Summerjam von LeS ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Strand von Mineralstadt wurde von sanften Wellen geglättet. Seit Tagen überragten diese kaum die 1-Meter-Marke. Es war also eine perfekte Zeit zum Angeln, weswegen auch Jack heute am Pier saß und versuchte, sich eine Forelle zum Abendessen zu fangen. Wenn er nicht schon seit drei Stunden dort gesessen hätte, so hätte er noch immer behauptet, dass Angeln sein liebstes Hobby war. Da diese drei Stunden aber inzwischen verstrichen waren, und er nebst einem löchrigen Stiefel nur schmale Holzstöcke gefangen hatte – davon dann allerdings auch reichlich – war er dessen nicht mehr überzeugt. Seufzend lehnte er sich zurück. Er blinzelte; wie war es möglich, dass er sich anlehnen konnte, wenn doch hinter ihm nichts war? „Hey, Farmerboy!“, begrüßte ihn der braungebrannte Imbissbudenkerl. „Hallo Kai“, sagte Jack. Jetzt spürte er auch, dass er sich an Kais Bein gelehnt hatte. Für einen Holzpflock war die Lehne auch viel zu warm gewesen. „Was machst du denn hier?“ „Ich wohne hier?“ Grinsend ließ er sich neben Jack nieder. Die Schuhe hielt er in der Hand, während er mit dem großen Zeh die Temperatur des Meers testete. „Ziemlich warm.“ Seine Füße steckte er nun ganz ins Wasser. Jack hatte Stiefel an, daher hatte auch er die Füße im Wasser, kam allerdings wesentlich trockener weg. „Natürlich wohnst du hier. Aber ich meinte auch eher, dass der Imbiss doch eigentlich noch aufhaben müsste? Ich bin um elf Uhr hergekommen. Oder hast du deine Mittagspause verlegt?“ Kai zuckte die Achseln. „Ich hab dich hier so alleine sitzen gesehen... die ganzen drei Stunden. Hab gedacht, ich leiste dir mal Gesellschaft, sonst vereinsamst du mir noch.“ Er zwinkerte ihm kurz zu, doch wandte er den Blick schnell wieder aufs Meer. Wann immer Jack ihn draußen am Strand sah, beobachtete Kai das Meer. Nicht dass er es nicht auch mochte, den wogenden Wellen zuzusehen, wie sie ihre Schaumkronen schlugen, aber er konnte sich doch eine bessere Beschäftigung vorstellen. Gerade von Kai hatte er gedacht, dass dieser in seiner Freizeit eher surfen würde als einfach nur die Wellen an seinen Füßen vorbeirauschen zu lassen. „Beim Angeln ist man meistens einsam. Selbst wenn man sich mit wem zum Angeln verabredet. Das ist einfach was, das man nur alleine machen kann.“ „Dann soll ich wieder gehen?“, fragte Kai pikiert. „Dabei hab ich dir superleckere Pizza mitgebracht.“ Jack hob die Augenbrauen. „Ist sie noch warm?“ „Was erwartest du? Der Imbiss ist vielleicht zehn Meter entfernt von hier. Meinst du, ich schockgefriere sie?“ Kai zog die in Butterbrotpapier eingewickelte Minipizza aus seiner Umhängetasche. Popuri hatte sie ihm anfangs des Sommers geschenkt, was man der Tasche auch ansah. Eine riesige Blume war auf die Vorderseite gestickt. „Extra für mich würdest du es sicher tun, oder?“, scherzte Jack, bevor er das Papier ein Stück herunterzog und einen kräftigen Bissen nahm. Thunfisch. Woher hatte Kai nur immer die ganzen Zutaten? Vor allem so gut schmeckende. Kai rollte mit den Augen. „Klaro, was erwartest du denn.“ Er strich über die Umhängetasche. Sie war typisch Popuri. Was im Großen und Ganzen bedeutete, sie war pink. „Werdet ihr bald heiraten?“, fragte Jack, und versuchte dabei den leisen Neid in der Stimme mit Schmatzen zu verstecken. Dass sich Kai und Popuri blind verstanden, und das schon seit Jahren, beeindruckte ihn zutiefst. Er selbst hatte noch zu keiner Person so eine Bindung aufbauen können, auch wenn er und Stu sich gelegentlich rein mit Blicken unterhielten, wenn er mal wieder ein Insekt mit nach Hause gebracht hatte. Inzwischen, anders als vor ein paar Jahren noch, nicht mehr um Elli zu erschrecken (zumindest war das nicht der Hauptgrund), sondern weil er Insekten studierte. Kai schien überrumpelt von dieser Frage. Nicht nur, weil er sich an seiner Limo verschluckte, sondern auch weil er Jack ansah, als hätte ihn dieser gefragt, wie Käse vom Mond schmecke. „Ich hab tatsächlich ein Auge auf einen Mineralstädter geworfen. Ist aber nicht Popuri.