After Death von Faenwulf ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Derjenige, der diese Zeilen liest, kann davon ausgehen, dass ich bereits tot bin. Die letzten Monate waren die schlimmsten meines Lebens... Oder besser gesagt: die schlimmsten der Menschheit. Ich weiß nicht, wie viele da draußen noch leben, aber ich kann die Zahl auf zumindest dreiunddreißig hoch zählen. Ein Witz von dem, was mal gelebt hat, wenn ihr mich fragt. Wir schreiben heute den vierzehnten August zweitausendsieben. Ich befinde mich derzeit in einer Totenstadt namens Dortmund. Ich wohne zusammen mit den zweiunddreißig anderen in einer Lagerhalle. Andauernd hört man draußen Gewehrsalven und man kann nur hoffen, dass bei der all abendlichen Volkszählung alle da sind, die da sein sollten. Leider ist dies eher die Ausnahme. Wir haben zwar klein angefangen, doch nach kurzer Zeit zählten wir bereits über dreihundert. Zu dieser Zeit kamen wir in einem Militärstützpunkt unter, bevor wir von ihnen überrannt wurden. Wir hatten zwar die Zäune verstärkt, doch es waren halt nur Zäune. Bei diesem Vorfall sank unsere Zahl auf weniger als die Hälfte. Keiner von uns weiß, woher sie kamen, doch plötzlich waren sie da. Und ihre Zahl stieg explosionsartig. Alle haben in etwa das gleiche durch gemacht, wie ich. Nur hatte ich von vorne rein einen kleinen Vorteil. Sein Name war Mike und er hat blitzschnell reagiert. Zumindest so schnell, wie man nur reagieren konnte. Er hat das Untergehen der Menschheit sehr früh erkannt, doch statt in Panik zu fallen und in Angst unter zu gehen, nahm er die Zügel in die Hand und rettete das Leben von fast allen, die ihm wichtig waren. Die Polizei und das Militär waren zu sehr damit beschäftigt, gegen sie zu kämpfen, anstatt uns zu evakuieren. Und wohin denn auch evakuieren? Sie sind ja schließlich überall! Zu dieser Zeit gab es noch Strom und das Internet. Ich kannte Mike schon seit einigen Jahren und wir waren sehr eng befreundet. Allerdings lebte er in einer Stadt, die für einen führerscheinlosen Auszubildenden wie mich nur selten zu besuchen war. Er wohnte in Kevelaer, ich in Tönisvorst. Das sind ca. 40km. Aber soweit die Strecke auch sein mochte, wir sahen uns regelmäßig und sonst hielten wir engen Kontakt über das Internet. Damals zu agieren, ließ uns noch relativ offene Hand. Die ersten Tage, nachdem es anfing, dachte man, dass es wieder vorbei gehen würde. Mit dem was ich heute weiß, kann ich sagen, dass der anfängliche Hoffnungsfunken in einem Ozean ertränkt wurde. Ein Ozean voller Blut. Mein Name ist David Golsteyn und dies ist meine Geschichte. Kapitel 1: Der Anfang --------------------- Leben und Sterben, so heißt es, sind zwei Dinge, die jeder Mensch einmal tun muss. Das trifft für jeden Menschen zu. Sobald er lebt, sein Herz innerhalb des Mutterleibs also anfängt zu schlagen, steht bereits fest, dass er sterben muss. Nicht sofort, das will ich nicht sagen, aber irgendwann ist der Tag gekommen, an dem er sein Leben abtreten muss. Mein eigenes Leben war eher von der Routine bestimmt. Ich hatte noch nicht viel erlebt und würde auf meinem Totenbett nicht sagen können: »Ja, ich habe gelebt!« Allerdings ist das wohl gemerkt Ansichtssache. Zwar hatte ich viele Freunde, einen sicheren Job und sonst alles was man sich so wünschen könnte, aber nichts besonderes, was man mal jemandem erzählen könnte. Mich zog es in die Welt hinaus. Ich wohnte in einer kleinen Wohnung am Rande des Stadtzentrums einer kleinen Stadt. Sie war so klein, dass die meisten Läden dort schon um halb sieben ihre Pforten schlossen. Der Name der Stadt war Tönisvorst. Ich bin dort geboren und habe da ungefähr die Hälfte meines Lebens verbracht. Die andere Hälfte war eher auf dem Land. Das war eine schlimme Zeit. Wenn ein Stadtmensch irgendeine seltsame Angewohnheit oder einen seltsamen Kleidungsstil hat, ist das hier normal. Auf dem Lande, wo es eh nicht so viele Menschen gibt, zeigen die Leute mit dem Finger hinter einem her. Allen Widrigkeiten entgegen habe ich es trotzdem geschafft Freunde zu finden. Sehr gute Freunde, wovon ich heute weiß, dass jeder einzelne von ihnen alles aufbringen würde um mich aus einer gefährlichen Lage rauszuholen. Für diese Menschen würde ich mein Leben riskieren, wenn es darauf ankommt. Es war Ende April und ich hatte Urlaub. Eine willkommene Abwechslung zu meinem Alltag, der wirklich nicht viel Freizeit offen ließ. Ich machte mich kurz vor neun Uhr morgens auf dem Weg zu meiner Arbeit und kehrte meist erst nach Mitternacht zurück. Meinen Mitbewohner, der vor ein paar Wochen bei mir eingezogen war, sah ich nicht mehr als eine Stunde am Tag. Das war vielleicht auch gut so, denn wir lebten auf wirklich engem Raum zusammen und wenn wir uns täglich für eine längere Zeit sehen, weiß ich nicht, ob das nicht irgendwann in Streit enden würde. Jan und ich saßen an unseren Rechnern. Er war vor zwei oder drei Stunden nach Hause gekommen, als alles Anfing. Ein lauter Knall zerfetzte die Luft. Ich schrak auf. Weder wusste ich, was es gewesen sein konnte, noch woher es kam. Ein zweiter und dritter Knall ertönten. Ich bekam leichte Panik. »Jan?« fragte ich. Keine Reaktion. »Ey, Jan!« Ich drehte mich um und blickte zu Jan. Dieser hatte seine Kopfhörer aufgesetzt hörte Musik. Als er meinen Blick bemerkte, zog es sie ab. »Hast du das gerade gehört?« »Nein, was denn?« »Drei laute Geräusche. Fast wie Schüsse.« »Ach, quatsch!« Er zog sein Headset wieder auf. Ich war nicht so cool und gelassen, wie er. Er allerdings hatte auch keine Schüsse gehört. Ich stieg auf meinen Sessel, der direkt unter meinem Dachfenster stand und öffnete es. Als ich aus dem geöffneten Fenster blickte, traf mich der Schlag. Auf dem Friedhof auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren zwei Personen zu sehen. Anhand ihrer Uniform konnte ich leicht erkennen, dass es sich um Polizisten handeln musste. Zwei Menschen taumelten auf einen der Polizisten zu, der Andere krümmte sich auf dem Boden und hielt seinen Arm fest. Ein kurzer Blick über den Friedhof jagte mir Angst ein. Eine Hand voll Menschen lagen auf dem Boden, zwei davon waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Sie sahen aus, wie von wilden Tieren attackiert. Ich blickte zurück zu den taumelnden Menschen. Sie sahen wirklich nicht gut aus. Der noch stehende Polizist hielt seine Waffe auf die Beiden gerichtet. Hatte er vielleicht abgefeuert? Ich wusste es nicht. Als die betreffenden Personen näher auf ihn zukamen, schoss er. Ich zuckte zusammen. Das war mein erster Mord, den ich sah. Ein zweiter, ein dritter und ein vierter Schuss ertönten. Hinter mir bemerkte ich eine Bewegung. Jan war aufgesprungen und zum Sessel geeilt. Wir schauten nun gemeinsam aus dem Fenster. »Was ist da los?« fragte Jan »Der Bulle da ballert auf die zwei Besoffenen.« Nachdem ich diesen Satz ausgesprochen hatte, wusste ich, dass er nicht stimmen konnte. Die scheinbar Betrunkenen waren nicht Betrunken. Betrunkene Menschen kippen nämlich um, wenn man vier Mal auf sie schießt. Oder rennen weg, wenn sie nicht getroffen wurden. Jedenfalls liefen sie weiter auf den Polizisten zu, bis dieser sein ganzes Magazin leer feuerte und einer der beiden zu Boden ging. Ich schluckte. Wie viele Kugeln verträgt so ein Mensch? Er hatte ein gutes Duzend kassiert. Ich hatte es nie live miterlebt und zweifelte ein wenig an den Medien, wo manche schon nach einem Schuss sterben. Der Polizist brüllte den zweiten an und versuchte in windes Eile seine Pistole nachzuladen. Allerdings war es zu spät. Der Zweite packte sich den Polizisten und biss ihn in seine Schulter. Ich traute meinen Augen nicht. Ein unbewaffneter Mann biss gerade einem Polizisten in die Schulter. Dieser schrie auf, riss sich los und rannte ein kurzes Stück weg, um nachzuladen und sein gesamtes Magazin vor lauter Panik in die Beine des Mannes zu feuern. Der Mann kippte nach einem halben Duzend Kugeln nach Hinten um und blieb regungslos auf dem Boden liegen. »Fuck, was ist da los?« fragte ich Jan war kreidebleich und außer Stande darauf zu antworten. Er ging zu seiner Couch und setzte sich mit aschfahlem Gesicht hin. »Was ist los mit dir?« »Hast du dir mal angeschaut, wie die beiden aussahen?« Ich blickte aus dem Fenster. Die beiden Betrunkenen sahen aus als seien sie tot. Nun, das würden sie nun sein, aber sie sahen aus, als wären sie es bereits einen Tag oder länger. Die nächsten Minuten waren nur teilweise vorhersehbar. Zwar trafen Krankenwagen aus dem nahe gelegenen Krankenhaus ein, um die Verletzten und Toten einzusammeln, allerdings war der zweite Betrunkene nicht tot. Vier Polizisten hatten große Mühe den Mann festzuhalten. Seine Beine waren praktisch nutzlos, doch der Rest seines Körpers nicht. »Jan!« schrie ich, »Guck dir das an! Schnell!« Jan sprang auf und rannte zum Sessel und somit auch zum Fenster. Der Mann hat mit allen Mitteln versucht die Polizisten zu attackieren. Und einmal gelang es ihm sogar, sich aus dem Griff zu losen und das Bein von einem Polizisten zu packen und ihm ein großes Stück Fleisch aus der Wade zu reißen. Der Polizist schrie auf und stürzte nach hinten weg zu Boden. Unter Schmerzen umklammerte er sein Bein und die Rettungskräfte waren sofort zur Stelle um es zu behandeln. Schließlich gelang es den verbleibenden drei Polizisten den Mann unter großen Mühen zu fesseln und zu knebeln. Mit dem Krankenwagen und den drei Polizisten im Schlepptau wurde der Mann dann weggefahren. Der vierte Polizist wurde vom Notarzt mit ins nicht weit entfernte Krankenhaus mitgenommen. Das Spektakel war vorüber. Jan und ich setzten uns hin und starrten einander an. »Scheiße!« fluchte ich »Mhh?« »Ich habe ein scheiße mieses Gefühl bei der Sache.« »Wer hätte das nicht? Das war das reinste Massaker!« Er hatte recht. Ich begann zu realisieren. Was da eben passiert war, passte einfach nicht zu dem, was in einer kleinen Stadt passieren sollte. Das schlimmste Verbrechen hier war einmal ein Mord, doch im Vergleich zu dem, was da draußen gerade passiert war, glich dieser Mord damals wie zarte Streicheleinheiten. Ich musste wieder an den Anblick der beiden Menschen und an den des Friedhofes denken. Panik kroch meinen Hals hinauf. Die Betrunkenen sahen aus, als wären sie tot, konnten sich dafür aber noch gut bewegen, auch wenn’s sehr grobmotorisch war. Der Rest vom Friedhof sah aus, als wäre ein Rudel Wölfe über ein halbes Duzend Menschen hergefallen. Ein paar waren regelrecht zerfetzt. Und dann das Verhalten der Betrunkenen. Sie bissen die Polizisten und ließen sich nicht so leicht erschießen. Der eine lebte sogar noch, als er weggefahren wurde. Kann das denn möglich sein? Ich atmete schwerer und die immer größer werdende Panik ließen mich nicht mehr richtig konzentrieren. Immer wieder kam ich aufs gleiche, unrealistische Ergebnis hinaus und das machte mir die größte Angst. Ich wollte um alles in der Welt weg. »Jan?« »Ja?« bemerkte er knapp. Ein Blick verriet mir, dass auch er ziemlich blass ist. »Wann fährst du nach Uedem?« »Ich wollte heute Abend...« »Vergiss es, wir fahren jetzt gleich. Ich komm mit!« unterbrach ich ihn. »Warum?« »Weil ich etwas Abwechslung brauch!« Dieser Satz verließ meinen Mund mit mehr Panik, als ich eigentlich preisgeben wollte. »Dave, was ist los mit dir?« fragte Jan. Man konnte seiner Stimme entnehmen, dass er sich sorgte. Es machte keinen Sinn mehr zu Pokern, ich musste mit offenen Karten spielen: »Alter! Weißt du, was da gerade draußen los war?« »Ein paar Irre sind durchgedreht. Irgendwelche Junkies mit einer neuen Droge und Alk.« »Irre!« Ich unterbrach kurz um mich zu sammeln: »Irre sterben, wenn man auf sie schießt. Irre versuchen nicht andere Menschen zu beißen, wenn sie keine Beine mehr haben. Irre fressen keine Menschen!« »Da hat überhaupt niemand irgendwen gefressen.« »Jan!« ich begann zu verzweifeln. So ruhig und gelassen konnte doch niemand in einer solchen Situation ausharren. »Hast du das nicht gesehen? Der Friedhof sah aus, als wäre ein Rudel Raubtiere drüber hergefallen!« »Und weiter?« Ich wollte ausrasten. »Die beiden Dinger da draußen haben das gemacht! Sie haben ja auch die Polizisten versucht zu fressen!« »Das waren Menschen, keine Dinger.« »Wann hast du das letzte Mal einen Menschen gesehen, der so aussieht wie die da und nicht verreckt, wenn man auf sie ballert?« »Ich habe überhaupt noch nie gesehen, wie jemand auf irgendwen ballert.« »Sie waren tot! Du hast mich selbst auf das Aussehen der beiden aufmerksam gemacht! Den Typen, dem sie die Beine weggeschossen haben, konnte gar nicht dran sterben, weil er bereits tot war, als sie ihm weggeballert wurden.« »Du guckst zuviel Fernsehen.« »Jan!« Mein Entschluss stand fest. Weg hier, mit oder ohne ihn. »Entweder wir fahren jetzt zusammen weg oder ich fahr allein! Mir ist das scheiß egal!« »Wo willst du denn hin?« »Ist mir auch scheiß egal. Nur weg von dem Friedhof und am Besten raus aus der Stadt!« »Nun reg dich mal ab. Ich frag Andi mal kurz, ob er da ist.« »Einfach nur weg, ist das so schwer?« »Wird schon nichts schlimmes sein! Wir fahren ja gleich!« Das genügte mir. Hauptsache weg und selbst wenn er erst in zwanzig Minuten fährt, wäre es bestimmt immer noch schneller, als wenn ich allein losziehe. Ich entschloss mich, mich reisefertig zu machen. Ich ging also ins Bad. Dort sprang ich kurz unter die Dusche und wieder raus. Inzwischen war Jan am telefonieren. Aber das bekam ich nur so beiläufig mit, wie ein Radio, das auf der Arbeit läuft. Ich versuchte alles einzupacken, was ich für einen Tag brauche. Einschließlich Schlafsack, denn ich würde wohl die Nacht über woanders schlafen. »Was machst du da?« fragte Jan »Sachen packen!« »Aber doch nicht in meinen Rucksack!« »Das ist der größte und wir können auf dem Motorrad nur einen mitnehmen.« »Da kommt aber das Notebook rein.« »Das kann ja wohl einen Tag hier bleiben, oder?« Das gefiel Jan ganz und gar nicht. Er wollte sein Notebook mitnehmen, allerdings war es zu groß für sein Topcase. Nach einem kurzen Streit hab ich der Schnelligkeit halber nachgegeben. Normalerweise würde ich so etwas niemals tun. Ich war stur wie ein Esel in solchen Dingen, aber ich hatte eine Todesangst, auch wenn ich sie versucht habe zu verbergen. So kam es dazu, dass ich unter seinem großen Treckingrucksack noch meinen kleinen Rucksack mit dem Notebook und seinen Kabeln tragen sollte. Voll bepackt bis unter beide Arme verließen wir das Haus. Unten angekommen schloss ich die Türe und Jan ging um die Ecke zu seinem Motorrad. Er befestigte das Topcase und ich klappte in der Zwischenzeit die Beifahrerpedale aus. Danach stellte ich mich auf den Bürgersteig und blickte besorgt Richtung Friedhof. Alles war still. Nichts hätte den Anschein erwecken können, dass vor kurzer Zeit ein richtiges Schlachtfeld dort drüben war. Jan schob gerade seine Maschine rückwärts die Auffahrt hinunter, als ich hinter mir ein schlürfen bemerkte. Ich drehte mich um. Der Mann, der auf uns zuschlürfte, war ca. eins achtzig groß und hatte dunkle Haare. Sein T-Shirt war von oben bis unten mit Blut überströmt. Er hatte eine Bisswunde am Hals, die Quelle des Blutes, und sein Blick war leer. Sofort bekam ich Panik. »Schmeiß die Maschine an, wir müssen weg!« schrie ich. »Was los?« »Einer dieser lebenden Toten!« ich brüllte regelrecht. »Was?« »In Gottes Namen, mach hinne!« Jan rannte nunmehr mit der Maschine die auffahrt runter. Er bockte sie auf und ließ den Motor starten. Doch es war zu spät. Der Tote hatte mich bereits gesehen und wollte mein Fleisch. Tausend Möglichkeiten schossen mir durch den Kopf, doch ich nahm instinktiv die, die jeder in dieser Situation nehmen würde. Die Flucht. Ich rannte vom Motorrad weg auf die andere Straßenseite und der Tote drehte sich zu mir um und torkelte stöhnend mir nach. Auf halber Strecke blieb er stehen und drehte sich zu Jan. Ich musste ihn warnen. Besser noch, ich musste uns beide hier rausholen. »Jan!« schrie ich, »Fahr bis zur Kreuzung! Ich renn dir nach und spring drauf!« Er zeigte mit dem Daumen nach oben und fuhr weg. Gerade noch rechtzeitig, denn der Tote hatte das Motorrad schon erreicht, griff aber dennoch ins Leere. Er stolperte ein wenig und drehte sich dann wieder zu mir um. Er stöhnte ein weiteres Mal und lief wieder in meine Richtung. Diesmal allerdings nicht so langsam, wie zuvor. Ihm ist schon zwei Mal seine Beute entkommen. Diesmal hatte er eine normale Schrittgeschwindigkeit an den Tag gelegt. Mir gefror das Blut in den Adern und erst kurz bevor er bei mir war konnte ich mich aus meiner Starre lösen und rannte Richtung Kreuzung. Zwischen Friedhofsmauer und parkenden Autos rannte ich wie der der Teufel. Jan wartete an der Kreuzung und starrte auf das eine Ende des Friedhofes. Ich schaute auch in diese Richtung und was ich dort sah, war so ziemlich das ekeligste, was ich jemals erblickt hatte. Einer dieser Menschen fressenden Bastarde war über einen Passanten hergefallen und hatte ihn scheinbar getötet und kaute jetzt hockend an einem Bein seines Opfers rum. Das Bein allerdings war nicht mehr am Körper dran. Er hatte es abgebissen oder abgerissen. Als mich plötzlich etwas neben mir ankreischte, versuchte ich krampfhaft nicht drauf zu achten, konnte es aber dennoch nicht unterlassen einen kurzen Blick zu riskieren. Im vorbeirennen erkannte ich nicht viel, und ich wollte auch nicht stehen bleiben, um mir das anzuschauen. Es war scheinbar eine Frau, die an einem Menschen rumnagte. Zumindest der Schrei klang ganz nach einer Frau. Als ich beim Rennen über meine Schulter blickte, konnte ich sehen, wie der Kofferraum des Autos offen stand. Sie wird wohl einen Menschen beim Parken überrascht haben und jetzt auf ihn rumkauen. Schließlich erreichte ich Jan und sein Motorrad. Ich stützte mich auf die Beifahrerpedale ab und schwang mich hoch. Jan hatte große Mühe das Motorrad auf den Rädern zu halten, als ich dies tat. »Fahr los! Ich will hier weg!