Father Dest's Erbe von Pansy (Fortsetzung zu "Sinnlose Versprechen") ================================================================================ Kapitel 23: - 23 - ------------------ Ja, es ist wahr! Es geht endlich weiter! Und neue Kapis werden hoffentlich bald folgen. Danke für eure Treue! ^__^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ - 23 - Wenn es Jason nicht besser wüsste, würde er meinen, Tyrone von Zundersby sei eine Ausgeburt der Hölle. Diese Adleraugen fixierten ihr Opfer und gaben es aus ihrem Blick nicht mehr frei, bis sie sich hinabgestürzt und es gefressen haben. So in der Art kam sich der junge Sartaren vor: Tyrone, der hungrige Greifvogel, und er, das schutzlose Opfer. Und Zundersby war keiner, der den Worten Gnade und Recht viel Bedeutung zumaß. Auch wenn das Recht auf Leben oberste Priorität hatte, so schreckte der Schlossherr vor Mord keineswegs zurück. Jener würde dies gewiss auch dann nicht tun, wenn der zum Tode Verurteilte regelrecht um Gnade winseln würde. Alles an Tyrone hatte satanische Wesenszüge. Und dennoch musste es zwei Menschen auf dieser Welt geben oder gegeben haben, die für seine widerliche Existenz verantwortlich waren. Selbst nach seiner eigenen kalten Berechnung und schamlosen Auslieferung von Father´s Addendum fragte sich Jason, wie es Eltern zulassen konnten, dass ihr Kind das Gefühl der Liebe überhaupt nicht zu kennen schien. Und er zweifelte dieses bei Tyrone zu Hundert Prozent an! Allmählich fühlte sich Jason der Kontrolle über seinen Körper wieder mächtig und er spürte seine Hände sich zu Fäusten ballen. Doch ehe er in irgendeiner Form auf Tyrones plötzliche Anwesenheit adäquat reagieren konnte, trat Lance an ihm vorbei. “Es überrascht dich nicht, uns hier zu sehen”, sagte jener eher feststellend als den Angesprochenen wirklich meinend. So viel zu Lance´ grandiosem Plan. Alles war von Beginn an schief gelaufen. Sie waren beschattet worden, Holly befand sich geknebelt in Zundersbys Gewalt und Tyrone zeigte keinerlei Überraschung, dass sie den Mut besaßen, hier auf seinem Schloss aufzutauchen. Und wie es Eddy ging, konnte Jason lediglich erraten. War er ebenfalls geknidnapped worden? Hat er fliehen können oder lag er verletzt oder gar tot im nächstbesten Erdloch? Jason hätte auf seinen Verstand hören und sich nicht überzeugen lassen sollen. Doch der Hauch dieser letzten ihnen gebliebenen Möglichkeit, Tyrone überhaupt noch etwas anhaben zu können, hatte schnell ausgereicht, um ihn nicht vollends verzagen zu lassen. Er sollte für dieses Bisschen Hoffnung dankbar sein, so seltsam dies auch anmuten mochte. Und letztlich war er dies auch. Tyrone leibhaftig in seinem eigenen Reich gegenüberzustehen, hatte eine gewisse Genugtuung an sich. Jener Mann hatte ihm nichts zugetraut, hatte ihn vor der gesamten Stadt angeklagt und ihm die Bürgermeisterkandidatur vermasselt. Erst seine Bemühungen im Hintergrund, sein wachsender Einfluss und nun seine reale Anwesenheit… Tyrone konnte mit diesem Jason nicht gerechnet haben! Es gab dem jungen Mann eine Art Bestätigung und löste nun ein selbstbewusstes Lächeln in seinem Gesicht aus. Genau mit diesem folgte er Lance in die Bibliothek. Die Wände bestanden regelrecht aus Büchern. Dicke, aber auch zahlreiche dünne Bücherrücken füllten die bis an die Decke reichenden Regale. Unter ihnen befanden