“ Jack wurde hellhörig. „Wer denn dann? Popuri mag dich auf jeden Fall sehr.“ „Sie ist auch verdammt süß, und falls ich diese andere Person nicht ins Bett kriege...“ Sein Gesicht brannte vor Scham. Dieses Thema hatte er bisher nur einmal angeschnitten, und das war versehentlich gewesen, als er weinend seiner Mutter berichtet hatte, sein Pipi wäre zu Kleber geworden. Es war im Nachhinein klar, dass man den Kleber Sperma nannte, und dieses nicht so gut zum Kleben geeignet war wie ebensolcher. Seit diesem für ihn äußerst peinlichen Tag vermied er alles, was mit Sexualität zu tun hatte, geflissentlich. Was auch hieß, dass er spät abends nicht in die Bar gehen durfte. Dort unterhielten sich die Männer des Dorfes liebend gerne über nichts anderes. Selbst wenn Karen da war, schreckten sie nicht davor zurück, über (ausbleibende) Orgasmen ihrer Frauen zu diskutieren. „Hast du Fieber, sag mal!?“, riss Kai ihn aus seinen Tagträumen. Benommen wandte er sich ihm zu. „Mir geht’s prima.“ Er räusperte sich, was die Gesichtsröte leider nicht entfernte. „Über wen sprichst du denn nun?“ Kai drehte seine Limoflasche zu und leckte sich die letzten Safttropfen von den Lippen. „Wenn du schon so fragst, kann ich es dir ja sagen: Du.“ „Sehr witzig, Kai. Jetzt sag schon. Ist es Karen?“ Solche Scherze hatte er noch nie besonders leiden können. Sogar vor dem Klebertag waren sie ihm schon ein Dorn im Auge gewesen. Gerade wenn sie ihn involvierten. „Karen? Wie kommst du denn auf die. Rick ist doch mit ihr zusammen. Du kriegst aber auch gar nichts mit, echt.“ Jack zog die Angelschnur ein. Selbst wenn jetzt etwas anbeißen würde, dieses Gespräch irritierte ihn zu sehr, als dass er etwas zu fangen im Stande gewesen wäre. „Ein paar meiner Kühe wurden krank. Ich hatte nicht so viel Zeit, um oft in die Stadt zu gehen. Heute ist das erste Mal seit Wochen, dass ich mir einen freien Tag genommen habe.“ Kai schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter, ließ die Hand dann aber weniger freundschaftlich in seinem Nacken liegen. Die Haare stellten sich ihm auf. „Du armer Kerl“, sagte Kai und kraulte ihn dabei, „bist ja auch ganz verspannt. Soll ich dich ein wenig massieren?“ Jack schluckte und zog den Hals ein. Davon ließ sich Kai aber nicht vertreiben. Anstatt dessen passte die Hand sich an und fuhr in sein Haar. Er stöhnte erschrocken, bevor er darüber nachdenken konnte, dass das zu diesem Zeitpunkt einen falschen Eindruck erwecken konnte. Kai grinste ihn breit an. „Oder soll ich dir auf andere Weise etwas Druck nehmen?“ Langsam rutschte er näher, bis sie Bein-an-Bein saßen. „Ähm. Die Pizza reicht mir fürs Erste. Danke.“ Weg konnte er nicht. Noch ein paar Zentimeter weiter links, und er saß im Meer. Also blieb er an Ort und Stelle sitzen, auch wenn er eine Hand im Nacken hatte, und eine andere sein Kinn packte. Kai zog sein Gesicht zu sich. „Pizza ist toll, aber Verspannungen löst sie nicht, mein Lieber.“ „Schön und gut, Kai“, sagte er, wobei er versuchte nicht zu stark zu zittern, „aber ich denke dennoch, dass es jetzt schon zu spät ist. Ich muss wirklich zurück zur Farm.“ „Spielverderber“, nörgelte Kai, auch wenn er weiterhin grinste. „Aber wenn du sagst, dass es jetzt schlecht ist – warum dann nicht ein andermal?“ Jetzt berührten seine Lippen schon Jacks Wangen. „Ich muss nach meinen Kühen sehen. Immer!