Dragonhack von Chirality-chan (Zeig mir die Wahrheit) ================================================================================ Kapitel 1: 1. Li Chien ---------------------- Schon als ich aus dem Bus stieg strahlte mir die verdammte Sonne höhnisch entgegen. „Was für ein Scheißtag“, entfuhr es mir gereizt. Ich konnte mir wirklich besseres vorstellen als mich jetzt mit diesen ganzen Clowns in ein stickiges Klassenzimmer zu setzen. Sie starrten mich eh schon wieder an, aber mittlerweile war ich es gewöhnt. In der durchstrukturierten und Schuluniformbesessenen Welt dieser Schule war ich eben... naja, „einzigartig“ trifft es gut. Und dann kam auch noch, es war schon längst ein morgendliches Ritual geworden, der Schulsprecher auf mich zu. „Schüler Nummer 3017220, warum trägst du keine Schuluniform?! Wie oft soll ich dich eigentlich noch ermahnen?! Du beschmutzt den Ruf unserer Schule!“, entsetzte er sich mit rot glühendem Schädel. Darüber konnte ich doch nur Lachen. Er hieß Kato und war zwei Köpfe kleiner als ich. Schon aus fünf Meter Entfernung sah ich die Angst in seinen Augen. Lachend bückte ich mich zu dem Winzling hinunter. „Halts Maul Kato.“ Seine Ohren begannen zu glühen als er schimpfend die Flucht ergriff. „Das tut gut!“, kicherte ich und streckte meine müden Knochen. Jetzt konnte der Tag beginnen. Und wie immer begann er mit einem Besuch im Direktoriat. „Li Chien, ich muss mich doch schon sehr wundern über dein Verhalten!“, entsetzte sich Direktor Misashi. „Ich weiß langsam nicht mehr was ich noch mit dir tun soll... Ich meine: Du bist einer der hervorragendsten Schüler hier, aber du riskierst mit deinem losen Mundwerk wirklich den endgültigen Rauswurf!“ Da konnte ich doch nur gähnen. Als ob die mich jemals rauswerfen würden... In der Hinsicht mischte nämlich noch ein ganz anderer mit... „Li Chien, ich hoffe dir ist klar das allein die großzügigen Spenden deines Vaters dich hier halten!“ Natürlich. Natürlich war mir das klar. Der Alte war ja sonst zu nichts gut. Auf diese Art wollte er sich nur wieder bei mir einschleimen... und das nützte ich selbstverständlich vollkommen aus. „Ich weiß nicht was für dich so schlimm daran ist eine Schuluniform zu tragen! Eigentlich solltest du stolz auf diese Tracht sein, schließlich kennzeichnet sie dich doch als Mitglied der Kano-Schule! Li Chien, ich bitte dich, leg doch endlich dieses rebellische Getue ab!“ Von wegen. Lieber hätte ich mir die Haut abgezogen als meine Kleidung zu tauschen. Zugegeben provozierte ich gerne, besonders in der Schule. So liebte ich den Auftritt mit der schwarzen Lederhose, dem blutroten Hemd und der schwarzen Krawatte... An ihr hingen lauter kleine, silberne Kreuzketten... genau wie der große Kreuzohrring an der linken Seite. Ach ja, nicht zu vergessen das Tattoo an der linken Schläfe das ich mir mit 14 stechen lies. Es war ein schwarzer, chinesischer Drache und tat höllisch weh bei seiner Entstehung. Ausserdem trug ich schon seit Ewigkeiten rote Kontaktlinsen. Ich tat eben alles um mich von der Masse abzuheben. Ich wusste selbst sehr gut das ich damit wiederum ein anderes Klischee unterstützte, nämlich das des „unbedingt als Rebell angesehen werden wollenden Jugendlichen“. Aber darauf hab ich stets geschissen. Und das erkannte auch der Direktor an meinem breiten Grinsen. „Was mache ich nur mit dir? Du musst doch selbst einsehen das dein Verhalten nicht normal ist! Du bist immerhin seit vier Monaten auf dieser Schule und hast immer noch keinen einzigen Freund gefunden! Die isolierst dich doch! Das muss dir doch Schaden, Junge!