« »Denkste ich nicht?« raunte er mich an und zog an seinem Gashebel. Ich blickte zurück und bemerkte, dass der erste Tote bei der Frau hängen blieb und sie sich ihr Mahl teilten. Der andere war immer noch mit seinem Bein beschäftigt, als wir außer Sichtweite fuhren. Wir waren der Hölle entkommen... dachten wir zumindest. Kapitel 2: Eine Epidemie apokalyptischen Ausmaßes ------------------------------------------------- Die Fahrt auf dem Motorrad verlief einigermaßen ruhig, zumindest für den Fahrstil von Jan. Wir haben ganze Autokolonnen überholt, was mit so einer Kiste natürlich wesentlich einfacher ist als mit einem Auto. An einer Tankstelle in Kerken hielten wir an um uns mit kleinen Snacks zu stärken. Trotz der warmen Frühlingsluft fror ich. Das lag nicht an der Fahrt, sondern eher daran, dass mir der Schrecken immer noch zu tief in den Knochen steckte. »Wohin fahren wir nun?«, fragte ich mit vollem Mund. »Ich weiß nicht? Nach Uedem zu meiner Mutter und warten, bis sich das in Tönisvorst gelegt hat?« »Meinst du denn, das legt sich? Die werden die Stadt höchst wahrscheinlich abriegeln.« »Ist schwer zu sagen. Wenn's so was wie eine Krankheit ist, wird es eine Quarantäne geben.« »Von abermillionen Städten, wieso ausgerechnet meine?« Das war weniger eine ernst gemeinte Frage. Vielmehr jagte mir der Gedanke an Jans Aussage einen viel zu großen Schrecken ein, als dass ich auf seinen Satz irgendetwas Gescheites hätte antworten können. »Alter? Was ist denn da los?«, fragte Jan unvermittelt und starrte die Straße Richtung Stadtinneres entlang. Ich bekam sofort ein wenig Panik und versucht das auszumachen, was er sehen konnte. »Was denn?«, fragte ich ungeduldig. »Hörst du das denn nicht?« Ich konnte nichts Ungewöhnliches hören. Allerdings waren meine Ohren auch nicht halb so gut wie Jans. Manchmal hört er das Licht in einer Mehrfachsteckdose leuchten und kann nicht schlafen, bis der Kippschalter umgelegt ist. »Nein, was denn?« »Sirenen. Bestimmt ein halbes Duzend. Rettungswagen oder Polizei, vielleicht beides.« Wenige Sekunden später konnte ich sie auch hören und nicht einmal eine Minute später fuhren drei Rettungswagen und zwei Streifenwagen mit wahnsinniger Geschwindigkeit an uns vorbei. Den apokalyptischen Gedanken, den ich gerade in meinem Kopf formen wollte, ging durch Jans Geschrei verloren: »Aufsteigen! Sofort!« Ich sprang sofort auf das Motorrad und Jan fuhr in einem Affenzahn hinter dem Einsatzkommando hinterher. Da die ein wenig Probleme mit dem Verkehr hatten und Jan scheinbar nicht, gelang es uns mit zu halten. Wir fuhren zwar nicht wie die besenkten Säue, wegen den Polizisten, allerdings konnte man auch gut ohne Sichtkontakt hinter ihnen her fahren. Laut genug waren sie ja. Bei der nächsten Stadt, Geldern, bogen sie rechts rein und fuhren durch. Dadurch dass Jan und ich mehrere Jahre in Geldern zur Schule gingen, ohne uns jemals getroffen zu haben, kannten wir uns ein wenig aus. Jan realisierte allerdings früher als ich, wo sie hinfuhren. Das konnte man sehr gut daran erkennen, dass er eine andere, weniger befahrene Parallelstrecke verwendete. Ihr Ziel war der Friedhof und wir trafen vielleicht zwei oder drei Minuten nach ihnen ein. Der Anblick kam mir auf eine abartige und schockierende Weise seltsam vertraut vor. Der städtische Friedhof war gar kein Friedhof mehr. Eher ein Schauplatz eines Krieges. Mehrere Menschenfresser haben wohl eine kleine Gemeinschaft während einer Beerdigung attackiert. Das war zumindest mein Gedanke, denn es gab viel zu viele Leichen und schwer Verletzte in schwarzen Anzügen oder Kleidern. Überall war Blut. Gedärme und Gliedmaßen lagen wild verstreut in einer Art abstrakter Kunst auf Gräbern und Fußwegen am Rande des Friedhofes. Ein Blick weiter in den Friedhof rein verriet mir, dass das nur die Spitze des Eisberges war. Die Polizisten, wahrscheinlich alle mobilisierten in Geldern und Umgebung, hatten fatale Schwierigkeiten gegen mehr als ein duzend Angreifer zu kämpfen. Überall hörte man Schreie und Schüsse. Der Anblick war schlichtweg entsetzend. Plötzlich fuhr Jan ohne ersichtlichen Grund los. Das war mir auch nur recht, denn wer weiß, was alles hätte passieren können, wenn wir dort geblieben wären. Und so richtig Lust auf Bisswunden oder fehlende Gliedmaßen hatte ich nicht wirklich. Jan fuhr mit höllischem Risiko aber nahezu perfekt über die Straßen. Manchmal fehlten nach einem Überholmanöver nur wenige Zentimeter um ein für alle Mal das Zeitliche zu segnen. Das war mir allerdings ziemlich egal. Noch immer verfolgten mich die Bilder in Tönisvorst und Geldern. Noch immer begriff ich nicht, was da vor sich ging. Lebende Leichen kehren von den Toten zurück und fallen die Lebenden an? Das klang für mich alles andere als real. Als Jan nach einer Weile anhielt und den Motor abschaltete, schaute ich mich um. Wir waren in Kevelaer. Einer kleinen Stadt am Niederrhein, unweit von Geldern entfernt. Hier kannte ich mich einigermaßen gut aus, denn viele meiner Freunde wohnten hier und ein Blick genügte um zu sagen, welchen davon ich gleich Treffen würde. Wir stiegen ab und ich ging schon mal durch den Vorgarten des Mehrfamilienhauses. Blind drückte ich auf die Klingel mit der Aufschrift Lepper. Wenige Sekunden Wartezeit später erklang eine vertraute Stimme: »Ja bitte?« »Hallo Luka! Dave und Jan hier, ist Michi da?« Nach einem knappen »Ja!« summte die Tür und ich drückte sie auf. Das Treppenhaus kam mir unendlich lang vor, obwohl sich das Ziel nur im zweiten Stockwerk befand. In der Türe stand Michael Lepper, von seinen Freunden immer nur Mike genannt. Er blickte mich fragend an, wirkte aber auch ein wenig überrascht bei meinem Anblick. Einen Augenblick später bemerkte ich, wie er scheinbar durch mich durch schaute und Jan fokussierte. Ich ignorierte ihn völlig und ging direkt durch in sein Zimmer, legte den Helm auf sein Hochbett, streifte die Rucksäcke ab, zog die Jacke aus und fläzte mich auf den Zweisitzer um starr geradeaus zu blicken. Jan setzte sich neben mich. Tönisvorst und Geldern. Zwei Städte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, hatten jetzt eine Gemeinsamkeit. Der Friedhof war ein Massaker. Was, wenn das Phänomen nicht nur in Tönisvorst und Geldern stattfindet, sondern in weiteren Städten am Niederrhein. Oder gar in ganz Nordrhein-Westfalen? Plötzlich riss mich Kälte aus meiner Trance. Jan neben mir fing auch sofort an zu fluchen. Mike hatte scheinbar mit einem Glas Wasser uns beide zurück auf Erden geholt. Ich blickte ihn verwirrt und wütend zugleich an. »Alter? Die Fahrt kann doch nicht so schlimm gewesen sein!«, sagte Mike, mit leicht zynischem Blick. »Dieser Höllenritt war ein Scheißdreck, Mike!«, entgegnete ich. »Eh? Was is'n los?« Jan übernahm: »Leichen. Wir haben Leichen gesehen.« »Tja, leben und sterben sind zwei Dinge, die jeder Mensch einmal tun muss.« »Aber danach aufstehen?«, fragte ich. »Und die Bevölkerung angreifen?«, fuhr Jan fort. »Menschen beißen?« »Und sie essen?« Einige endlos wirkende Sekunden starrte Mike uns an. In seinem Blick erkannte ich alles und doch nichts. Ein Teil Angst, ein Teil Verwirrung, Ungläubigkeit und Unverständnis gepaart mit dem Ansatz, das als Scherz zu begreifen. Schließlich sagte er nur: »Was?« Jan und ich begannen ihm das erlebte zu schildern. Die Schüsse in Tönisvorst, diese lebenden Leichen, wie hartnäckig sie sind und wie die beiden Friedhöfe aussahen. Zu meiner Überraschung zog Jan sein Handy aus der Tasche und zeigte Mike ein Video von Geldern. Ich selbst hatte nicht mitbekommen, dass er es aufgenommen hat, allerdings war das das fehlende Etwas um Mike klar zu machen, dass es alles echt ist. »Scheiße, wartet mal!«, sagte Mike Er setzte sich an seinen Rechner und durchforstete das Internet. Nach wenigen Minuten hatte er eine Newsmeldung vom gestrigen Abend. Es war eine amerikanische Seite und dort stand etwas über das plötzliche Auftreten einer Kannibalismus Sekte in über fünfzig Städten der Vereinigten Staaten. Allerdings war diese Meldung schon älter als achtzehn Stunden. Des weiteren stand dort, dass die meisten Angriffe blutig niedergemetzelt wurden und dass das jetzt von Politkern stark kritisiert wird. Links zu anderen News zeigten, dass es bislang nicht mehr nur diese Städte waren, sondern mittlerweile auf dem ganzen Planeten aufgetaucht ist. Man solle doch Ruhe bewahren und die Militärkräfte hätten alles im Griff. Bei den Kommentaren erzählte ein User davon, dass Detroit komplett abgeschottet wurde und den ganzen Tag irgendwelche Schüsse auf der Straße fallen. Er selbst traue sich nicht aus dem Haus. Mike, der selbst mal beim Militär war, wusste darauf fast nichts mehr zu sagen, deshalb begann ich damit: »Mike! Das ist ein ernst zu nehmendes Problem.« »Das ist eine Sekte, sie wird sicher wieder zerschlagen werden, Dave!«, sagte er. »Nein Mike! Das ganz und gar nicht!«, warf Jan ein, »Das sind keine Menschen, was da auf uns zukam.« »Was soll das sonst sein?« »Wie wir schon gesagt haben... lebende Leichen!« »Ok... Sagen wir einfach, dass ich euch Glauben schenke. Was sollen wir eurer Meinung nach tun?« »Nun,«, fing ich an, »sie sind scheinbar gegen Schmerz jeglicher Art immun. Der eine Polizist hat ewig lange auf sie geschossen. Aber sie sind nicht unsterblich, beziehungsweise kann man sie töten! Ich weiß noch nicht wie, aber es ist machbar. Und sie haben uns zum fressen gern,«, ich staunte selbst über meinen Humor in einer solchen Situation, »deshalb sind unsere Freunde akut in Gefahr.« »Mike, er hat Recht!« »Unsere Freunde, ja. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, wie wir sie davon überzeugen, dass da ein Unheil auf uns zukommt.« Nach kurzer Überlegungszeit fiel Jan ein: »Ich hätte da eine Idee.« »Und die wäre?«, Mike schien interessiert zu sein. »Nun ja, fünfundneunzig Prozent unserer Freunde sind sehr stark im Internet vertreten. Den Rest müssen wir so überzeugen.« »Du willst ihnen also schreiben, was du erlebt hast und dann einfach mal drauf hoffen, dass sie uns glauben schenken?« »Ja und nein. Wir werden ihnen schreiben, was wir erlebt haben und dann einfach mal ein Video mitschicken.« »Ein Video?« »Ja... Ok, wo ist hier in Kevelaer der Friedhof?« »Bei David« »Fuck!«, mischte ich mich ein »Dann ist David in noch größerer Gefahr als der Rest!« Natürlich war ein andere David gemeint. Er war zwei Jahre älter als ich und von Beruf Maler. Um uns in Gesprächen auseinander zu halten, nannte man mich meist Dave und den anderen David. »Ok! Ihr beide evakuiert sofort David und macht das Video am Friedhof. Er soll hier hinkommen und je nach Lage mit etwas Gepäck oder eben nicht. Ne Waffe würde sich vielleicht gut machen, zur Not tut's wahrscheinlich auch ein Spaten.« »Spaten?«, fragte ich. »Spaten! Baseballschläger! Irgendwas, was besser ist als ne Faust!« »Ok, alles klar! Und was machst du in der Zeit?« fragte ich Mike »Ich schreibe den Text für die anderen und bereite alles drauf vor. Suche vor allem meinen Bluetooth Dongel für das Video und warne David vor.« »Assi! Aber nun gut, einer muss es ja machen. Hast du ein Glück hier Hausrecht zu haben. Der Friedhof, wo genau ist der?« »Alles klar... Der kleine Park gegenüber seinem Haus? Erinnerst du dich?« »Ja, sicher... Da waren wir Silvester...« »Und genau da hinter. Der Park ist gut belebt, hat aber auch einige Deckungsmöglichkeiten. Also haltet bitte die Augen offen.« »Ich werde mich hüten es nicht zu tun. Wenn wir uns nicht mehr sehen, viel Glück!«, ich umarmte Mike »Wir werden uns wieder sehen. Entweder hier oder in der Hölle in die ich beim Racheversuch fahre!« Wenige Sekunden später befand ich mich auf dem Motorrad mit Jan zusammen Richtung David. Ich hatte mein Headset auf und war schon am telefonieren. »Ich versteh dich kein Stück! Wo bist du?«, sagte die mir sehr gut vertraute Frauenstimme, die ich, anders als sie, sehr gut verstehen konnte. »Auf dem Motorrad!«, schrie ich und versuchte die Hand schützend vors Mikro zu halten, »Frag bitte nicht nach, aber fahr sofort ins Ruhrgebiet zu irgendeinem, den du kennst! Und nimm deine Eltern mit, wenn sie nicht wollen, lass sie zurück! Es geht um Leben und Tod!« »Hast du getrunken?« »Nein verdammt! Ich hab's dir doch schon erklärt! Überall weltweit steigen Leichen aus den Gräbern und greifen die Lebenden an! Ich will, dass wir alle zusammen sind!« Die Verbindung wurde getrennt. Dem Besetztsignal zu urteilen war es kein technisches Versagen. Ich versuchte erneut die Nummer zu wählen, doch das Mobiltelefon war aus. Auch die Festnetznummer brachte wenig Erfolg. Ich machte mir Vorwürfe und Sorgen zugleich. Ich hätte sie halt direkt mit dem Video warnen sollen und nicht mit der Tür ins Haus fallen. Allerdings ist Westfalen halt verdammt weit vom Niederrhein entfernt und ich musste sie irgendwie in den westlichen Ruhrpott locken, damit ich sie besser erreichen konnte. Plötzlich bremste Jan. »Du steigst ab und filmst! Ich warte hier.« »Was?« Ich staunte nicht schlecht und hatte auch verdammt viel Angst. »Warum?« »Ganz einfach! Du trägst immer noch meine Schutzkleidung.«, er betonte das Wörtchen "meine" einfach zu stark, als dass ich ablehnen konnte. Zu schade, ich wollte nicht allzu früh sterben, aber er hatte die stechenden Argumente. Außerdem konnte er sich auf dem Motorrad besser auf die Flucht vorbereiten. Ich rief über das Headset David an und fragte, ob er schon was von Mike gehört hätte. Er bestätigte es und legte sofort auf um Sekunden später bei uns unten zu stehen und seinen Wagen mit irgendwelchem Zeugs zu beladen. »Gutes Timing ihr beiden.« »Was zur Hölle? Wie schnell bist du, Alter?« »Stell dir vor, ich bin schon was länger hier und auch mir ist die Scheiße da nicht entgangen. Ich fahr jetzt nach Sonsbeck und hol Nicole ab und dann ruf ich Mike an, wo ihr denn seid.« »Hallo? Wir haben nur zwei Sitze auf dem Motorrad und ich denke nicht, dass wir uns aus dem Haus da bewegen. Ist ziemlich weit vom Friedhof entfernt.« »Alles klar! Aber sagt mal, was macht ihr hier?« »Tote filmen.« »Warum zur Hölle?« Ich erklärte ihm in wenigen Stichworten meinen Plan und machte mich dann auf den Weg zum Friedhof. Ich schlich langsam und schaute mich ständig um. Das Handy hatte ich bereits auf Kamera gestellt, war allerdings noch nicht am Filmen. David erwähnte, dass dort hinten "Scheiße" abgeht, allerdings was ich dort sah, übertraf alles, was ich gedacht hatte. Der Friedhof war etwas kleiner und hübscher gestaltet, als der in Geldern. Überall allerdings war Blut und die lebenden Leichen schlichen umher auf der Suche nach Opfern. Einige Polizisten befanden sich unter ihnen. Halt! Polizisten? Bestattet man Polizisten mit der Uniform? Ich wusste es nicht genau. Jedenfalls konnte ich gut drei Duzend dieser Monster ausfindig machen. Ich startete die Kamera und filmte. Alle torkelten nur herum. Ich hielt wahllos drauf und schaute mich dabei um, damit sich keiner von Hinten oder der Seite anschleichen konnte. Irgendwann entdeckte ich dann einen ziemlich lädierten Körper. Arme und Beine fehlten fast vollständig, allerdings zappelte er noch herum und stöhnte. Wieso sollten diese Viecher ihresgleichen anfallen? Dann traf mich der Schlag. Es war eine Krankheit! Das musste es sein! Ich wollte weg. So schnell wie nur möglich weg und stolperte rückwärts. Die Cam hielt ich in festem Griff, damit die Beweise nicht verloren gingen. Allerdings geriet ich in Panik als ich bemerkte, dass mich gut ein Duzend Viecher fixiert hatten und auf dem Weg zu mir waren. Hastig stand ich auf und versuchte zu fliehen. Natürlich verursachte ich dabei eine ganze Menge Lärm und plötzlich kamen sie von allen Seiten her. Die Kamera machte ich aus, steckte sie geschickt in die Hosentasche und schrie Jan durch den halben Park an. »Jan! Starte das scheiß Teil! Wir müssen hier raus!« Jan allerdings war immer noch mit David beschäftigt. Ich rannte um mein Leben, schrie ständig solche Dinge wie »Raus hier«, »Mach die Maschine an!