Junischnee von Leira ================================================================================ Kapitel 4: Gedanken ------------------- Bonjour, bonjour allerseits ;) So... vielen Dank an der Stelle gleich mal für die Kommentare zum letzten Kap! Und ein herzliches Willkommen an Choppi-chan, Rosenbluete001 und Black_Taipan :) Zu diesem Kapitel... nun, als erstes: Ja, Eri_Kisaki und ShinichiKudo_17, ihr hattet Recht mit eurem Tipp, dass Shinichi (oder Shigeru) in diesem Kapitel wieder auf den Plan tritt. Tadaaa: hier ist er. Dann an alle, die fragten, obs ein Happy End gibt... das sag ich euch nicht. Damit verderb ich euch nur die Spannung, Leute. Wartet es ab. Ansonsten... lest einfach selbst, würd ich sagen. Ich weiß nicht, ob die noch jemand braucht, aber... ich lass vorsorglich mal welche da. *eineFamilienPackungTaschentücheraufdenTischstellt* Ich persönlich fands nicht ganz so weinkrampfprovozierend wie die letzten zwei, aber ich bin in der Hinsicht als Autorin wohl kaum objektiv. Nun verschwind ich aber. Viel Spaß beim Lesen! Bis nächste Woche, MfG, Leira ;) PS: Falls es jemand auffällt: ich habe bewusst nicht Englisch geschrieben, um euch den Lesefluss nicht zu stören. Sollte die Mehrheit drauf bestehen, dass die Dialoge englisch sein sollen, sagt es, und ich mach es. Kein Problem. ________________________________________________________________________________ Eine Woche ist es jetzt her… es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit… Shinichi ließ sich erschöpft auf sein Bett fallen. Er seufzte tief und starrte die weiß getünchte Decke über ihm an. Das Zimmer war eigentlich ganz schön. Es hatte sogar den Luxus eines eigenen Badezimmers und eine Küche. Sogar ein kleiner Balkon gehörte dazu. Dennoch konnte er dem Ganzen nichts Erfreuliches abgewinnen. Wen, zum Teufel, scherte schon ein eigener Balkon? Was für eine höchst überflüssige Sache so ein Balkon doch war. Es war ihm egal. Ihn interessierte es einfach nicht. Er brauchte keine Balkone... er brauchte sie. Es dämmerte bereits, aber er machte das Licht nicht an. Er sah zu, wie die Schatten wuchsen und verschwammen, alles im Zimmer langsam die Farben zu verlieren schien, immer trüber wurde… bis die Sonne endgültig untergegangen war, alles Bunte mit sich genommen hatte und lediglich graue Tristesse zurückließ. Ein Umfeld, das seinem gegenwärtigen Gemütszustand vollstens entsprach. Grau, trist… hoffnungslos. In Gedanken ließ er die letzten Tage noch einmal Revue passieren. Sie waren nach New York geflogen, hatten ihn im Einwohnermeldeamt registriert, die Staatsbürgerschaft hatte er bereits zusammen mit dem Namen und den ganzen Dokumenten erhalten… dann wurde er an einer Highschool angemeldet, in den Abschlussjahrgang, schließlich fehlte ihm der Schulabschluss noch. Theoretisch war er zwar fast schon zu alt dafür, aber man hatte ihn als spät eingeschult ausgegeben. Anschließend hatte ihm Akai eingeschärft, wie er sich zu verhalten habe und ihm erzählt, welche Geschichte zu Shigeru Katsuragi gehörte… nicht, dass er das nicht aus der Geburtsurkunde auch erfahren hätte. Shinichi lächelte säuerlich. Shigeru Katsuragi ist gebürtiger Amerikaner, Sohn japanischer Immigranten. Mutter hieß Norie Usami, Vater Takeo Katsuragi. Beide Eltern starben bei einem Verkehrsunfall vor fünf Monaten. Er selbst stellte einen Antrag auf vorzeitige Anerkennung der Volljährigkeit, der