“, predigte der Alte. Aber auch das war mir, oh Wunder, egal. Ich wollte hier keine Freunde. Ich gehörte hier nicht hin. Und wir würden eh bald wieder umziehen, das wusste ich schon jetzt. Denn mein Vater war Architekt und immer unterwegs in der ganzen Welt. Nun hatte es uns eben nach Tokio verschlagen. Davor waren wir in London, und davor wiederum in New Jersey. Ich hasste den Alten. Mutter hatte ich auch keine, und wenn ich ehrlich bin: Vater hatte ich auch nie einen. Denn DER war alles andere als ein Vater. Er war ja nie da. Immer auf den Baustellen und nie Zuhause. Schon mit sieben Jahren verbrachte ich oft ein paar Wochen mit ihm unter einem Dach ohne ihn nur einmal zu sehen. Das einzige positive das ich von alledem hatte war meine Vielsprachigkeit. Am besten konnte ich immer noch chinesisch, besonders den Shanghai-Dialekt. Ach ja... Shanghai. Dort kam ich zur Welt, allein dort war meine Heimat. Denn nur dort hatte ich Freunde, und zwar richtige Freunde. Sie akzeptierten mich stets so wie ich war. Seit vielen Jahren hielten wir Kontakt, was Anfangs noch ziemlich schwierig war von wegen Übertragung der Telefongespräche aus anderen Ländern etc. Doch dann kam das Internet, was uns wirklich alles um ein vielfaches erleichterte. Nun trafen wir uns regelmäßig zu „Netzkonferenzen“, ausgestattet mit Webcam und Micro. Ich hätte meine Seele verkauft um zurück nach Shanghai gehen zu können... Aber ich war erst 17, und so kam es schon aus rechtlichen Gründen nie dazu. Ein Jahr noch, ein verdammtes Jahr... solange musste ich mich eben mit dem Internet zufrieden geben. Als mein Name ein erneutes mal fiel schenke ich dem wütenden Direktor wieder meine Aufmerksamkeit. „Li Chien! Hör mir gefälligst zu! Ich weiß nicht was du darstellen willst mit deinem Aufzug, aber ab morgen trägst du Schuluniform! Es reicht jetzt!“ Grinsend erhob ich mich vom Stuhl. Ich trat so nah an den Direktor heran das ich die Schweißperlen auf seiner Stirn riechen konnte. „Vielleicht will ich ja gar nichts darstellen... Vielleicht... verberge ich ja auch nur etwas vor ihnen...“, grinste ich und zog ab. Ich spürte noch lange seine Blicke auf meinem Rücken. Bestimmt hielt er mich jetzt für einen Amokläufer und Psychopathen. Aber das war mir nur recht so. Denn solange die anderen genügen Respekt, naja wohl eher Angst, vor mir hatten, trauten sie sich nicht wirklich an mich heran. „Etwas verbergen...“, flüsterte ich vor mich hin. Mein Blick wanderte an die Decke der Aula, die mit kleinen silbernen Teilchen verziert war. Wenn man genau hin sah erkannte man Einzelteile von Funkgeräten neben einfachen Metallplatten und Computerschrott. In einem gewissen Sinne verbarg ich wirklich etwas. Etwas das man mir wahrscheinlich nie im Leben zutrauen würde. Rein äusserlich passte ich schon nicht in dieses Bild... aber ich war ein Computerfreak. Das brachten hauptsächlich die „Netzkonferenzen“ mit meinen Freunden mit sich. In der Welt des Cyberspace fühlte ich mich irgendwie... „sicher“ vor der Aussenwelt. Dort konnte ich ungestört sein. Dort konnte ich einfach nur Li Chien sein, oder auch jemand anderes wenn ich es nur wollte. Das Internet gab mir eine gewisse Freiheit. Denn dort war ich nicht Li Chien Won, der Sohn des weltberühmten Architekten Lee Pei Won. Niemand erwartete von