sich einige aus echtem schwarzen, altem und gut erhaltenem Leder. Sie kosteten zweifellos ein Vermögen, vor allem dem schützendem Glas nach zu urteilen, das sie umgab. Jason konnte darauf wetten, dass Tyrone nicht jeden in ihre Nähe kommen ließ. “Der junge, nichtsnutzige Sartaren und Lance, der einmal meine Füße küsste”, erhob Zundersby den Sarkasmus nicht verbergend seine Stimme. “Nichtsnutzig?”, erwiderte Jason und hob selbstgefällig eine Augenbraue. “Dies ist also der Dank dafür, dass ich dir geholfen habe?” Er wandte seinen Blick wieder von Tyrone ab und lief zwei Schritte vorwärts, um wahllos ein Buch aus einem der Regale entnehmen zu können. Desinteressiert schlug er es auf und blätterte dann darin herum, ohne auf die Worte zu achten, die sich ihm offenbarten. “Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich dieses Pack finde. Du hast sie lediglich verkürzt, das ist alles. Dafür gebührt es dir nicht an Dank, aber ich muss schon zugeben, dass mir dadurch einiges erspart blieb. Dein Vater wäre mit Sicherheit sehr stolz auf dich.” Schmerzhaft biss sich Jason auf die Unterlippe, um alle Worte, die ihm in diesem Moment auf der Zunge lagen, für sich zu behalten. Er musste Ruhe bewahren, denn was brachte es ihm, die letzte ihm gebliebene Chance - sofern man von ihr überhaupt noch sprechen konnte - durch unkontrollierte Rage zu zerstören? Einige Sekunden vergingen, in denen er tief ein- und ausatmete, während er seinen Blick wieder über die Bücher schweifen ließ, in der Hoffnung, niemand sähe seinen Kampf, den er innerlich ausfocht. Auch wenn er Tyrones kaltes Lächeln förmlich spürte, so wollte er ihm die Genugtuung nicht gönnen, ihm in diesem Augenblick in die Augen sehen zu können. “Was für eine Sammlung!”, wehrte er letztendlich all die Gedanken ab, die in ihm kreisten, angefangen bei dem Wunsch all dem den Rücken zuzuwenden und wegzulaufen bis hin, Tyrone hier und jetzt die Hände an den Hals zu legen und zuzudrücken, so fest er konnte. “Ich hätte nicht gedacht, dass du auch nur den Ansatz von Kultiviertheit in dir trägst.” Beiläufig schob er das Buch, das er bis jetzt mehr oder minder unbeachtet in den Händen gehalten hatte, zurück in eines der riesigen Regale. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie Lance auf ihn zukam und alsbald fühlte er einen Arm um seine Hüfte. Sanfte Lippen hauchten einen Kuss auf seine Stirn. Ehe Verwirrung sich in ihm ausbreiten konnte, hörte er Tyrones leises Knurren. Bis Jason ihn von oben herab angrinste, schien der Schlossherr nicht bemerkt zu haben, dass dieser Laut seiner Kehle entsprungen war. Aber Tyrone ließ sich nicht beirren. Mit völlig unterkühltem Ausdruck in den Augen nickte er. “Viele der hier stehenden Exemplare sind wahre Raritäten. Ihr seht hier eine Sammlung, für die jeder Museumsbesitzer sterben würde.” Ein kurzes, amüsiertes Flackern umspielte seine Adleraugen. “Xander?” Jasons Körper verhärtete sich, als Xander durch die offene Türe auf seinen Onkel zutrat. Ihre Blicke begegneten sich und in Xanders war eindeutig der glorreiche Glanz eines Triumphators zu erkennen. Abermals musste Jason seine Gefühle bändigen, obwohl er Xander nur allzu gerne jeden Zahn einzeln gezogen hätte. Wer sich an Holly vergriff, musste büßen. Wenn nicht jetzt - und gerade war in der Tat kein passender Zeitpunkt -, dann