, begann sie mit dem auspacken. Als die Sonne den Garten in ein warmes Rot tauchte, war Salvina fertig und konnte nun endlich den Garten erkunden. Zu aller erst lief sie zum Teich um die darin lebenden Tiere unter die Lupe zu nehmen, bevor es zu dunkel dazu sein würde. So große Goldfische hatte sie wirklich noch nie gesehen! Doch schnell wurden die Fische mit ihren ruhigen Schwimmbewegungen langweilig. So entschloss sich Salvina auch den Rest des Gartens heute wenigstens noch kurz zu untersuchen. Die Sonne war beinahe hinter dem Horizont verschwunden, als sie die kleine Lichtung betrat. Unter ihr knackten leise trockene Zweige, ehe sie auf ein Beet von Moos trat, das selbst jetzt in der Dämmerung noch herrlich grün aussah. Sie lehnte sich an einen Baum und genoss einfach nur die Atmosphäre. Etwas mulmig war ihr doch, das letzte schummrige Sonnenlicht warf merkwürdige und unheimlich Schatten auf den Boden und an die Bäume. Aus den Augenwinkeln meinte Salvina plötzlich eine Bewegung wahrzunehmen. Fröstelnd stand sie auf und schlang die Arme um ihren Körper. 'Das habe ich mir bestimmt nur eingebildet... es ist einfach schon zu dunkel, um noch wirklich etwas sehen zu können... meine Augen haben mir sicher einen Streich gespielt', versuchte sich Salvina zu beruhigen und auch den kalten Schauer, der ihr über den Rücken lief, schob sie auf die Kälte der heran nahenden Nacht. Sie blickte sich noch einmal um, ehe sie auf dem schnellsten Wege ins Haus lief. Drinnen war es bedeutend wärmer. "Na, war dir zu langweilig, oder warum bist du schon wieder drinnen?" Salvinas' Mutter stand am Herd und kochte das Abendessen. "Nein, ich habe bloß vergessen, dass es an der See um einiges kälter ist, als bei uns daheim und hab mich zu dünn angezogen..." Salvina verzog scherzhaft ihr Gesicht. Sie schaute an ihrer Mutter vorbei, um zu sehen, was sie leckeres kochte. "Oh, lecker! Bratkartoffeln! Und Hackbraten dazu!" Sie beugte sich hinunter, um sich den Braten anzuschauen. "Ich geh schnell hoch und ziehe mich um! Danach komm ich aber ganz schnell wieder runter, das Essen ist ja bestimmt gleich fertig!" Sie freute sich schon aufs Essen, es war ihr Leibgericht und es wurde auch nicht oft von ihrer Mutter gemacht. Salvina lief schnell die Treppe hinauf, suchte sich ein altes T-Shirt und eine Jogginghose als Hauszeug aus dem Schrank und zog sich um. Ihr kurzes, rosa farbenes Sommerkleid, das sie schon den ganzen Tag über getragen hatte, warf sie dabei unachtsam auf den Boden. Danach lief sie schnell wieder die Treppe hinunter und begann den Tisch zu decken. “Wo ist Papa? Dann kann ich ihn schon mal rufen gehen.” Salvinas’ Mutter drehte sich kurz zu ihr herum, meinte, dass er eben in der Garage wäre und widmete sich wieder dem Essen, damit es ja nicht anbrannte. Eilig lief sie in die Garage um ihren Vater zu holen. “Papa? Papa!” Sie lief ums Auto herum. Ihr Vater war gerade damit beschäftigt, im Kofferraum etwas sauber zu machen. “Ach, Salvina! Ich mache gerade den Kofferraum sauber, es muss wohl eine Flasche Shampoo ausgelaufen sein und es ist besser, wenn ich das jetzt noch schnell weg mache.” “Okay. Aber beeile dich, das Essen ist gleich fertig!” Fröhlich lief Salvina zurück in die Küche. “Papa kommt gleich, er will das eben noch fertig machen!” Da sie nichts besseres zu tun hatte, setzte sich Salvina schon einmal an den Tisch und schaute durch die Terassentür hinaus in den Garten. Von hier aus konnte man auch die kleine Lichtung gut sehen. Es war nun Stock finster draußen, was auch daran lag, dass der Himmel mit dunklen Wolken behangen war. Eine ganze Weile starrte Salvina so in die Dunkelheit, den Blick auf die Schemen der Bäume gerichtet. Gerade wollte sie den Blick wieder abwenden, als sie wieder eine Bewegung wahrnahm. Ein Schatten, der noch dunkler als seine Umgebung war, bewegte sich zwischen den Bäumen. Salvina blinzelte. Das hatte sie sich doch jetzt nur eingebildet... oder? Doch auch beim zweiten Hinschauen sah sie den Schatten, wie er durch die Lichtung huschte. Wie gebannt starrte Salvina auf die Lichtung. Der Schatten bewegte sich noch eine Sekunde, dann verschwand er im Dickicht der Bäume. Salvina war wie erstarrt. "Salvina? Salvina, ich rede mit dir! Was ist denn los?" Ihre Mutter stand plötzlich neben ihr. Salvina musste unbewusst aufgesprungen sein, da sie nun nicht mehr auf ihrem Stuhl saß, sondern die die Hände auf den Tisch stützend stand. 'Wann bin ich denn aufgestanden? Und wo ist das Wesen, oder was es auch immer war, hin? Ich habe mir das bestimmt nur eingebildet, der Tag war einfach zu lang für mich, ich bin vermutlich einfach nur übermüdet...' So plausibel das Ganze auch klang mit dem übermüdet sein, so wirklich glauben konnte Salvina es nicht. Sie schaute zu ihrer Mutter, die ihren Blick besorgt erwiderte. "Es ist nichts... ich war nur am Träumen... Wann ist Essen denn fertig?" Salvina zwang sich zu einem Lächeln, nicht nur um ihre Mutter, sondern auch sich selbst zu beruhigen. "Es ist jetzt schon fast fertig!" Salvinas' Mutter war zwar immer noch nicht ruhiger, erwiderte aber das Lächeln ihrer Tochter und kehrte zum Herd zurück. "Sag doch deinem Vater noch einmal Bescheid, du kennst ihn doch, wenn er arbeitet vergisst er so schnell die Zeit." Ein ehrliches Lachen erschien auf ihrem Gesicht. Salvina erwiderte es kurz, bevor sie erneut in die Garage lief. Doch als sie dort ankam war ihr Vater nicht wie erwartet noch mit dem Auto beschäftigt, sondern schlicht und ergreifend verschwunden! "Papa?" 