mir das ich die gleiche „Genialität“ wie mein Vater an den Tag legte. Aber ich hatte mir schon einen gewissen Ruf erarbeitet im Netz... Ich war bereits gezwungen die verschiedensten Nicknames zu verwenen damit ich nicht weiter auffiel. Denn ich war als Hacker verschrien. Und naja, ich war auch einer. Mit ausreichend Zeit und den richtigen Programmen konnte ich jedes Schutzprogramm knacken. Vor mir war auch die Regierung nicht sicher. Aber ich tat es nie um einen Vorteil für mich daraus zu ziehen, mich trieb immer nur die Neugier und der Reiz diese Programme zu knacken. Hatte ich mein Ziel erreicht verlor ich auch schon das Interesse. Der Durchsagengong erklang. „Schüler Nummer 3017220, Li Chien Won, bitte unverzüglich im Klassenzimmer Nummer 0701 erscheinen! Schüler Nummer 3017220, Li Chien Won, bitte unverzüglich im Klassenzimmer Nummer 0701 erscheinen!“, tönte die mir so bekannte Stimme. Ich gähnte nur müde. „Halts Maul Kato.“ Kapitel 2: 2. Ceres ------------------- Als ich nach Hause kam führte mich mein erster Weg, wie konnte es auch anders sein, zu meinem Computer. Meine Freunde würden zwar erst in ein paar Stunden online sein, aber bis dahin konnte ich ja noch ein wenig ziellos durch die Gegend surfen. Entkräftet lies ich mich in den Bürostuhl fallen und startete meinen 12 000 Dollar PC. Jaja, es war ein Luxusmodell, ganz ohne Frage. Ich hatte auch das neueste Zubehör das auf dem Markt zu finden war. Schließlich zahlte ja alles mein Alter. Und so wurde mein Schlafzimmer auch zusehends mehr zu einer Computergrotte. Mit einem Shortcut öffnete ich erst einmal mein E-Mail Fach. „Sie haben 103 neue Nachrichten“, eröffnete mir die Computerstimme. Sofort begann ich den ganzen Spam-Müll zu löschen. Doch dann entdeckte ich etwas seltsames. Die Betreffzeile einer E-Mail war offensichtlich codiert worden. „% s§@/c?§d /0r y0&, Li Chien“, stand dort. „Vielleicht nur Datenmüll...“, murmelte ich. Vorsichtshalber lies ich ein Decodierungsprogramm über die Betreffzeile laufen. Denn was mich stutzig machte war das mein Name dort angegeben war. Woher sollte ihn jemand haben? Ich gab ihn doch schon längst nicht mehr an, das wäre ein viel zu großes Risiko. Aber vielleicht war die Mail vom beschädigten Computer eines Freundes? Doch als ich die Dechiffrierung der Textzeile sah, stockte mir ein wenig der Atem. „I searched for you, Li Chien.“ Überrascht schluckte ich. Meine Neugier zwang mich die Mail sofort zu öffnen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht einmal worauf ich mich da eingelassen hatte. Wie gebannt war ich in die Nachricht vertieft. I knew you would open the mail. You`re really like me, Li Chien. I guess you wonder why I name you so. Ist because I know you. And I know your thousand Nicknames, too. „Chirality“, „Marrakeche“ and „Maroon“ are just a few of it. You may be scared now, little Hacker. But you don´t have to. I´m not here to punish you. In fact, I got a present for you. You are like the Mad Riddler in „Batman“. And i guess you must be mad if you can find the solution of this riddle, which is my own personal present for you. I think you have heard of the New Massive Multiplayer Game „Dragoon“, it is a newer version of the old „Dragoonworld“ Game from 2002. But now I will come to the point that you may be interested of: Theres a huge virus in the programme. And I mean HUGE. I think youre laughing about me right now. Thinking such a little virus doesn´t matter to you. But it will one day my friend, it will. I got just one word for you, and i guess you know very well what it means: EDEN Hit the link www.dragoon/capital01/firedungeon/birdcage.net and help me to find the solution. Ceres (I guess you know me ;D) Tausende Gefühle ließen meinen Körper erzittern. Die Welt um mich herum kam mir irgendwie... „fluffig“ und unreal vor. So sehr saß mir der Schock in den Knochen. „Ceres...