aufgrund seines Verantwortungsbewusstseins und seines erwachsenen Auftretens bewilligt wurde. Also zog Shigeru von daheim aus und in ein Wohnheim, wechselte deswegen die Schule, weil diese hier günstiger zu seinem neuen Zuhause liegt. Zuhause. Dann kamen die üblichen Hinweise. Weihe niemandem in dein Geheimnis ein. Versuche, dich nicht fotografieren zu lassen. Verhalte dich unauffällig, halte dich heraus aus allen Situationen, in denen du mit Verbrechen in Kontakt kommen könntest. Benimm dich wie ein Amerikaner, sei so natürlich wie möglich. Weihe niemandem in dein Geheimnis ein! Shinichi seufzte. Dann waren sie in ebendieses Wohnheim gefahren. Und nun saß er hier. In seinem neuen Zuhause. Vor ihm lag der aufgeklappte Koffer, weil er es noch nicht über sich gebracht hatte, ihn auszupacken, und eine Tüte mit Einkäufen. Auf dem Schreibtisch stapelten sich seine Bücher. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, es sich wohnlich einzurichten. Dafür saß der Schock noch zu tief. Dafür hasste er das hier alles viel zu sehr. Er krallte seine Hände in die Bettdecke und biss sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte. Guter Gott, das war ein Alptraum. Ein Alptraum. Er vermisste seine Familie, seine Freunde und ganz besonders Ran. Die Nächte hier waren besonders schlimm… ihre Gesichter, sie verfolgten ihn bis in den Schlaf… waren so nah, dass er meinte, sie berühren zu können - und doch so unerreichbar fern. Und der Gedanke, sie alle nie wieder zu sehen, machte ihn fast wahnsinnig. Diese Machtlosigkeit... und die Gewissheit, nichts an seiner Situation ändern zu können... Er fühlte sich eingesperrt, hilflos... entwurzelt und zerissen. Und nie in seinem Leben... niemals vorher hatte er sich einsamer gefühlt. Nicht einmal die Zeit als Conan war vergleichbar unerträglich gewesen. Damals war er wenigstens noch bei seinen Freunden, seiner Familie gewesen… bei Ran. Auch wenn er sie hatte anlügen müssen, sie nicht wusste, wer er war... Er war dennoch bei ihr gewesen. Und sie bei ihm. Auf irgendeine Weise immer zusammen… Jetzt war er allein. Ganz allein. Er fröstelte. Wie sollte er das durchstehen? Morgen wieder in die Schule gehen, so tun, als ob nichts gewesen wäre…? So tun, als ob er ein ganz normaler High School- Schüler wäre? Wo sich doch schon allein beim Gedanken an… Ran… seine Eltern oder Heiji, oder wen auch immer, sein Magen verkrampfte, ihm richtig gehend schlecht wurde... Was war das für ein Leben… nur Verluste. Er vermisste sie so sehr, so sehr, sie alle. Jeden Tag rief er sich ihre Gesichter, ihre Stimmen in Erinnerung, aus Angst, sie eines Tages zu vergessen. Er wollte nicht vergessen. Nichts. Nicht eine einzige, noch so unbedeutende und banale Erinnerung verlieren. Auch wenn es ihn quälte, weil er wusste, er würde sie nie wieder sehen. Wie sollte er das anstellen, ein normales Leben führen, mit all diesen Erinnerungen? Glücklich sein? Ohne… Ran? Shinichi sehnte sich nach ihr... nach ihrem Lachen, nach dem Gefühl, das er empfand, wenn sie ihre Hand in seine schob, sich festhielt… ihn festhielt. Nach ihrer Unbeschwertheit… ihrer Zuneigung. Seitdem sie getrennt waren, fühlte er sich nicht mehr… ganz. Er konnte es dieses Gefühl nur schwer in Worte fassen… es war etwas abstraktes, ein kaum greifbares Phänomen… er fühlte, als ob ein Teil von ihm verschwunden war. Das einzige, was er mit Sicherheit sagen konnte, war, dass