“ Mit einem Satz stand er. Die Ausrede war keine besonders gute, aber wenn er noch etwas mehr sähen würde, dann wäre es tatsächlich wahr, dass er keine Zeit für solche Spielchen hatte. „Na wenn du meinst.“ Kai stand ebenfalls auf und packte ihn am Handgelenk. „Aber so leicht gebe ich nicht auf.“ „Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Kai. Lass mich jetzt bitte los, ich muss noch meine Angelsachen zusammenpacken.“ Er versuchte nett zu lächeln, allerdings war das gar nicht so leicht, als Kai sich auch noch gegen ihn drückte. Hielt er nicht dagegen, würde er vom Pier fallen. Soviel war klar. Er war fast schon erleichtert, als Kai einen Arm um ihn legte und ihn festhielt. Wenigstens war die Gefahr geringer, im Wasser zu landen. „Warum lädst du mich eigentlich nicht zum Abendessen zu dir ein, wo ich dir heute mit der Pizza so entgegengekommen bin?“ „Weil ich... nichts da habe?“, versuchte Jack sich herauszureden. Innerlich schalt er sich für eine weitere dumme Ausrede. Er war Bauer, natürlich hatte er etwas zu essen da. Kai fixierte ihn skeptisch dreinblickend. „Klar, deine Ernte haben die Wichtel gefressen. Schau, ich komm jetzt einfach mit dir mit. Weil, irgendwer muss dir ja tragen helfen, ne?“ „Du akzeptierst kein Nein von mir? Na schön, dann trag bitte ... alles.“ „Kein Problem. Bin ja ein starker Mann. Aber das wirst du heute Nacht nicht nur sehen, sondern auch spüren können“, gab Kai süffisant von sich. Wieso ein einzelner Mensch über so viel Selbstbewusstsein verfügte, wusste Jack nicht. Nur, dass er sich irgendwie aus der Misere befreien musste. Stellte sich die Frage, wie er das angehen sollte. Kai würde sich wohl kaum herauskomplimentieren lassen. „Keine Sorge, wehtun werde ich dir nicht.“ Jack stand mit offenem Mund da, während Kai schon Richtung Rosenplatz lief. Er musste einfach einen Weg finden, aus der Sache wieder rauszukommen. * „So, da wären wir. Wo soll ich den Kram abstellen?“, fragte Kai, als er die Angelutensilien schon längst in der Werkzeugkiste verstaut hatte. „Sind dir doch etwas zu schwer geworden, hm?“ Er musste schmunzeln. Das stand er sich zu, auch wenn ihm gar nicht nach guter Laune zumute war. Kai gab einen gedehnten „Pft“-Laut von sich. „Zu schwer nicht, aber ich hätte schon lieber was Knackigeres in der Hand gehabt.“ Er kiekste lauthals, als er Kais Hand auf seinem Hintern spürte. Was hieß schon auf? Sie vergrub sich quasi in seiner Haut. „Verdammt, Kai!!“ „’tschuldigung, bin wohl ausgerutscht.“ „Das ist eine ohnehin schon schlechte Ausrede. Sie wird nicht besser, wenn du die Hand nicht wegnimmst“, sagte Jack und kniff die Augen zusammen. Er bog seinen Rumpf nach vorne, um Kais Hand zu entkommen. Doch Kai packte nur noch fester zu und schlang einen Arm um des Farmers Hüften. Das wurde ja immer schöner. Kai lehnte den Kopf auf Jacks Schultern und hauchte über seinen Nacken. Die Haare stellten sich ihm auf. „Gut, wenn du eh weißt, dass es nur ne Ausrede war... dann kann ich die Hand ja auch da lassen.“ Jack zappelte, um seinem Unmut Luft zu machen. Auf diese Weise stotterte er wenigstens nicht. „Nein, ich denke, das kannst du nicht“, sagte er, und wie erwartet ziemlich zittrig. „So ein süßes Ding, noch ganz verschüchtert.“ Kai presste sich an Jack heran. „Armes jungfräuliches Burgfräulein. Na ja, Farmfräulein. Bäuerlein. Wie auch immer. Lecker auf alle Fälle.“ Jack schnaufte, zappelte weiter und schaffte es tatsächlich, sich aus Kais Klammergriff zu befreien. Lieber später denn nie. „Wir werden jetzt etwas essen...“ „Hört sich gut an!“, flötete Kai. „... und dann verschwindest du von hier. Ist mir egal, ob dich die wilden Hunde fressen.