“, flüsterte ich andächtig. Kein Wunder das er sämtliche meiner Nicks kannte. Er war der meistgesuchte Hacker seit... schon immer eigentlich. Sogar ein Kopfgeld war auf ihn ausgesetzt, sodass er ständig auf der Hut vor den Cyber-Bounty-Huntern sein musste. Es war schon fast eine Ehre das er Kontakt mit mir aufgenommen hatte... Jedoch blieb ich ernüchternd misstrauisch. „Wir werden ja noch sehen, „Ceres““, murmelte ich. Dabei fixierte ich das Wort EDEN. Meine Hände wurden zusehends feuchter. EDEN. So nannte man die Netzkrise im Jahre 2002. Eine gigantische Welle von Vireninfektionen legte damals das Internet flach. Da ging nichts mehr. Und weil heutzutage alles nur noch durch das Netz verbunden ist, fielen unzählige – manchmal auch lebenswichtige – Gerätschaften aus. Straßenbahnen fuhren wochenlang nicht mehr, die Stromversorgung war schlicht gekappt und es gab den Börsencrash des Jahrtausends. Noch heute hatte sich die Wirtschaft lange nicht davon erholt. Es war wie ein Ehrencodex der Hacker das Wort „Virus“ nie mit dem Wort „Eden“ zu erwähnen, ausser natürlich es gäbe einen vergleichbaren Vorfall. Mein Mauszeiger bewegte sich langsam zu dem Link hin. Ich wusste nicht was mich erwarten würde. Bei Gott, ich wusste gar nichts damals. Damals, als ich den Link öffnete. Kapitel 3: 3. Virus ------------------- Als erstes wurde ich aufgefordert mein Headset und die „Cyberglasses“ aufzusetzen, eine Art Brille durch die man dreidimensional in die Computerwelt eintauchen konnte. Sofort wurde ich weitergeleitet ins Spiel. Es ruckelte ein wenig, dann fand ich mich auch schon in einem durchwegs schwarzen Raum wieder. Der Boden war aus Holz, und in der Mitte stand ein weißes Bett mit einem schnörkelig verzierten Eisengestell. Zerfetzte Teddybären lagen darauf, aus ihrer Füllwolle quoll rotes Blut. Ich vernahm wie die Tropfen leise auf den Holzboden klatschten. Es war alles so verdammt real. „I waited for you, Li Chien“ Ich schrak sofort fürchterlich zusammen. Eine „Gestalt“ materialisierte sich vor mir. Rechts neben ihr der Ladebalken „Pufferung abgeschlossen“. „Nice to see ya“, grinste mein Gegenüber. Er schien eine Art Shinto-Priesterkutte zu tragen und fasste in der rechten Hand fest einen Metallstab. Seine Eisblauen Augen durchbohrten mich, sodass ich fast keinen Zweifel mehr hatte einem Großmeister der Hackerkunst gegenüber zu stehen. „Du sollst also Ceres sein...“, murmelte ich. „Well, they call me this name... and hate me... and hunt me, too“, lachte er höhnisch. „Hey, wenn du mich schon so gut verstehst, warum sprichst du dann nicht meine Sprache?“, fauchte ich ihn an. „Because I love American English, little Hacker“, zwinkerte er grinsend. Darauf konnte und wollte ich nichts erwidern. „Willst du mir nicht langsam mal erzählen wo hier der Virus ist?!“, murmelte ich angefressen. „Well... Before I show it to ya: Do you think you are really ready? Because what you´re going to see now will change your whole life“, meinte Ceres ernst. Sein Blick wanderte auf den Blutfleck am Boden. „It is like... your selling your soul to this virus.