sich dieser Teil wohl in Tokio befand. Er war bei ihr. Shinichi zog gedankenverloren den kleinen Teddy aus seiner Jacketasche. Ran… Wahrscheinlich werde ich dich nie mehr wieder sehen… Er merkte, wie sich seine Kehle bei dem Gedanken zuschnürte, ein unsichtbares Gewicht auf seinen Brustkorb drückte, ihm das Atmen schwer fiel. Dieser eine Gedanke, der nahezu Gewissheit war. Ein Gedanke nur... Er würde sie nie wieder sehen. Shinichi seufzte laut, zuckte zusammen, als irgenwo im Haus lautstark eine Tür zuknallte. Er atmete heftig aus, ballte seine Faust um den Talisman. Wie geht es dir? Was machst du? Er schluckte schwer. Wie sollte das denn weitergehen? Er wollte wieder nach Hause. Einfach nur zurück... Dann klopfte es an der Tür, riss ihn aus seinen Gedanken. Shinichi stöhnte entnervt auf. Scheiß Wohnheim. Man hatte seine Ankunft wohl letzten Endes doch mitbekommen. Es wunderte ihn schon fast, dass man ihn noch nicht früher heimgesucht hatte. Es klopfte erneut. „Hi? Jemand zuhause? Wenn ich dich störe, dann geh ich jetzt einfach und komm später wieder…“ Eine Mädchenstimme. Auch das noch. Benimm dich wie ein Amerikaner, sei so natürlich wie möglich. Er wollte keine neuen Freunde. Es stimmte, er fühlte sich einsam. Aber er wollte sein altes Leben zurück, kein Neues. Er wollte hier nur seine Ruhe haben, eigentlich. Er wollte allein sein, aber… Amerikaner waren gesellige Leute. Also machte er sich schon dadurch verdächtig, indem er jetzt nicht mal Hallo sagte. Er war in einem Wohnheim, da kannte man sich untereinander. Also musste er jetzt da wohl durch. Shinichi verstaute den Bären wieder sicher in seiner Jackentasche. Dann seufzte er, setzte sich auf, ging zur Tür und schloss auf. Draußen stand nicht nur ein Mädchen. Neben ihr stand ein ziemlich verlegen dreinblickender Junge. Beide waren wohl ungefähr in seinem Alter. Und sie kamen ihm irgendwie bekannt vor. Dann fiel ihm ein, wo er sie schon mal gesehen hatte. Sie gingen in einen seiner Kurse. Da er keine Freunde haben wollte, hatte er seinen neuen Klassenkameraden bisher keinerlei Beachtung geschenkt. „Hi! Also hast du dich doch noch dazu entschlossen, aufzumachen!“ Das Mädchen lächelte ihn freundlich an. Sie hatte lange, lockige braune Haare und Sommersprossen. Der Junge neben ihr hatte ebenfalls braune Haare und Sommersprossen. Er hatte sie noch nie genauer angesehen, aber jetzt, bei näherer Betrachtung, stellte er fest, sie sahen sich sehr ähnlich. Geschwister, vermutete Shinichi, und wie sich zeigte, hatte er Recht. „Scheint so.“, antwortete er nun schlicht, um die peinliche Pause, die entstanden war, zu überbrücken. „Das ist aber nett von dir!“, sie lachte ungerührt, ignorierte seine Unhöflichkeit und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Danielle Ackerley und das ist mein Zwillingsbruder David. Vielleicht erinnerst du dich, wir gehen ins gleiche Seminar. Wir haben gesehen, dass du auch hier wohnst. Hallo.” Er schaute sie an. Dann ergriff er ihre Hand und drückte sie kurz, bevor er sich ihrem Bruder zuwandte. „Ich heiße Shi…geru. Shigeru Katsuragi. Nett, euch kennen zu lernen.” Shinichi schluckte. Beinahe hätte er sich verplappert. Das erste richtige Gespräch, und schon verriet er sich fast. Schön, dich kennen zu lernen! Du bist also Japaner?