« und ihren Namen. Irgendwann reagierte Jan, drehte sich zu mir um und verlor keine Sekunde mehr sein Motorrad zu starten. David sprang förmlich in sein Auto, sagte noch schnell etwas und fuhr davon. Ich selbst erreichte erst wenige Sekunden später das Motorrad und setzte mich drauf. Sofort zog ich das Handy aus der Tasche und filmte weiter. Was ich hinter mir sah, war das reinste Grauen. Ich hatte es vollbracht und diese Bastarde aus dem Park gelockt. Kevelaer würde es mir nicht danken, aber sie würden es ohnehin nie erfahren. Eine halbe Stunde später bei Mike wurden alle E-Mails verschickt und ich versuchte abermals nach Westfalen anzurufen. Das Handy immer noch aus, das Festnetz immer noch besetzt. Auf den für sie typischen Internetseiten nicht online und auch nicht in diversen Messengern. Ich machte mir wirklich Sorgen und die Vorwürfe wurden nicht gerade geringer. Schließlich packte uns irgendwann der Hunger und wir überfielen die Küche. Gabi, die Mutter von Mike, war schon im Bilde und hatte schon für sie, ihren Freund und die beiden Halbgeschwister von Mike gepackt. Jan unterdessen hatte bereits seine eigene Mutter und seinen Bruder angerufen und es irgendwie geschafft beide zu überzeugen, dort zu bleiben, bis wir sie rausholen würden. Meine eigenen Eltern konnte ich auch erreichen, allerdings glaubten sie mir nicht. Ich versuchte wirklich alles, um sie davon zu überzeugen, doch mein Stiefvater sagte nur, dass ich spinnen würde. Ihn konnte ich auf keinen Fall überzeugen und als er richtig sauer wurde, gab ich auf und legte nach einer Entschuldigung auf. Nach dem Essen begaben wir uns an eine Videoanalyse. Was anderes hatten wir eh nicht zu tun. Die Bildqualität war schlecht, nicht wirklich besser als solche, die man auf diversen Internetportalen finden kann. Was mich am meisten interessierte waren allerdings die Polizisten. Ich versuchte irgendwie festzustellen, warum Polizisten darunter sind. Mike meinte, dass sie nicht in Uniform beerdigt werden würden. Jan hatte keine Ahnung, ihm war es aber auch egal, in welchen Klamotten Leute vergraben werden. Ich spielte ein bisschen mit den einzelnen Bildern des Videos rum, bis es mir plötzlich wie Schuppen von den Haaren fiel. Beide hatten Bissverletzungen. Beide Polizisten sind von diesen Biestern gebissen worden! Beide hatten sich darauf in eben solche verwandelt. Ich rief Mike, der gerade auf dem Balkon Ausschau hielt, ob irgendetwas Seltsames vorging. Die Lage war ruhig, doch hinter den Häusern und Straßen des Randbezirkes von Kevelaer brodelte es mit absoluter Sicherheit. Diese Krankheit wird durch Bisskontakt verbreitet, dessen war ich mir jetzt sicher. Und ich hatte auch noch eine Meute gefräßiger Monster auf die Stadt gelockt. Ich hatte Kevelaer auf dem Gewissen, ohne was dafür zu können. Ja ganz toll! Als Mike kam, stellte ich ihm meine Theorie vor. Ich hatte es nicht hundertprozentig beweisen können, allerdings war ich mir zu sicher, als dass ich Angst hatte mich lächerlich machen zu können, denn die meisten anderen der Mistkerle hatten auch Bisswunden. Ok, einige auch Einschusslöcher. Der am Boden Liegende hatte sich wohl möglich verwandelt, nachdem sich ein bis zwei von denen dran gelabt haben und hat jetzt keine Arme und Beine mehr. »Wenn das stimmt, was du sagst, dann ist die Stadt so gut wie im Arsch, Dave.« »Denk an Detroit! Wenn das stimmt, was ich sage, dann ist die Menschheit im Eimer!« Kapitel 3: Gather Together -------------------------- »Dave, verdammt! Fang endlich an, klar zu denken! Ihr wird es gut gehen!« »Ich weiß, Nicole. Aber ich verzweifle trotzdem.« »Haben wir denn sonst keinen auf der Liste, den wir in Münster abholen müssen?« »Wir hätten Alicia, wenn sie nicht in Wesel wäre.« »Das war die ohne Brille von den Beiden, oder?« »Ja, immer noch.« Nicole und David waren seit einigen Stunden da. Sie waren eine große Bereicherung für unser Team. Nicht zuletzt, weil Nicole ein altes Jagdgewehr von ihrem Vater im Keller hatte und es mal einfach mitgebracht hat. Nicoles Eltern wohnten zwar auch in Sonsbeck, aber sie kam nicht sonderlich gut mit ihnen aus. Sie hinterließ eine Nachricht auf dem Küchentisch, dass die beiden doch bitte zu Hause bleiben sollen, denn es wird bald ungemütlich werden. Jan war am schlafen. Nicole und ich hielten Wache auf dem Balkon. Wir waren beide Raucher und im Wohnzimmer hätten wir nur Jan gestört, wenn wir dort geraucht hätten. Mike hatte in der Zwischenzeit sein Zimmer in eine Art Hauptquartier umgebaut. Sein Rechner, vernetzt mit dem Notebook von Jan und dem Rechner von Marcel, Mikes Bruder, der bis jetzt immer noch nicht anwesend war und nicht an sein Handy geht. Gabi vermutete das schlimmste und saß total verstört in der Küche. Roland, ihr Partner, tröstete sie und versuchte ihr Mut zu zureden. Luka und Lara, die Halbgeschwister von Mike, waren am schlafen. Wir hatten bereits tatkräftige Beweise im Internet gefunden, die zu unser aller Grauen meine schreckliche Theorie bestätigten. Augenzeugenberichte, diverse Chats mit anderen Menschen, Weblogs mit Bildern. Sogar ein sehr gutes Video, welches sich genauer mit diesen Biestern befasste. Leider sind die Regierungen der Erde sehr da hinter her alles zu vertuschen und lassen diese Weblogeinträge, Bilder, Videos und sonstigen Krempel sehr schnell verschwinden. Das Video jedenfalls zeigte zwei Männer. Der Kameramann hieß scheinbar Bob. Alles war auf Englisch, aber da es ein weltweites Phänomen ist, störte uns das herzlichst wenig. Das Opfer hieß Will. Will wurde eine halbe Stunde zuvor gebissen. Bob konnte ihn überwältigen und an einer Eisenstange fesseln. Er war also nicht im Stande abzuhauen. Jedenfalls hatte er 'ne Uhr daneben gehabt und es hat keine vier Stunden im Zeitraffer gedauert, bis Will zusammen gebrochen ist. Zuvor sah man förmlich, wie seine Haut eine sehr ungesunde Farbe angenommen hat. Nur sehr wenige Minuten später stand Will wieder auf. Er war einer von ihnen. Bob erklärte nun, wie sie verletzbar waren. Nur durch die Zerstörung ihres Großhirnes. Nicht die Völlige, Gott bewahre, allerdings gerne mal so einen Kopfschuss oder einen vertikalen Spatenhieb. David hatte natürlich keinen Spaten mitgebracht, wie Mike ihm aufgetragen hat, obwohl er einen besitzt. Mike hat sich da dann ziemlich lange künstlich drüber aufgeregt und ich kenn Mike, er wird noch in zwei Monaten, sofern wir dann noch leben, bei irgendeiner Situation David an den Kopf werfen, dass ein weiterer Spaten jetzt ganz toll wäre. Sehr plastisch konnte man sehen, wie er den Kopf mit einem gezielten Machetenhieb völlig enthauptete. Er erklärte dann, dass sie immer noch nicht ungefährlich waren. Sie waren zwar vollkommen immobilisiert, doch sie konnten noch immer zubeißen. Er erklärte es anhand eines sehr anschaulichen Beispieles mit kleinen Spielzeugsoldaten. Mike und ich mussten bei dem Video immer lachen. Bob teilte unseren Humor irgendwie, auch wenn wir ihn niemals kennen lernen würden und mit absoluter Gewissheit nie die Möglichkeit haben werden, ihm zu danken. Zumindest jetzt nicht mehr, denn gegen Ende des Videos wurde er von Wills Kopf gebissen, worauf hin er ihn mit einem Baseballschläger zerschmetterte. Gequollenes Blut war überall auf der ganzen Linse. Er wischte sie ab und sagte in die Kamera, dass seine letzte Tat es sein würde, dieses Video fertig zu stellen und ins Internet zu stellen. Damit endet dann auch die Aufnahme. Als wir sie fanden, stand im Kommentar drin, dass er sich nicht gut fühle, seine Zunge und sein Kopf seltsam schwer waren und er sich bereits ein Mal übergeben musste. Der Biss wäre jetzt fast vier Stunden vergangen und das Video war bereits anderthalb Stunden alt, als wir es fanden. Nichtmal eine halbe Stunde später war es weg. Gott sei dank hatten wir es auf dem Rechner gespeichert gehabt und waren es nun via diverser File Sharing Börsen und Internetvideoportalen am verbreiten. Roland vermutete, dass wir nicht mehr lange Internet haben werden, wenn wir so weiter machen würden. Aber das war uns egal. Das gesagte wurde gesagt und morgen würden sich unsere Freunde aufmachen, uns zu treffen. Aus Wesel, Bottrop und Uedem. Die Uedemer hätten es noch am leichtesten, denn sie mussten keine Autobahn und nur wenige Landstraßen passieren. Was sind denn schon zehn Minuten Auto fahren? Jan war mit der Maschine einmal kurz in Uedem und hat sie alle noch einmal extra besucht und gewarnt. Dort ist in letzter Zeit kein Mensch auf dem Totenacker gekommen, demnach war es dort noch einigermaßen ruhig. Dort ist noch kein Chaos ausgebrochen. In Kevelaer sah das anders aus. Die Straßen waren zwar jetzt nicht überfüllt mit Untoten, doch brachte eine Motorradfahrt durch die Innenstadt nicht gerade wenig Adrenalin ein. Die Menschen hatten sich scheinbar in den Häusern verschanzt. Auch bei uns am Stadtrand sah man keine Menschenseele mehr draußen. Mag daran liegen, dass es halb zwei nachts war. Ich versuchte noch einmal anzurufen, doch wieder ging sie nicht 'ran und wieder war auch das Festnetz-Telefon abgestellt. Schweren Herzens fasste ich einen Entschluss. Ich wollte nicht, dass sie in Münster ums Leben kommt. Wir würden, wenn wir einmal vollzählig sind, uns verschanzen. Das beinhaltet leider nicht nach Münster zu fahren. Ich rief Björn an. Ich hegte damals wie heute großes Vertrauen in den Mann und er konnte mir sicherlich weiterhelfen. Es klingelte ein paar Mal, als letztendlich Björn ans Telefon ging. »Ist dir klar wie spät es ist? Wir fahren um sechs Uhr los und ich will verdammt noch mal jetzt nicht hören, dass ihr euch anders entschlossen habt!« »Ja, ich hab dich auch lieb, Björn!« Am anderen Ende des Handys seufzt er: »Kay, Dave, was gibt's?« »Du musst mir einen sehr großen Gefallen tun. Es könnte dich das Leben kosten, aber du tust es um mir ein sehr wichtiges Leben zu retten.« »What the fuck?!« »Björn. Sara hat anders reagiert als ihr alle. Sie glaubt es nicht und ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht diese ganzen Videos und jetzt kann ich sie nicht erreichen. Du musst runter nach Münster fahren und sie abholen. So schnell wie möglich. Ich verrecke hier vor Sorge.« »Ich soll was? Alter! Hast du mal auf die Uhr geschaut? Ich werde den Teufel tun bei so einer Plage alleine nachts nach draußen zu gehen, um sie abzuholen!« Das war ein Argument. »Ach komm schon, ich hab doch immer alles für dich gemacht!« »Ja, aber Leben für eine andere Person riskieren, geht zu weit. Ich mag sie ja auch, allerdings weiß ich nicht, wo sie wohnt, noch kenn' ich mich in dieser Stadt gut genug aus um sie abzuholen.« »Du magst sie, ja. Aber ich liebe sie und ich will sie nicht verlieren. Entweder einer von euch kommt sie holen, und du liegst da nahe, weil du am nächsten dran wohnst, oder ich fahr selbst hin. Genug Autos stehen hier 'rum, brauch' ich nur einen dieser untoten Wichser den Schädel spalten und schon hab ich einen Autoschlüssel.« »Aber du kannst doch gar nicht fahren.« »Das werde ich schnell lernen müssen, um die Liebe meines Lebens zu retten.« »Das alles schön und gut. Aber stell dir folgendes vor: Du oder ich kommen in Münster an und dort ist ein riesiges Chaos. Wir beide haben alleine keine Rückendeckung. Wenn ich fahren würde, habe ich keine Waffen. Ich bin vollkommen schwach und wehrlos gegen diese Biester. Das wird alleine nichts. Ich schlage vor, wir kommen morgen früh um acht Uhr ganz normal und planen eine Rettungsaktion und dann holen wir sie daraus. Mit Waffen und Rückendeckung und so.« So sehr ich es hasste, aber ich musste zugeben, dass Björn recht hat. »Ok, du hast sicherlich recht. Aber ich will um spätestens neun Uhr im Auto sitzen!« Wenige Sekunden später legte er auf. Ich war etwas beruhigt. Ich kannte Björn sehr gut und Björn würde es für mich tun, so viel stand fest. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass meine Wache schon fast zu Ende war. Eigentlich schade, denn ich hatte ein nettes Gespräch mit Nicole. Und nach allem, was gerade passiert, könnte das wohlmöglich das letzte Gespräch mit Nicole gewesen sein. Oder das letzte Gespräch mit irgendwem. Sie hatte keine Schicht, weil wir nichts los war, sondern das Ende der Welt eingeläutet hatte. Plötzlich kam Mike auf den Balkon. »Na ihr beiden?«, sagte er. Er kam nicht gut mit Nicole aus, aber ich denke in Anbetracht der Situation musste er sich jetzt wohl oder übel mit allen anderen verstehen. »Moin Großer, was gibt's?« »Hallo Michael.«, warf Nicole ein. »Ich hab als nächster Wachdienst. Wie lief es bei euch? Alles ruhig?« »Klar, sonst hätten wir schon das Jagdgewehr genommen und auf ein paar dieser Stinker geballert.« Mike und ich amüsierten uns so gut es möglich war. Ich freute mich ihn mal wieder zu sehen, auch wenn die Umstände nicht gerade die besten waren. Vor einigen Monaten hatten wir noch sehr regen Kontakt, doch leider hat sich das ziemlich weit auseinander gelebt. Ich bin es genauso schuld wie er selbst. Dazu gehören immer zwei. Das würde sich jetzt aber wohl oder übel ändern, denn eine Apokalypse, die man zu überleben versucht, schweißt nun einmal enger zusammen als alles andere. Nachdem Nicole ins Bett gewandert war blieb ich noch ziemlich lang auf dem Balkon, um Mike Gesellschaft zu leisten. Jan, der zusammen mit Mike Wache hatte, hätten wir sowieso nicht wach bekommen. Hin und wieder, mehr sporadisch als regelmäßig, schauten wir durch ein Fernglas in die Straßen rein. Leider hatten wir keine so eine supertolle Lage in einer solchen Situation, allerdings hätten wir wahrscheinlich genug Zeit gehabt um zu reagieren. Wir redeten über Gott und die Welt. Was wir tun müssten, schmiedeten Pläne, verwarfen sie wieder. Mike notierte sich hin und wieder etwas. Er sagte, dass es wohl an uns beiden läge, alle anderen zu retten, beziehungsweise am Leben zu halten. Das sagte er so einfach. Ein einzelner Biss von diesen Biestern und man ist verloren. Vielleicht würde es was nützen schnell genug den Arm abzuschlagen oder das Bein, allerdings würde ich es nicht testen wollen und könnte mir auch keinen vorstellen, an dem ich das testen mag. Dreiundzwanzig Sekunden braucht das Blut um einmal im menschlichen Körper zu zirkulieren. Das heißt, es würde in elf Sekunden in den Arm rein und in weiteren elf Sekunden zum Herzen zurück, von da aus in alle Richtungen. Wie soll das gehen? Wir haben dann weniger als zehn Sekunden um zu reagieren und einen Arm abzuschlagen. »Das ist vollkommen unmöglich.«, sagte ich. »Möglich ist das, aber es wird schwer und ich will der Person lieber den Kopf abschlagen, damit er nicht allzusehr leiden muss.« »Aber wenn wir ihm den Arm oder das Bein abschlagen und dann fest ketten und erst einmal unter Beobachtung stellen um dann irgendwann mal vielleicht sicher zu sein, dass er nicht mutiert. Er hat dann keinen Arm mehr und wir müssten vor allem die Wunde zu kriegen. Wir bräuchten also die ganze Zeit so was wie Fackeln oder was auch immer, um sie zu zubrennen. Und dann darf sich das nicht entzünden, weil wir zwar bald tonnenweise Medikamente haben, sofern wir eine Apotheke erreichen können, allerdings keinen Arzt im Team. Ich schlag keinem den Arm ab!« »Aber ich werde es versuchen, wenn die Zeit reif ist. Oder willst du einen deiner Freunde verlieren, weil du dich nicht getraut hast seinen Arm abzuschlagen?« »Mike! Wir wissen ja noch nicht mal, ob wir die nächsten drei Tage überleben. Du hast doch auch gesehen, wie die Hölle auf dem Friedhof hier losbrach. Jetzt stell dir vor, das rennt gerade jetzt in der Innenstadt rum.« »Ja, da hast du wahrscheinlich recht.« Plötzlich schoss es mir durch den Kopf: »Mike! Was ist mit Chris und seinen Eltern?« »Was soll mit ihm sein?« »Wir haben ihm nichts gesagt? Er könnte bereits tot sein!« Mit Chris hatten wir schon ewig keinen Kontakt mehr. Damals waren wir ziemlich enttäuscht wegen ihm und hatten den Kontakt weitgehend abgebrochen. Allerdings ist er mir persönlich immer noch wichtig und hin und wieder schrieb ich mit ihm übers Internet. Aber wie gesagt, nur hin und wieder. Er war ein Stubenhocker, die Viecher müssten also in sein Zimmer kommen. Seine Eltern allerdings nicht. Er würde in Gefahr sein, weil sie in Gefahr sind. »Der geht doch nicht aus dem Zimmer.« »Er nicht, aber Uwe und Christa!« »Fuck. Die beiden müssen wir auf jeden Fall warnen.« Ich zückte abermals mein Telefon und wählte den Eintrag von Chris in meinem Handy. Es klingelte fünf, sechs Mal, bis er mich abgewiesen hat. »Er lebt noch, hat abgewiesen.« »Guck dir die Uhrzeit an, dann weißt du warum.« »Ich versuch noch mal.« Ich drückte die Taste zur Wahlwiederholung und ließ abermals klingeln. Wieder wies er mich ab und wieder rief ich ihn an. »Verdammt N.L.!« »So hat mich schon lange keiner mehr genannt. Mein Spitzname ist jetzt Dave, aber das wirst du noch früh genug erfahren.« »Hast du auf die Uhr geschaut? Ich muss morgen früh zur Arbeit.« »Oh, ich denke nicht!« »Doch! Ich bin nicht mehr der Stubenhocker wie früher! Ich hab 'ne Arbeit, verdien' gutes Geld und will verdammt noch mal schlafen!« »Daraus wird nix!« »Doch, denn ich lege jetzt auf und geh ins Bett.« »Nicht daraus, aus dem Arbeiten.« »Häh?« »Chris, hör mir jetzt bitte genau zu und glaube jedes Wort davon. Bevor du auflegst, weil du nichts glaubst, starte schon einmal deinen Rechner, denn wenn du mir nicht glaubst, schicken wir dir Beweisfotos.« »W-Was ist denn los?« »Christian, mein Freund, die Apokalypse ist hereingebrochen!« »Verarschen?« »Nein. Leichen stehen aus ihren Gräbern auf und fallen die Menschheit an. Beißen diese und versuchen sie zu essen.« »Scheiße! Das ist Papa passiert. Ich dachte das wäre ein Hund oder so gewesen.« »WAS? Was ist Uwe passiert?« »Naja, er sagte irgendwelche Junkies hätten ihn angefallen und einer hat ihn gebissen.