“ Seine Stimme hörte sich auf einmal... traurig an. Und sein Blick schien zu erstarren. Doch das erweckte in mir nur noch mehr Neugierde. Ich war bereits schon viel zu weit vorgedrungen. Es gab kein zurück mehr. Jetzt nicht mehr. „Ich will ihn sehen. Zeig ihn mir!“, forderte ich nachdrücklich. Er sah mich lange an, fast so als würde er mein Innerstes mustern um diesen Entschluss zu überprüfen. Dann hob er vorsichtig seinen Stab an, mein Blick wanderte an dessen Spitze. Erst jetzt erkannte ich das dort ein Vogelkäfig hing, voll mit zerfetzten Teddys. Bluttropfen ergossen sich in einem einstimmigen Takt. Dann stieß er den Käfig mit seinem Stab an... und es geschah. Ein ohrenzerfetzender Ton erklang. Ich war so gebannt von ihm das ich die Augen fest zukniff. Ich fühlte innerlich wie mein Trommelfell pochte. „OPEN YOUR EYES, YOU IDIOT!“, keifte Ceres aus irgendeiner Richtung. Ich öffnete die Augen, doch ich erkannte nicht wo oben und unten ist. Auch Ceres sah ich nicht, nur etwas ganz anderes... Der Raum um mich herum pochte im Takt meines Herzschlages, Schriftzüge aus reinem Datenmüll zogen durch den Raum. Doch dann blinkte vor meinen Augen etwas in blutigem Rot auf... es sollte noch den Rest meines Lebens verändern... Unzählige male hintereinander brannten sich diese Schriftzüge in meine Netzhaut ein. Verzweifelt brüllte ich herum und kniff die Augen zu. Ich weiß nicht mehr wie viele Stunden es waren, es mögen Tage gewesen sein. Doch irgendwann weckte mich Ceres Stimme. „It is over, little Hacker. You can open your eyes now.“ Durch die Cyberglasses erkannte ich einen wunderschönen weitläufigen See. Ich schien im Gras zu sitzen. In meinen Ohren rauschte der Wind, Ceres saß nachdenklich neben mir. „I guess you are shocked?“, fragte er vorsichtig. Ich zitterte noch am ganzen Körper als ich ihm antwortete. „So einen Virus habe ich wirklich noch nie gesehen. Es ist beängstigend das es Menschen gibt die so etwas programmieren... Keine Ahnung was man damit alles anstellen kann.“ Ceres nickte zustimmend. „This Virus was seen the first time a few months ago. A 15 year old girl saw it in the lowest level of a dungeon. She posted it on the blackboard of the game, and so many Dragoon Players went to this place. And there are rumors... that some players killed themselves because of the virus. And some people fell in Koma because of it! It is so cruel...“ Ich nickte ihm zu. „Ja, das ist es. Aber am seltsamsten ist es das davon nichts an die Öffentlichkeit gedrungen ist... Dragoon gehört doch der Dragon King Company, oder?“ „Ya, the Dragon King Company. One word: Corruption.“ „War ja klar“, erwiderte ich. „Aber derjenige der diesen Virus geschaffen hat... ich würde ihn nur zu gerne mal kennen lernen...“, grinste ich. „Ya man, I bet he think he is the greatest hacker in the whole whide world... It would be very funny to kick his ass, don´t you think so?“, lachte Ceres. Ich dachte eine Weile nach. Sollte ich mich wirklich auf das alles einlassen? Es war eh zu spät. Es gab längst kein zurück mehr. „Und ob ich dem in den Arsch treten will!