'Merkwürdig...', dachte Salvina bei sich, während sie den Wagen einmal umrundete. Als sie ihren Vater nirgends sehen konnte, öffnete sie das Garagentor, um draußen weiter zu suchen. "Papa? Bist du hier draußen?" Ein kalter Luftzug ließ Salvina zittern. Sie drehte sich um, konnte in der Dunkelheit jedoch nichts erkennen. Sie ließ ihren Blick über die Umgebung schweifen, als sie plötzlich wieder den Schatten sah. Er kam in langsamen Schritten geradewegs auf sie zu. Salvinas’ Beine fühlten sich wie Pudding an und sie traute ihnen nicht mehr wirklich zu ihr Gewicht zu tragen. Dennoch taten sie es, wenngleich sie nicht imstande war sich zu bewegen, geschweige denn weg zu laufen. Der Schatten kam immer näher und Salvina konnte ihre Angst kaum noch unterdrücken. Noch ein paar Schritte und er hatte sie erreicht... Als unerwartet das Licht an der Garage, ausgelöst vom Bewegungsmelder, die Einfahrt in ein gelbes, helles Licht tauchte und so auch ein müde aussehendes Gesicht erhellte. Salvina atmete aus. “Papa, hast du mich erschreckt! Was machst du denn hier draußen?” “Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken! Ich habe vorhin draußen ein Geräusch gehört, und wollte nachsehen, was es war. Nicht, das sich hier noch jemand herum schleicht! Aber ich habe nichts gefunden...” Er strich liebevoll über Salvinas’ Haare. “Ist gut, aber komm jetzt, Essen ist fertig!” Sie zog ihren Vater am Handgelenk bis in die Küche. “So, da ist er!” Als die ganze Familie am Tisch saß und aß, kam Salvina ein Gedanke: ‘Wenn mein Vater vorhin draußen gewesen ist, dann habe ich bestimmt seinen Schatten gesehen! Ja, so muss es gewesen sein!’ Erleichterung überkam Salvina. Dies war der am meisten einleuchtende Grund, es war ihr Vater gewesen, den sie gesehen hatte und nicht Irgendjemand oder irgendetwas Anderes. Nach dem Essen räumte Salvina kurz den Tisch ab, ehe sie auf ihr Zimmer ging. Der Tag war wirklich lang gewesen und so war sie zu müde, um noch mit ihren Eltern ein wenig Fern zu schauen. So beschloss sie, heute ausnahmsweise einmal früher ins Bett zu gehen, dafür morgen aber ausgeruht den Tag nutzen zu können. Sie würde gleich nach dem Aufwachen in den Garten gehen und dort würde sie auch Frühstücken. Ja, das nahm sie sich ganz fest vor. Doch die Nacht war nicht so ruhig, wie Salvina es gehofft hatte. Sie lag lange wach, weil das Bett ungewohnt war und die Geräusche sich doch sehr von denen unterschieden, die sie von zu Hause gewohnt war. Die Frösche quakten unten im Teich und einmal konnte Salvina sogar eine Eule rufen hören. Das war ihr alles mehr als unheimlich, so konnte sie nicht schlafen. Sie zog sich die Decke bis ans Kinn. Das Licht des Mondes warf unheimliche, tanzende Schatten an die Wand ihres Zimmers und Salvina hatte mehr als einmal das Gefühl, als wären die Schatten Hände, die nach ihr griffen. Salvina lag lange wach, doch irgendwann schoben sich dunkle Wolken vor den Mond und Salvina fiel in einen unruhigen Schlaf. Als Salvina am Morgen erwachte, fühlte sie sich alles andere als ausgeruht und dunkle Ränder lagen unter ihren Augen und sie sah wirklich erschöpft aus. So war es auch kein Wunder, als ihre Eltern sie besorgt ansahen, als sie zum Frühstück erschien. Erst, nachdem Salvina sich ein großes Glas Orangensaft ein geschüttet und sich ein Brötchen mit Mortadella belegt hatte, fragten sie was denn los sei. "Es ist nichts, das Bett ist nur so ungewohnt und da konnte ich einfach nicht einschlafen." Mit diesem Grund gaben sie sich zufrieden und fragten auch nicht weiter nach, worüber Salvina sehr froh war. Wie hätte sie ihren Eltern erzählen sollen, das sie Angst hatte, weil sie einen Schatten im Garten gesehen hat? Salvina hätte ihre Eltern nur unnötig beunruhigt und das war das Letzte, was sie wollte. Doch wie sollte sie damit umgehen? Sollte sie versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen, oder sollte sie lieber sehen, dass sie von der Lichtung und dämmrigen Stellen weg blieb? Egal, was sie tun würde, ihre Eltern würden sicher etwas merken... 