“ Jack rümpfte die Nase. Kai rollte mit den Augen und lachte, als hätte er plötzlich Schluckauf bekommen. Offensichtlich versuchte er, sein Prusten zu unterdrücken. Jack verschränkte die Arme vor der Brust. „Setz dich da hin. Ich hole was zu essen. Hab noch Auflauf von gestern.“ „Du kannst Auflauf machen?“, fragte Kai nach, während er die Stühle interessiert musterte. Es war nicht schwer zu erkennen, wo Jack normalerweise saß. Er hatte ein Sitzkissen auf den harten Holzstuhl gelegt. Kai suchte sich den Platz gegenüber Jack aus, auch wenn das hieß, dass er ihn in der Küche nicht beobachten konnte. Jack war darüber eher erleichtert. Er packte den Auflauf aus der Alufolie, öffnete die Mikrowelle und setzte die halbvolle Schale hinein. Für ihn alleine hätte das noch drei Tage gereicht. Wie er Kai kannte, müsste er sich morgen wieder etwas neues kochen. Kai war zwar schlank und muskulös, verschlang aber mehr als der Richter des Kochfestes. Jack lehnte sich an die Borde der Küchenschränke. „Wie läuft das Geschäft denn sonst so? Abgesehen davon, dass du kostenfreie Pizzas verteilst und deine Stammkunden sexuell belästigst?“ „Hehe, der war gut, Jack“, meinte Kai gackernd, den Zeigefinger erhoben in der Luft wackelnd. „Wirklich gut. Wusste gar nicht, dass du so bärbeißig sein kannst.“ „Es gibt einige Dinge, die du nicht über mich weißt. Die dich auch gar nichts angehen.“ Die Mikrowelle gab ihren üblichen kratzigen Pfeifton von sich. Der Teleshop war auch nicht mehr das Wahre, dachte Jack seufzend. Sein Kühlschrank fiepte ja seit längerer Zeit so laut, dass er nachts nicht mehr richtig schlafen konnte. Er hatte schon überlegt, in den Kuhstall zu ziehen. Doch selbst für ihn als Bauer war der Gestank zu stark gewesen. „Das riecht ja gut!“ Kai stieß einen lauten Pfiff aus. Gabel und Messer hatte er schon in den Händen, als Jack den Auflauf auf dem Tisch abstellte. Sein Teller war schnell voll. Wie üblich, wenn Kai aß, brachte er die ersten fünf Minuten damit zu, die Ingredienzien auseinander zu nehmen. Auf der rechten Seite des Tellers lagen die Nudeln, auf der linken das Gemüse, und in der Mitte lag die Käsekruste. Saft schöpfte er sich aus der Auflaufform nach. Jack betrachtete das Ganze erwartungsvoll. Nach – und er hatte auf seine nigelnagelneue Wanduhr geschaut – geschlagenen sieben Minuten war Kai zufrieden mit seinem Teller und schob die Auflaufform zu Jack. „Danke“, murmelte er und füllte sich seinen Teller ebenfalls auf. Allerdings weitaus schneller. Als Farmer hatte er nicht den ganzen Tag Zeit, sich mit der Nahrungsaufnahme zu beschäftigen. Kai konnte den ganzen Tag über etwas essen, wenn er wollte. Allzu viele Kunden hatte er nie, und da in den letzten Jahren einige Leute in die nächstgrößere Stadt gezogen waren, konnte er die meiste Zeit des Tages über faulenzen. Jack hatte mehr als einmal mitbekommen, dass Kai absichtlich zu große Pizzen gebacken hatte, um den Rest am Schluss selbst essen zu können. Nur als scherzeshalber Ann eine Pizza bei ihm gegessen hatte, um „mal zu sehen, ob der Kerl konkurrenzfähig ist“, und sie auch komplett verschlang, musste er ohne Abendbrot auskommen. Er hatte sich bei Jack darüber ausgeheult. Schlussendlich hatte er Erbarmen gezeigt und ihm ein Ei geschenkt, das er eigentlich hatte Popuri schenken wollen. Das Omelett hatten sie zusammen gegessen. Dass sie jetzt wieder zusammen aßen, fand Jack nett. Dass sich die Umstände so stark geändert hatten, allerdings eher weniger. Kai warf ihm immer wieder Blicke zu, die Jack geflissentlich ignorierte. Wie Kai es schaffte, gleichzeitig Unmengen an viel zu heißem Auflauf in sich hineinzuschütten, und ihn anzustarren, war Jack ein Rätsel. Irgendwann baute er eine Verteidigung auf – er starrte zurück. Seinen Kopf auf den Arm gestützt kaute er vor sich