später. Abermals streiften Lance´ Lippen seine Stirn, woraufhin sich Xanders Augen verengten. So wie es aussah, konnten beide Männer der Zundersbys Linie diesen Anblick nicht ertragen. Sollte das ihre Waffe sein? Genau mit dieser Frage im Kopf wandte sich Jason seinem Freund zu. Er erhielt einen kurzen, aber dafür umso leidenschaftlicheren Kuss als Antwort. “Es macht sie rasend. Vielleicht genug, um eine Lücke in ihrer Defensive zu finden.” Lance’ Stimme war nur ein Wispern, aber Jason verstand jedes einzelne Wort, als ob man sie ihm direkt ins Ohr gebrüllt hätte. In Jasons Kopf überschlugen sich die Gedanken und doch dachte er nur ein einziges Wort: L-a-n-c-e. Er spürte den fiebrigen Glanz, der seine Augen überzog, doch er konnte sich in diesem Moment nicht dagegen erwehren. Er musste seinen Freund einfach mit diesem starken Gefühl in der Brust ansehen… Er hatte keine Ahnung, wie schnell - oder langsam -die Sekunden verstrichen, aber er wurde des stechendes Blickes mit der Zeit immer deutlicher gewahr, der von der anderen Seite des Raumes aus seinen Rücken durchbohrte. “Xander”, umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel, “es hat dich keiner gezwungen, uns zuzusehen.” Während er sprach, sah er Lance unbeirrt in die Augen. “Liebling?”, fügte er keck an. “Ja?”, hob Lance seine rechte Braue und verstärkte den Druck seiner Hände, die Jason bisweilen an der Hüfte hielten. Ein künstliches Husten ertönte von der Türe, aus der Xander eilte. “Habe ich dir heute schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?” Mit einem Finger strich er seinem Freund über die Wange. Auch wenn er ihre Situation am liebsten verdrängt hätte, so war er sich der Anwesenheit von Tyrone nur allzu deutlich bewusst. Spielerisch legte er nun beide Hände in Lance´ Nacken und schmiegte sich ein wenig enger an ihn. Ein Keuchen erfüllte für einen Augenblick den Raum. “Dabei habe ich dich nicht einmal unsittlich berührt”, lachte Jason und zwinkerte Lance heimlich zu. “Aber das ließe sich nachholen.” Sie konnten hören und aus dem Augenwinkel beobachten, dass auch Tyrone im Begriff war, das Zimmer zu verlassen. “Nicht so schnell, Zundersby.” Jason löste sich von Lance und richtete seine ganze Aufmerksamkeit nun wieder auf den Schlossherrn. Zwar hielt dieser in seiner Bewegung inne, doch anscheinend nur, um einem seiner Untergebenen einen Befehl zu erteilen. “Sag Xander, dass ich ihn in fünf Minuten sehen möchte.” Tyrones Stimme war kalt und fordernd. Mit schnellen Schritten entfernte er sich anschließend. Jason sah Lance irritiert und fragend zugleich an. Was nun? Lance zuckte nur mit den Schultern. “Zeit zum Umsehen, würde ich sagen.” “Das wird sich nicht so leicht gestalten”, deutete der Jüngere auf die kleine Herrschar von Männern, die sich mit undurchdringlichen Mienen vor der Tür aufgereiht hatten. “Zundersby scheint uns nicht zu trauen”, fügte er lauter an und lächelte ihren Wächtern provokativ zu. “Lass das meine Sorge sein”, streifte warmer Atem seine Wange und im nächsten Atemzug steuerte Lance bereits auf Tyrones Gefolge zu. “Arif, mein Freund!” Einer der Männer kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und erwiderte die Freude, mit der Lance ihn gegrüßt hatte, nicht im geringsten. “´Freund!