« »Wann war das?« »Keine Ahnung. Er kam so ca. neun Uhr nach Hause.« »Christian. Sag jetzt bitte nichts mehr, steh ganz leise auf und schließ dein Zimmer ab« Ich blickte auf Mike. Der wiederum lehnte mit der Stirn gegen die Balkonwand und haute ein paar Mal mit der flachen Faust gegen selbige. Er wusste, was scheinbar passiert ist. Das kann man daraus schließen, dass er wusste, dass Uwe was passiert war, dass ich nachfragte wann und ihn gebeten hab sein Zimmer abzuschließen. »Ok, passiert.« »Du musst jetzt flüstern bitte. Aber ich denke, er ist schon aufmerksam geworden.« »Was denn?« »Christian, dein Vater ist tot und deine Mutter wahrscheinlich auch!« Wenige Minuten passierte gar nichts. Ich ließ ihn diese Zeit für sich. Bis er schließlich sagte: »Wie kannst du das so genau wissen?« »Gebissene werden zu Denen.« »Und das weißt du genau?« »Ja! Pass auf, wir werden uns beraten und dich dann wahrscheinlich da raus holen. Mach schon einmal dein Fenster frei und vor allem, öffne es. Dein Handy stellst du bitte nur auf Vibration und verhalte dich still. Ok? Sollten Uwe oder Christa in dein Zimmer wollen, sollen die mit dir sprechen. Uwe kann das nicht mehr, aber vielleicht Christa. Und frag sie unbedingt, ob sie gebissen wurde. Wenn ja, lass sie nicht rein! Fragen?« »Äh, ja? Fenster? Mama? Alles?« »Ok, da Uwe mittlerweile einer von ihnen ist, müsste er doch schon Christa angefallen haben. Von daher ist sie genauso gefährlich. Entweder gebissen worden, tot oder schon wieder aufgestanden. Und das Fenster ist dein Fluchtweg. Das ist nur der erste Stock. Gebissen werden und sterben oder springen und mit viel höherer Wahrscheinlichkeit zu überleben! Ok, du kannst dir schnell beide Beine brechen, allerdings ist alles andere besser als sterben, oder?« »Ja, schon!« »Also gut, pack so leise wie es geht einen Rucksack mit Sachen. Hast du Waffen im Zimmer?« »Nein!« »Irgendetwas? Baseballschläger oder vielleicht ein Messer aus der Küche?« »Oh, ich hab hier so ein Springmesser. Das hab ich mal gefunden.« »Alles klar. Der einzige Weg einen solchen zu töten ist das Gehirn zu zerstören. Merk dir das! Die Augen sind ein guter Weg rein, wenn das Messer lang genug ist. Bis gleich!« Mit diesen Worten legte ich auf, schaute Mike an. Der nickte und wir gingen rein. Nicole war noch wach, doch Mikes Eltern und Jan schliefen schon. Wir weckten alle bis auf die Kinder. Die sollten davon nichts mitbekommen. »Wir brauchen einen Rescue Squad!«, sagte ich. Jan, der total verschlafen war, sagte: »Wozu?« »Christian Klose!«, gab Mike von sich. »Chris?«, fragte David, »Von dem haben wir doch schon ewig nichts mehr gehört.« »Wer is'n das?«, wollte Jan wissen. »Der's von vor deiner Zeit.« »Ah!«, sagte er. Ich entschloss mich zu planen: »Jan! Bist du bereit zwei Mal mit dem Motorrad hin und her zu fahren? Oder du David? Mit dem Auto? Das wär' mir lieber« »Ja schon, nur ich kann meine Augen nicht mehr offen halten und hab auch schon einiges getrunken.«, gab David von sich. »Alles klar, kannst du fahren Jan?« »Joa, schon. Aber ich will nicht mehr meinen Hals riskieren. Zumindest nicht heute Abend. Ich bin auch ziemlich müde und neige eventuell zu zuwenig Konzentration.« »Ok, David? Kann Jan deinen Wagen haben? Ich schenk dir auch 'nen neuen, wenn der den zu Schrott fährt!« »Wie willst du an einen ran kommen?« »Die Hosentasche von einem der Biester. Irgendwo wird ein BMW- oder Mercedesschlüssel dabei sein.« »Also haben wir bald alle Autos?« »Wahrscheinlich.«, gab Mike von sich. »Hallo? Kann er nun oder nicht?« »Ja, ok!« »Jan, würdest du Mike und mich eben zu Chris fahren? Wir müssen den da rausholen, Uwe, sein Vater, wurd' gebissen. Und zwar schon um neun.« »Es ist halb drei!« »Weswegen wir ihn rausholen müssen. Nicole! Kann ich das Gewehr haben?« Sie schaute mich an: »Was willst du damit?« »Ein Leben retten und ein paar dieser Viecher in den Arsch, pardon in den Kopf treten.« »Ok, aber pass auf. Wir haben nicht viel mehr als einhundertzwanzig Schuss.« »Jeder wird sitzen.« »Mike! Meinst du Marcels Katana ist scharf genug für eine Enthauptung?« »Es ist nicht so sehr scharf, aber mit genug Geschwindigkeit sollte es möglich sein. Aber spitz ist es auf alle Fälle.« »Alles klar. Mike! Du kennst dich hier blendend aus. Du kommst mit. Jan fährt und hält uns den Rücken frei. Wähle deine Waffe. Jagdgewehr oder Katana!« »Gewehr!« »Alles klar, Abfahrt in fünf Minuten. Roland? Du und David machen solang mit der Wache weiter. Ihr seid unserer Defending Squad!« »Ich denke nicht, dass ich mir in meiner Wohnung von dir...«, ich unterbrach ihn. »Und ich denke nicht, dass es Gabi gefallen würde, wenn wir Twens euch beide und die Kinder alleine lassen würden, statt unseren Arsch zu riskieren euch beide am Leben zu halten!« Mit diesen Worten ging ich in Mikes Zimmer. Ich war sauer auf Roland. Ihm passte das gar nicht, dass wir Mikes Wohnung ganz spontan als Hauptquartier benutzten. In Marcels Zimmer lag das Katana. Ich nahm es von dem Ständer und überprüfte, ob es scharf ist. Die Klinge war ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden, allerdings zu meinen Gunsten, denn das japanische Schwert wurde geschliffen. Zwar vollkommen falsch für ein Katana, aber trotzdem scharf. Nach genannten fünf Minuten saßen wir im Auto und der Motor startete. Die Hinfahrt gestaltete sich als weniger kompliziert. Zwar sahen wir nur sieben bis acht dieser Biester in unmittelbarer Umgebung, allerdings verriet mir ein Blick in die Innenstadt, dass dort andere Kaliber am Werke waren. Zum Glück mussten wir dort nicht lang. Bei Christians Haus angekommen, die Viecher umfuhren wir alle graziös, machten wir mit Jan aus, er solle hupen, wenn was die Treppe der Kloses hoch läuft. Die Fenster und die Türen geschlossen, aber nicht verschlossen halten. Er hatte Blick in das Haus der Kloses, sobald wir die Türe überwunden hatten. Da wir den Aufbau des Hauses kannten, war es uns möglich Jan das Zeichen zu erklären. Draußen war in der Nähe nur eines dieser Viecher. Ich rannte in seine Richtung und schlug ihm mit aller Gewalt und Geschwindigkeit, die ich aufbringen konnte, den Kopf ab. Dieser wurde knapp einen Meter durch die Luft geschleudert und der Körper sackte leblos zusammen. Aus dem Hals sickerte ein wenig Blut, aber ziemlich klumpig und tief dunkel rot. Ein kleines hellbeiges Stück Knochen war sichtbar. Das wird wohl mal die Wirbelsäule gewesen sein. Alles in allem sah das ziemlich ekelig aus. Aber damit war er immobilisiert. Den auf dem Boden gekullerten Schädel guckte ich zu, wie der Kiefer sich öffnete und schloss und die Augen voller Zorn auf mich fixiert waren. Der Körper war nutzlos. Schließlich entschloss ich mich dem verdammten Dasein von dem Schädel ein Ende zu bereiten und stach das Katana durch die Augen in den Schädel. Von oben kam ein Flüstern: »Was macht ihr da?« »Wir bereiten deine Flucht vor. Schmeiß mal deinen Schlüssel runter! Und wehe du triffst 'nen Gulli!«, schrie Mike. »Mike? Meine Güte, mit dir hätte ich jetzt nicht gerechnet!« »Mach schon, Chris! Ich will keine Sekunde länger hier verbringen.« »Alles klar!« Den Schlüssel fing ich graziös auf und ich wollte ihn gerade in die Tür stecken, da kam Mike eine Idee. »Dave!«, sagte er »Warte mal einen Moment.« Er kramte in Davids Kofferraum 'rum, bis er schließlich eine alte Maglite fand. »Wusst' ich's doch! Die hatten wir mal mit beim Softair spielen. Warte, dann müsste auch noch...«, er verstummte und kramte unablässig weiter in dem Kofferraum. »Da! Mein Panzertape!« »Häh?! Was willst du?« Mike montierte mit dem Tape und einem kleinen Ast für den Zwischenraum dann die Maglite an das Gewehr. Jetzt hatte er rechts seitlich 'ne immens helle, aber horrend schwere Taschenlampe. »Warum,...«, begann ich die Frage, konnte sie aber nicht zu Ende fragen. »Ganz einfach. Bei den Kloses oben ist doch das Licht kaputt. Irgendein Defekt in der Leitung und deswegen ist in dem kleinen Flur nie Licht. Und die Räume da sind, wenn ich mich recht erinnere, der Vorhang mit dem Bett dahinter und noch die zwei Zimmer. Auf die ganzen schweren Vorhänge musst du eh aufpassen. »Ich?« »Wir beide!« Mike trat vor die Türe und sofort bildeten sich Schweißperlen auf meiner Stirn. Ich hatte eine scheiß Angst davor, rein zu laufen. »Mike?« »Ja?« »Wenn ich gebissen werde, gibt mir bitte noch genug Zeit, dass ich euch da beide heil raus hole, bevor du mir den Schädel weg ballerst!« »Dave, hier wird überhaupt keiner gebissen!« »Ich kann's nur hoffen.« Mike drehte den Schlüssel um und öffnete ganz leise die Türe. Oh man! Der Anblick und Geruch dieser Wohnung war noch genau der gleiche, wie vor anderthalb Jahren. Ich fühlte mich irgendwie wieder wie zu Hause. Hier hatten wir uns wirklich die Wochenenden ohne Ende um die Ohren geschlagen und eine LAN-Party nach der nächsten gemacht. Bis es plötzlich alles aus war. Einfach weg, kein Kontakt mehr. Beide Seiten hatten Fehler gemacht, die sich die jeweils andere nicht eingestanden. Ich war der einzige unparteiische, der noch mit beiden Kontakt hatte. Zwar mit beiden nicht mehr so wie früher, dennoch genug. Wie hieß es mal in einem Buch? Das Ka-Tet war zerbrochen. Genau das ist auch hier passiert. Jedenfalls schlichen Mike und ich die Türe hoch. Überall standen kleine Schälchen mit Katzenfutter. Das nahm hier immer ein wenig überhand, allerdings konnte man sich irgendwann dran gewöhnen. Nur, wenn man das eine oder andere Mal in Katzenfutter tritt, ist es ekelig. Oben angekommen, der erste Vorhang. Ich nahm das Schälchen Katzenfutter und warf es mit aller Wucht in den Vorhang rein. Dieser wehte ein wenig nach hinten und das Schälchen landete auf dem Bett. Nichts passierte. Kein Stöhnen, was aber eigentlich hätte stattfinden sollen. Um die Zeit würde Uwe dort schlafen. Ich schluckte schwer. Es war mir vollkommen unmöglich in der kurzen Zeit was zu sehen. Mike und ich horchten. Das einzige, was ein Geräusch machte, war die Pendeluhr in der Küche des Hauses. Bitte, lass sie im Garten spielen, dachte ich. Langsam und Schritt für Schritt lief ich weiter die Treppe nach oben. Nach jeder Stufe hielt ich inne um zu horchen. Jederzeit konnte dort eine Leiche die Treppe runter stolpern und uns beißen. Ich wusste einfach zu wenig über diese Biester, um ihre Gewohnheiten zu wissen. Schliefen sie? Oder konnten sie im Dunkeln sehen? Keiner von uns hätte das sagen können. Kurz vor dem Ende der Treppe entschied Mike sich für eine andere Taktik. »Hörst du schon etwas?«, fragte Mike mich mehr als laut. »Spinnst du?«, flüsterte ich. »Tja, Dave! Ich kann nichts hören!«, er war noch lauter als beim ersten Mal. Ich schwieg. Plötzlich konnte man das Knarren von Dielen hören. Da tat sich etwas, soviel ist sicher. Ich konnte nur hoffen, dass das nicht Christian war. Schweren Schrittes und etwas unbeholfen kam Uwe um die Ecke. Er war kreidebleich und sah aus, als sei er tatsächlich schon mehrere Stunden tot. Deutlich zu erkennen war der Verband an seinem rechten Arm. Die Aufmerksamkeit allerdings galt seinem Blutüberströmten Kinn und Brustkorb. Er hatte also schon zugeschlagen. Christa oder Christian, einen von beiden würde es mit Sicherheit erwischt haben. Ich tippte eher auf Christa, weil wir Christian noch einige Minuten vorher gesehen hatten. Mike machte sehr kurzen Prozess. Als ob er noch nie etwas anderes gemacht hatte, legte er die Waffe an, zielte anscheinend mehr flüchtig und drückte ab. Ein mehr als lauter Knall dröhnte durch das ganze Haus und ich war halb gelähmt vor Ohrenschmerzen. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Im Fernsehen ist das alles leiser und Luftgewehre sowieso. Als ich einige Sekunden später wieder klar kam, hörte ich Christian schon. »Was ist da los?« »Bleib' in deinem Zimmer!«, schrie Mike und drehte sich dann zu mir um. »Sie können hören. Das ist ein Vorteil, das zu wissen. Durch den Schuss wird jetzt Christa aufmerksam geworden sein. Sie scheint nicht mehr zu leben, sonst hätte sie geschrien oder würde jetzt in Panik verfallen. Ich würd' sagen, wenn sie jetzt gleich noch um die Ecke kommt, haben wir freie Bahn.« »Du nimmst das alles sehr gelassen, Junge.« »Alter? Was passiert, das passiert. Ich bin da sehr kaltherzig.« Ich nahm es mal so hin, weil ich eh nicht die Nerven hatte zu diskutieren. Er wartete noch einige Sekunden mit dem Gewehr im Anschlag, bis er es ablegte und umschnallte. »Hallo? Wahnsinnig?«, fragte ich. »Nein. Es ist sicher, kein Mucks außer Christian in seinem Zimmer.« »Ok, du gehst vor, ich hab da kein Problem mit, dir den Schädel zu spalten, wenn du gebissen wirst. Was passiert, das passiert.«, somit hatte ich meine Rache für den Spruch erhalten. Er war sich wirklich sicher, denn er ging auch vor. Wenn das alles stimmt, hatte Chris beide Eltern in einer einzigen Nacht verloren. Ich will es nicht durchmachen müssen, aber es wird mit Sicherheit auf uns alle zukommen. Im Flur von Christians Haus, was laut Erbfolge jetzt tatsächlich ihm gehört, lag die Leiche von Uwe. Ein gezielter Schuss in den Kopf. Genau zwischen die Augen rein und absolut tödlich. Ich verspürte leichten Ekel und Trauer, wenn ich dran dachte, wer da liegt. In Christas Schlafzimmer sah es aus, wie in einem Schlachthof. Überall lagen Blut und Gedärme rum. Zwar kein angenehmer Tod, aber wenigstens ein Tod ohne wieder aufstehen zu müssen. Denn selbst der Kopf war halb aufgefressen. Von Körper nur noch die Hälfte übrig und auch nur noch ein Arm dran. Er muss sie im Schlaf überrascht haben und es muss schnell gegangen sein. Halsschlagader oder so. Mike zog Uwe in Christas Schlafzimmer und schloss die Türe: »Das braucht Chris nicht zu sehen.«, sagte er. Ich stimmte dem zu, als plötzlich draußen ein wildes Hupen zu hören war. »Fuck! Ärger! Geh du schon mal vor, ich hol mir den Dicken da raus.« Ich nahm mein Katana und rannte die Treppe runter. Ein kurzer Blick übers Geländer verriet mir, dass eher Jan draußen Probleme hatte als wir hier drinnen. Ich rannte so schnell ich konnte auf den Flur und schaute Jan an. Er war wie wild am gestikulieren und zeigte nach vorne. Ich ging zum Auto und schaute die Straße hoch. Es war mehr als ein halbes Duzend. Vielleicht durch den Schuss angelockt. Ich schrie die Treppe hoch, dass die sich gefälligst zu beeilen hatten, wenn sie denn noch lebend da raus kommen wollten. Wenige Sekunden später standen sie in der Tür. Chris belud den Wagen mit zwei Rucksäcken und Mike legte an. »Das schaffst du nicht! Die sind zu weit weg.«, sagte ich »Wetten?« »Wetten nicht?« »Ok, ich nehm' den zweiten von links, ein Schuss.« »Um was?« »Wenn ich nicht treffe, darfst du das Katana behalten.« »Und wenn du triffst?« »Beeilt euch!«, schrie Jan aus dem Wagen »Dann behalte ich es. Immerhin gehört es Marcel, auch wenn der mit Sicherheit schon tot ist.« 'Ne schnelle Chance an ein Katana zu kommen. Ich willigte ein, er legte an und schoss natürlich daneben. »So eine Scheiße!«, fluchte er. »Ok, steigen wir ein oder machen wir sie platt?«, fragte ich. Das sollte natürlich nur ein Scherz sein und so etwas bedeuten wie: "Steig ein, jetzt!" »Platt machen würd' ich sagen!« Der Schuss daneben hat wohl an seinem Ego gekratzt. »Hallo? Katana?« »Ja, du gehst dahin und lenkst die ab, ich baller auf die!« »So wie du schießt?« »Leute?«, fragte Chris, »Könnten wir vielleicht einsteigen? Ich hab ne heiden Angst und vorne sind sieben und hinter uns sind drei«, er machte eine kurze Pause, »Kreaturen, die auf uns zu kommen.« »Nimm du die da hinten, Dave!«, sagte Mike zu mir. Ich stieg in den Wagen: »Leck mich, steig ein!« Auch wenn's ihm nicht gefiel, er tat es. Auf der Fahrt durfte ich mir die ganze Zeit anhören, dass wir es geschafft hätten. Als wir wieder bei Mike angekommen waren, war es immer noch ruhig. David und Roland standen auf dem Balkon. Wir winkten ihnen kurz zu, David machte die Tür auf und sagte kurz etwas. Kurze Zeit später brummte die Türe. Wir schlichen den Hausflur hinauf. Oben angekommen, fragte niemand nach, wo Uwe und Christa sind. Irgendwie wussten das wohl alle. Beziehungsweise konnten sie es ahnen. Ich nahm mir die nächst beste Decke und legte mich auf die Luftmatratze von Mike, die er in seinem Zimmer hatte. Mein Handy stellte ich auf zehn vor sieben für meinen Wachdienst. In wenigen Sekunden schaffte ich es einzuschlafen. Nach einer viel zu kurzen Nacht mit viel zu wirren Träumen riss der Wecker von Mike mich aus dem Schlaf. Ich hatte nicht mitbekommen, wann er ins Bett ging. Ich schaute auf meinen Wecker, es war viertel nach sechs. Die letzte halbe Stunde würde sich nicht lohnen. »Ohayou!«, brummelte ich. Das ist japanisch für "Guten Morgen". »Morgen!