“ Als ich mich ausloggte brannten immer noch diese Worte auf meiner Netzhaut. Erschöpft ging ich in die Küche um mir etwas zu trinken zu holen. Es kam mir vor als wären Tage vergangen. Dabei war es nur eine Stunde gewesen. Ceres meinte ich solle mich heute noch registrieren, morgen würde er mich in das Spiel einführen. Ich zitterte im Gedanken daran. Aber nicht vor Angst, nein es war die pure Freude. Das Adrenalin strömte durch meinen Körper, alles pochte. Ich wollte diesen Virus zerstören, besser jetzt als morgen. Alles andere war mir egal. Ich wollte dieses Programm einfach nur vernichten. Noch dazu durfte ich mit Ceres arbeiten. Ich konnte es kaum fassen. Grinsend blickte ich durch das riesige Küchenfenster. Die Großstadt lag in einem tristen grau vor mir. Auf meiner Netzhaut blinkten immer noch die blutroten Buchstaben. Ich schloss die Augen um sie noch einmal zu sehen. „Kill... I`m a murder... Blood on my fingers... Kill...“, murmelte ich. Kapitel 4: 4. Ruka und Kijin ---------------------------- „Was hast du denn heute Li Chien? Du scheinst ja furchtbar angespannt zu sein“, bemerkte Ruka bei der Netzkonferenz. „Ja, das dachte ich mir auch schon die ganze Zeit. Du redest nicht so viel Müll wie sonst“, lachte Kijin. „Halts Maul Kijin“, grinste ich zurück. Das war genau seine Art. Ich kannte beide schon seit der Grundschule. Kijin redete stets ohne vorher zu überlegen. Das brachte ihm schon viel Ärger ein... vor allem wenn man bedenkt welches schmale Bürschchen er doch war. Damals in Shanghai habe ich ihn immer vor den größeren beschützt... das ist mittlerweile auch schon knapp fünf Jahre her. Ruka hatte diese Probleme nie. Ganz im Gegenteil, sie war immer und überall beliebt. Naja, sie war ja auch ausgesprochen hübsch anzusehen... Rein äusserlich wirkte sie stets ruhig und brav, aber wenn sie mit uns zusammen war kam in ihr der Wildfang durch. Die beiden waren meine besten Freunde, und das sollten sie auch immer bleiben. „Quatsch, ich hab nix“, meinte ich zu ihnen. „Ein bischen Streß in der Schule mal wieder, aber sonst nichts.“ Ich konnte es ihnen nicht sagen, ich hatte Ceres geschworen ich würde den Mund halten. Ausserdem... machte ich mir Sorgen um sie. Die beiden beherrschten nämlich ihr Handwerk – genau wie ich. Beide waren Hacker, auch wenn man ihnen (und ganz besonders Ruka) das nicht wirklich zutrauen wollte. Zwar gingen sie nie so weit wie ich, aber sie wären jeder Zeit im Stande dazu gewesen. Ich wusste das von diesem Virus eine gewisse Gefahr ausging. Hätte ich ihnen davon erzählt wären sie genauso gefesselt gewesen wie ich. Und das schien mir zu riskant. Nein, da konnte ich sie nicht mit hinein ziehen. „Na gut, ich denke das können wir noch mal durchgehen lassen!“, kicherte Ruka. „Deine Haare sind aber wieder lang geworden, Li Chien... Steht dir gut“, bemerkte sie lächelnd. „Danke. Aber wenn ich mir da Kijin ansehe... Den solltest du mal wieder bearbeiten, der hats doch längst wieder nötig.“ Wie amüsierten uns köstlich während Kijin ein wenig schmollte. „Jaja, ich weiß schon. Die Haare müssen wieder gefärbt werden, schon klar, ich habs ja verstanden“, keifte er. Er färbte sich schon seit ich ihn kannte die Haare rot, obwohl er es hasste. Denn für sein tiefschwarzes Haar brauchte er stets die stärksten Färbeprodukte. Die Dämpfe brannten ihm jedes mal in den Augen, von der Kopfhaut gar nicht zu sprechen. So verbrachte er die Einwirkzeit damit über die verdammten Chemikalien zu schimpfen und zu jammern. Es war immer ein Höllenspaß ihm beim Haare färben zuzusehen. Ich hätte alles dafür gegeben mal wieder neben ihm zu stehen wenn er sich die rote Pampe auf den Skalp klatscht. Naja, nun hatte allein Ruka noch dieses Vergnügen. „Ihr und euer Schönheitswahn!