´”, spuckte er verächtlich aus. “Es tut mir leid, dir deiner Bitte nicht nachgekommen zu sein”, hob Lance beschwichtigend die Hände. “Aber das konnte ich dir einfach nicht antun.” “Gesell dich wieder zu deinem Spielgefährten und lass mich in Ruhe”, knurrte Arif, der sich durch seine dunkle Hautfarbe von den übrigen Männern abhob. “Spielgefährte?”, drehte Lance sich kurz zu Jason um. “Er ist viel mehr als das”, wandte er sich wieder Arif zu. “Ich bin nicht wie Tyrone, Arif, mein Freund. Ich spiele nicht mit ihm. Mein Herz gehört ihm, so wie mir seines gehört. Wenn ich mich auf einen Menschen einlasse, dann ganz. Wenn ich mich jemandem anvertraue, dann nur, weil ich den Menschen achte und schätze. Arif, auch wenn ich dich enttäuscht habe, so habe ich in deinem Interesse gehandelt. Ich konnte dich nicht…”, seine Augen schweiften über die vier anderen Männer, die immer noch dicht an dicht den Weg aus der Bibliothek versperrten, “dieser Gefahr aussetzen.” “Sei endlich still!” Doch egal wie schroff die Worte aus Arifs Mund drangen, die Verletztheit, die in seinen Worten mitschwang, schien nicht einmal seinen Kollegen zu entgehen. Plötzlich brach lautes Gemurmel aus, das der größte unter ihnen mit einer herrischen Handbewegung wieder zum Verstummen brachte. Der glatt rasierte Mann mittleren Alters machte einen Schritt nach vorne und baute sich vor Arif auf. Die Luft zwischen ihren Gesichtern schien zu vibrieren. “Hast du dich mit diesem Taugenichts etwa verbündet?” Wie eisige Klingen schnitten die Worte die Luft. “Wieso sollte ich? Der Kerl war mir von Anfang an zuwider.” Mit einem verächtlichen Blick sah er Lance an. “Der ist es nicht einmal wert, als Rattenfutter zu enden… Red”, sprach er seinen Genossen wieder direkt an, als dieser ihn weiterhin misstrauisch beäugte, “du kennst mich lange genug. Ich würde mich nie auf so einen dahergelaufenen Jüngling einlassen. Wenn es hochkommt, habe ich zwei Sätze mit ihm gewechselt. Und auch nur, weil ich mit ihm zusammen Wache schieben musste. Wie hätte ich ihm sonst Befehle erteilen sollen”, endete er mit einem verschmitzten Grinsen. “Es tut mir so leid, Arif.” Lance trat einen Schritt nach vorn und streckte seinen linken Arm aus, als ob er ihm die Hand auf die Schulter legen wollte. Zwar war er dafür noch weit genug entfernt, doch Red und die anderen waren dennoch sofort in Alarmbereitschaft. Ihre Haltung veränderte sich schlagartig und ihre Gesichter waren mit einem Mal hasserfüllt. Alle konzentrierten sich auf Lance, während Jason gänzlich vergessen schien. “Ich weiß, ich habe dich enttäuscht, mein Freund”, hörte der blonde junge Mann Lance weiterreden. “Aber ihr geht es gut, Arif, ihr geht es gut!” Jason konnte beobachten, wie Red mit einem Mal einen Satz nach vorne machte und Lance grob am Arm packte. “Was faselst du da?” “Ich habe sie gefunden, Arif”, fuhr Lance unberührt fort. “Ihr geht es gut”, wiederholte er dann. “Arif?”, spuckte Red den Namen seines Kollegen aus. “Von wem redet der?” Der Griff um Lance´ Arm verstärkte sich deutlich und Jason musste sich zurückhalten, dazwischenzugehen. Er musste die Gunst der Stunde nutzen, für alle unsichtbar zu sein. Lance sollte nicht umsonst gerade sein Leben so leichtfertig aufs Spiel setzen. Der junge Sartaren hatte schon lange genug der Szene, die sich vor ihm abspielte, beigewohnt, dabei war seine Aufgabe doch eine ganz andere. “Auch Yasmin erfreut sich bester Gesundheit. Du