'Aber vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit? Notfalls schiebe ich es einfach auf meine Fantasie, dass sind sie ja schließlich schon gewöhnt.' Bei dem Gedanken musste Salvina schmunzeln. Schon immer hatte sie sich gerne Geschichten ausgedacht und diese dann auch nach gespielt. Auch jetzt, mit ihren sechzehn Jahren hatte sie noch Spaß daran. Ihre Eltern und auch ihre besten Freunde wussten das, doch den Anderen enthielt sie es lieber vor. "Ich gehe etwas in den Garten!" Salvina stand auf und ging durch die Terrassen Tür nach draußen. Es war schon wieder ziemlich warm geworden und die Luft in der Einfahrt flimmerte schon wieder vor Hitze. Salvina war wirklich froh, gleich ein luftiges Oberteil angezogen zu haben, sonst hätte sie sich jetzt noch einmal umziehen müssen. Sie lief die zwei Stufen hinab, die die Terrasse vom Rasen trennte und ging langsam auf die Lichtung zu. “Wenn es ein Tier gewesen ist, müsste es ja irgendwelche Spuren hinterlassen haben...”, überlegte Salvina langsam vor sich hin. Wie schon am Tag zuvor, war es auch heute auf der Lichtung etwas kälter, als im Rest des Gartens. Aufmerksam sah sie sich um. Es waren weder irgendwelche Spuren im Moos zu sehen, noch gab es Spuren an den Rinden der Bäume. Diese Tatsache (und nicht etwa der Temperaturunterschied der Lichtung) ließ Salvina frösteln. Was hatte sie nur gesehen? Was gab es, das keine Spuren hinterließ? “So etwas kann doch gar nicht sein... Irgendetwas stimmt hier nicht...” Doch ehe sie sich weiter Gedanken darüber machen konnte, hörte sie ein Geräusch, dass aus der Nähe des Teichs zu ihr herüber drang. Sie zuckte erschrocken zusammen. “Was war denn das?” So schnell sie konnte rannte sie den Gräsern, die den Teich umrandeten, entgegen. Schon als sie noch einige Meter entfernt war, hörte sie etwas im Wasser spritzen. Vorsichtig bog sie die Grashalme auseinander. Als sie sah, was dort im Wasser war, musste sie erst einmal lauthals los lachen. Im Wasser fand sie keinen geringeren als ihren Vater vor. “Papa, was machst du denn da?”, fragte Salvina, die immer noch am Lachen war und die Worte nur mühsam über ihre Lippen brachte. “Eigentlich wollte ich ja nur die Fische füttern, aber wie es aussieht habe ich mich doch kurzfristig zu einem Bad entschlossen...” Erst gab es eine kurze Pause, doch dann fiel auch ihr Vater mit in ihr Gelächter ein und so lachten sie zusammen. Als Salvinas Mutter aus dem Haus kam, hatte Salvina bereits Bauchschmerzen und ihr Vater war tropfend aus dem grünen Wasser geklettert. “Was ist denn hier los?” Völlig entgeistert sah sie zuerst ihren Mann, dann Salvina an. An ihrem Blick konnte man erkennen, dass sie nicht ganz verstand, was hier gerade passiert war. “Mit eiligen Schritten lief sie zu ihrem Mann hinüber. “Du liebe Güte, wie siehst du denn aus?” Erst sah sie besorgt aus, doch als sie endlich verstand, musste auch sie laut lachen. “Wie hast du das nur wieder hin bekommen? Ich dachte, du wolltest nur die Fische füttern?!” Salvinas Mutter wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. So herzlich hatte sie wirklich schon lange nicht mehr gelacht. Auch Salvina ging es jetzt richtig gut. “Ich denke, Papa sollte erst einmal rein gehen und sich umziehen!”, meinte Salvina, nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte. “Und ich denke, dass ich deinem Vater eben Sachen runter hole und er sich dann im Garten umzieht...”, Salvinas Mutter versuchte ganz ernst zu sein, während sie auf die Pfütze hinunter sah, die Tropfen um Tropfen immer größer wurde. Doch kaum blickte sie in das Gesicht ihres Mannes, musste sie auch schon wieder anfangen zu lachen. “Ich glaube dass wird mich noch eine ganze Zeit verfolgen, was?” Ihr Vater seufzte zwar, war jedoch am Grinsen. “Außerdem wäre es mir doch ganz lieb, wenn mir jetzt mal einer von euch ein paar trockene Sachen holt, anstatt sich hier halb Tod zu lachen.” Salvina musste grinsen. “Ich geh schon!” Und damit drehte sie sich um und rannte ins Haus. Die Treppenstufen waren schnell überwunden, die Sachen ihres Vaters schnell gefunden und so war sie nach einigen Minuten schon wieder unten im Garten. “Hier, ich hoffe ich konnte deinen Geschmack treffen!” Sie zwinkerte ihrem Vater zu, als sie ihm die frischen Sachen und ein Handtuch reichte. “Na, schlimmer als jetzt kann ich eh nicht mehr aussehen...” Er blickte an sich hinunter und das vorher Ockerfarbene Hemd hatte nun einen deutlich erkennbaren Grünstich. Doch auch, als er das Hemd, das Salvina ihm gebracht hatte, entfaltete, wurde sein Gesichtsausdruck nicht besser. “War ja klar... Ich hätte dich nicht schicken dürfen, was?” Grinsend sah er auf ein knall buntes Hawaii Hemd hinab. “Aber Papa, du weißt doch, dass ich diese Hemd mag. Sonst hätte ich es dir doch auch nicht zu deinem letzten Geburtstag geschenkt... Leider hast du es nie an, was ich nun hiermit ändern will!” Sie grinste ihren Vater frech an. Nachgebend seufzte ihr Vater. “Na gut... ausnahmsweise. Aber lass dir so was nicht zur Gewohnheit werden, hörst du?” Grinsend strubbelte er durch Salvinas Haare. Er entledigte sich schnell seiner nassen Sachen und trocknete sich ab. Danach schlüpfte er schnell in seine trockenen Kleidungsstücke und sah danach doch mehr oder weniger zufrieden damit aus. “Also ganz ehrlich... ein wenig komisch komme ich mir in diesem Outfit ja schon vor...”, meinte er, als er Salvina und ihrer Mutter ins Haus folgte, wo sie sich schon im Wohnzimmer auf die Couch gesetzt hatten. “Ich weiß gar nicht, was du hast!” Und auch Salvinas Mutter meinte nicht unbedingt, ihren Mann unterstützen zu müssen. “Ich finde, sie hat ganz Recht mit dem, was sie sagt. Das Bunte steht dir doch richtig gut, endlich wirkst du mal nicht so blass!” Sie zwinkerte ihrem Mann zu. “Jetzt fall du mir auch noch in den Rücken...”, murmelte er vor sich hin. Doch er