“ „Jaah… nein. Ich wurde in den USA geboren, meine Eltern waren japanische Immigranten.” „Wow.” Danielle starrte fasziniert ihn an. Ja, in der Tat beeindruckend, nicht? Wenn ihr wüsstet… Shinichi hielt an sich, um sich nicht durch einen zu ironischen Gesichtsausdruck verdächtig zu machen. „Wie alt bist du denn?“, mischte sich nun auch David ein. „Ich werde Zwanzig im August. Und ihr?“ Dann fiel es ihm erst ein. Zwanzig. Er wurde heute zwanzig. Man hatte seinen Geburtstag vom Zeugenschutz aus nach hinten verlegt, aber… eigentlich war er heute. Er schluckte. Heute. Wären sie doch heute erst gekommen… dann stünde er jetzt bestimmt nicht hier und machte Smalltalk mit amerikanischen Jugendlichen. Nein, sicher nicht. „Neunzehn im Juli.”, riss ihn David aus seinen Gedanken. „Wie kommt’s dass du erst jetzt kommst? Bist du allein hier?” Shinichi schluckte. Ja, er war allein… „Meine Eltern starben vor fünf Monaten bei einem Verkehrsunfall. Deswegen bin ich hier; ich bin aus unserem Haus ausgezogen. Also ja, ich bin allein.”, betete er brav seine Geschichte herunter und fühlte sich schrecklich dabei. „Genau wie wir, unsere Eltern sind auch tot. Obwohl wir ja immer noch uns haben…” Danielle warf ihrem Bruder einen liebevollen Blick zu. David nickte zustimmend. Ihr Glücklichen… „Kommst du mit auf eine Tasse Kaffee, Shigeru? Wir wollten gerade ein wenig in die Stadt, du hast bestimmt noch nicht viel gesehen.”, bot Danielle ihm an. „Jah, komm, Alter. Du siehst aus, als würde dir die Decke hier drin auf den Kopf fallen, wenn wir dich allein lassen.”, meinte David gutmütig. Shinichi seufzte und wandte sich um. Eigentlich wollte er allein sein. Allerdings… einsam würde er noch oft genug sein. Er fragte sich, ob er wirklich so aussah, als würde ihm die Decke auf den Kopf fallen, wenn man ihn allein ließe. Sah er wirklich so elend aus? Nun, gesetzt den Fall, sein Gemütszustand spiegelte sich in seinem Gesicht wieder, so lautete die Antwort auf diese Frage wohl ja. Er war zwar nicht ausgenommen scharf drauf, sich New York mal wieder zeigen zu lassen, aber er hatte wohl nicht wirklich eine Wahl. Shigeru Katsuragi war ein Amerikaner, allein und neu in diesem Wohnheim, in diesem Stadtteil. Also sollte er mal lieber sein Image des netten amerikanischen Staatsbürgers pflegen und sich durch die City schleifen lassen. Gegen einen Kaffee war wohl auch nichts einzuwenden. Also war es wohl ganz gut, wenn er sich ein wenig Ablenkung verschaffte. Er musste ja nicht gleich zum besten Freund der beiden werden, aber sich einen gewissen Bekanntenkreis aufzubauen, darum würde er wohl nicht herum kommen. Im Prinzip war’s wohl egal. „Also schön. Aber nicht lange, ich hab nämlich noch ne Menge zu tun, heute...“ Er holte seine Geldbörse, ging dann zu den Zwillingen auf den Gang, sperrte sein Zimmer ab und folgte ihnen hinunter und raus auf die Straße, Rans Talisman in seiner Tasche fest umklammert. Tausende Sterne funkelten am Himmel. Der Wind spielte sacht mit ihrem lockigen Haar, als Yukiko Kudô am Balkon ihrer Villa in Los Angeles stand und hinaufstarrte, nach oben in das blauschwarze Firmament, das Himmelszelt, das Universum… Unzählige strahlend helle Sterne waren zu sehen… eine absolut klare Nacht. Nicht eine einzige Wolke trübte den Himmel, und es war Neumond, ein Umstand, der sie noch brillanter glitzern ließ. Tränen rannen über ihr Gesicht. Ihre Hände krallten sich um die Brüstung. Wisst ihr, was das heißt? Ihr seht mich wahrscheinlich nie mehr wieder! Ein Schluchzer entrang sich ihrer Kehle. Fast eine Woche war es jetzt her, seit Shinichi weg war. Yusaku, der gerade an einem Manuskript arbeitete, sah auf. Sein Blick glitt suchend durchs Zimmer und fand das Balkonfenster offen. Er stand auf, ging hinaus und fand seine Frau, die leise vor sich hinschluchzte. Er hatte sich also nicht verhört. „Yukiko?