hast ihr alle deine guten Gene mit auf den Weg gegeben. Du hättest sie deinen Namen aussprechen hören sollen!” “Die Verräterin lebt?”, ächzte Red. “Arif, mein Freund, ich konnte dich nicht mitnehmen. Es tut mir so leid, mein Freund…” Jason nahm Lance´ Stimme zunehmend leiser wahr. Mit aller Kraft versuchte er sich auf das Zimmer zu konzentrieren. Auf die Wände, auf das Mobiliar und vor allen Dingen auf die Bücher. Bücher konnten so vieles beherbergen. Biographien, historische Daten und Geschehnisse, Romane und Geschichten, Sagen und Märchen, und… Pläne. “Baupläne”, murmelte Jason. Er spürte die plötzliche Anspannung seines Körpers. ´Nur die Ruhe bewahren´, redete er in Gedanken auf sich ein. Möglichst unauffällig näherte er sich den großen Bücherregalen zu seiner Rechten und versuchte durch gezielte Blicke auszumachen, ob die Bücher in irgendeiner Form geordnet waren. Er überflog die Namen der Autoren sowie die Titel. Zundersby war erstaunlicherweise in der Tat äußerst organisiert. So weit es Jason nach einigen Sekunden beurteilen konnte, waren die Bücher thematisch sortiert. Er stand vor einem Regal, das hauptsächlich Kunstbücher enthielt. Rechts daneben befanden sich Geschichtsbücher und links von ihnen Geografiebücher. Ein alter, handangefertigter Atlas füllte den gläsernen Kasten in der Front. Würde Tyrone wirklich Baupläne hier aufbewahren, die ihn ans Messer liefern konnten? Sollte er wirklich so naiv sein, die alten Pläne überhaupt über die Jahre hinweg behalten zu haben? Wenn ja, dann unter Garantie in einem Tresor. Entmutigt wandte sich Jason wieder von den Büchern ab. Bisweilen stand Red zwischen Lance und Arif und sah überaus mordlustig aus. Welchen Sinn hatte Lance´ Aufopferung, wenn es hier nichts zu finden gab? Was erwartete Lance von diesem Raum? Was sollte es preisgeben? “Wo hält sich Shahar, das Biest, auf?”, fragte Red mit gefletschten Zähnen abermals an Lance gewandt. Gelassen zuckte letzterer die Schultern. “Ich weiß es nicht.” Arifs Gesichtszüge verrieten mittlerweile die Trauer, die er um seine Frau hatte. Am Rande hatte Jason mitbekommen, dass Shahar einst zu Tyrones Leuten gehörte und als sie schwanger wurde aus Furcht um ihr Kind der Polizei heimlich Informationen über Zundersbys Machenschaften zuspielte und flüchtete. Da Jason darüber bisher nichts gewusst hatte, nahm er an, dass Tyrone es einmal mehr geschafft hatte, eine weiße Weste zu bewahren und seinen Namen aus allen Zeitungen herauszuhalten. “Du weißt es nicht?”, legte Red eine Hand in Lance’ Nacken und zwang ihn zu Boden. “Würdest du etwa an dem Ort verweilen, an dem du bereits einmal gefunden wurdest?” Lance klang noch immer beherrscht. Auf die Frage folgte Stille, die nur von Arifs unkontrollierter Atmung unterbrochen wurde. “Was ist hier los?” Tyrone kehrte mit Xander im Schlepptau zurück und seiner herrischen Stimme nach zu urteilen war er über die Szene, die er erblickte, nicht gerade erfreut. “Shahar lebt”, war alles, was Red antwortete. Was danach folgte, lief vor Jasons Augen wie ein Film beim Vorwärtsspulen ab. Tyrone ließ Arif von zwei Männern in ihren dunklen Anzügen abführen, Red zog Lance zurück auf seine Beine und schleifte ihn vor sich her, Tyrone und Xander nach, gefolgt von den letzten beiden Männern, die bis eben noch als Wächter dienten. Obwohl Jason gar nicht die