ließ nichts anmerken und wenn er ehrlich war, so schlimm fand er die Sachen gar nicht. Zumindest nicht im Urlaub. Aber was hätte wohl sein Chef dazu gesagt, wenn er morgens in einem derart grellen Hemd zur Arbeit käme? Er verdrängte den Gedanken lieber schnell wieder. Er hatte Urlaub und da wollte er nicht einmal an seine Arbeit denken, er wollte nur seine Ruhe und Zeit für seine Familie haben. Er lief zur Couch, wo Salvina saß und begann sie zu kitzeln. “Das hast du jetzt davon!” Er lachte, als Salvina versuchte sich spielerisch zu wehren. “Das ist unfair, du bist doch viel größer und stärker als ich...”, warf Salvina ihm lachend vor. “Dafür bist du kitzelig und dafür kann ich ja nun wirklich nichts!” Nun mischte sich auch Salvinas Mutter ein, die ihrerseits begann, ihren Mann zu kitzeln. “Von wem kann sie ihre Kitzeligkeit nur haben?” Ihre Stimme hatte einen deutlich hörbaren sarkastischen Unterton in ihrer Stimme. “Ist... ist ja schon gut! Ich ergebe... mich!” Er musste so sehr lachen, dass er kaum zwei Wörter nacheinander sagen konnte. “Na gut, du kommst noch einmal davon!” Sie zwinkerte kurz, dann zog sie sich auf den Platz zurück, den sie vorhin auch schon besetzt hatte. Salvina liebte diese Albereien mit ihren Eltern. Das war es auch, was sie zu hause am meisten vermisste. In solchen Zeiten war sie dann immer froh, wenn ihre Freunde um sie herum waren. Die wussten immer genau, wie sie es schaffen konnten, dass Salvina wieder gute Laune bekam. Ihr Vater setzte sich neben sie auf die Couch. ”Du Verräter, neben dir will ich nicht sitzen!” Lachend stand Salvina auf und setzte sich neben ihre Mutter. “Das hast du nun davon, jetzt musst du ganz einsam und allein da drüben sitzen.” Nun mussten sie wieder alle lachen. Den Rest des Tages verbrachten sie damit, sich gemeinsam Filme anzuschauen und dabei Chips und selbst gemachtes Popcorn zu essen. Als Salvina am Abend in ihr Zimmer kam, war sie wirklich müde. Sie zog sich schnell um und legte sich in ihr Bett. Nicht einmal Zähne putzen konnte sie mehr und so war es auch nicht weiter verwunderlich, dass sie kurz nachdem sie sich hingelegt hatte, auch schon eingeschlafen war. Salvina schlief Traumlos, bis zu dem Zeitpunkt, als sie von einem komischen Geräusch geweckt wurde. Erst konnte Salvina gar nicht sagen, von wo es herkam, doch dann merkte sie, dass diese merkwürdigen Laute durch ihr offenes Fenster zu ihr hinein drangen. Mit einem mulmigen Gefühl zwang sie sich aufzustehen und zum Fenster zu gehen. Sie öffnete es und sofort um wehte sie der kühle, aber sehr erfrischende Nachtwind. Sie blickte die Wand hinab. Doch was sie dort sah, ließ ihr den Atem stocken. Sie blickte geradewegs auf den Schatten! Er versuchte an der Wand empor zu klettern, in direkter Linie zu Salvinas Fenster. ‘Was mach ich denn jetzt?’, schoss es Ihr durch den Kopf. ‘Zuerst das Fenster!’ Mit zitternden Händen schloss sie das Fenster, ehe sie auf den Flur lief, auf dem Weg zu ihren Eltern. “Mama? Papa?” Panik stieg in ihr hoch. “Mama? Papa?” Nun war es kein Rufen mehr, sondern viel mehr ein Kreischen. Dadurch alarmiert, kamen ihr ihre Eltern schon auf dem Flur entgegen. “Was ist denn los?” Besorgt nahm Salvinas Mutter sie in den Arm. Doch so gerne Salvina sich jetzt einfach nur hätte umarmen lassen, es ging nicht und so löste sie sich schnell wieder aus der Umarmung. “Da draußen ist irgendwas, es versucht an der Wand hinauf zu klettern und so in mein Zimmer zu kommen!” Schnell ergriff sie die Hände ihrer Eltern und zog sie hinter sich her. “Los, beeilt euch!” Salvina lief in ihr Zimmer, ließ die Hände ihrer Eltern los und öffnete das Fenster. Doch was sie nun sah, entsprach ganz und gar nicht ihren Erwartungen. Denn das, was sie da unten sah... war schlicht und ergreifend nichts! Kein Schatten! Gar nichts! “Aber....!” Salvinas Eltern, die nun zu ihr ans Fenster getreten waren legten ihre Arme um Salvinas Schultern. “Du hast bestimmt nur schlecht geträumt.” Ihr Vater hatte eine ungewohnt sanfte Stimme. Schon alleine daran merkte sei, dass er tatsächlich dachte, sie hätte das alles nur geträumt. “aber ich habe das nicht geträumt! Da war wirklich etwas!” Verzweifelt sah sie ihre Eltern an. “Wir glauben dir ja. Aber heute können wir eh nichts mehr machen, wer weiß, wo dieses... Etwas hingegangen ist. Wenn du magst, kannst du heute Nacht bei uns schlafen!” Ihre Mutter lächelte ihr aufmunternd zu, doch auch sie glaubte Salvina nicht, dass wusste sie ganz genau. Doch genauso, wie sie das wusste, wusste sie, dass es keinen Zweck haben würde, jetzt mit ihren Eltern zu diskutieren. “Na gut... aber ich schlafe in der Mitte!” Sie rannte vor ins Zimmer ihrer Eltern, schon alleine damit sie nicht den enttäuschten Blick von ihr sehen konnten, dass nicht einmal ihre eigenen Eltern ihr glauben schenkten. Doch auch das war vergessen, als sie endlich alle gemeinsam im Bett lagen und Salvina kurz darauf ein schlief. Am nächsten Morgen öffnete Salvina als erstes das Fenster. Frische, kühle Regenluft wehte ihr entgegen. Ein Blick in die Umgebung verriet, dass es wirklich ganz schön heftig geregnet haben musste. Auf den Straßen