« Ich stand auf und realisierte sofort, dass sich das alles nicht um einen bösen Traum gehandelt hatte, denn mein neues Katana lag direkt neben mir. Ich schnallte es um meinen Rücken und ging nach draußen auf den Flur. Lara und Luka waren schon wach und saßen bei Gabi in der Küche. Sie erklärte ihnen, dass sie nicht mehr zur Schule gehen müssen, aber auch nicht mehr alleine aus dem Haus gehen dürfen. Mike brach 'nen halben Streit vom Zaun. Er empfand, dass die Kinder wissen sollten was los ist. Gabis Argumente dagegen waren auch nicht ganz ohne. Nach einer Weile gab sich Mike geschlagen, weil wir dann zusammen die Nachrichten verfolgten. Die Fernsehsender zeigen die ganze Zeit nur ein Sonderprogramm. Zumindest solche Nachrichtensender und die öffentlich Rechtlichen. Die Privatsender zeigten ganz knallhart ihr normales Programm. Entweder war da keiner mehr, der es umstellen konnte und alles läuft nur noch voll automatisiert oder sie weigerten sich einfach. Es war davon auszugehen, dass die Regierung, sofern überhaupt noch vorhanden, im Laufe des Tages den Notstand ausschreiben würde. Die Nachrichtensender rieten im Haus zu bleiben, gebissene Mitmenschen zu meiden oder in ärztliche Behandlungen zu geben. Ein Sender war so nett und hat mit der ganzen Wahrheit rausgerückt indem er sagte, wie voll oder verlassen die Krankenhäuser denn wären. Das war mit Sicherheit wirklich so. Entweder überfüllt oder evakuiert. Etwas da zwischen gab es praktisch gar nicht mehr. Des Weiteren hat er auch die Folgen eines Bisses erklärt und was es für Wesen sind. Er hat uns auch eine uns absolut unbekannte Form gezeigt. Eine kurze Amateuraufnahme zeigte ein rennendes Biest. Nur ganz kurz, bevor es Angriff und in eine ganze Gruppe von Menschen sprang. Was es war, war uns beiden vollkommen unmöglich zu sagen. »Es gibt also mehr als eine Rasse dieser Dinger.«, sagte Mike Ich war es irgendwie Leid: »Ich finde, wir sollten dem Kind einen Namen geben.« »Wie meinst du das?« »Na ja, wir können ja nicht immer die gehenden Untoten und die rennenden Untoten nennen, oder?« »Warum denn nicht? Walker und Runner klingt akzeptabel.« »Wirklich irgendwie cool. Auch wenn sie's eher im Gegenteil sind.« »Alles klar, dann steht das auch fest.« Die Sender brachten für uns soweit auch nichts Neues. Wir planten die anderen erst später zu informieren, wenn alle da sind. Es konnte sowieso nicht mehr lange dauern, bis der Rest endlich da ist. Kurz vor sieben standen Mike und ich dann auf, um den Balkon einzunehmen. Wache schieben war zwar langweilig, aber man konnte wenigstens über gewisse Dinge nachdenken. Mit 'ner Thermoskanne Kaffee bewaffnet gingen wir auf den Balkon, um Jan und Chris von der Wache abzulösen. Chris war total am Ende. Wenig Schlaf, beide Elternteile verloren und eine kalte Nacht ohne warme Decke und so. Auf dem Balkon saßen wir dann, blickten die ganze Zeit auf die Straßen und haben geredet. Darüber, wie es weiter gehen soll. »Als erstes müssen wir das Haus hier sichern. Was sagt uns, dass hier kein infizierter rein gekommen ist und nun vielleicht nur zweieinhalb Meter unter uns den Walker raushängen lässt?« »Du hast recht, aber wann sollen wir das machen?« »Das sollte noch vor zwölf über die Bühne gehen. Am besten noch, bevor ich wieder da bin.« »Ach so. Willst einen Spaziergang machen? In die Innenstadt, eventuell Shopping?« »Nein!«, ich blickte todernst, »Ich will meine Freundin holen. Und zwar so schnell wie es nur möglich ist.« »Dave. Es tut mir wirklich Leid, aber bitte sei realistisch. Wie lange hast du von ihr schon nichts gehört?« »Nicht lange genug um sie abzuschreiben, Mike.« »Die Hoffnung stirbt zuletzt, oder?« »Ja und solange ich an der Hoffnung klammern kann, solange will ich sie auch nicht aufgeben. Nein! Solange kann ich sie nicht aufgeben.« »Alles klar. Was hast du vor?« »Wenn Björn kommt. Spätestens um acht Uhr fahr ich wieder weg. Mit ihm zusammen Richtung Münster um sie abzuholen. Wenn du mitkommen willst, kannst du das gerne tun.« »Es tut mir Leid, aber ich habe vor anderweitig zu agieren.« »Wie meinen?« »Waffen. Wir haben ein Gewehr mit knapp einhundertundzwanzig Patronen. Das ist entscheidend zu wenig. Wir brauchen alles, was jede Location hergibt.« »An was denkst du da?« »Der Laden in Goch. Gott, ich hoffe da sieht die Innenstadt nicht so aus wie hier.« »Oder eben doch. Denn wenn die Innenstadt da nicht so aussieht, hast du weniger Chancen noch an Waffen zu kommen. Durchboxen wird die Devise.« »Davor hab ich Angst.« »Hätte ich auch, aber ich box' mich nur durch Münster.« »Willst du nicht lieber mit nach Goch kommen?« »Warum? Wozu sollte ich meine Freundin in Münster zurücklassen.« »Waffen, Dave. Wir besorgen Waffen, um solche Sachen leichter zu unternehmen. Waffen um vielleicht Fuß zu fassen und irgendwo ein ordentliches Hauptquartier einzurichten.« »Du denkst zu gewalttätig.« »Gib mir einen einzigen Grund es nicht zu tun.« »Einbunkern und auf Hilfe warten.« »Hilfe? Eine Stadt wie Detroit. Jeder dort hat eine Waffe. Es gibt ein Duzend Polizeipräsidien pro Quadratkilometer. Und diese Stadt wurde schon längst aufgegeben. Du willst dich einbunkern? Bis Hilfe kommt? Was ist, wenn es keine Hilfe gibt. Oder diese uns nicht findet oder für zu unbedeutend hält? Was ist, wenn wir praktisch umzingelt von Walkern sind, keiner kann rein, wir aber auch nicht raus und uns gehen die Vorräte aus? Oder einer von uns wird dann einer von Ihnen. Wie sollen wir das überleben? Ohne mich! Wir werden die Hilfe sein, auf die Andere warten. Territorium erobern und andere retten und in unsere Gruppe mit einbeziehen. Denk dran: Einmal hat es schon geklappt.« »Gott verdammt, du hast recht.«, ich fühlte mich bereits wie ein besserer Mensch, ohne auch nur irgend etwas gemacht zu haben, »Ich komme mit nach Goch, hole uns Waffen, dann fahren wir nach Münster, holen Sara und dann bauen wir ein Headquarter!« »Wer alles genau ist "wir"?« »Als Chef der neuen Weltretterorganisation? Wir beide! Du und ich!« »Weltretter... Das klingt männlich.« Ich kann es nicht genau beschreiben, aber Mike und ich waren in voller Vorfreude auf Walkerjagd zu gehen. Wir konnten uns kaum im Zaum halten da runter zu marschieren und einfach mal eben ein paar abzuknallen und dann wieder nach oben und gut ist. Wir beschlossen so schnell wie möglich das Haus sicher zu stellen, damit wir einen Rücklaufpol haben, egal was passiert. Aber erst, wenn der Rest da ist. Kaum war dies ausgesprochen, da fuhren die ersten beiden Autos vor. Bottroper Kennzeichen. Das mussten Sascha und Mary sein. Kurz dahinter drei Weseler Wagen. Das waren Björn, Alicia, Kai und Julia. »Ich geh sie abholen.«, sagte Mike. Er machte sich auf den Weg nach draußen. Ich hielt immer noch Wache. Keine halbe Minute später stand Mike draußen vor der Tür. Er beorderte den Neuankömmlingen so gut wie keine Geräusche zu machen und das Treppenhaus hoch zu schleichen. Wir waren fast vollzählig. Fehlten die Jungs aus Uedem, die eigentlich noch zu Hause sitzen sollten und bald losfahren müssten. Dort war eben noch keine Hölle auf Erden. Es lag eigentlich nahe dort hin zu fahren und ein Hauptquartier zu errichten, allerdings gab es dort auch beinahe nichts, womit wir über Monate hinweg überleben könnten. Mike kam wieder auf den Balkon. Alle waren drin und einige waren, durchaus gerechtfertigt, mit ihren Nerven am Ende. Sie hatten sich für uns entschieden, statt für ihre Familien. Für den Krieg, statt für den Bunker. Gerade deshalb durften wir sie jetzt nicht im Stich lassen. Es würden weitere kommen und weitere würden auf uns bauen. Jetzt durften wir sie natürlich nicht enttäuschen. Auf unseren Schultern lastete ein immenser Druck. Wir mussten um jeden Preis überleben. Und zwar möglichst viele und möglichst lange. »Die anderen sind gleich hier. Ich hab sie schon angerufen.«, sagte Mike. Ich nickte nur. Kaum eine halbe Stunde später waren wir vollzählig. Aus Uedem kamen Andreas und Bine. Sonst niemand. Da standen wir also im Wohnzimmer der kleinen Wohnung. Michael "Mike" Lepper, ziemlich groß und dürr, dunkelblonde Haare und Brille, Jan Lehmann, klein und pummelig, aber trotzdem elends schnell, Björn Knipping, Kais Cousin und der größte und dickste von uns, Kai Knipping groß und stark, außerdem super intelligent, David Schmidt, mittelgroß, muskulös und Brillenträger, Andreas "Andi" Kadelka, hoch gebaut, aber nicht stark, dafür geübt an der Waffe, Alicia Pelzer und Julia Hermsen, beide ziemlich schwach und klein, Sabine "Bine" Kuchenbecker, sehr klein aber auch sehr schnell, Sascha Brzezina, klein drahtig und geübt im Umgang mit dem Rumheizen in vollen Innenstädten, Marina "Mary" Jakubowski, Freundin von Sascha und hat immer 'ne gute Idee auf Lager, Nicole, die Freundin von David, kaltherzig und skrupellos, Roland, Gabi, Luka und Lara, die Familie von Mike und natürlich meine Wenigkeit: David "Dave" Golsteyn, relativ pummelig, aber groß gebaut und resistent! Auf uns lag das Schicksal aller, die uns folgen würden. Kapitel 4: Position sichern --------------------------- »Bitte gute Frau, machen sie sich keine Sorgen. Solange sie hier in dieser Wohnung bleiben, wird ihnen nichts passieren.« Neben Mikes Wohnung wohnte eine alte Frau, die das Rentenalter schon lange erreicht hatte. Wir alle wussten, dass sie unmöglich überleben würde. Dafür war es einfach zu gefährlich draußen und für uns würde sie nur zur Last werden. Wir klärten sie auf, was draußen vor sich ging und das alles wieder gut werden würde, solange sie nur in ihrer Wohnung bleiben würde. Sie sollte keinerlei Besuch zu sich einladen, Infizierte uns sofort melden und darauf aufpassen, dass sie genug zu essen im Haus hat. Wir haben einen Lieferservice angeboten, wenn ihr die Grundnahrungsmittel ausgingen. Wer will schon einen Walker in unmittelbarer Umgebung haben, weil eine Rentnerin verhungert ist? Wir fingen in der oberen Etage an. Das Haus hatte insgesamt vier Stockwerke und Mike wohnte im zweiten Obergeschoss. Beide Wohnungen zeigten keinerlei Reaktionen. Entweder waren sie leer oder von Walkern bewohnt. Wir würden es herausfinden müssen. Aber das erst viel später. Zuerst war es halt wichtig die noch lebenden zu warnen und eventuell wichtige Verbündete zu gewinnen. In den Etagen unter Mikes Wohnung waren Jan, David und Sascha zu Gange. Sie haben sich im Flur mit einem Mann mittleren Alters unterhalten. Scheinbar war er froh darüber Verbündete zu bekommen. Mike, Björn und ich waren mit unseren Etagen erstmal durch und wir würden erst später wieder die Oberste in Angriff nehmen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir verabschiedeten uns von der Dame und gingen zu den Jungs nach unten. Sascha hatte seinen Humor wieder eingesetzt und eine ausnahmslos perfekte Nachahmung der Walker an den Tag gelegt. »Darf ich vorstellen? Mike und Dave, die Köpfe dieser Operation. Das ist Georg, Single, Anfang vierzig wohnt alleine und seine Eltern sind Jäger. Er selbst hat einen Waffenschein.« »Hallo!«, sagte Georg frohen Mutes. »Moin!«, erwiderte ich ganz leger, »Ich will uns zwar nicht als "Köpfe des Teams" titulieren, aber wir versuchen halt die anderen am Leben zu halten. Sind Sie das neuste Mitglied unseres Teams?« »Kann man so sagen. Ich kann schießen, hab zwei Kleinkaliber Gewehre daheim und bin seit über zwanzig Jahren im Schützenverein.« »Und Ihre Eltern. Leben sie noch? Beziehungsweise wo leben sie?« »Hör bitte auf mich zu siezen. Sie leben nahe dem Reichswald. Der bei Kleve da runter.« »Und dort kannst du die Gewehre deiner Eltern abholen?« »Ja, sie brauchen sie sowieso nicht mehr. Die sind im Ruhestand.« »Alles klar, aber ein paar von uns kommen mit. Zur reinen Sicherheit versteht sich.« »Ok. Was habt ihr als nächstes vor?« »Zuerst versuchen wir dieses Haus zu säubern und abzuriegeln.« »Säubern?« »Stell dir vor, hier könnten bereits Walker drin sein. Wir haben oben einen sitzen, den wir schon aus einem Walker infizierten Haus evakuiert haben.« Mike mischte sich ein: »Du solltest dir 'nen BOB zusammen stellen.« Georg schaute ihn fragend an »Das ist eine Bug out Bag. 'Ne Tasche wo Krempel drin ist, was du zum evakuieren brauchst. Nicht für das Überleben mehrere Tage im Wald, sondern einfach nur um raus zukommen. Leuchtfeuer, Klopapier, ein Messer, Verbandszeug, Penicillin, so was halt. Wir stellen die auch zusammen. Wenn was passiert, brauchen wir halt auch die nötigsten Sachen, oder nicht?« »Ja, da hast du wohl recht.« »Die Gewehre, könnten wir uns die vielleicht ausleihen? Wir müssten nachher mal nach Goch. Da gibt es einen Waffenladen und wir vermuten einige Walker in der Innenstadt.« »Beide ungern. Aber eines kann ich sicherlich klar machen. Soll ich es vorher justieren? Es wurde ewig nicht mehr benutzt« »Wie zielgenau kriegst du das hin?« »Ich hab damit immer auf hundert Meter geschossen. Sollte doch reichen, so schnell sind die nicht. Aber das Magazin fasst nur fünf Schuss.« »Das reicht vollkommen aus.« Ein plötzliches dumpfes Klopfen lies uns alle aufschrecken. Gegen die Tür neben an hat etwas geschlagen und jetzt, wo alle still sind, hört man auch das Stöhnen und Ächzen. Und wenn mich nicht alles täuschte, würde das ein Walker sein. »Dein Nachbar. Wie viele wohnen da?«, fragte ich. »Das ist Tommi und der wohnt auch allein. Der's ganz in Ordnung, auch wenn man ihn nie sieht.« »Nun, Tommi ist tot.« »Was?«, Georg war erschüttert, »Das kann doch unmöglich sein.« »Tommi machen Sie die Tür auf!«, brüllte David gegen die Tür, Nicoles Gewehr schon im Anschlag. Er hatte war keine militärische Ausbildung, konnte durch das ständige Softair spielen allerdings sehr gut zielen. »Hast du 'nen Schlüssel?«, fragte Mike »Nein.« »Das ist schlecht. Dave, meinste du schaffst das?« »Eintreten? Wird schon hart, denkste nicht?« »Awatt, du hast doch gute Beinmuskeln.« Das Haus war mittel alt und eventuell würde ich es schaffen die Scharniere aus der Wand zu treten. Die Schlösser selbst waren alle neu, da konnte man nichts reißen. Ich stellte mich vor die Türe und versuchte sie aufzutreten. Ohne Erfolg. Das Schaben und Stöhnen an der Tür wurde viel lauter. Ich wollte sie nicht einrempeln, denn dann würde ich mit Sicherheit mit rein fallen und wer weiß, was dann passiert wäre. Ich trat noch mal, keinen Millimeter. Ich war frustriert, bis Georg eine kleine Axt an den Mann legte. Ich schaute ihn fragen an und er sagte nur: »15 Jahre freiwillige Feuerwehr.« Gezielt schlug er mit der Axt neben dem Türgriff ein. Nach bereits drei Schlägen war die Türe soweit ramponiert, dass man sie locker auftreten konnte. Dass knarren und stöhnen wurde immer lauter und bis auf David, Georg und mich stand keiner mehr in direkter Reichweite der Tür beziehungsweise des Walkers. David war total angespannt. Ich bat Georg auch in Deckung zu gehen und zog das Katana aus der Scheide an meinem Gürtel. Ich zitterte nicht, meine Muskeln schmerzten aber fast vor Anspannung. Mit einem gezielten, aber nicht zu starkem Tritt, brach ich schließlich in das Haus ein. Ich ging sofort zur Seite, damit David freie Schussbahn hat. Ich selbst stellte mich an die Wand, sodass ich immer noch schnell genug war um zu helfen, aber nicht in unmittelbarer Gefahr war. »Denk dran, das Hirn!«, rief Sascha. David wirkte gestresst. Er zielte relativ lange, wobei ich nicht sagen konnte, ob er den Walker schon sieht. Ich wollte mir nicht vorstellen, was in seinem Kopf vorging. Er hatte noch keinen erledigt. Er trat einige Schritte rückwärts die Treppe runter. Vielleicht um Abstand zu gewinnen. Dann konnte ich beobachten, wie der Walker aus der Türe schritt und langsam auf David zu taumelte. Das hatte mir alles zu lange gedauert. Ich beschloss einzugreifen und David aus der Scheiße zu ziehen, indem ich den Walker erledigte. Mit einem gezielten Schwung mit dem Katana rollte der Kopf die Treppe runter. Jetzt hatten wir beides. Einen Walker weniger und ein perfektes Schaumodel für Ungläubige. »Könnten noch mehr in der Wohnung sein?«, fragte Mike Georg. »Ich denke nicht, er hatte schon lange keinen Besuch mehr und ist Junggeselle, wie ich.« »Könnte er sich eventuell an einem Verwandten von ihm infiziert haben?« »Halte ich für unwahrscheinlich. Ich hätte bemerkt, wenn hier jemand durchs Treppenhaus gelaufen ist, so wie ihr dauernd.« »Waren wir eine Last für sie?« »Nein, nein. Ich hatte mir nur gedacht, dass ihr da oben eine kleine Party feiert. Konnte sich doch niemand ausmalen, dass ihr da versucht das Ende der Welt zu verhindern.«, er lachte. »Wir versuchen nicht das Ende der Welt zu verhindern. Wir versuchen lange genug zu überleben. Wenn wir dann in einem verbitterten Krieg gegen die Walker gewinnen, umso besser.« »Ich geh rein. David, komm mit.«, sagte ich. »Wo rein?«, Mike war verwirrt. »Checken, ob die Wohnung clean ist. »Alles klar, lass dich nicht stören.« David und ich durchsuchten die Wohnung. Keine weiteren Walker, aber allerhand lustiger Krempel stand hier rum. Ein paar Videospielkonsolen für unseren Zeitvertreib, allerhand warme Decken, die wir sicherlich mal brauchen würden, im Schrank des Hausflures fanden wir etwas von unschätzbarem Wert, ein dieselbetriebenes Notstromaggregat und jede Menge Konserven. Der Kerl hat scheinbar nur auf einen Krieg gewartet. Zu Schade, dass er eines der ersten Opfer war. Plötzlich hörten wir eine Frauenstimme. Es war Nicole. David und ich gingen Richtung Ausgang und hörten uns an, wie sie panisch erklärte, dass wir Besuch haben. »Kleinkaliber? Wollen wir das testen?