Möglichkeit hatte, währenddessen aus ihrem Gesichtsfeld zu entschwinden, fand er sich alsbald völlig allein wieder. Er hörte die tiefen Stimmen sich immer weiter entfernen. Irritiert stand der junge Sartaren an Ort und Stelle. Er brauchte eine Weile, um zu realisieren, was eben geschehen war. Hatte Lance das alles geplant? Dass Jason nicht unbemerkt ins Schloss kommen konnte, war ihnen klar gewesen. Hatte Lance das hier gemeint, als er gesagt hatte, Jason solle versuchen, unsichtbar zu sein? Hatte Lance erahnen können, dass sich alle Aufmerksamkeit mit einem Mal auf ihn richten würde? Spielte diese Shahar eine solch tragende Rolle? Warum hatte Lance sie nie mit auch nur einem Sterbenswörtchen erwähnt? Jason benötigte all seine Selbstbeherrschung, um seine Fassung wiederzuerringen. Denn diese hatte er nun nötiger als je zuvor in seinem Leben. Das Leben dreier Menschen, die ihm wichtig waren, hing auf des Messers Schneide und alle Hoffnung ruhte nun auf ihm. In diesem Bewusstsein strich er sich eine Strähne aus der Stirn und lief auf die gegenüberliegende Seite des Raumes, wo eine kleine Adlerskulptur in einem der Regale thronte. Es war verrückt zu glauben, dass diese einen Geheimgang öffnete, doch er war mittlerweile bereit, alles in Erwägung zu ziehen, was ihnen von Nutzen sein konnte. Egal, wie absurd der Gedanke auch anmuten mochte. Natürlich passierte nichts, als er die Skulptur drehte. “Wenn du dich nur beobachten könntest!” Erschrocken fuhr Jason herum und erblickte Xander, der lächelnd am Türrahmen lehnte. “Hat dich Onkel Tyrone wohl nicht am Verhör teilhaben lassen, kleiner Xander?”, lächelte Jason nun überheblich zurück. Musste dieser Junge gerade jetzt wieder hier auftauchen? Lange starrten sie sich in die Augen, bis Xander den Blick senkte, nach der Türklinke griff und die Tür hinter sich schloss, gegen die er sich anschließend lehnte. “Nun sind wir ganz allein. Keiner hier, der mir Einhalt gebieten könnte. Ist das nicht herrlich?”, schloss er mit einem schneidigen Gesichtsausdruck. Wortlos trat Jason auf einen der beiden bequem aussehenden Sessel zu, die in der hinteren Ecke der Bibliothek standen, und ließ sich lässig auf ihm nieder. “Durchaus”, nickte er dann. Nach einem Moment des Zögerns - so schien es Jason - durchquerte Xander bedächtig den Raum. “Du hast ja keine Ahnung, wie lange ich von diesem Moment geträumt habe. Endlich sind wir die lästigen Hündchen meines Onkels los und ich habe dich ganz für mich allein… Nur du und ich.” Seine Hand streifte die Rückenlehne des Sessels, auf dem Jason saß, während er sich hinter diesen stellte. “Weißt du, Jason, als wir uns das erste Mal begegneten, sahst du nur einen eingeschüchterten Jungen, der sich nicht zu wehren wusste. Jeremy mochte der Anführer unserer Gang gewesen sein und mich lange Zeit herumgescheucht haben, wie es ihm beliebte, aber das ist Vergangenheit. Eine Vergangenheit, für die er ausreichend bezahlt hat. Heute bin ich nicht mehr der kleine Junge, der sich alles gefallen lässt. Auch von dir nicht, Jason Sartaren, Sohn von Kelvin Sartaren, oder soll ich sagen: Der Sohn von Father Dest, dem Loser?” Jason blieb ungewohnt gelassen. Während er den Kopf neigte, um Xander ins Gesicht sehen zu können, zierte sogar ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel. “Mein Vater mochte den Kampf gegen Tyrone