“, flüsterte er, um sie nicht zu erschrecken. Sie wandte ihm ihren Kopf zu. Ihre Tränen hatten ihr Maskara gelöst und schwarze Linien auf ihr Gesicht gemalt; ihre Unterlippe bebte. „Yukiko…“, seufzte er betroffen, näherte sich ihr und drückte sie an sich. Sie hielt sich an ihm fest, bettete ihren Kopf an seine Schulter und begann hemmungslos zu weinen. Er streichelte ihr sanft über den Kopf. So standen sie eine Weile, völlig bewegungslos und still, bis auf Yukikos mehr oder weniger leise Schluchzer, während unter ihnen das Leben der Stadt pulsierte. Ein schier endloses Lichtermeer, das den Sternen am Himmel Konkurrenz machen zu wollen schien. „Heute, Yusaku… “ Yukiko strich sich die letzten Tränen aus den Augen, wobei sie ihre Wimperntusche noch ein wenig weiter verwischte. „Ich weiß.“ Er schluckte. Heute. Wären der Kommissar und der FBI-Agent heute erst gekommen, hätte Shinichi es selber in der Hand gehabt. Stattdessen kamen sie an jenen Nachmittag vor fast einer Woche, an dem er selber… sein Schicksal besiegelt hatte. Ich hasse dich. Er seufzte. Shinichi hatte sich dafür entschuldigt, bevor er gegangen war, ja, aber… im Prinzip hatte er doch recht gehabt. Er hätte jeden Grund gehabt, ihn zu hassen. Er hatte ihm sein Leben weggenommen. „Haben wir das Richtige getan, Yukiko?“ Die hübsche Frau schaute ihren Mann unsicher ins Gesicht. „Ich weiß es nicht, Yusaku. Wir werden das wohl nie erfahren… es ist noch nicht mal eine Woche her, aber… aber es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. An dem ich mir nicht vorwerfe, sein Leben zerstört zu haben. Und ihrs, Rans. Und es gibt keinen Tag, an dem ich ihn nicht vermisse. An dem ich mich nicht frage, wie’s ihm geht. Was er macht. Wie er lebt. Wie er sich fühlt… was die Zukunft für ihn noch bereithält…“ „Er kommt klar.“ Yusaku ließ sie los und trat ans Geländer des Balkons. Starrte nun seinerseits hinauf in den Himmel. „Meinst du?“ Sie schaute ihn an. Entschlossenheit spiegelte sich auf seinem Gesicht. „Ja. Er ist schließlich mein Sohn. Unser Sohn. Eine unglaublich starke Persönlichkeit. Der hält was aus… auch wenn ich mir für ihn ein anderes Leben gewünscht hätte. Wirklich. Ich wünschte, es wäre nie soweit gekommen.“ Yukiko trat neben ihm und ergriff seine Hand. „Also… denkst du, es geht im gut? Er wird glücklich, da wo er ist?“ „Nein. Das hab ich nicht gesagt. Ich weiß nicht, ob es ihm gut geht oder ob er glücklich wird. Erstens ist es dafür noch zu früh, als dass es ihm gut gehen könnte und… Wahrscheinlich wird er nie so glücklich, wie er sein könnte, wäre er bei…“ „Ran?“ „Hmmm. Ja… ich meine… sie kannten sich schon ewig, aber ein Paar waren sie erst seit einer Woche, als er weggehen musste. Sie hatten nur so wenig Zeit… so wenig Zeit miteinander. Er ist erst zwanzig Jahre alt, und doch musste er seine große Liebe, seine Familie, seine Freunde, seine eigene Identität, das was er all die Jahre gewesen war, zurücklassen. Das hinterlässt Spuren. Ich denke, er vermisst das alles. Jetzt und solange er lebt. Und wer so viel zu vermissen hat wie er, kann nie vollkommen glücklich sein. “ „Aber er kommt klar?