«, fragte Mike. Wenige Minuten später befanden wir uns auf dem Balkon im ersten Obergeschoss. Praktisch genau unter dem Balkon, wo ich meine letzte Nacht verbracht habe. Ich hatte das Jagdgewehr in der Hand, Mike und Georg hatten die beiden Kleinkaliber. Insgesamt neun Walker haben sich zu uns verirrt. Sie taumelten über die Straßen. Vielleicht hatten sie etwas verfolgt, es verloren und sind dann rumgeirrt um es zu finden. Das war sehr interessant zu sehen, denn sie zeigten Rudelverhalten. Vorher kam Stundenlang keiner vorbei und dann direkt neun Stück. »Alles klar. Wenn wir jetzt hier rausgehen, haben wir wohl schlecht eine Chance. Daher müssen wir sie unbedingt töten.«, erklärte Mike. »Roger that!«, sagte ich. »Und so ein Biss von denen ist auf jeden fall tödlich?« »Ja! Du lebst zwar erstmal weiter, wirst aber einer von ihnen.« »Dann haben die auf jeden Fall den Vorteil auf ihrer Seite.« »Wie gut kannst du schießen?«, wollte Mike wissen. »Verdammt gut.« »Alles klar, zielt auf die Köpfe. Dave, du nimmst den linken, ich den rechten und Georg einen in der Mitte.« »Roger that!«, sagte ich erneut. Mike zählte von fünf runter bis zum Schuss. Alle drei Ziele fielen sofort um. Blut sickerte auf die Straße, die restlichen schauten sich verwirrt um, bis einer uns entdeckt hatte und anfing zu stöhnen. Langsamen Schrittes kamen sie auf uns zu. »Gleiches Schema! Dave links, Georg Mitte und ich rechts.« wiederholt zählte er bis fünf runter und erneut schossen wir fast gleichzeitig. Diesmal fielen nur zwei um. Ich fluchte, denn meiner blieb stehen. Fünf lagen, vier standen. Immerhin besser als nichts. »Dave! Streng dich gefälligst mehr an!« »Ist ja schon gut! Gleiches Schema. Mike, zähl runter, von drei aber bitte.« Das tat er auch. Diesmal kippten wieder drei um. »Georg, wieviel Munition hast du im Haus?« »Mehr als genug.« »Dann schieß dem mal ins Herz.« Das tat Georg auch. Der Walker kippte um und Georg drehte sich weg. Blut sickerte auf den Bordstein, wo er mittlerweile angekommen war. Georg sagte was davon, dass der Schuss ihn umgerissen hätte und er in wenigen Sekunden tot sein müsste, da sein Herz kein mit Sauerstoff angereichertes Blut mehr ins Hirn pumpen würde. »Hast du den Schädel von dem Enthaupteten gesehen?«, fragte ich. »Nein, warum?« »Uhhh! Sag das doch. Walker sind...«, ich machte eine kurze Pause um das passende Wort zu finden, »sagen wir resistent. Achte doch mal.« Der Walker war wieder auf den Beinen und Georg war total erschrocken. »Ich wusste zwar, dass dies keine Menschen sind, aber das da ist pervers!« »Hirn zerstören oder er lebt weiter. Egal was kommt. Der einzelne Schädel im Flur sollte auch noch leben.« »Was?«, Georg war fassungslos, »Tommi wurde geköpft!« »Japp!«, sagte Mike. Georg musste sich erstmal setzen. Ich nahm es in die Hand und jagte dem letzten Walker eine Kugel in den Kopf. Wir diskutierten ein wenig rum, wie es möglich war, dass diese Biester noch weiterleben, wenn man denen das Herz wegballert, bis ich schließlich sagte, dass da noch andere Wohnungen sind. Vier hatten wir sichergestellt, vier waren noch zu erledigen. Das nahmen Mike, Sascha und Georg in die Hand. Ich war wieder in Mikes Wohnung und habe mich mit den anderen über die Situation unterhalten. Was die nächsten Schritte sind wegen Waffenbeschaffung, dann das Nachbarhaus ausräumen, dass ich Sara suchen will und so weiter. Einmal hörte ich Schüsse. Sie kamen aus dem Haus. Scheinbar direkt zwei Walker oder ein schlechter Schütze. War mir in dem Fall auch egal. Knappe fünfzehn Minuten hat es gedauert, bis die Jungs das Haus leer hatten. Mike kam dann mit Georg, Frau Rosenthal und zwei weiteren Personen in die Wohnung. Wir stellten einander vor. Die beiden Personen waren Sandra und Carsten. Er war zirka eins achtzig groß, dunkelblond und von Beruf Bankkaufmann. Sie war Sekretärin, einen Kopf kleiner und mittellange brünette Haare. Beide waren ende zwanzig. Ich fragte, was mit Tommi sei und Georg sagte, dass er ihn mit der Axt erlöst hatte. Die Schüsse waren zwei weitere Walker in der Etage über uns und oben wurde eine Wohnung bereits evakuiert und eine andere im Erdgeschoss war erst gar nicht bewohnt. Kellereingänge hat Mike alle abgeschlossen und im Erdgeschoss alle Fenster zu gemacht und die Rolladen herab gelassen. Wir waren sicher... Vorerst. Kapitel 5: Einmal durch die Hölle und zurück -------------------------------------------- »Gibt es eine Möglichkeit, von hier aus durch den Keller ins Nachbarhaus zu gelangen?«, fragte David »Könnte durchaus möglich sein.«, gab Gabi von sich, »Im Keller ist eine Stahltüre. Die ist aber immer abgeschlossen. Sie müsste theoretisch ins Nachbarhaus führen.« »Was heißt theoretisch?« »Na ja, sie ist da, wo das andere Haus anfangen sollte.« »Dann wird es so sein.«, sagte Georg Er hatte sich inzwischen ziemlich gut mit der Situation abgefunden und gut in die Gruppe integriert. Und das nach nicht einmal einer halben Stunde. Sascha, Jan, Mike und Carsten durchsuchten unser Haus nach nützlichen Dingen. Frau Rosenthal war wieder in ihrer Wohnung. Sie bat uns darum, dass wir sie über alles Nötige informieren. Im Gegenzug hat sie uns versprochen ihre Wohnung nicht zu verlassen. Nur, wenn sie zu uns möchte. Wir haben neben den Wachen auf dem Balkon auch eine Wache im Dachgeschoss aufgestellt. Mary steht da mit einem Stuhl im Dachfenster und beobachtet die Rückseite des Hauses. Roland hingegen steht auf dem Balkon. »Könnte einer einen Schlüssel haben?«, David hat nicht aufgehört nachzuhaken. »Möglicherweise. Aber ich hab keinen, du Gabi?« »Nicht, dass ich wüsste.« »Und du, Sandra? Habt ihr einen Schlüssel?« »Nein.« Georg runzelte die Stirn. Ihm missfiel der Gedanke, dass eine mögliche undichte Stelle im Keller sein mochte. Schließlich stand er auf und ging raus. David rannte ihm nach. Ich hingegen wollte wissen, wieweit die Jungs waren. Also stand ich auf und meldete mich ab. Ich empfand das Abmelden wichtig, denn so wusste jeder, was ich vorhatte und in brenzligen Situationen konnte man mich schneller auftreiben. Im Flur hab ich dann laut nach Mike gerufen. Ich bekam als Antwort, dass er im Dachgeschoss wäre. Ich stieg die Treppen hinauf und sah Carsten in der rechten Wohnung. Ich wusste, dass Mary in der linken Wohnung Wache stand. Die linke war die evakuierte Wohnung. Rechts waren demnach die Walker drin und wenigstens nicht das wichtigste ausgeräumt. Ich trat hinein. Der Flur wurde von den Jungs scheinbar schon von unwichtigen Sachen geräumt und nur noch wichtige hinterlassen. »In welchem Zimmer ist Mike?« »Im Wohnzimmer.«, sagte Carsten. Ich bedankte mich und ging ins Wohnzimmer. Dort fand ich ihn auch. Er war gerade dabei den großen Schrank auszuräumen. »Irgendwelche netten Sachen gefunden?« »Nein. Etwas Pfefferspray, was wahrscheinlich nichts bringen wird, 'ne Schreckschusspistole, die mit Sicherheit nichts bringen wird, sehr viel Goldschmuck, was uns früher was gebracht hätte und nicht zu vergessen Drogen, die ich mal Sicherheitshalber das Klo runter gespült habe.« »Ah, ich seh' schon, du hast hier viel Freude.« »Absolut!« »Was ist mit den Leichen? Tommi, die beiden da auf dem Balkon und die neun draußen?« »Ich weiß nicht. Ich hatte überlegt die beiden da den Balkon runter zu werfen. Allerdings bringt das ja auch nicht viel. Das wird bald irgendwann zu stinken beginnen.« »Wir könnten die auf dem Feld verbrennen.« »Meinste nicht, dass das zu viele Walker anlockt?« »Was weiß ich?« »Ne, ich sag, wir sollten sie einfach mal irgendwo, hundert Meter weiter, auf einen Haufen legen.« »Ja lecker.« »Hast du eine bessere Idee?« »Nein, leider nicht. Ich hab nur irgendwie Angst das Grundwasser hier zu verseuchen.« »Hallo? Wir werden zu Untoten, wenn wir sterben? Was kann schlimmer sein?« »Schlimmer? Wenn wir Untote werden, ohne dass wir sterben oder gebissen werden? Daran mal gedacht? Dass der Tod oder ein Biss nur ein Katalysator ist?« Mike wurde aschfahl. Sein Blick war gebrochen. Daran hatte er also noch nicht gedacht. »Dann werde ich kämpfen, bis es soweit ist!«, sagte er leise. »Und wir werden Seite an Seite stehen. United we stand, united we fall!«, ich streckte meine Faust aus »Till the end of time, brother's at all!«, sagte Mike und schlug mit seiner Faust gegen meine. Eine knappe halbe Stunde später saßen wir im Auto Richtung Reichswald, um Georgs Eltern zu besuchen. Wir haben alle möglichen Sporttaschen aus dem ganzen Haus im Gepäck. Insgesamt haben wir sechs gefunden. Passte super, da wir nur sechs Mann waren. Die Fahrt würde ungefähr dreissig Minuten dauern, ohne Zwischenfall. Wusste ja keiner, was auf der Straße passieren würde. In unserem Wagen saßen David, Mike und ich. In dem Kombi vor uns waren Georg, Carsten und Sascha. Jedes Auto hatte eine Waffe dabei. Mike sein Jagdgewehr und Georg ein Kleinkaliber. Außerdem waren alle mit sonstigen Waffen bestückt. Ich hatte mein neues Katana. Carsten und Sascha jeweils einen scharfen Spaten und David nur einen Baseballschläger. Zu Hause waren Chris, Roland, Kai, Björn und Andi damit beschäftigt das Nachbarhaus auszuräumen, die Leichen auf den Spielplatz zirka einhundertfünfzig Meter weiter zu stapeln. Die Frauen hatten die Wachen für sich übernommen. Kai hatte das zweite Kleinkaliber bekommen. Für den Fall der Fälle. Jeder hatte sein Handy dabei und ihre Ziele waren das Haus von Walkern und infizierten zu reinigen, die überlebenden zu warnen, einen Schlüssel für die Stahltür im Keller zu beschaffen, herausfinden, ob die vier Häuser miteinander verbunden sind, wobei die beiden anderen etwas nach hinten versetzt in der Reihe standen und es eher unwahrscheinlich war und auf alle Fälle zu überleben. Das hatte oberste Priorität. Ich tätigte einige Anrufe. Immerhin hatte ich acht Jahre in Goch, beziehungsweise einem Nebenort davon gewohnt und eventuell könnte man gerade jetzt in einem Rutsch noch ein paar Leben retten. Der erste Anruf bei Pascal verlief nicht gerade rosig. Immerhin noch rechtzeitig, bevor ihn die Infektion dahin rafft. Ich konnte mich von ihm verabschieden und bedankte mich für acht wundervolle Jahre. Er selbst wusste nicht, was auf ihn zu kommt und ich hab ihm kurz und schmerzlos gesagt, dass er einer von ihnen werden würde. Ich sagte ihm, wenn er seine Familie lieben würde, sollte er das Haus verlassen oder er würde sie töten. Nach dem Anruf musste ich weinen. Ich hatte einen der besten Freunde verloren, die ich je hatte. Ein zweiter Mensch in Goch - Pfalzdorf bedurfte meiner Warnung. Ich rief ihn an. »Jau Dave! Schön, dass du mal anrufst!«. Das war schlecht, zu gute Laune. »Moin Rolli! Sag mal,«, kurze Pause um die richtigen Worte zu finden, »ist dir in letzter Zeit was ungewöhnliches aufgefallen?« »Außer dass Leichen aus ihren Gräbern aufstehen und die Bevölkerung anfallen und zu den ihren machen? Nein.« »Also weißt du schon über alles Bescheid? Auch über Bisse?« »Ja, Mein Vater und meine Schwester sind schon gebissen worden und von mir zur Strecke gebracht worden, ohne dass ich gebissen wurde. Ich hab mich mit meinem Bruder in unserem Haus verbarrikadiert. Bernhard wurde beinahe infiziert und ist jetzt total verstört, weil seine Freundin gestorben ist. Von meiner Mutter fehlt jede Spur. Freunde raffen dahin, weil sie mir nicht glauben.« »Roland! Du stehst unter Schock! Du hast für die Umstände viel zu gute Laune!« »Ja was soll ich machen? Rumheulen und untergehen wie mein scheiß Bruder?« »Nein! Den Tatsachen ins Auge sehen und dagegen ankämpfen, so wie wir es machen!« »Du hörst dich auch nicht gerade gut an. Hast du rumgeheult?« »Ich hab gerade mit Wiesel telefoniert. Er wurde vor knappen zwei Stunden infiziert und das ging mir sehr Nahe mich von ihm verabschieden zu müssen.« »Was? Wiesel? Pascal Weßels?« »Ja, genau der.« »Ach du scheiße.« »Pass auf. Wir besorgen uns gerade Waffen und wollen in Goch einfallen um mehr Waffen zu besorgen.« »Nach Waffen Schneider?« »Genau da hin.« »Alles klar, wo besorgt ihr die Waffen?« »Bei Kleve im Reichswald. Danach würd' ich vorschlagen, dass wir dich in Pfalzdorf abholen kommen. Deinen Bruder auch. Dann fahren wir gemeinsam nach Goch und räumen da auf. Hast du 'nen Auto?« »Ja, hab ich. Alles klar, ruf mich an, wenn du in der Nähe bist. Aber umfahrt vorerst Goch. Da ist die Hölle ausgebrochen.« »In Kevelaer auch. Uedem hingegen ist total ruhig.« »Nein, mit Hölle mein ich Hölle. Da war wohl ein Straßenfest, bevor da gute fünfzig Untote eingefallen sind.« »Oh, shit.« »Na ja, bis gleich, Dave. Wir sehen uns ja noch, bevor wir in Goch alle draufgehen.« »Alles klar, bis dann.« Ich legte auf und versuchte dann Sara anzurufen. In Zwischenzeit sollte sie ja wohl die Lage begriffen haben. »Schatz! Ich bin so froh, dass du anrufst!«, sie fing sofort an zu weinen, »es tut mir so leid, dass ich dir nicht geglaubt habe!" »Sara! Bist du verletzt? Sind deine Eltern verletzt? Wo bist du gerade?« »Alle unverletzt. Wir fahren im Auto.« »Wohin?« »Nach Tönisvorst. Zu dir!« »Nein! Ich bin da nicht mehr!«, sofort fing sie an, stärker zu weinen, »Beruhige dich, Schatz. Wir sind 'ne Autostunde von Tönisvorst entfernt. Der Ort heißt Kevelaer. Würdest du da hinkommen?« »Ja, ich komm überall hin. Aber was machst du in Kevelaer?« »Überleben, was sonst? Wir sind dabei uns dort ein Hauptquartier einzurichten. Derzeit besorgen wir Waffen.« »Waffen?« »Ja, wir wissen, wie wir Walker angreifen können.« »Walker?« »Untote. Wir sind gleich im Wald, da gibt’s Waffen für uns und dann nach Goch, das räumen wir aus. Ich muss aufhören, ich schick dir eine S.M.S. mit der Adresse.« »Nein, leg noch nicht auf.« »Schatzi, ich muss wirklich. Wir sehen uns in zwei bis drei Stunden und dann werden wir uns nie wieder verlieren. Ich liebe dich.« Ich legte auf. Ein Stich durch mein Herz verriet mir, ich sie niemals wieder sehen würde. Missmutig tippte ich die Adresse in Kevelaer in mein Handy ab, fragte kurz nach der Postleitzahl und schickte diese via S.M.S. zu Sara. Jetzt würde das Schicksal entscheiden, ob ich sie jemals wieder sehen würde und ich hoffte, das Schicksal möge es gut mit mir meinen. Wirklich nur sehr wenig später konnte man den Reichswald schon erkennen. Keine fünf Minuten später parkten wir vor einer kleinen Hütte direkt vor dem Wald. Sah nicht schäbig aus, allerdings würde ich hier nicht wohnen wollen. Es gab nicht sonderlich viele Nachbarn. Georg hielt mit seinem Wagen an und wenige Sekunden später stieg er aus. Mike blieb am Wagen und überwachte die Umgebung. Wirklich toller Job, denn da gab es nichts. Der Rest ging mit Georg zu seinem Elternhaus. Allerdings reagierte keiner auf unser Klopfen und Klingeln. Auch rufe wurden völlig ignoriert. Wir vermuteten das Schlimmste und Georg zitterte förmlich, als er nach seinem Schlüsselbund kramte. Scheinbar hatte er einen Ersatzschlüssel für das Haus, aber zu wenig Schneid seine Eltern als Walker zu sehen. Schließlich riss Carsten ihm den Schlüsselbund aus der Hand und probierte solange verschiedene Schlüssel aus, bis einer gepasst hatte. Er öffnete die Tür und schritt sofort einen Schritt zurück. »Hier, Walkie Walkie Walkie!« »Carsten, im Ernst. Ich glaube nicht, dass das so klappt.« »Ihr sagtet doch, dass sie hören können. Jetzt hören sie Stimmen und kommen vorbei.« »Bitte, könntet ihr aufhören über meine Eltern zu reden, als wären es bereits Leblose?« »Sorry, wirklich.«, Carsten errötete. Georg wollte nicht voraus laufen, also beschloss ich, dass ich es tu. Ich vermutete keine Walker, denn die Umgebung hier war so belebt wie die australischen Outbacks. Schritt für Schritt, meine Nerven angespannt bis ins Unendliche, ging ich durch das Haus. Versuchte jedes Geräusch mit zu bekommen. Plötzlich wurde es etwas hinter mir laut. David hatte auf den Anrufbeantworter gedrückt und dieser schepperte los. Siebzehn Nachrichten in den letzten anderthalb Wochen. Alle waren neu, das heißt, dass hier seit anderthalb Wochen keiner mehr gewesen ist. Solange war die Seuche noch nicht unterwegs. Glaubten wir. Von da an bewegten wir uns frei durch das Gebäude. Sammelten alles an Waffen, was wir finden konnten. Insgesamt waren es vier Jagdgewehre. Zwei einläufige Schrotflinten und zwei Gewehre mit mehreren Läufen. Eines hatte sogar drei Läufe. Gerade dieses Model erregte meine Aufmerksamkeit. »Mike, was ist das für'n Teil?« »Das? Das ist ein Drilling.« »Ein Drilling ist eine Kartoffel.« »Nicht in diesem Fall mein Freund. Die beiden oberen Läufe sind Schrotflinten, das kleine darunter ein Großkaliber. Das ist ein sehr edles und selten gesehenes, aber fast nur von Jägern gebrauchtes Gewehr.« »Alles klar, ich will das haben!« »Wieso du? Ich will das auch!« »Ok, wir machen einen Deal. Ich krieg' den Drilling, du bekommst das erste Sniper, was wir finden.« »Dir ist schon klar, dass Scharfschützengewehre in Deutschland so häufig sind wie...«, Mike fand keinen Vergleich, »... Käsebrötchen auf Schnitzel.« »Ja, und genau das sollte dich dazu bewegen, von dem Drilling abzulassen.« »Warum? Wenn wir nie eins finden?« »Jaaaaaaaaa«, ich zog es so lang ich Atem hatte, »aber was, wenn wir genau eins finden? Würdest du dich damit zufrieden geben, dass ich ein Sniper hab, du aber nicht?« »Was? Selbstverständlich nicht!« »Siehst du. Also behalt ich es.