verloren haben, doch nun sitze ich hier.” “Du meinst, du wirst mehr Erfolg haben als er?” Xander fuhr sich durchs Haar. “Deine Naivität erheitert mich”, überzog nun ein Schmunzeln seine zuvor unterkühlte Miene. “Du mimst den starken Nachfolger des ach so großen Father Dest und in Wahrheit bist du nur ein großes Nichts, das bisweilen mit seinen kleinen Freunden in der Höhle des Löwen festsitzt. Was erhoffst du dir? Doch nicht etwa, dass du uns irgendwas nachhängen kannst? Möchtest du uns tatsächlich hinter Gittern sehen? Wie schade”, glitt seine Rechte tiefer und legte sich auf eine von Jasons Schultern, “du würdest so einiges verpassen.” Geduldig ertrug Jason Xanders Hand auf sich, er ging sogar so weit, sie mit seiner zu umfassen. “Wer macht sich hier gerade lächerlich?”, war alles, was er entgegensetzte. “Wer steht schon auf den Sohn eines Verlierers?”, hob Xander verächtlich die Brauen. “Macht und Reputation sind das einzige, was mich interessiert. Und das sind Prädikate, die du gewiss nicht zu bieten hast.” “Soll ich mich so getäuscht haben?” Jason erhob sich langsam und behielt Xanders Hand dabei weiterhin in seiner. Mit der anderen streifte er hauchzart das noch leicht jungenhafte Gesicht ihm gegenüber. “Ich dachte immer, es würde eine Spannung zwischen uns existieren, die nicht unbedingt mit Hass zu erklären sei. Aber vielleicht habe ich mich ja doch geirrt”, zuckte er dann mit den Schultern und tat seine Anspielung einfach wieder ab und ließ gleichzeitig Xanders Hand los. “Tja, wie sagtest du: Wie schade.” Damit drehte er sich um. Doch ehe er sich entfernen konnte, umgriffen ihn zwei Arme. “Du hast es auch gespürt?” Xanders Stimme klang überrascht und flehentlich zugleich. In diesem Moment wurde Jasons Miene eiskalt. “Seit ich dich das zweite Mal gesehen habe, verspüre ich ein unbändiges Verlangen in mir”, säuselte er, froh darüber, dass Xander hinter ihm stand und sein Gesicht nicht sehen konnte. Der Griff um seinen Körper wurde stärker. Er fühlte warme Lippen in seinem Nacken, die ihn die Augen in ihren Höhlen rollen ließen. “Ich habe gewiss nicht von einem solchen Verlangen gesprochen.” Jedwedes Gefühl war seiner Stimme entwichen. “Nimm deinen dreckigen Mund von mir und wage es ja nicht, mich noch einmal anzufassen!” Xanders Arme sackten tatsächlich zu seinen Seiten ab und alsbald spürte er den jungen Mann hinter sich einen Schritt zurücktreten. Dies nahm er zum Anlass, um sich erneut um hundertachtzig Grad zu drehen. “Das einzige Verlangen, das du in mir auslöst, ist, dich am Boden kriechen und um Gnade winseln zu sehen.” Als er sah, welche Wirkung seine Worte erzielten, setzte er nach: “Schau in den Spiegel und sieh, wie erbärmlich du bist. Und wenn du ernsthaft geglaubt haben magst, ich würde dich auch nur mit meinem kleinen Finger berühren wollen, dann kannst du mir nur Leid tun.” Obwohl Jason nicht wusste, was ihn vor der Bibliothek erwarten würde, steuerte er geradlinig auf die Tür zu. Als er die Klinke nach unten drückte, hörte er ein leises, aber bedrohliches “Du entkommst mir nicht.” “Xander, gib auf, du hast keine Chance.” Damit öffnete er die Tür und sah sich unverzüglich mit zwei Männern in dunklen Anzügen konfrontiert. “Ich sagte doch, dass du mir nicht entkommst”, lachte Xander nun direkt hinter ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)