Schattenherz - Die weißen Ritter von abgemeldet (Teil 2) ================================================================================ Kapitel 8: Brennendes Frack --------------------------- Brennendes Frack Sie erreichten Unogami tatsächlich bei Sonnenaufgang. Im Dorf schliefen noch die meisten Menschen, nur in einigen Häusern brannte bereits Licht. Eine von Sakis Bediensteten weckte sofort die Priesterin und wenig später kam sie zusammen mit Kurando in den Raum mit dem niedrigen Tisch und den Sitzkissen. Als Saki die Gruppe sah, schrak sie zusammen und schlug die Hand vor den Mund. „Oh, sanki! Wes tre sin eos sotu? Oh, Gott! Was ist mit euch passiert?“, rief sie Priesterin, während sie auf sie zu gerannt kam. „Iwo tam se eos? Wie geht es euch?“ „Scho sen kiroto. Ihr seid verletzt.“, stellte Kurando entsetzt fest. Karin sah verwundert an sich herab und bemerkte erst jetzt, dass nicht nur Draco, Nuria und Yuri etliche Kratzer und Wunden hatten, sondern auch sie selbst. Sofort kamen Dienerinnen mit Wasser und Verbänden herbeigeeilt. Saki wollte sich Karins Verletzungen ansehen, doch sie schüttelte den Kopf und deutete auf Yuri. „Ihr solltet euch zuerst um euren Neffen kümmern.“, sagte Karin besorgt. „Etwas stimmt nicht mit ihm.“ Saki nickte und besah sich Yuri. Seine Augen waren trüb und wenn sie ihn ansprach, gab er nur ein leises Murren von sich. „Wes tre sotu?“, fragte Kurando an Karin gewandt, während er ihre verschrammte Wange verarztete. „Wir wurden von Männern in weißer Rüstung angegriffen. Sie tauchten auf einmal in Rogers Haus auf.“, erklärte Karin, wobei sie immer wieder zu Yuri hinüber sah. „Also stimmt es doch.“, sagte Kurando lächelnd. „Du verstehst die Sprache unseres Dorfes. Ich wollte es meiner Mutter zunächst nicht glauben.“ Karin brauchte einen Moment um ihm zu folgen, doch dann huschte auch über ihr Gesicht ein Lächeln. „Ki.“, stimmte sie zu. „Ja.“ „Ari josa? Aber woher?“, fragte er verwirrt. „Miko namikia hu se mid pandiro. Meine Großmutter hat es mir beigebracht.“, antwortete Karin. „Glaube ich zumindest. Meine Erinnerungen daran sind sehr verschwommen.“ „Vielleicht hatte deine Großmutter Vorfahren hier in Unogami.“, vermutete Kurando. Er legte das Verbandszeug weg und faltete die Hände im Schoß. Karin konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Saki und Yuri. Die Priesterin untersuchte ihn immer noch und wirkte sehr besorgt. Sie kroch zu den beiden hinüber und sah die Priesterin fragend an. Vorsichtig legte sie Yuris Kopf auf eines der Kissen und sank zurück in den Schneidersitz. „Ich glaube, er hat eine Gehirnerschütterung oder so etwas ähnliches.“, erklärte Saki. „Hat er einen Schlag auf den Kopf bekommen?“ Karin nickte und strich Yuri vorsichtig über die Stirn. „Ja, dann habe ich wohl Recht.“, fuhr die Priesterin fort. „Ich hoffe nur es ist nicht noch mehr passiert. Kurando bring mir bitte meine Kräuterfläschchen.“ Er stand gehorsam auf und verließ das Zimmer. Wenig später kam er mit einigen kleinen Fläschchen wieder. Saki verrührte einige der Flüssigkeiten davon in einem Mörser und strich Yuri die zähflüssige Masse auf die Stirn, danach bandagierte sie den Kopf und deckte Yuri mit einer Decke zu. „Jetzt können wir nur abwarten.“, sagte sie betrübt. „Er ist stark und wird es schon überleben.“, ermutigte Kurando sie. „Hi tre un damian. Er ist ein Dämon.“ Saki lächelte ihren Sohn zufrieden an. „Du hast Recht. Bitte geh in den Tempel und bete für deinen Cousin. Ich würde es ja selbst tun, aber es ist besser wenn ich ihn weiter beobachte.“ Ein Schatten huschte über Kurandos Gesicht, doch er gehorchte der Aufforderung und ging hinaus. Nach kurzem Zögern folgte ihm Karin. „Warte!“, rief sie ihm hinterher. „Darf ich mitkommen?