« Widerwillig stimmte Mike ein. Man konnte in seinen Augen erkennen, dass er mich jetzt hasste. Zumindest würde das solange anhalten, bis ich ihm den Arsch mit meinem neuen Drilling rettete. Zumindest erklärte er mir, wie sie funktionierte. Welchen Mechanismus man umlegen musste, wenn man von Schrotflinte auf Großkaliber wechselte, wie man sie öffnete und lud. »Pass auf, Großkaliber sind für weite Strecken. Einhundertfünfzig bis Zweihundert Meter würde ich sagen.«, erklärte Mike, »Das ist auf Präzision ausgelegt. Die Schrotläufe kannst du auf nicht mehr als dreißig Meter einsetzen. Und die hat 'ne Streuung, denk bitte dran.« »Alles Roger.« sagte ich drauf. Jetzt besaß ich einen Drilling, was mich vorläufig glücklich stimmte. Oder sollte ich besser sagen, dreiläufig glücklich? Für beide Kaliber fanden wir mehr als genug Munition. Leider nichts für Nicoles Waffe. Allerdings empfand Mike sie als bisher beste Waffe, da sie sehr hohe Durchschlagskraft hat und außerdem ein Einsteckmagazin mit fünf Patronen beinhaltete. Diese Kapazität hatte bisher nur das Kleinkaliber erreicht, denn die neuen Waffen hatten alle Kippläufe. Nachdem wir nichts mehr finden konnten, außer ein paar Kaninchenfallen und sonstigem Jägerequipment, machten wir uns auf den Weg nach Rolli. Dieser wohnte am Rande von Pfalzdorf nach Goch hin. Wir brauchten nur zehn Minuten vom Reichswald aus und ich ließ kurz auf seinem Handy durchklingeln, als ich kurze Zeit später klingelte. Vor seinem Haus war es ruhig. Was denn sonst? In Pfalzdorf war es immer ruhig. Wir gingen mit der gesamten Truppe und voll bewaffnet in sein Haus. Es rief einige Erinnerungen wach hier noch einmal zu sein. Früher war ich oft bei Roland oder wir haben stundenlang telefoniert. Mit dem Einstieg ins Berufsleben hat sich so einiges geändert. Er bot uns einen Kaffee und Diazepam an. Wir nahmen den Kaffee direkt und das Diazepam für später. Bernhard musste anfangen zu weinen als er mich gesehen hatte. »Hey Bernie, hör auf zu heulen, was ist denn los?« »Ich bin einfach nur glücklich, dass du lebst.« »Bwah! Unkraut vergeht nicht! Ich werde immer sein.« »Das hat meine Freundin auch gesagt.« Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, also nahm ich ihn in den Arm. Er war zwar bereits neunzehn, doch auch ein erwachsener Mann muss nicht alles verkraften können. Wir haben früher oft zusammen Mist gemacht und so was schweißt natürlich auch zusammen. Nicht so sehr wie das, was noch kommen wird. Dem ist gewiss. Wir waren ungefähr eine viertel Stunde bei Roland, bevor mich mein Chef angerufen hat. Ich ging ran, obwohl ich Urlaub hatte. »Moin Stefan!« »Moin Goldi!« »Lass mich raten. Fast keiner der Köche kam heute zur Arbeit?« »Woher weißt du das?« »Nun ja, Stefan. Das ist ganz einfach. Christian und Olga wohnen in der Nähe vom Friedhof in Tönisvorst und sollten über die Lage aufgeklärt sein, was da vor sich geht. Johnny ist ein Gothic und wird es wohl als erster gewusst haben. Und Marvin wohnt in Benrad, der müsste eigentlich da sein. »Ja, stimmt. Marvin ist hier, aber der Rest nicht.« »Und du willst jetzt, dass ich arbeiten komme?« »Wär' schon nett, ich hab sonst keinen. Der Rest geht nicht an sein Handy.« »Ok, soll ich dir alles erzählen?« »Wie alles?«, mein Chef stutzte. »Ja, alles eben. Warum du deinen Laden schließen solltest, dir Waffen besorgen solltest und die Kühlhäuser voller Konserven stopfen solltest.« »Goldi, hast du gekifft?« »Nein, schön wär's, wenn es nur eine allergische Reaktion auf T.H.C. wäre.« »Ok, dann leg mal los.« »Du wirst es mir nicht glauben, Chef, aber ich steh hier gerade in meiner alten Heimat. Bei mir sind sieben meiner Freunde, wovon fünf bis unter die Zähne bewaffnet sind. Ich selbst trage derzeit ein Katana und einen Drilling bei mir. Das Gewehr, nicht die Kartoffel.« »Goldi, verarschen kann ich mich allein.« »Roland? Mach ein Foto von uns sechs. Chef, warte bitte einen Augenblick.« Wir stellten uns in einer Reihe auf und Roland schoss mit seinem Handy ein Foto. Das erste und letzte Foto, was von uns sechs jemals geschossen wurde. »Jetzt schick es bitte an diese Nummer.«, ich zeigte Roland mein Handy, wo die Nummer meines Ausbilders zu sehen war. Er schickte die M.M.S. los und nur wenige Augenblicke später hörte ich ein Geräusch am Handy meines Chefs, »Guck's dir an!« »Was zur Hölle macht ihr da? Sind das Softairs?« »Nein, das sind echte Waffen. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber die Toten stehen aus ihren Gräbern auf und greifen die Lebenden an. Ich hab mich mit ein paar von meinen Freunden zusammen getan, um zu überleben. Marvin wohnt nicht in irgendwelchen Krisengebieten innerhalb Krefelds, also weiß er eventuell noch nichts davon. Diese sogenannten Walker sind lebensgefährlich, denn ein einzelner Biss sonstwo an deinem Körper lässt dich in vier bis fünf Stunden zu einem von ihnen werden.« »Goldi du Schwein. Wenn du keinen Bock auf Arbeit hast, weil du im Urlaub bist, dann kannst du das auch sagen. Ich jedenfalls werd's mir merken.« »Stefan, hör mir gut zu. Fahr nach Fischeln zum Friedhof und bestätige meine Aussage. Das ist ein globales Phänomen. Wenn alles schief geht, komme ich nie wieder arbeiten.« »Warum nicht? Hast du kein Bock mehr?« »Nein, wenn alles schief läuft ist einer von uns beiden bald schon tot. Oder eben doch nicht, obwohl er es sein sollte.« »Goldi, es reicht!« Mit diesen Worten legte er auf. Er war richtig sauer. Das erste Mal, dass ich mich nicht mit einer Lüge um die Arbeit nach der Schule oder an freien Tragen drücke, schon ist der sauer auf mich. Ironie des Schicksals. So oder so würde er mir früher oder später glauben. Ist mir allerdings jetzt herzlich egal. »Jungs? Wir sollten langsam mal nach Goch fahren. Wer weiß, wie lange es noch tatsächlich irgendwie möglich ist?«, sagte Roland. »Wie wäre es, wenn wir vorher nach Motorrad Lörper fahren?«, fragte ich. »Warum?«, wollte Mike wissen. »Nun ja... Motorrad Schutzkleidung ist sicherlich hilfreich, oder?« Fast ohne Zwischenfälle fuhren wir zu Motorrad Lörper. Das war ein kleiner Laden im Industriegebiet zwischen Goch und Pfalzdorf. Der Laden hatte entgegen der Öffnungszeiten geschlossen und wir entschieden uns einfach einzubrechen und uns passende Kleidung auszusuchen. Der Alarm ging zwar los, allerdings wussten wir, dass praktisch keine Polizei kommen würde. Jeder von uns hatte nach kurzer Zeit ein gepanzertes Oberteil und eine gepanzerte Hose. Jeder einen anderen Helm, um uns zu unterscheiden. Für Handschuhe entschlossen wir uns nicht, damit wir besser mit unseren Waffen umgehen konnten. Wenig später befanden wir uns auf dem Weg in die Stadt. Unser Ziel war Waffen Schneider. Nicht die direkte Innenstadt, aber eine Straße, die davon wegführte. Wenn Walker tatsächlich so ein starkes Rudelverhalten hatten, wie wir vermuteten, dann würden wir wohl die gesamte Innenstadt hinter uns her torkeln haben. Die Distanz zwischen Schneider und dem Marktplatz betrug zirka vierhundert Meter. Allerdings waren wir schon ungefähr dreihundert Meter vor dem Waffenladen gezwungen zu halten. Ungefähr hundert Meter vor uns fing es an. Bis Schneider, dessen Schild wir schon sehen konnten, waren gut und gerne siebzig dieser Biester. Wir schnallten uns die Sporttaschen auf den Rücken. Georg und Bernhard hatten keine, der Rest schon. Diese galt es mit soviel Waffen und Munition zu füllen, wie nur irgend möglich. Kaum stiegen wir aus, fingen wir an zu schießen. Ohne meinen Drilling hatten wir fünf Gewehre. Roland hatte zwar noch eine Pistole von seinem Vater, allerdings, wie er sagte, nur für den Notfall, da er nur noch vier Schuss hatte und keine Ersatzmunition. Die Walker fielen wie die Fliegen. Mike und Georg legten eine sehr gute Arbeit hin. Beide hatten fünf Schuss und wechselten sich ab. Sascha und ich hatten sowohl Großkaliber, als auch Schrotläufe, wobei ich einen mehr hatte. Wir schossen immer auf die weiter Entfernten. Carsten und David hielten sich bereit um auf Walker in kurzer Distanz zu schießen. Beide hatten Schrotflinten und konnten auf weiter Entfernung nichts ausrichten. Überall lagen Kadaver und Blut. Gedärme zierten die ganze Brückenstraße und ich wandte mich ab. »Ich halt uns den Rücken frei, lasst mich nur machen.« »Alles klar, Dave.«, Mike war gerade mit dem Nachladen beschäftigt. Hinter uns war nicht viel los. Hin und wieder musste ich dennoch einen Walker, der sich von hinten anschlich mit meinem Großkaliber entfernen. Weil es so wenig waren, waren sie ziemlich ungefährlich, allerdings musste ich bei jedem Schuss nachladen, was das nervigste an der ganzen Geschichte war. Insgeheim hab ich den Drilling schon verflucht. Wir kamen nur sehr langsam voran. Meinen Schätzungen zufolge hatten wir bereits mehr als vierzig, also gut die Hälfte, vernichtet, haben aber vielleicht erst fünfzig Meter Land gewonnen. Plötzlich wurde es kritisch. Neben mir tauchte wie aus dem Nichts ein Walker auf. »Dave!«, schrie Bernhard lauthals, »Neben dir!« Ich drehte mich zuerst nach links, dann nach rechts. Schon fast in Greifweite war ein Walker, ging auf mich zu fletschte die Zähne. Blanker Überlebensinstinkt wurde in mir geweckt und blitzschnell zog ich den Drilling hoch, legte den Hebel um und betätigte den Abzug. Der Rückschlag vom nachfolgenden Schrotflintenschuss riss mich fast aus den Schuhen. Ich taumelte einen Schritt zurück und alles was ich sah, war rot. Das ganze Visier hing voll von einer klebrigen roten Pampe. Ein kurzes Raunen ging durch die kleine Menge, bevor das Schießen wieder von vorne begann. Ich öffnete mein Visier und entdeckte, dass mein Oberkörper voller Blut war. Der Schädel des Walkers war praktisch nicht mehr existent. Wie durch den überlauten Schuss angelockt, hörte man in weiter Entfernung ein kreischen. Nichts, was von einem Menschen oder einem Tier stammen könnte. Dafür war es zu markerschütternd. Ich blickte in die Richtung des Schreis und sah hin und wieder aus der Menge eine Gestalt aufspringen. Egal was es war, es war auf dem Weg zu uns. Die Walker fingen an eine kleine Gasse zu bilden. »Scheiße.«, sagte ich. Mike, der unentwegt weiter schoss, fragte: »Was ist los? Wurdest du gebissen?« »Nein, aber da ist etwas auf dem Weg zu uns. Der Schrei, dann das Vieh, was man öfters mal über der Menge sieht. Und vor allem. Sie sind intelligenter als ich dachte, sie bilden für das Vieh eine Gasse.« »Vieh?«, Carsten wurde hellhörig. »Das könnte einer der Biester aus dem Fernsehen sein.«, sagte Mike »Glaubste in Goch kommt so was vor?« »Woher soll ich das wissen?« »Welches Vieh?«, Carsten begann zu nerven. »Ne Mutation der Walker, wenn du so willst.«, sagte ich. »Ich will so was nicht hier haben.«, jammerte Carsten »Meinst du ich? Und jetzt schießt weiter, ich versuch mich um das Biest zu kümmern, wenn es da ist.« Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, war aus auch schon zu spät. Auf allen Vieren wahnsinnig schnell auf uns zu sprintend kam dieses Etwas auf uns zu. Ich legte um auf Großkaliber und schoss. Aus dem Augenwinkel sah ich Mike sein Gewehr rum reißen und auch auf das Biest schießen. Scheinbar vergebens, denn das Ding machte einen riesigen Satz und riss Carsten mit. Dieser begann zu schreien. Mit einem einzelnen Biss, riss das Biest Carstens rechte Schulter vollkommen ab, ehe es sich umdrehte und wieder auf uns zuhechtete. Es sprang erneut, nur diesmal auf mich zu. Ich zog meinen Drilling in seine Richtung. Es befand sich noch genau eine Kugel in einem Schrotflintenlauf. Eine einzige Chance. Das Hebelumlegen ging wie von Geisterhand. Ich zielte auch nicht wirklich, sondern hoffte nur und drückte ab. Mitten in sein Gesicht und nur wenige Millisekunden vor dem harten Aufprall. Sein ganzer Kopf zerplatzte in viele matschige Einzelteile und ich wurde von dem Rückstoß des Schrotgewehres nach hinten rüber geschleudert, kurz bevor mich der widerliche Kadaver dieses Dings erwischt hatte und mich bewusstlos schlug. Als ich wieder wach wurde war ich in Georgs Kombi. Bernhard hatte meinen Drilling in der Hand und von draußen hörte ich weiter entfernte Schüsse. Hin und wieder war ein naher Schuss zu hören. »Paracetamol gefällig?«, fragte Bernie »Ja, bitte.« Ich nahm die Tablette und schluckte sie runter. »Wo sind wir?« »Immer noch in Goch. Du hast uns vor zehn Minuten gerettet.« »Dieses Vieh, ja ich kann mich erinnern. Was ist mir Carsten?« »Es tut mir leid. Er ist verblutet, aber keine Angst, ich habe ihn dein Schwert schon in den Kopf gerammt.« »Er ist was?« Ich war sofort hell wach. Als ich mich aufrichtete dröhnte mir der Schädel. Mein gesamtes Gesicht klebte wie Sau und ich konnte mich nicht richtig bewegen. Ich versuchte irgendwie aus dem Kombi zu gelangen. Mir war kotzübel. Irgendwie gelangte ich nach draußen. Roland hatte bisher auf die Walker geschossen, die draußen waren. Scheinbar nicht viele, weil sie mehr auf die Gruppe weiter die Straße runter fixiert waren. Überall lagen Leichen. Das reinste Massaker. Aber dafür waren die Jungs schon sehr weit gekommen. Sie waren praktisch fast vor dem Waffenladen und der Weg dahin war schon frei. Allerdings wollten sie lieber etwas Vorlauf haben. Ich blickte mich um, um den Jumper zu suchen. Er war zwar noch Humanoid, aber alles andere als menschlich. Er hatte eine braune, ledrige Haut und Krallen an den Händen. Die Füße waren eher die eines Affen, als mit einem Daumen oder dergleichen. Ich machte mir ein wenig Sorgen, dass es tatsächlich ein Affe hätte sein können. Oder ein Tier, wie ein Hund oder sonst etwas. Den Kopf selbst konnte ich nicht mehr zusammensetzen. Dafür konnte ich viel zu schlecht puzzeln. Ich bat Bernie um den Drilling und lief los. Roland und sein Bruder folgten mir. Als ich bei Mike und dem Rest angekommen bin, war es schon soweit, dass sie vor Waffen Schneider standen und geradeaus geballert haben. Immer wieder kam ein Walker aus einem der Hauseingänge oder Ladeneingänge gelaufen und versuchte sein Glück. Doch Georg hat mit seinem Kleinkaliber alles abgehalten, was auf sie zukam. »Zwei Mann, vier Taschen und rein da!«, schrie Mike. Mike, David, Sascha und Georg streiften ihre Taschen ab. Der Laden war geöffnet, wenn auch unbelebt. Ist hier wohl mitten am Tag passiert, der Mist. David und Mike gingen hinein. »Bringt mir was Nettes zum Spielen mit! Und alles an Muni, was ihr findet!«, schrie ich ihnen hinterher. Mike drehte sich um und lächelte mich an, bis er seinen Daumen hob. Der Ansturm der Walker war nicht mehr so sehr vertreten, wie zum Anfang. Kein Wunder, irgendwann gibt es keinen Nachschub mehr an lebenden Leichen, dafür allerdings genug tote Leichen. Das merkte ich zumindest, als ich hinter mich blickte. Da mir ein wenig Schwindelig war und ich Schwierigkeiten mit dem Zielen hatte, entschloss ich mich in den Laden zu gehen. »Jungs? Ich bin mal eben Waffen einsammeln. Wenn was ist, ruft mich.«, teilte ich mit. »Jo, alles klar, Dave.«, entgegnete Sascha. Als ich den Laden betrat, traf mich der Schlag. Er war wie leer gefegt, so hatte ich den nicht in Erinnerung. »Sagt mir, dass ihr das wart.« »Nein, leider nicht. Da kamen andere schon vorher auf die Idee. Es tut mir Leid.«, Mike stand dem Verzweifeln nahe. »Scheiße! Ist hier noch was zu gebrauchen?« »Ja, wir haben weitere Gewehre, untere anderem ein SL Acht, von Heckler und Koch, außerdem mehrere Handfeuerwaffen.«, sagte Mike. »Munition?« »Ist noch genug da und sammeln wir gleich ein.«, gab David von sich. »Wenigstens etwas. Wie lange braucht ihr hier noch?« »Zehn Minuten. Ich such noch irgendwelche typischen "Unter der Ladentheke" Waffen.«, sagte Mike. »Ah, zum Beispiel?« »Keine Ahnung. 'Nen Museumsstück, 'ne Sniper, 'ne Pump Gun oder sonstwas.« »Viel Glück, Großer. Sag mal, wie gut stehen die Chancen, dass ich von dir ne Knarre bekomme? Drilling schön und gut, große Entfernung oder springende Bastarde, aber wenn jetzt mehr als sechs kommen, bin ich gefickt.« »Ja, hast du recht.«, Mike griff in eine Sporttasche und holte eine Knarre samt Halfter raus und gab sie mir, «Das ist eine Glock Siebzehn. Magazin umfasst siebzehn Patronen, am Halfter sind noch zwei Ersatzmagazine befestigt. Hier lässt du das Magazin rausgleiten und hier entsicherst du sie. Wenn du den Schlitten einmal zurückgezogen hast, ist eine Kugel in der Kammer und somit schussbereit. Ist eine Halbautomatische, zielen kannste selbst.« »Okay danke, ich geh nach draußen und guck, ob ich überlebende finde.« »Walker?« »Nein, Menschen.« »Noch was. Es heißt Pistole, nicht Knarre.« »Wo ist der Unterschied?« »Ne Pistole kann dein Leben retten, ne Knarre Muttern anziehen.« »Schnauze, Klugscheißer!« Also ging ich nach draußen. Die Jungs waren weiterhin damit beschäftigt auf Walker zu schießen. Wir begannen langsam die Situation in den Griff zu bekommen. Ich kramte in meiner Hosentasche nach meiner Schachtel Zigaretten und zündete mir eine an. Genüsslich zog ich an dem Nikotinstängel, während ich den Blick über das Chaos, was wir hinterlassen haben, schweifen ließ. Die Straßen waren wirklich voller Blut und Gedärme. Überall lagen kleine Pfützen von klebrigen Massen, die sicherlich mal Gehirne waren. Wir hatten gut hundert oder mehr von diesen Bastarden erledigt, plus einen Final Boss, wenn man so will. Gott weiß, dass ich so einem nicht noch einmal begegnen will. Diese Mutation war ganz anders, als die aus dem Fernsehen. Sie rannte regelrecht auf allen Vieren, während der Runner einen aufrechten Gang vorwies. Ich beschloss diese Rasse schon mal Jumper zu nennen. Die Anderen würde ich eh schnell überzeugt haben. Ich lief zusammen mit Bernhard durch die Straße zurück zu den Autos. »Hallo! Ist hier noch irgendjemand am leben? Hallo!