hin. Kai wurde unter Jacks intensivem Blick rot, und konzentrierte sich endlich darauf, den Teller leer zu essen. Alsbald war nicht mehr viel übrig. Die Käsereste pickte er auf und knabberte genüsslich daran. Sie knackten nicht mehr so schön, wie bei einem frischen Auflauf, schmeckten aber immer noch wunderbar würzig. Die Idee einen Kräutergarten anzubauen, hatte er nicht selbst gehabt. Kai hatte ihm dazu geraten. Seit einem Jahr pflegte und hegte er die Pflanzen, später würde er sie verkaufen. Im nächsten Sommer auch an Kai, der sie dann für seine Pizzen oder Nudelgerichte verwenden konnte. In Windeseile hatte sich herumgesprochen, dass es beim Farmer demnächst Kräuter gäbe. Seitdem kamen fast jeden Tag die Mädchen der Stadt zu ihm, um Kräuter abzuholen. Wenn sie besonders süß schauten, erwischte sich Jack öfter dabei, dass er ihnen die Büschel umsonst mitgab, obwohl eigentlich noch nicht genug gewachsen waren, um sie herzuschenken. Kai bekam sie natürlich auch für lau. Immerhin hatte er die Idee gehabt, wir er nur zu gerne betonte. „Das war echt total lecker!“ Kai rieb sich den vollen Bauch. Er öffnete den obersten Knopf seiner Hose. Erleichtert atmete er aus. Es schien ihm tatsächlich gut geschmeckt zu haben. Jetzt würde sich Jack wenigstens nicht mehr von ihm aufziehen lassen müssen, von wegen, Bauern könnten sowieso nicht kochen. Ha! Nichts als Vorurteile. Jack rollte den Kopf von links nach rechts. Es knackste drei Mal. „Dankeschön. Viel kann ich in meiner Freizeit nicht machen, viel davon habe ich schließlich nicht. Kochen und Angeln, mhm.“ „Du wärst ne super Hausfrau!“, sagte Kai grinsend. „Echt mal, so gut kochen kann nicht mal Ann. Hast ja sogar dieses Jahr beim Kochfestival gegen sie gewonnen, ne? Hat sie mir erzählt.“ Jack biss die Wangenhaut zwischen seinen Zähnen ein. „Für einen Bauer ist es kein Kompliment, wenn man eine gute Hausfrau wäre. Aber ja, ich habe zwei Jahre in Folge gewonnen.“ „Sei ma’ nicht so altmodisch.“ Kai zwinkerte ihm zu. Das sagte ja gerade der Richtige. „Ich bin nicht altmodisch!“ Kai rückte näher an ihn heran, Jack rückte weiter weg. Da stand an seiner Hose nichts raus, oder?! Dabei war er so nah dran gewesen, das Thema vergessen zu machen. „Du hast keinen Ständer, oder?“ Kai blinzelte. „Hm, als Besitzer eines kleinen Restaurants wäre es schlecht, wenn ich keinen hätte. Wohin sollten die Kunden ihre Mäntel hängen? Obwohl... ich bin nur im Sommer da, und wenn’s regnet kommt eh keiner...“ „Ich meinte eher den Ständer deiner... Apotheke.“ Kai sah beiläufig an sich herunter. „Ach ja. Der ist aber auch ziemlich praktisch.“ „So groß, dass man ne Jacke dran aufhängen könnte, ist er allerdings kaum.“ Jack hob skeptisch eine Augenbraue. „Hey, jetzt stell nicht auch noch Ansprüche. Du willst es doch sowieso nicht. Zumindest tust du so. Eigentlich ist dir ganz heiß. Deine Ohren sind schon rot. So schön weich und warm.“ Kai leckte über die obere Hälfte von Jacks Ohrmuschel. Warum dieser sich nicht rührte, war ihm selbst nicht klar. Schock? Möglicherweise. Panik? Auf alle Fälle! „I... I... I...“ „I-Ah? Du hast einen Esel?“, neckte Kai ihn, während er Jacks Nacken, direkt unterhalb des Ohrläppchens, küsste. Er drückte seine Zunge in die weiche Haut. Jack schnappte nach Luft. „Ich finde das überhaupt nicht gut, was du hier machst!“ „Also, noch mache ich gar nichts.“ Jack prustete verhalten. „Du leckst mich ab wie eine Katze ihre Jungen – nur bist du keine Katze, du bist ein Kerl!“ „So was heißt Kater.“ „Nicht mal das bist du!