“ Kurando blieb stehen, drehte sich allerdings nicht herum. Karin erschien neben ihm und sah ihn fragend an. „Ja, wenn du wünschst.“ Schweigend gingen sie nebeneinander her. „Du hasst Yuri wirklich, nicht wahr? Du willst nicht für ihn beten.“, mutmaßte Karin. „Meine Mutter hat gesagt ich soll es tun.“, wich Kurando aus. Karin lächelte traurig und erwiderte nichts mehr. Schließlich hielt Kurando vor einem, mit Blumen verzierten, Höhleneingang an und verbeugte sich knapp. Karin tat es ihm gleich und folgte ihm ins Innere. Der Anblick, der sich ihr bot war atemberaubend. Die Höhle war einfach riesig. In ihrer Mitte war ein Wasserfall, der in einen großen See stürzte. Ein schummriges Licht erhellte die Höhle. Karin sah sich weiter um, doch sie konnte den Ursprung des Lichts nicht ausmachen. Es war einfach da. Kurando kniete vor einem kleinen Altar am Ufer nieder, zündete eine Kerze an und begann etwas in seiner Sprache zu flüstern. „Helios sanki! Baja konsin miadi! Schadi...“ Sie lauschte seinen Worten und sprach sie leise in ihrer Sprache nach. „Heiliger Gott! Bitte erhöre mich! Schütze Yuri und lasse seine Wunden heilen, auf das er gesund werde. Wirf dein Licht zu uns und hilf das Leben zu wahren.“ Eine ganze Weile saßen sie einfach so da und beteten. Irgendwann, nach einer halben Ewigkeit wie es Karin vorkam, stand Kurando wieder auf und verließ die Höhle wortlos. Karin folgte ihm und als er auch nicht auf ihr Rufen reagierte, packte sie seinen Arm. Kurando fuhr herum und funkelte sie wütend an. „Was ist los mit dir? Warum bist du so zornig?“, fragte sie flehend. „Du bist wütend auf Yuri, du hasst ihn. Aber er kann nichts für den Tod deines Vaters. Er war zu dieser Zeit doch noch ein kleines Kind.“ Kurando riss sich los und senkte den Kopf. Er zitterte am ganzen Körper und seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. „Dieser Streit ist einfach zu alt um von einem Tag auf den anderen beigelegt zu werden. Die Familie Hyuga ist zerbrochen. Mein Vater wurde getötet. Nie und nimmer werde ich es ihm verzeihen. Yuri ist wie sein Vater. Das gleiche Blut, das gleiche Denken.“, Kurando drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand im Wald. Traurig ging Karin zurück ins Dorf. Draco, Nuria, Saki und Yuri saßen um den kleinen Tisch herum und tranken Tee. Als Karin Yuri sah, schrie sie erfreut auf und nahm ihn in die Arme. „Dir geht es wieder gut!“ „Ich würde sagen besser.“, korrigierte er Karin und schob sie wieder ein Stück von sich weg. „Mein Kopf fühlt sich an, als wäre jemand darüber getrampelt.“ „Wo ist Kurando?“, mischte Saki sich in das Gespräch ein. „Er... er ist spazieren gegangen.“, wich Karin aus und nahm neben Yuri Platz. „Wir haben Saki bereits erzählt, dass wir das Manuskript nicht finden konnten.“, erklärte Draco. „Und wie soll es nun weitergehen?“, fragte Karin an die Priesterin gewandt. „Ich weiß es leider nicht. Vielleicht...“ Ein ohrenbetäubender Knall ließ Saki abrupt verstummen. Der Boden erzitterte wie unter einem Erdbeben und für einen Moment glaubten sie, ihre Trommelfelle würden platzen. Erschrocken sprangen sie auf und eilten nach draußen. Im Wald hinter dem Dorf schlug eine riesige Feuerfontäne in die Luft. Die Dorfbewohner waren aus ihren Häusern geeilt und starrten entsetzt in den Himmel. Einige von ihnen hatten sich mit Wassereimern bewaffnet und rannten in den Wald. „Was ist passiert?“, fragte Saki eine der Frauen. „Etwas Großes ist vom Himmel gefallen und in Flammen aufgegangen.“, erzählte sie hysterisch. „Die Götter sind wütend.“ „Aber nein, beruhigt euch.“, redete die Priesterin auf sie ein. „Lasst uns nachsehen.