“ „Er kommt klar.“ Yukiko seufzte. „Manchmal, nein oft, denke ich, wir haben uns viel zu wenig um ihn gekümmert. Wir waren richtig egoistische Eltern. Nach LA zu ziehen, der Karriere wegen, wo er doch noch so jung war. Wir haben ihn zurückgelassen, uns so selten blicken lassen. Und als er dann in diesen Fall geriet, und das alles durchmachen musste… seine unfreiwillige zweite Kindheit… waren wir nicht da. Nur ganz selten, und da haben wir uns einen Spaß draus gemacht ihn damit aufzuziehen, meistens. Wir waren fast nie da, um ihm beizustehen. Er hat so sehr gelitten, darunter, was mit ihm geschehen war, dass er Ran so hintergehen musste, so vielen Leuten jemanden vorspielen musste, der er nicht war… und als er sich stellte… sich ausgeliefert hat… Wir waren nicht für ihn da. Er hätte sterben können, verdammt, Yusaku. Wir kamen erst, als er uns angerufen hat, als es vorbei war. Er ist mit seinen Sorgen nie zu uns gekommen. Wir kannten Shinichi nicht so, wie Ran ihn kannte. Oder der Professor. Selbst dieser Heiji kannte ihn wahrscheinlich besser, als wir, seine Eltern.“ Yusaku verzog das Gesicht. „Ja, da hast du wohl Recht. Er hat es uns auch viel zu einfach gemacht. Er war so früh so selbstständig… so erwachsen. Um ehrlich zu sein, es war so bequem zu glauben, er kommt allein klar. Kam er auch meistens. Er hat auch nie viel durchblicken lassen, was ihn beschäftigte. Sollte uns das nicht zu denken geben?“ „Ich denke nur noch daran.“ Eine neue Träne rollte ihr über die Wange. Sie schwiegen eine Weile. „Heut ist sein zwanzigster Geburtstag.“, murmelte Yukiko schließlich. „Wie könnte ich das vergessen.“ Yusaku schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, atmete in tiefen Zügen die kühle Nachtluft ein und versuchte, nicht die Kontrolle zu verlieren. Er war kein Mann, der leicht in Tränen ausbrach, aber diese Sache nahm in sehr mit. „Volljährig...“, hauchte Yukiko. Dann hob sie den Kopf wieder und stupste mit ihrer Nase an das Kinn ihres Gatten, damit er sie wieder ansah. „Weißt du, was mir gestern eingefallen ist?“, fragte sie, als er ihrer unausgesprochenen Aufforderung nachgekommen war. „Nein, was?“, hakte er nach. „Ich hab so nachgedacht… und mir die alten Fotoalben angesehen. Und da fiel mir ein, das er uns, als er noch klein war, bis zu seinem zehnten Geburtstag etwa, jedes Jahr die gleiche Antwort gab, als wir ihn fragten, was er sich wünscht…“ Sie schaute ihn an. Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Einen Hund. Er wollte immer einen Hund. Wir haben ihm nie einen erlaubt.“ Yusaku lächelte traurig. „Ja. Daran kann ich mich erinnern… ein Hund. Er kam immer gut mit Tieren aus, besonders mit Hunden…“ Sie nickte. „Yukiko, wenn er je zurückkommt, bekommt er seinen verdammten Hund. Ob er nun gerade Geburtstag hat oder nicht. Und mir scheißegal, ob er überhaupt noch einen will.“, meinte er entschlossen und grinste. Sie lachte leise. Dann wurden sie wieder ernst. „Denkst du das? Das er zurückkommen wird?“ „Ich glaube fest daran.“, meinte er und drückte ihre Hand. „Und das solltest du auch.“ Yukiko nickte und legte den Kopf in den Nacken. Schaute in die Sterne, mit dem Gedanken, dass ihr Sohn irgendwo auf dieser Welt auch in den Himmel schaute… und dieselben Sterne sah wie sie. Alles Gute zum Geburtstag, Shinichi… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)