“ Jack jagte von seinem Stuhl, als Kai gerade seinen Kopf zu einem Kuss näher ziehen wollte. Das weit aufgerissene Maul dieses Moby-Dick-Verschnitts würde ihn noch in seinen schlimmsten Alpträumen verfolgen. Nun gut, es war nicht weit aufgerissen gewesen, sondern Kai hatte die Lippen geschürzt. Dennoch war der Anblick nicht der beruhigendste gewesen. Keuchend presste sich Jack an die Wand. Kai saß noch immer seelenruhig auf seinem Stuhl. Er hatte sich zurückgelehnt und grinste. „Pass auf. Wir regeln das jetzt wie zwei Erwachsene.“ Falscher Anfang, schalt sich Jack. „Oh, wirklich?“ Kai leckte sich über die Lippen. Er stand auf, knöpfte sein Hemd auf und ließ es zu Boden fallen. Seine muskulöse, schokoladig-braune Brust wurde entblößt. Jack schluckte schwer. „Nicht so erwachsen.“ Kai kam näher. Näher, und irgendwann viel zu nahe. „Ich meine es ernst, Kai!“ „Oh, ich auch. Sogar sehr.“ Er ließ seine Finger über die sich schnell einziehende Brust Jacks gleiten. Knopf für Knopf öffnete er das weiße Hemd, unter dem sich eine auch braune, aber nicht so dunkle Haut befand. Auch Muskeln, aber stärker ausgeprägt als bei Kai. Natürlich, er arbeitete ja auch schwerer, während Kai den ganzen Tag nur herumsaß. Jack packte Kai an den Schultern. Er musste sich jetzt zusammenreißen. Wenn er es nicht tat, wie sollte Kai es bewerkstelligen können, endlich von dieser dämlichen Idee abzulassen? „Kai, wir werden nicht... nein. Einfach nein, verstehst du? Mehr gibt es dazu nämlich nicht zu sagen.“ „Ich denke schon. Immerhin bin ich nicht mehr der Einzige mit Ständer.“ Kai packte Jack unsanft in den Schritt. „Oh – oh!“ Jack ließ für den Moment einer Schrecksekunde seine Selbstachtung gehen und stöhnte. Abgehackt, da ihn sein Fehler schon im nächsten Moment wie eine Hornisse ins Auge stach. „KEIN SEX!“ Kai lachte herzhaft. „Das war sehr klar ausgedrückt, Jackie-poo. Aber wie oft du das auch sagen magst, dein Körper sagt was ganz anderes – so klischeehaft das auch ist. Ist ja nicht meine Schuld, dass du ein einziges Klischee bist.“ „Ich bin kein einziges Klischee, nur weil ich keinen Sex will, aber trotzdem einen Ständer kriege, wenn... wenn... ach, ich weiß auch nicht!“ „Wenn ich heißer Kerl mich vor dir entkleide?“ Kai ging einen Schritt zurück, nestelte an seiner Hose, und zog sie mit einem gekonnten Ruck herunter. Komplett nackt stand er vor Jack, die Arme ausgebreitet als wolle er noch extra betonen, was für ein Prachtkerl er doch war. Jack schlug sich beide Hände vors Gesicht. „Das ist ein schlechter Traum, das ist ein schlechter Traum. Ich sehe keinen splitterfasernackten Kai in meiner Wohnung stehen. Dieser splitternackte Kai nutzt es auch gerade nicht aus, dass ich nichts sehe, um mich – ...“ Doch, er hatte es ausgenutzt. Und Jack öffnete den Mund wie in Trance. Es war schon lange her, dass er eine Zunge im Mund gehabt hatte. Eine menschliche zumindest, Rinderzunge hatte er erst letztes Wochenende bei seinen Eltern gehabt. Geistesgegenwärtig packte er Kai fest an den Schultern, als dieser ihn hochhob und zum Bett balancierte, während sie sich weiter küssten. Kais schneller Atem schlug ihm ein ums andere Mal in den Rachen. Die Kräuter konnte man noch gut herausschmecken. Ob er wirklich auch Rosmarin reingepackt hatte, darüber konnte Jack nur spekulieren. Später, wenn er Kai rausgeworfen hatte, würde sich das rausfinden lassen. Mit einem heftigen Ruck krachte Kai auf den Boden. „Verdammich!“ Irritiert sah er auf. „Was soll denn das jetzt? Auf einmal!?“ „Nicht auf einmal. Ich hab von Anfang an gesagt, dass du mich nicht ins Bett kriegen wirst. Für einen Moment mag ich schwach geworden sein, aber das heißt nicht, dass ich meine Besinnung für die nächsten paar Stunden verloren hätte.“ Kai setzte sich wieder auf und legte den Kopf auf die Knie. Er atmete einmal seufzend gen Boden aus, ehe er sich darauf besann, Jack in die Augen zu schauen. „Fein.