“, schlug Yuri vor. Sie folgten den Dorfbewohnern in den Wald. Die Flammen ebbten bereits ab. Das Wasser tat seinen Dienst. Eine Junge Frau kam auf sie zu gerannt und redete aufgeregt in ihrer Sprache mit Saki. Die Priesterin hörte ihr schweigend zu und folgte ihr schließlich einige Meter weg vom Feuer. Die anderen begleiteten sie. Yuri versuchte etwas in den Flammen zu erkennen, doch alles was er sah war ein riesiges unförmiges Ding, das sich in dem Feuer zu winden schien. Mit einigem Abstand schloss er wieder zu der Priesterin auf. Karin, Draco und Nuria sahen immer noch den zerstörerischen Flammen zu. Saki war vor einer knienden Person stehen geblieben und redete beruhigend auf sie ein. Yuri trat neben sie und wäre beinahe rücklings umgefallen, als er erkannte wer da vor Saki kniete. In Wirklichkeit kniete die Person nicht einmal, sie war nur sehr klein. Ihr Gesicht voll Mir Ruß und Falten. „Hallo Jungchen, endlich hab ich dich gefunden. Ihr seid schlimmer wie ein Sack Flöhe. Immer abhauen und auf dem Sprung.“ Yuri stützte sich an einem Baum ab und sank daran herunter. „He Kleiner, alles in Ordnung?“, fragte Roger besorgt. „Du... du... du lebst. Du bist nicht... aber wie...?“, stotterte Yuri vor sich hin, dann hellte sich sein Gesicht schlagartig auf und er schloss den alten Mann stürmisch in die Arme. „DU alter verrückter Kauz, wo warst du? Warum hast du das gemacht? Wir haben uns so gesorgt und um dich getrauert. Du bist doch wirklich...“ „Jetzt beruhig dich mal wieder und lass mich los. Du nimmst mir die Luft.“, unterbrach Roger ihn keuchend. Yuri ließ den alten Magier wieder los und trat einen Schritt zurück. Karin, Draco und Nuria waren hinter ihm erschienen und schlossen Roger ebenfalls in die Arme. Er schob sie von sich und schimpfte wild. „Ihr seid einfach zu stürmisch. Ich bin ein alter zerbrechlicher Mann.“ „Aber wie kann das sein?“, fragte Karin verwirrt. „Wir haben dich doch...“ „Ja, und es tut mir auch leid euch so getäuscht zu haben.“, beschwichtigte Roger sie. „Ich musste das tun.“ „Aber wieso?“, hakte Draco nach. „Meine Lieben...“, unterbrach Saki sie. „Lasst den alten Herren doch erst einmal zu Atem kommen. Wir können in meinem Haus weiter reden.“ Saki Wechselte noch einige Wort mit einem der Bewohner und versicherte sich, dass das Feuer unter Kontrolle war. Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg. Auf halber Höhe trafen sie auf Kurando. Er war sehr aufgeregt, doch Saki konnte ihn schnell beruhigen. Im Haus angekommen, nahm Roger auf einem der Kissen Platz und die anderen verteilten sich im Raum. „Also, alter Kauz.“, begann Yuri. „Jetzt will ich aber wissen was los war.“ „Es tut mir aufrichtig leid. Ich wollte euch keinen Kummer bereiten, aber ich war in Gefahr. Jemand hat mich verfolgt, allerdings konnte ich nie herausfinden wer. Also beschloss ich unter zu tauchen.“, erklärte Roger. „Den Rest kennt ihr ja. Als ich mitbekam, dass ihr etwas in meinem Haus gesucht habt, bin ich euch gefolgt. Leider ist das Flugzeug kurz vor Unogami abgestürzt, doch meiner umwerfenden Erfindung konnte ich mit dem Leben davonkommen.“ „Wir haben das Emigré-Manuskript gesucht.“, sagte Draco. Saki zog ein in Leinen eingepacktes Buch unter ihrem Gewand hervor. „Das habe ich mir bereits gedacht.“, entgegnete Roger. „Ich hatte sowieso das ungute Gefühl diese Verfolger wären dahinter her, also habe ich es einfach mitgenommen.“ „Und wir haben wie die Blöden danach gesucht.“, sagte Nuria seufzend. „Ach, und im Übrigen. Ich bin Nuria, Dracos kleine Schwester.“ „Schön dich kennen zu lernen.“, erwiderte er freundlich. „Ich bin Roger. Genialer Erfinder, hervorragender Wissenschaftler und Magier.“ „OK, es reicht wieder.“, mischte Yuri sich ein. „Erzähl uns etwas über diese Kerle in den weißen Rüstungen.