“, lachte sie. Sie war die natürlichste von uns allen. Denn Kijin trug zu seinen roten Haaren auch noch hellblaue Kontaktlinsen. Von ihm hatte ich mir das auch alles abgeguckt. Kijin hat mich in unserer gemeinsamen Zeit wirklich stark geprägt. Denn obwohl immer ich der Stärkere war schaute ich doch irgendwie ein bischen zu ihm auf. Seine Art war stets kühl und berechnend, nur zu uns war er anders. Fast so wie zwei Seiten einer Münze. Ruka dagegen war immer zuvorkommend, hilfsbereit und ruhig. Sie war schon mit 13 zur Schülersprecherin gewählt worden, ausserdem spielte sie stets die Hauptrollen im Schultheather. Irgendwann führten sie einmal das Stück „Amadeus“ auf, Ruka spielte selbstverständlich Wolfgang Amadeus Mozart. Dazu wäre zu erwähnen das sie ihre eigene Version von dem Stück spielten... Denn alle Schauspieler waren weiblich und zeigten das auch, sozusagen. Also stand Ruka in Hotpants, Gehrock und Zylinder auf der Bühne. Verträumt dachte ich an ihre großen, haselnussbraunen Augen und das dunkle, gewellte Haar das ihr bis zum Steißbein reichte... „Li Chien denkt was perverses, Li Chien denkt was perverses!“, lachte Kijin. Verdutzt erwachte ich aus meinen Tagträumen. „Halts Maul“, grinste ich. „Naja, wenn du schon so am sabbern bist! Du hast doch bestimmt an Mrs. Norris gedacht“, erwiderte er. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Mrs. Norris war einst unsere Sportlehrerin. Sie kam aus England und versuchte verzweifelt uns Lacross beizubringen. Ausserdem hatte sie eine fürchterlich schlechte Angewohnheit... Sie trug Tanktops. Jedes mal wenn sie die Arme zu einer Aufwärmübung hob bot sich für uns ein Anblick des Grauens... Neben den übergroßen Schweißflecken sprießte die Achselbehaarung hervor. Lange, wiederliche Härchen die sich aufkräuselten. Ausserdem trug sie nie einen BH – sie hatte Körbchengröße 80D, wohlgemerkt. Vor Ekel schüttelte es mich. „Wenn ich nur an ihre Hängepampelmusen denke...“, lachte Kijin. „Ihr seid... bäh“, kicherte Ruka. „Na du hattest die Alte ja nicht im Sportunterricht!“, erwiderte ich. „Wär ja noch schöner.“ Entsetzt verzog sie das Gesicht. Meine Freunde. Ich wollte sie nie verlieren. Ich wollte sie wirklich nie verlieren. Ein paar Stunden später verabredeten wir uns für den nächsten Tag und verabschiedeten uns. Doch ich... hatte heute noch etwas vor. Kapitel 5: 5. Silvercrosscity ----------------------------- Mein Körper bebte vor Aufregung als ich die Internetadresse eingab. Nervös flitzte der Mauszeiger über den Bildschirm. „Nun mach schon...“, murmelte ich weil der Rechner meiner Meinung nach viel zu langsam lud. Dann endlich öffnete sich die Startseite. Ich hielt die Luft gebannt an. Da war ich endlich. Lächelnd biss ich die Zähne zusammen vor Aufregung. Ich konnte es nicht erwarten mich endlich einzuloggen. Doch davor kam erst einmal die Registrierung... Allein die Anleitung war so komplex das ich sie nur schnell überflog. Auf jeden Fall gab es vier Hauptserver auf denen man spielen konnte, jeder mit seinen eigenen Spielwelten und Dungeons. Da war der „Puppet Server“, der „Desert Server“, der „Gothic Server“ und der „Asia Server“. Sofort erinnerte ich mich an Ceres Worte: „Please choose any Server except the „Asia Server“, which I´m playing on. I think it would be better if anyone has his own area to search for the virus“, waren seine Worte. „Hmmm...