«, ich schrie aus vollem Halse. »Wir können Sie retten! Vertrauen Sie uns! Wir haben die Situation voll unter Kontrolle!«, Bernhard auch. Keine Antwort. Mehr als fünf Minuten brüllten wir beide unentwegt. Zwischendurch hatten wir hin und wieder ein paar Walker erledigt. Bernhard hatte mein Katana bekommen, für den Fall der Fälle. Es war zwar sicherlich nicht klug einen höchst infektiösen Feind im Nahkampf zu besiegen, aber besser mit kaltem Stahl, als harten Fäusten. »Dave! Schau da!« »Ein Polizeiwagen, ja und?« »Diese Dinger haben Lautsprecher! Der könnte noch funktionieren.« Als wir beim Polizeiwagen ankamen, bemerkten wir, dass der vollkommen leer war und was noch besser ist, er war nicht abgeschlossen. Ich setze mich rein, nahm den Gang raus und stellte den steckenden Schlüssel auf Zündung. In der Mitte des Armaturenbrettes hing ein Mikrophon und daneben der dazugehörige Knopf mit der Aufschrift "Lautsprecher". »Sehr gut!«, ich nahm das Mikro und drückte den Knopf: »Test!« Ich schaute hielt den Kopf aus dem Fenster und fragte: "Konnte man es hören?« »Laut und deutlich!« »Komm, steig ein!« Bernhard tat wie ihm geheißen. Hier drin war es einigermaßen sicher. »Pass mal auf!«, ich aktivierte den Lautsprecher und legte los: »Sehr geehrte Anwohner von Goch und Flüchtlinge auf der Brückenstraße und Umgebung! Wie Sie sicherlich bemerkt haben, wurde vor kurzem durch bislang unbekannter Ursache das Ende der Welt, namhaft die Apokalypse, eingeläutet. Die Medien haben Ihnen geraten sich in Ihren Häusern zu verstecken und dort jämmerlich zu Grunde zu gehen, während sie auf ein Militär warten, was sicherlich nicht kommen wird. Zumindest nicht in die Megametropole Goch am Niederrhein. Wir machen Ihnen deshalb das Angebot sie spontan zu retten, da unsere Ausbeute bei unserem Waffenhändler des Vertrauens enttäuschender ausgefallen ist als erwartet und wir deshalb noch ein wenig Platz in unseren Wagen haben. Wir würden uns freuen, wenn Sie allerdings ihren eigenen Wagen mit zur Flucht nehmen. Derzeit haben wir die Situation voll unter unserer Kontrolle. Jegliche Unruhen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Waffengeschäft entlang der Brückenstraße wurden behoben. Öffnen Sie die Fenster und rufen Sie um Hilfe, wenn sie möchten, dass wir sie retten. Andernfalls wünschen wir Ihnen noch einen angenehmen Tag und einen wunderschönen Aufenthalt in ihrer Wohnung.« Mit einem lauten Knacken wurde der Lautsprecher wieder ausgestellt. Ich verließ den Wagen und stellte mich mitten auf die Straße. Etwas schräg über mir hörte ich ein Geräusch. Einen halben Augenblick später stand eine brünette Frau in meinem Alter am Fenster und blickte auf mich herab. Ich kannte ihr Gesicht, aber mir wollte kein Name dazu einfallen. »Pinky?« Ja, sie kannte mich. »So hat mich fünf Jahre keiner mehr genannt. Bist du verletzt? Wurdest du gebissen?« »Ja, ich meine nein! Ich bin unverletzt. Allerdings mein Freund.», sie machte eine kurze Pause, »Er... Ich hab mich hier in der Küche eingeschlossen. Bitte Pinky, hol mich hier raus. Ich habe Angst!«, sie begann zu weinen. »Alles klar, ich bin gleich oben. Welche Tür?« »Die direkt unter meinem Fenster!« »Hast du einen Schlüssel bei, den du runter werfen kannst? Ich bin ein wenig unbegabt, wenn es heißt, in anderen Wohnungen einzubrechen.« »Hilfe!« Ich drehte mich um und sah den anderen Mann am Fenster, etwa fünfzig Meter weiter. »Hilfe! Hier bin ich!«, eine Frauenstimme Ich verdrehte die Augen. Erst will keiner, dann kommen sie alle. »Ok, die Frau da vorne. Geh du zu ihr und frag sie, ob sie verletzt ist. Wenn sie ja sagt, ignoriere sie. Wenn nein, sag ihr, sie soll ruhig bleiben. Wir werden sie retten. Ich kümmer' mich um den Mann.« »Alles klar, Dave!« Ich rannte rüber zu dem Mann und fragte ihn, ob er verletzt sei. Scheinbar war er es nicht und ich bat ihn deshalb, in der Wohnung und am Besten am Fenster zu bleiben. Er sei der dritte nach den beiden Frauen. Dann rannte ich weiter zu den Jungs. Sie waren gerade dabei, wieder abzuhauen. »Wir haben noch was zu erledigen.«, sagte ich »Ich kann's mir schon denken. Du willst Anwohner retten.«, sagte Mike und runzelte die Stirn. »Mike! Heiße Bräute!« »Alles klar, wo kann ich helfen?«, Mike wurde hellhörig. »Die Pistolen. Ich brauch vier Stück, außerdem noch zwei Personen. Wir bilden zweier Teams, der Rest hält die Straße sauber. Außerdem will ich 'nen Weg zwischen Polizeiwagen und da, wo keine Leichen mehr liegen, haben.« »Pistolen kriegst du. Männer vielleicht auch, aber beeil dich. Ich will hier nicht mit weniger Munition rausgehen, wie wir rein gekommen sind.« »Och Mike, guck doch mal. Die paar Walker da hinten noch. Lass das zwanzig sein, die noch aktiv auf uns zulaufen.«, ich klang ironisch. »Ja, zwanzig sind 'ne ganze Menge.«, Mike aber nicht. »Mike, wir haben hier gut hundert über'n Haufen geschossen. Red keinen Quatsch!« »Ja und wir haben fast alles an Munition aufgebraucht, was wir im Reichswald gefunden haben.« »Ok, wieviel Muni haben wir aus dem Waffenladen?« »Alles, was da war. Drei Taschen sind allein mit Munition gefüllt.« »Was? Drei Taschen?«, ich fand das zu dem Zeitpunkt viel. »Ja, lass die erst zu den Autos bringen und dann holen wir die Überlebenden da raus, okay?« »Ja, okay.« Ich rannte zurück zu meiner Bekannten, deren Namen mir immer noch nicht eingefallen ist und ließ mir endlich den Schlüssel runter werfen. Dann steckte ich ihn ein und rannte zurück zu den Jungs und nahm ihnen 'ne Tasche ab. Beim Vorbeigehen entschuldigte ich mich bei den zwei Überlebenden und versicherte ihnen, dass wir sie gleich da raus holen würden. Als die Autos gepackt waren und wir jeder mit einem Jagdgewehr, ich immer noch mit meinem Drilling, und einer Pistole ausgerüstet waren, gingen wir zurück. Weil die Walker uns entgegen kamen, entschlossen wir kurzerhand die anderthalb Duzend zu erlösen und waren somit fast sicher. Wir hatten praktisch eine Schlacht in Goch gewonnen. Jetzt nur noch die Anwohner retten, was weniger das Problem sein sollte, wie ich fand. Bernhard und Sascha haben die unbekannte Frau übernommen, während Rolli und ich meiner Bekannten einen Besuch abstatteten. »Hey, Rolli!«, flüsterte ich, »Ich kenne ihr Gesicht, kann sie aber nicht zuordnen. Aber sie hat mich Pinky genannt, also müsstest du sie auch kennen.« »Spinnst du? Das ist Jennifer van Houven! Sie ging immerhin in deine Klasse, nicht in meine!« »Das da? Jenni? Nein, nicht dein Ernst!« »Doch, doch! Schau das Klingelschild!« Ich blickte auf die Klingel und sah dort drüber ein Schild mit der Aufschrift "Kuypers, van Houven". Ich staunte nicht schlecht, denn der Name Kuypers erweckte auch Erinnerungen in meinem Kopf. »Kuypers? René?« »Ja, wahrscheinlich. Die haben auf dem Klassentreffen zusammen geflirtet, vielleicht sind die ja zusammen gekommen.« »Du weißt schon, dass das jetzt hart werden kann? Immerhin wart ihr bis zur neunten Klasse gut befreundet.« »Dave, was willst du mir erzählen? Ich habe meinen Vater und meine Schwester erschießen müssen!« »Schon gut, schon gut. Ich wollte dir ja nur das Angebot machen draußen zu warten.« »Nein, aber danke.« Als wir fertig diskutiert hatten, beschloss ich, da rein zu gehen und Jenni raus zu holen. Ich hatte sie jetzt fast ein Jahr nicht mehr gesehen, das war auf dem Klassentreffen. Davor ganze fünf Jahre nicht. Zwischen uns lief nie etwas und von meiner Seite war auch nie ein Versuch da, von ihrer soweit ich weiß auch nicht. Ich probierte einige Schlüssel aus, bis einer passte. Ich atmete tief durch. Kann jetzt alles passieren. Draußen hörte ich einige Schüsse. Das waren entweder die Jungs auf der Straße und Bernie und Sascha. Ich hoffte auf Mike und Konsorten, denn soviel ich weiß, war kein Walker bei der anderen Frau angemeldet. Ich drehte den Schlüssel rum und hielt meine Knarre bereit. Mit dem Fuß tippte ich die Tür auf. Alles was jetzt kommt, müsste durch diesen Rahmen durch. Das war doch eigentlich relativ sicher. Ich bat Roland, dass wir Rücken an Rücken stehen und uns ins Treppenhaus stellen und laut über irgendwas unterhalten. Als er fragte warum, sagte ich, dass René uns hören konnte. »Sag mal! Wie geht es Veronika?«, fragte ich laut. Nachdem ich den Satz ausgesprochen hatte, kam er mir wie die dümmste frage vor, die ich jemals gestellt hatte. »Och, ganz gut. Sie hat sich auch verschanzt!«. Glück gehabt! »Kommt sie selbst irgendwann oder holen wir sie daraus?« »Weder noch! Sie ist der Ansicht, dass in ein bis zwei Tagen das Militär alles unter Kontrolle hat.« »Glaubst du das auch?« Der Walker kam aus einem Raum der Wohnung in den Flur selbiger. Es handelte sich tatsächlich um René. Er hatte es irgendwie geschafft lebend durch die Hölle da draußen zu kommen und die Haustür hinter sich zu schließen, bevor weitere Walker eindringen konnten. Ich sah einen Verband, notdürftig selbst verbunden, an seinem linken Unterarm. »Nein, ich glaub es nicht«, ich schoss Zwischendurch zwischen seine Augen, »und ich denke, die Militärbasen in der Umgebung sind schon längst verlassen. Lass noch zehn in Deutschland offen sein. Wir sind geschlagen, weil alle es falsch eingeschätzt haben.« Wir gingen in die Wohnung. Langsam und vorsichtig »Jenni! Waren hier noch mehr Walker? Und nur René?«, rief ich ungezielt in die Wohnung. »Was sind Walker?«, hörte ich Jenni fragen. Ich konnte die grobe Richtung bestimmen. »Das was die Straße unter die Bevölkert hatte.« »Meines Wissens nur einer. Aber ich bin auch schon seit einiger Zeit in der Küche eingesperrt.« Da war sie, die Küche. Ich klopfte zweimal und sagte: »Die Luft ist rein.« Sie sperrte die Küche auf. Ich konnte keinen einzigen Blick rein erhaschen, weil sie wieder so schnell geschlossen war. Scheinbar war sie schon etwas länger da drin und bedurfte einiger Notdurft zu verrichten. »Pack so schnell wie es geht einige Klamotten in einen Rucksack. Wir müssen hier langsam aus dieser Stadt raus!« Ich schaute mich nach einer Uhr um. Im Wohnzimmer fand ich eine auf dem DVD-Rekorder. Die Uhrzeit machte mir schon fast Angst. Viertel nach zwei, wo hatten wir die ganze Zeit gelassen? Keine drei Minuten später kam Jenni aus dem Schlafzimmer. Sie hatte einen voll bepackten Rucksack auf und schritt auf mich zu. Sie umarmte mich, so fest es nur ging. »Danke, Pinky, du hast mir mein Leben gerettet!« Kaum hatte sie das zu Ende gesprochen, löste sich der Griff und sie umarmte Roland auch. »Du auch, Pommes! Wenn ich jemals was für euch tun kann, lasst es mich wissen.« »Es gäb' da was.«, sagte ich und legte das fieseste Grinsen auf, was ich beherrschte. Sie glaubte jetzt wahrscheinlich, dass ich Sex meinte, dem war zwar nicht so, aber ich mochte ihren Blick als Reaktion auf mein Grinsen. »Pinky und Pommes. Diese Namen existieren schon lange nicht mehr. Dave oder David, allerhöchstens Goldi und Roland oder Rolli. Kein Pommes und kein Pinky.« »Alles klar, kann ich mit leben.« »Okay, dann mal los!« Ohne Zwischenfall gingen wir auf die Straße zurück. Wie ich erfuhr sind Bernie und Sascha schon den zweiten aus seinem Verließ am Befreien. Tja, die hatten wahrscheinlich keinen Walkerkontakt. Ich zündete mir eine Zigarette an und ging zurück zum Polizeiwagen. Als ich drin saß, versuchte ich ihn zu starten. Ich trat auf die Bremse, legte den ersten Gang ein und drehte den Schlüssel um. Das war alles relativ neu für mich. Wie oft saß ich schon in einem Wagen? Erst einmal. Ich gab ein wenig Gas und der Wagen sprang perfekt an. Mit möglichst wenig Geschwindigkeit versuchte ich den Wagen durch die Leichen zu manövrieren. Irgendwann hatte ich so was von die Schnauze voll, dass ich ausstieg und zusammen mit Rolli eine kleine Gasse bildete. Ich wollte dieses Auto haben, allerdings wollte kein anderer die Leichen mit mir wegräumen. Als Bernie dann schließlich von seiner Rettungsaktion zurückkam, drängten die anderen, ich sollte schneller machen oder das Auto da stehen lassen. »David! Weißt du wie unglaublich praktisch so eine Lautsprecheranlage sein kann?« »Nein, aber ich kann's mir denken, aber ich will hier nicht länger bleiben.« »Halb drei, Ende April. Wo ist das Problem? Ist noch lange genug hell!« Mike mischte sich ein: »Ok. Rolli? Kannst du fahren?« »Ja.« »Dann hauen David und die anderen jetzt mit ihren Autos ab. Bist du bereit deinen jemanden zu überlassen?« »Ja, von mir aus.« »Ok, wir könnten noch einen hier gebrauchen! Freiwillige vor.« Jenni trat einen Schritt nach vorne. »Aber, du bist eine Frau.« »Eine Frau, die sich zu wehren weiß. Außerdem kenne ich sonst niemanden außer David und Roland. Gib mir eine Pistole und ein Gewehr und ich werde keinen hier enttäuschen.« »Alles klar. Dave, Rolli, die Frau da und ich bleiben hier. Der Rest Rückzug nach Kevelaer!« Es dauerte noch eine gute Viertelstunde voller Schweißperlen und Ekel, bis Rolli und ich die Straße soweit frei hatten, dass wir da durch kamen. Wir waren gerade auf dem Weg zum Auto, als Roland das auffiel. »Guck mal, da kommt eine Gruppe Überlebender auf uns zu.« Ich guckte in die Richtung, in die Roland seinen Finger zeigte. Sieben Menschen rannten auf uns zu. Sehr schnell, musste man dabei sagen. Als ich jedoch erkannte, dass es sich nicht um Menschen handelte, wurde mir schlecht. Ich fluchte. »Mike! Runner auf sechs Uhr!«, schrie ich aus vollem Halse. Mike, der die ganze Zeit Richtung Innenstadt geschaut hat, drehte sich um. Sein Gesicht wurde starr. Ich rannte so schnell wie möglich auf ihn zu, die Runner im Genick. Wie weit mochten sie noch von mir entfernt sein? Mike reagierte blitzschnell. Er stellte sich auf den Polizeiwagen und schoss mit dem SL Acht in unsere Richtung. Dann schnauzte er Jenni an, welche dann auch in den Polizeiwagen flüchtete. Ich blickte nach hinten, etwa hundert Meter noch. Wenn sie weiter so aufholen, würden Rolli und ich es nicht schaffen. Ich rannte wie der Teufel unentwegt weiter. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Was in wenigen Sekunden passiert ist, zog sich über Tage hin. Mike hatte bereits einen zweiten, dritten, vierten und fünften abgeliefert. Wenn also alles gut lief, hatte er bereits fünf umgenietet. Ich schaute wieder nach hinten und konnte schlecht erkennen, wie viele es noch waren. Allerdings sah ich in der kurzen Zeit, wie Mike durch einen gezielten Schuss, einen dieser Wichser von den Beinen holte. Rolli und ich hatten noch gute fünfzig Meter vor uns. Ein flüchtiger Blick über meine Schulter, verriet mir, dass wir nur noch wenige Sekunden zu leben hatten, denn die Runner hatten bis auf ungefähr zwanzig Meter aufgeholt. Sie liefen zweieinhalb Mal so schnell wie wir. Unfair! Bei meinem Schulterblick konnte ich noch mindestens drei Runner ausfindig machen. In dem Video sprangen sie auf einen zu, das könnte unser Vorteil werden. »Rolli! Wenn ich "Jetzt" schreie, dann springst du nach links zur Seite. Dann können wir auf sie ballern, und keine Fragen!"« Roland nickte, wollte das aber nicht miterleben. Wir holten alles aus uns heraus, doch sie waren schneller. Mit einem grausamen Schrei setzten alle verbliebenen drei bis vier Runner zum Sprung an. Tja, Roland, Pech gehabt, da musst du durch. »Jetzt!«, schrie ich aus voller Kehle. Roland sprang nach links zur Seite. Ich selbst nach rechts. Da kein Wesen ohne Flügel im Sprung seine Richtung justieren kann, sollte alles glatt gehen, wenn wir gut genug schießen können. Die Runner, vier waren es im Übrigen noch, stürzten zu Boden und schauten sich die erste Sekunde dumm um. Das war mein Zeichen, denn ich hatte bereits dem ersten drei Kugeln Richtung Kopf gejagt, während Mike vom Dach des Polizeiautos aus einen weiteren erlegt hatte. Ich wusste nicht, wieviele Patronen das Magazin von Mikes Gewehr beinhaltete, also entschloss ich mich, den Rest selbst zu erledigen oder besser gesagt, mich nicht auf Mike verlassen zu müssen. Roland und ich schossen wie die Berserker auf die Köpfe der beiden anderen Runner, bevor diese wieder aufstehen konnten und ziemlich gefährlich wurden. Spontan entschloss ich mich, dass ich Runner und Jumper viel weniger mochte, als Walker, die ich sowieso schon nicht leiden konnte. Immerhin waren sie jetzt platt. Doch dieses Rudelverhalten machte mir große Panik. Was, wenn Jumper normalerweise auch im Rudel auftauchen? Nichts desto trotz, war es Zeit für unseren Rückzug. Ich riss mich aus meiner Gedankenwelt und sah, wie Rolli sich ans Steuer setzte und Mike saß praktisch schon vorne drin. Ich ließ ihn, weil er Roland den Weg erklären konnte. Ich saß hinter Mike und war froh, mal zur Ruhe zu kommen. Mein Schädel brummte zwar wegen der Paracetamol nicht mehr, doch war mir immer noch ein wenig schlecht. Vielleicht eine Gehirnerschütterung. War mir egal, würde von alleine wieder weg gehen, wenn's denn überhaupt eine war. Nachdem wir losfuhren, schlief Jenni sofort ein. Auch ich legte den Kopf nach hinten. Wenige Sekunden später, war ich schon eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)