“ „Ja, ist in Ordnung. Aber allzuviel kann ich euch da auch nicht sagen.“, warf Roger ein. „Es handelt sich um eine Art Sekte. Was genau sie wollen weiß ich auch nicht, aber ich habe herausgefunden, dass sie etwas suchen.“ „Und was?“, unterbrach Karin ihn gespannt. „Ein zweites Manuskript.“, antwortete er. „So ähnlich wie dieses, doch was genau darin steht weiß ich nicht. Das Einzige was ich noch herausfinden konnte, war, dass ein alter und sehr weiser Mann dahinter steckt. Er ist sozusagen der Kopf der Sekte.“ „Na ja, diese Informationen sind zwar sehr interessant, aber sie helfen uns nicht weiter.“, warf Kurando ein. „Aber ich habe eine Idee wie wir vorgehen könnten. Ihr müsst dieses zweite Manuskript finden.“, schlug Roger vor. „Wenn wir wissen was darin steht, dann können wir auch herausfinden was ihr Ziel ist.“ „Und wo sollen wir anfangen zu suchen?“, fragte Yuri schnippisch. „Es ist ja nicht so, dass die Welt ein kleiner Erdklumpen ist.“ „Im Blutmoor.“, mischte Saki sich ein. „Ich wollte bereits selbst dorthin, aber es ist sehr gefährlich, also habe ich es gemieden. Vor vielen Jahren soll jemand mitten im Blutmoor eine kleine Bibliothek gebaut haben. In ihr sollen die seltensten Bücher schlummern. Gut geschützt vor Fremden und Dieben, doch niemand weiß ob die Geschichten wahr sind. Keiner, der dorthin ging, kam zurück um darüber zu berichten.“ „Hört sich ja wieder toll an.“, grummelte Yuri. „Aber wir haben wohl keine andere Wahl.“, sagte Karin. „Zuerst müssen wir Informationen über den Feind sammeln bevor wir ihn schlagen können.“ „Typisch Soldatin.“, fügte Yuri hinzu. „Karin hat Recht.“, stimmte Saki zu. „Ihr müsst dieses Risiko wohl oder übel eingehen.“ „Ich werde euch begleiten und hin führen.“, schlug Kurando vor. Yuri biss sich auf die Unterlippe und Karin glaubte, er würde gleich etwas Gemeines zu dem jungen Schwertkämpfer sagen, doch das tat er nicht. Statt dessen fing er heftig an zu lachen. Die anderen sahen ihn verwirrt an, doch niemand sagte etwas. Tränen traten Yuri vor lauter lachen in die Augen und er hielt sich den Bauch. War er jetzt völlig irre? Schlagartig hörte er auf zu lachen, beugte sich vor und musterte Kurando kalt. Jede Emotion war aus seinem Gesicht verschwunden, nur in seinen Augen loderte ein wütendes Feuer. „Du wirst uns weder dorthin führen, noch uns begleiten. Wir werden das ohne dich schaffen, Schwertkämpfer.“, das letzte Wort spie Yuri aus, als wäre es eine Beleidigung. Ruckartig stand er auf und ging nach draußen. „Ich warte vor dem Haus auf euch.“ Sie sahen ihm entgeistert nach und ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus. „Wir... sollten ihm lieber folgen.“, schlug Karin vor. Saki nickte zustimmend und legte Kurando beruhigend die Hand auf die Schulter. Draco, Nuria und Karin folgten Yuri nach draußen. Saki und Roger bleiben in der Eingangstür stehen. „Ihr müsst über den Wald und die Wiese hinweg, in Richtung eines Bergkammes, davor erstreckt sich das Blutmoor.“, erklärte die Priesterin. „Soll ich euch die Pferde satteln lassen?“ Yuri schüttelte den Kopf, seine Umrisse begannen zu zerfließen und im nächsten Moment stand der schwarze Dämon Amon vor ihnen. Auch die anderen wechselten ihre Gestalten. „Wir werden uns beeilen.“, grollte Amon und breitete die Schwingen aus. Schwerfällig erhob er sich in die Luft. Die anderen folgten ihm hastig. Saki und Roger sahen ihnen nach, bis sie nur noch kleine Punkte am Himmel waren. „Beeindruckend.“, bemerkte die Priesterin. Kurando stand am Fenster seines Zimmers und sah dem schwarzen Dämon nach. „Er ist wie sein Vater. Wie sein Vater. Wie sein Vater.“, spukte es in seinem Kopf. „Warte nur ab Yuri. Irgendwann werde ich mich rächen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)