hatten sich auf beiden Seiten große Pfützen gebildet und auch der Garten erinnerte durch die ganzen Wasser Ansammlungen eher an ein Moor, als an einen Garten. Der Rasen war schlammig und der Teich war kurz davor über sein Ufer zu treten. Gierig sog Salvina die süßliche Luft ein. Sie liebte Regenluft, vor allem jetzt im Sommer und vor allem jetzt, nachdem die letzten Wochen so heiß gewesen waren. Schon wochenlang vor den Ferien war kein Regen mehr gefallen und dieser Zustand hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gebessert. Salvina lief gleich runter in die Küche. Sie wollte eben ganz kurz frühstücken und danach gleich hinaus, um sich am nassen Niederschlag zu erfreuen. Doch leider hatte sie nicht so ganz mit der Unternehmungslust ihrer Eltern gerechnet. Diese hatten nämlich bereits den ganzen Tag verplant und ließen sich auch nicht mehr davon abbringen, heute erst in ein Museum zu gehen, dann ins Kino und am Abend essen zu gehen. So blieb Salvina nichts anderes übrig, als sich ihrem Schicksal zu ergeben und die Pfützen aus der Ferne zu betrachten. Doch auch dafür blieb ihr so gut wie keine Zeit. Sie musste sich noch fertig machen und zu allem Überfluss auch noch schnell ihr Zimmer ein wenig aufräumen. Salvina hasste es, aufräumen zu müssen, vor allem sah sie da jetzt noch keinen Sinn drin. Ihr Zimmer sah nicht gerade unordentlich aus, zumindest nicht mehr, wie man es halt erwarten konnte, am zweiten Tag der Ankunft am Urlaubsort. Widerwillig begann sie ihre Sachen ein wenig an die Seite zu räumen. Wie gerne wäre sie doch jetzt draußen gewesen! Jetzt noch, am Morgen und nicht am Mittag in brütender Hitze und Schwüle. Sie beschloss ihre Sachen einfach unter das Bett zu schieben und hoffte, ihre Eltern würden nicht auf die Idee kommen, dort nach zuschauen. Dafür blieb aber auch keine Zeit, denn kaum wollte sich Salvina auf ihr Bett setzen und ein paar Seiten lesen, riefen ihr ihre Eltern schon von unten zu, dass sie sich doch bitte ein wenig beeilen sollte und dass sie los wollten. Seufzend stand sie auf. Eigentlich hatte sie ja wirklich keine Lust, aber wann hatte sie mal so viel Zeit, die sie mit ihrer Familie verbringen konnte? Eilig lief sie die Treppe runter. Ihre Eltern warteten schon am Auto. Schnell setzte sich Salvina auf ihren Platz und schnallte sich an. “In was für ein Museum gehen wir heute eigentlich?” Sie konnte den leicht gelangweilten Unterton in ihrer Stimme nicht ganz verbergen. Grinsend sah ihre Mutter zu ihr herüber. “Das könntest du aber ruhig mit etwas mehr Vorfreude sagen, wenn wir deinetwegen schon extra ins Muschelmuseum fahren!” Als Salvina das Wort Muschelmuseum hörte, hatte sie gleich etwas bessere Laune. Sie sammelte Muscheln, aber sie hatte nicht sehr viele, weil sie wirklich nur die behielt, die ihr gefielen. Die anderen verschenkte sie immer an Freunde. Was ihre Freunde wohl gerade machten? Ob es ihnen wohl gut ging? 'Wie komme ich denn jetzt darauf? Warum sollte es ihnen nicht gut gehen? Es ist bestimmt alles in Ordnung!' So ganz sicher war sich Salvina aber nicht und ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit. Ehe sie ergründen konnte, ob dieses ungute Gefühl tatsächlich auf ihrem letzten Gedanken beruhte, oder ob es vielleicht auch mit dem unheimlichen Vorfall der letzten Nacht zusammen hing, waren sie am Ziel angelangt. Der gesamte Tag war für Salvina wirklich schön gewesen, doch als sie am Abend endlich wieder nach Hause kamen, merkte sie doch, wie erschöpft sie war. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihre Eltern fragen sollte, ob sie heute Nacht noch einmal bei ihnen schlafen dürfte, aber den Gedanken verwarf sie so schnell wieder, wie er gekommen war. Ihre Eltern wollten auch ihre Ruhe haben und der Schatten würde mit Sicherheit nicht noch einmal wiederkommen. Zumindest hoffte sie das.... "Ich geh' gleich ins Bett, ich bin zu müde, um noch Fern zu sehen." Ihre Augen reibend stieg sie die Treppe hoch. "Gute Nacht meine Kleine!" Sie mochte es eigentlich nicht, von ihrem Vater "Kleine" genannt zu werden, aber da ihr fast die Augen zufielen, beschloss sie es für heute dabei zu belassen. "Und wenn was ist, dann komm zu uns!" Salvina, die schon vor ihrer Zimmertür stand, rief, dass sie das tun würde und huschte in ihr Zimmer. Die Lampe, die von der Decke hing, tauchte das Zimmer in ein angenehm warmes, gelbes Licht, als Salvina auf den Lichtschalter drückte. Seufzend wollte sie sich aufs Bett fallen lassen, doch beschloss lieber sich gleich um zuziehen, damit sie schnell in ihr warmes Bett kriechen konnte. Das Nachthemd war schnell angezogen, die Sachen, die sie vorher angehabt hatte, wie immer auf dem Boden verteilt. Nach dem Zähne putzen schlug sie die Bettdecke zurück und wollte sich gerade hinlegen, als ihr doch noch ein Gedanke in den Sinn kam. Schnell stand sie auf und ging zum Fenster. Sie ließ ihren Blick kurz über den Garten schweifen. Als ihr nichts besonderes auffiel, überprüfte sie noch einmal, ob das Fenster richtig geschlossen war. Als dies der Fall war, kroch sie beruhigt unter die Bettdecke. Von ihrem Bett aus sah sie noch durch das Fenster und schaute in den Wolken behangenen Nachthimmel hinaus. 