“ „Mehr hast du nicht dazu zu sagen!?“, sagte Jack, stand auf, packte Kai an der Schulter und stieß ihn zurück. „Was soll das heißen, ‚fein’ – du spielst nicht Schwarzer Peter, du pokerst! Wenn du einen Einsatz machst, verlierst du etwas mehr als dumm dazustehen!“ Kai schien einen Moment darüber nachzudenken. Nicht allzu lange, denn sein Stoß traf Jack unvorbereitet. Er ließ sich nach Luft schnappend zurück auf die Matratze fallen. „Ich weiß. Ich verliere mein Gesicht. Dich als Freund, und die Mädels als Fans. Aber ich habe auch ein Motto, und ich lebe nun mal danach. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich hatte gedacht, heute wäre ein Tag, an dem man etwas wagt“, er verschränkte die Arme vor der Brust, „aber ich hab mich geirrt. Das kann selbst einem wie mir mal passieren, weißt du!“ Jack schluckte das heraufkrabbelnde Gefühl und den Drang, sich zu entschuldigen, herunter. Kai hatte so endgültig geklungen... „Meinetwegen. Ich hatte nur nicht vermutet, dass du dich so leicht von deinem Ziel abbringen lässt“, sagte er, den schmerzenden Rücken an die Wand gelehnt. Er hätte doch auf seine Mutter hören und die weiche Matratze von zuhause mitnehmen sollen. Für diese Einsicht war es nun schon ein paar Jahre zu spät. Kai rollte mit den Augen. „Soll ich dich mit Gewalt nehmen?“ „Es ist nicht so, als ob ich mich nicht wehren könnte. Ich bin Farmer. Kühe sind weitaus stärker als du, mein Lieber.“ Er grinste verschlagen. „Unterschätz mich nicht.“ Kai saß verloren vor Jacks Bett und starrte lippenkauend das Leintuch nieder. „Tu ich nicht, mein Liebster.“ „Schön, schön, schön.“ „Und du beklagst dich bei mir wegen einem ‚fein’? Dir geht’s doch zu gut“, murmelte Kai. Er hatte gerade eine Staubmaus gefunden und pustete sie über die Bettkante, als Jack ihn bei den Armen packte und hochzog. „Ich hab mich umentschieden. Nicht gänzlich, aber wenigstens dafür, dass du vorerst am Leben bleiben darfst.“ Kais Arme klebten an seinem Körper, sobald Jack sie losgelassen hatte. „Es ist kalt draußen, und die Wildhunde heulen schon. Du darfst heute hier übernachten.“ „Das ist sehr groß-... zügig“, endete Kai seinen Satz mit angewinkelten Augenbrauen. Jack musterte ihn skeptisch. „Ich kann dir noch einen Schlafanzug geben, aber du kannst auch nackt schlafen.“ „Wie kommst du darauf, dass ich nackt schlafen möchte?“ „Es würde zu dir passen. Auf alle Fälle, im Schrank findest du alles, was du brauchst.“ Jack grinste und schob Kai auf die Bettkante, die er gerade noch halbherzig vom Staub gesäubert hatte. „Leg dich hin. Ich muss noch die Kühe melken.“ „Was? Jetzt noch?“ Kai rollte sich zur Seite um die Digitaluhr besser sehen zu können. Zehn Uhr spätabends. Er schüttelte sich. „Kann das nicht warten?“ „Ich hätte sie schon längst das zweite Mal melken sollen. Aber wenn du gerne in wenigen Stunden von lautem Muhen geweckt werden möchtest, kann ich es auch lassen.“ „Nee, schon gut“, sagte Kai langgezogen. „Geh halt.“ „Kai – wehe, du holst dir einen in meinem Bett runter.“ Jack winkte noch ein letztes Mal augenzwinkernd und schloss die Tür hinter sich. Die Kühe erwarteten ihn schon freudig. Er wurde beinahe von ihnen erdrückt, als er den Stall betrat. Die Kälbchen lagen teils schlicht desinteressiert, teils schlafend in den Ecken wo mehr Heu aufgehäuft war, doch die Mütter der Kleinen scharten sich um ihn, muhten und suchten in seinen Taschen nach etwas Essbarem. Wenigstens hatte er seinen Rucksack nicht mehr auf. Ihm war schon öfter ein Apfel stibitzt worden. Zunächst hatte er Won verdächtigt, aber eines Tages hatte er Luna, seine zweitälteste Kuh erwischt, wie sie den Apfel schmatzend verschlang. Er hatte sich bei Won entschuldigen müssen, wofür der ihm einen extragünstigen Super-Spezial-Frutti-Apfel angedreht hatte. Nur siebenhundert Goldstücke. Einmalige Gelegenheit. Das dämliche Grinsen hätte er ihm zu gerne aus dem Gesicht gewischt. Als junger Bauer war er noch auf diese Tricks reingefallen, doch schon nach dem ersten Jahr war ihm klar gewesen, dass diese Spezialäpfel gar nicht so speziell waren. Seitdem hatte Won mit den verschiedensten Mitteln versucht, ihn noch mal zum Kauf eines Spezialapfels zu animieren. Schlussendlich hatte Jack sich selbst in die Lage hineingeritten, musste in den sauren Apfel beißen und die Katze im Sack kaufen, obwohl diese schon den Kopf herausstreckte. Wenigstens war der Spezialapfel nicht wirklich sauer gewesen. Gedankenverloren starrte er die Milch an. Sie war abgekühlt vom Metall des Gefäßes, roch aber noch immer himmlisch frisch. Obwohl er frische Milch gerne verwandte, trank er sie nicht so gerne wie die übrigen Bewohner von Mineral Town, allen voran Kai. Was ihn schmerzlich daran erinnerte, dass eben jener in seinem Bett lag, womöglich noch immer nackt. Jack schüttelte schnell den Kopf. Nein, wenn er nach Kais Reaktion von vorhin ging, dann hatte dieser nicht die Angewohnheit, nackt zu schlafen und hätte sich einen Schlafanzug aus dem Schrank besorgt. Es bestand also kein Grund zur Sorge. Er schüttete den Rest eines Milchkrugs in eine Glasflasche, verschraubte sie und ging zurück. Vorsichtig öffnete er die Tür. Immerhin konnte Kai schon längst eingeschlafen sein, und er wollte ihn um keinen Preis wecken. „Da bist du ja wieder“, sagte Kai trocken. Er sah gar nicht auf, sondern starrte weiter die Decke an. Wenigstens war er nicht mehr nackt. Jack seufzte und stellte die Flasche mit Milch auf dem Nachttischchen ab. „Ich hatte ja gedacht, du würdest schon schlafen.“ Kai fixierte die Milch. „Kann ich einen Schluck haben?“ „Dafür hab ich sie ja gebracht. Soll ich sie warm machen? Sie stand schon ein Weilchen.“ „Nee, geht schon“, sagte Kai achselzuckend und griff nach der Flasche. Mit einem „Plopp!“ war sie offen. Er nahm einen kräftigen Schluck. „Ich liebe frische Milch.“ „Ich weiß.“ „Sie erinnert mich immer an –“, Jack stieß ihm unsanft in die Rippen, „Hey! Ich wollte keinen unanständigen Witz machen.“ „Das kann man nachher immer sagen.“ Grinsend löschte er das Licht. „Die Nachttischlampe reicht dir ja, oder?“ „Zum Trinken, oder hast du noch ein Kreuzworträtsel?“, feixte Kai zurück. Ein weißer Milchbart lag um seine braunroten Lippen. Jack streckte ihm die Zunge heraus. „Ich kann nichts an diesen Rätseln finden. Nicht mehr, früher hab ich sie gern gemacht. Zusammen mit meiner Mutter.“ Er kletterte über Kais Beine und legte sich neben ihn. Das Haus war ausgebaut, und Gotz hatte ihm gleich ein Doppelbett dazuspendiert. Es war ausreichend Platz vorhanden für zwei Personen. Jedoch nicht soviel, dass man sich nicht mehr berührte. „Aber jetzt hab ich keine Zeit mehr, sie ganz zu lösen.“ „Also mir macht das nix, solange ich das Lösungswort hab“, sagte Kai. Er schleckte sich den Milchbart weg. Zumindest den Großteil. An den Ecken hatte er nicht alles erwischt, doch das schien er entweder gar nicht zu bemerken, oder es störte ihn einfach nicht. „Du schickst die Lösungen ein?“, fragte Jack schläfrig. Er zog sich die Decke mehr über den Körper und zog die Beine an. „Mach ich nie“, fügte er mit geschlossenen Augen hinzu. „Dass du mir immer noch so viel Vertrauen schenkst“, murmelte Kai und stellte die Flasche auf dem Tischchen ab. Er hatte sie zur Hälfte leergetrunken. „Licht aus?“ „Licht ab“, seufzte Jack. „Und du willst dich gar nicht ausziehen?“ „Das erledigst du früher oder später für mich.“ „Von wegen Vertrauen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)