'Heute Nacht gibt es bestimmt ein Unwetter, so grau und wolkig wie es draußen ist...' Bei dem Gedanken daran wurde ihr ein wenig mulmig. Sie hatte bei Gewitter zwar keine Angst, aber ganz wohl war ihr trotzdem nie dabei. 'Mit Sicherheit werde ich dann schon schlafen, wenn es anfängt.' Mit diesem Gedanken drehte sie sich vom Fenster weg und rollte sich ein wenig Katzen ähnlich zusammen. Sie lag gerne so, auch wenn es von oben betrachtet mit Sicherheit komisch aussehen musste. Sie schlief fast immer in Positionen, über die ihre Freundinnen immer lachen mussten. Doch auch heute zeigte diese Schlafstellung Wirkung und Salvina döste ein. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, doch wusste sie, dass es noch mitten in der Nacht war, denn als sie die Augen aufschlug war es so schwarz im Zimmer, das man die Hand nicht vor Augen hätte sehen können. 'Wovon bin ich bloß wach geworden?' Doch die Antwort folgte direkt darauf: ein gleißend heller Blitz erleuchtete das Zimmer. Doch was sie direkt über ihrem Kopf sah, ließ ihr Herz für eine Sekunde aussetzen. Das Licht des Blitzes, dass durch das Glas des Fensters drang, fiel auf eine dunkle Gestalt. Der Schatten war hier in ihrem Zimmer und beugte sich über ihr Bett! Salvina schloss vor Panik die Augen. Wie war das möglich? Das Fenster war geschlossen gewesen, und auch alle anderen Türen und Fenster waren verriegelt, wie ist er also ins Haus gekommen? Salvina wagte nicht einmal zu atmen. Immer wieder kam ihr das Bild in den Sinn, wie der Blitz den Raum ein wenig erleuchtete. 'Was soll ich jetzt bloß tun? Ich traue mich nicht einmal die Augen zu öffnen, um zu sehen, ob er noch da ist, oder was er jetzt gerade tut!' Salvina versuchte langsam ein und aus zu atmen, um nicht in eine Stoßatmung zu verfallen, die gleich verraten hätte, das sie wach war. Oder hatte der Schatten dies bereits gemerkt? Salvina lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. 'Das muss alles ein böser Traum sein! Das kann doch unmöglich real sein, was sollte ein Schatten schon von mir wollen? Aber... ist es überhaupt ein Schatten? Oder ist es vielleicht ein Mensch? Wenn ich es mir so überlege... ich habe die Gestalt nie im Licht gesehen. Vielleicht ist es ja auch ein Mensch und deshalb gar nicht gefährlich?' Doch sie traute sich nicht die Augen zu öffnen, um es zu überprüfen. Selbst wenn es ein Mensch war, hieß das noch lange nicht, dass er nichts Böses mit ihr vorhatte. Das Risiko war einfach zu groß. So blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten. Den Atem anhaltend, lauschte sie. Doch sie konnte absolut nichts hören. Was tat der Schatten gerade? 'Was hat er bloß vor? Warum kann ich ihn nicht hören?' Nun begann doch die Neugier über die Angst zu siegen. 'Ich muss einfach wissen, was er gerade tut!' Nach einer Ewigkeit, wie es ihr vor kam, blinzelte sie vorsichtig mit den Augen, bereit sich mit einem erschreckenden Anblick konfrontiert zu sehen. Vorsichtig schlug sie die Augen vollends auf. Und was sie sah... war nichts! In ihrem Zimmer war nichts! Salvina sah sich vorsichtig um. 'Wohin ist der Schatten verschwunden?' Konnte er so einfach verschwinden? Ähnlich, wie er gekommen sein musste? So leise und behutsam, wie es nur irgendwie ging erhob sich Salvina. Ihre nackten Füße berührten den kalten Boden, als sie aufstand. Jetzt hielt sie nicht mehr aus. Sie konnte nicht in diesem Zimmer bleiben! Sie rannte zum Zimmer ihrer Eltern. Dort angekommen klopfte sie nicht wie sonst immer an die Tür, sondern stürmte gleich ins Zimmer hinein. Schlaftrunken sahen sie ihre Eltern an, die schon von Salvinas gepolter wach geworden waren. “Was... ist denn los?” Ihr Vater gähnte herzhaft. “D-da war schon... schon wieder dieser Sch... Schatten!” Salvina nahm gar nicht war, dass sie anfing zu stottern. Sie war immer noch viel zu aufgeregt, um ihre Stimme ruhig halten zu können und so stotterte sie nicht nur, sondern ihre Stimme bebte richtig bei jedem Wort. Besorgt standen ihre Eltern auf. Salvinas Mutter nahm sie in den Arm. “Beruhige dich, mein Schatz, es ist ja alles gut!” Beruhigend sprach sie auf Salvina ein und streichelte ihr sanft über den Rücken. “Komm erst einmal ins Bett.” Ihr Vater schlug die Decken zurück, um ihr Platz zu machen. Salvina setzte sich in die Mitte des Bettes und ihrer Eltern. Schon allein die Nähe zu ihnen beruhigte Salvina ein bisschen. Sie fühlte gleich, dass sie nicht allein war, dass jemand da war und auf sie aufpasste. “Wenn du magst, kannst du natürlich wieder hier bei uns schlafen!” Wortlos nickte Salvina. In ihr Zimmer würde sie nicht mehr gehen, dass wusste sie genau. Und Warum sollte sie auch? Hier, zwischen ihren Eltern, fühlte sie sich sicher und geborgen. Und so kuschelte sich die ganze Familie ins Bett. Die Wärme machte Salvina doch schneller schläfrig, als sie gedacht hatte und so schlief sie trotz dieser unheimlichen Nacht recht bald ein. Als sie am Morgen erwachte, waren ihre Eltern bereits aufgestanden und so fand sich Salvina inmitten von einem Berg aus Decken wieder. "Wie schön kuschelig das doch ist... da möchte ich gar nicht aufstehen!” Salvina streckte sich. Es war wirklich ein schöner Morgen, mit blauem Himmel und auch die Sonne schien jetzt schon durch das kleine Fenster dieses Raumes hinein. ‘Dieser Morgen ist wirklich das konkrete Gegenteil zur letzten Nacht... Und das ist auf jeden Fall auch gut so!’ Einen Moment lang blieb Salvina noch liegen, spürte noch einmal die Wärme, durch die sie heute Nacht so gut hatte schlafen können und stand dann gähnend auf. In ihren etwas zu großen Pantoffeln schlurfte sie durch den Flur. Unten in der Küche angelangt, rieb sie sich müde tapsend den Schlaf aus den Augen. Erst nach einem Glas Orangen Saft war sie richtig wach. Auch für den heutigen Tag hatten ihre Eltern etwas geplant und Salvina war wirklich froh über diese Ablenkung. Kurz darauf kamen ihre Eltern, um sie abzuholen. Als Salvina am Abend zurück kam, fühlte sie sich im Großen und Ganzen zufrieden und entspannt, dennoch kamen ihr den ganzen Tag über immer wieder (wenn auch nur kurz) die Bilder der letzten Nacht in den Sinn. Und auch jetzt kam das Bild wieder hoch. Ihr Magen verkrampfte sich und Übelkeit stieg in ihr hoch. Nicht mehr lange und es wäre bereits wieder spät genug, um ins Bett zu gehen. Daran wollte sie nicht einmal denken. Doch immerhin munterte es sie auf, das ihre Eltern ihr angeboten hatten, dass sie von nun an jede Nacht bis zum Ende des Urlaubs bei ihnen schlafen könnte und sie hatte dankbar angenommen. Salvina beschloss, sich erst einmal ein Bad einzulassen, bevor sie sich dann Bett fertig machen würde. Bis die Wanne voll gelaufen war, schnappte sich Salvina ein Buch, dass sie extra für den Urlaub gekauft hatte und machte sich gleich ans lesen. Sie war so in ihr Buch vertieft, dass sie das laufende Wasser im Badezimmer beinahe vergessen hätte, doch sie erinnerte sich noch rechtzeitig daran und konnte das Wasser abdrehen, bevor es einen Stand erreicht hatte, der die Wanne zum Überlaufen gebracht hätte, sobald Salvina in die Wanne gestiegen wäre. Kurz bevor sie in die Wanne stieg, schüttete sie noch eine Wohlriechende Badeessenz ins heiße Badewasser. Da es eine gefärbte Essenz war, bildete sich sobald sie ins Wasser kam ein rosa farbener Nebel, der sich schnell verbreitete und sich letzten Endes in einem gleichmäßigem, hellem Rosa verlor. Ein sanfter, blumiger Geruch breitete sich zusätzlich im ganzen Raum aus und tauchte das Zimmer in eine angenehme Atmosphäre, die Salvina sogleich ein wenig mehr entspannen ließ. Sie zog ihre Kleidung aus, legte sie beiseite und holte für später schon einmal Handtücher heraus. Langsam stieg sie in die Wanne und spürte, wie die Wärme des Wassers in ihre Glieder kroch und sie ganz leicht werden ließ. Sie schloss ihre Augen und atmete tief ein und aus. ‘Das ist jetzt genau das, was ich gebraucht habe.’ Und tatsächlich musste sie nicht eine Sekunde an den mysteriösen Schatten denken. Stattdessen kamen ihr die bisher verbrachten Stunden mit ihren Eltern in diesem Urlaub in den Sinn. Ja, sie konnte wirklich zufrieden sein. Salvina wäre vermutlich noch eine ganze Weile in Gedanken versunken gewesen, wenn nicht ihre Mutter an die Tür geklopft hätte. “Sali? Bist du immer noch im Bad?” Erschrocken riss Salvina die Augen auf, doch sie beruhigte sich, als sie die Stimme ihrer Mutter erkannt hatte. “Ja, aber ich komme gleich raus, ich hab bloß die Zeit ein wenig vergessen!” Salvina seufzte. “Ist gut. Ich geh dann wieder ins Wohnzimmer.” Salvina wäre gerne noch länger im warmen Wasser geblieben, aber sie musste bereits eine ganze Weile im Bad sein, denn ihre Haut hatte längst Falten geworfen. Sie stieg vorsichtig aus der Wanne, nahm eines der Handtücher, dass sie vorher bereit gelegt hatte und begann sich abzutrocknen. Als sie fertig war, wusch sie noch eben ihre Haare, rubbelte diese ein wenig trocken und ging dann zu ihren Eltern ins Wohnzimmer. “Na, ist das Bad denn jetzt wieder frei?” Ihr Vater grinste sie an. “Ja, aber ob es wirklich betretbar ist, weiß ich nicht, aber du kannst es ja gerne einmal ausprobieren!” Salvina streckte ihrem Vater die Zunge raus. “Na, da du nicht von einem Strom Wasser verfolgt wirst, denke ich mal das alles noch halbwegs in Ordnung ist.” Schelmisch zwinkerte er ihr zu. Sie streckte daraufhin die Nase hoch und setzte sich neben ihre Mutter. Eine Weile saßen sie beieinander, sahen fern und alberten noch ein wenig herum. Doch als ihre Haare endlich trocken genug waren, beschloss Salvina ins Bett zu gehen. Ein wenig mulmig war ihr ja doch... Wie würde die Nacht wohl verlaufen? Doch die Nacht war ruhig, genau wie auch die übrigen Nächte des Urlaubs. Vom Schatten war weder etwas zu hören, noch zu sehen, was für Salvina tagsüber aber auch wirklich schwierig gewesen wäre, da sich Tage auch alle glichen: jeder Tag war voll gestopft mit Unternehmungen. Doch nun war der letzte Tag gekommen und Salvina musste wie schon zwei Wochen zuvor ihren Koffer packen. Doch da sie nun nicht aussuchen musste, was sie einpacken wollte, ging es doch schneller, als Salvina erwartet hatte. Das Aufwendigste war noch, ihre Sachen zusammen zu suchen, die sie im gesamten Haus verstreut hatte. Auf dem Weg, den Koffer zum Auto zu bringen, warf Salvina noch einmal einen Blick in den Garten. ‘Warum musste mir der Schatten unbedingt den Aufenthalt im Garten vermiesen? ich hätte so gerne meine Zeit darin verbracht... wo er doch so schön mystisch wirkt...’ Seufzend trug Salvina den Koffer die letzten Meter und stellte ihn neben das Auto, wo sich bereits die Koffer ihrer Eltern befanden. Wie nach jedem Urlaub fuhren auch sie dieses Mal mit ein wenig mehr Gepäck zurück, eine Folge der Urlaubseinkäufe. "Ich hoffe ja, dass du das auch alles in den Kofferraum bekommst..." Zweifelnd runzelte Salvina die Stirn. Ihr Vater, der gerade damit beschäftigt war, die ersten Gepäckstücke einzuladen, sah auf. "Ach, irgendwie wird das schon gehen!" Doch so ganz zuversichtlich war seine Antwort nicht gewesen und auch der nachdenkliche Blick in Richtung der Koffer sagte nichts anderes aus. "Irgendwie kriege ich das schon hin...", murmelte er vor sich hin. "Ich geh wieder rein und helfe Mama noch ein wenig mit dem putzen des Hauses." Schon drehte sie sich um und um lief ins Haus hinein. Dort schnappte sie sich einen Eimer, machte ihn mit warmen Wasser und etwas Spülmittel voll und schnappte sich einen Lappen. Während sie die Treppe hinauf lief, rief sie ihrer Mutter noch schnell zu, dass sie ihr Zimmer schon mal alleine sauber machen würde. Und auch das ging ziemlich schnell. Das Einzige, was an Schmutz da war, war etwas Staub, der sich in den zwei Wochen angesammelt hatte. Da sie ja kaum daheim gewesen waren, konnten sie auch gar nicht viel Dreck machen. Bereits nach wenigen Minuten war Salvina fertig und beschloss daraufhin, ihrer Mutter noch eben bei den übrigen Zimmern und dem Flur zu helfen. Zu zweit ging es noch um einiges schneller, da sie das Sauber machen geschickt aufgeteilt hatten: Salvina putzte die Schränke ab, ihre Mutter kümmerte sich um den Boden. Letzten Endes waren sie sogar noch etwas vor dem Abreise Termin fertig und mussten deshalb noch auf die Besitzer des Hauses warten, um ihnen den Schlüssel zurück zu geben. Die Sonne brannte vom Himmel und während sie zu dritt im Auto warteten, heizte sich die Luft im Innern des Wagens, trotz offener Türen, immer weiter auf. “Wann kommen sie denn endlich?” Salvina war ungeduldig. Sie wollte endlich los, auch wenn sie das Ferien Haus ganz bestimmt vermissen würde. “Sie müssten jeden Moment kommen, es ist ja auch noch nicht ganz die vereinbarte Zeit.” Ihre Mutter lächelte sie an. Doch Salvina wollte nicht zurück lächeln. Sie wollte jetzt los fahren und endlich in ein paar Stunden mit ihren Freunden über den Urlaub reden. Das war der Plan, doch wie so oft, ging auch dieser Plan nicht so auf, wie gehofft. Erst verspäteten sich die Eigentümer um fast eine Stunde, Dann fuhren sei endlich los und gerieten erst mal in einen langen Stau. Wie lange sie in diesem Stau gestanden hatten, konnte Salvina später, als sie viel später als geplant, endlich zu Hause angekommen waren, nicht mehr sagen. Für sie war es eine Ewigkeit gewesen und sie hatte die ganze Zeit nichts zu tun gehabt. Alle Bücher, die sie jetzt noch hätte lesen wollen, waren leider gut verpackt in einem der Koffer gewesen. Es war unmöglich da dran zu kommen, dass hatte Salvina gewusst. Doch sie hatte nicht mit einem Stau gerechnet. Schon im Auto wäre sie fast eingeschlafen und jetzt, nach ihrer Ankunft, war sie nicht munterer. Es war bereits später Abend geworden und so war es kein Wunder, dass keiner der Familie jetzt noch wirklich Lust hatte, die Koffer alle auszuräumen. So beließen sie es erst einmal dabei, zwei Koffer mit den wichtigste Sachen mit rein zu nehmen und die anderen so bald wie möglich am nächsten Morgen zu holen. Mühsam trug Salvina ihren Koffer in ihr Zimmer. Irgendwie war sie froh, wieder zu Hause zu sein, alleine der gewohnte Geruch sorgte dafür, dass sich Salvina gleich wohl fühlte. Sie öffnete das Fenster, um etwas von der kühlen Abendluft in ihr Zimmer herein zu lassen und machte sich dann fertig fürs Bett. Sie stellte das Fenster auf Kipp und kroch dann ins Bett. Ihre Bettwäsche war so schön kuschelig und da es endlich wieder ihr gewohntes Bett war, dass sie bereits seit einigen Jahren hatte, merkte Salvina nicht einmal, wie sie ein schlief. Ihr Schlaf war zwar ruhig, doch war er von wirren Träumen durchzogen. Als Salvina erwachte war es immer noch Stock finster. Warum sie aufgewacht war, wusste sie nicht, doch ein Blick auf die Uhr verriet ihr zumindest die Uhrzeit. Der neue Tag hatte bereits begonnen, doch es war noch nicht einmal ein Uhr. Salvina schloss kurz die Augen, doch als sie ihre Augen wieder öffnete, bemerkte sie ein schwaches, blaues Leuchten, dass von ihrem Schreibtisch her kam. Es sickerte durch den kleinen Spalt, der sich zwischen dem Tisch und der Oberkante der Schublade befand. Salvina stockte der Atem. Welcher Tag war heute? ‘Heute ist der 5.8. !!!!! Der Tag an dem ich den Brief aufmachen soll!’ Schnell sprang Salvina auf, doch fasste sich und ging langsam auf die Schublade zu, packte den Griff und zog sie auf.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)