“, überlegte ich. „Puppet Server“ – zu kindisch. „Desert Server“ – zu langweilig, da gäbe es ja doch nur Sand... und Sand... und Sand. Also entschied ich mich für den „Gothic Server“, der interessierte mich wenigstens ein bischen. Als ich das kleine Icon anklickte öffnete sich sofort das Registrations Fenster und verlangte nach Nickname und Passwort. Danach wurde verlangt die Spielfigur zu gestalten. „Das dauert mir jetzt zu lange!“, keifte ich und griff in meine Schublade voller CD-Roms. Sofort lief das Programm über den Rechner. Langsam baute sich die Spielfigur auf dem Bildschirm auf, die mir bis auf die Haarspitzen glich. Ich verwendete diese Software nicht oft, da ich nun wirklich kein großer Spieler war. Aber ich behielt sie doch die ganze Zeit über, schließlich war es ein Geschenk von Kijin. Ruka hatte er damals auch eine gemacht. Damals war er erst 15. Und damals konnte er schon mit den kompliziertesten Grafik-Programmen umgehen. Man kann wirklich sagen das dies sein Spezialgebiet war. Hastig wählte ich das Outfit meiner Spielfigur aus. Ehrlich gesagt nahm ich gleich das erstbeste, denn ich wollte so schnell wie möglich ins Spiel und mich umsehen. Befriedigt klickte ich auf den „Log in“ Button. Mit Headset, Cyberglasses und Controller tauchte ich in die Welt von Dragoon ein. Und als der Ladebalken endlich verschwunden war bekam ich erst die waren Ausmaße des Spiels zu sehen. Vor mir erhob sich drohend der „Gothic“ Server. Eine Schrift blinkte vor meinen Augen auf: „Hauptstadt des Gothic Server: Silvercrosscity“, las ich. Der Server war aufgebaut wie eine Stadt, eine hässliche Stadt, wohlgemerkt. Ich stand auf einem kleinen, gepflasterten Platz am Ende einer langen Treppe. Jawohl, ich stand dort. Denn es fühlte sich für mich so an als wäre ich wirklich da. Alle menschlichen Sinne waren auf das Spiel gerichtet, die ganze Wahrnehmung fixiert auf diese Welt. Es sah alles unglaublich real aus, die Grafiker hatten wirklich gute Arbeit geleistet. Und auch der Sound war unübertroffen, ich hörte sogar meine Schuhe auf dem gepflasterten Boden als ich langsam die Treppe hinunter ging. Neben mir wölbten sich die dunklen Gemäuer der Gebäude. Zwischendurch war immer wieder etwas Efeu an den Wänden, oder ein kleiner, zugewucherter Wandbrunnen der leise plätscherte. Trotzdem war diese Stadt einfach – trostlos. Der Himmel war so grau als würde es gleich zu regnen beginnen. Ja, alles war grau. Allein die schwarz gekleideten Spieler die überall herumwuselten hebten sich von dem grau in grau ab. Ihre schweren Stiefel trampelten auf dem Boden als sie an mir vorbeizogen. Ich schaute mich eine Weile in der kleinen Stadt um. Schnell hatte ich alles erfasst und das Areal auf CD-Rom kopiert. Man wusste ja nie zu was es einmal nützlich sein könnte. Jedenfalls gab es hier sechs „Geschäfte“ die sich in den Hauseingängen befanden. Einmal der Speicherstandort, nur hier konnte man im gesamten Spiel speichern. Dann gab es noch einen Waffenladen wo man alle möglichen Waffen erstehen oder verkaufen konnte. Es gab auch ein Magiegeschäft, dort wurden Zauberbanne verkauft oder angekauft. Auch einen Heiler hatte ich gefunden, er führte alles was man zur Selbstheilung brauchte. Sogar ein Kostümhändler war dort, damit man die am Anfang des Spiels ausgewählte Kleidung stets tauschen konnte. Natürlich gab es auch ein Lagerhaus, da man nicht besonders viele Gegenstände (sprich Waffen, Zauberbanne und Co.) bei sich führen konnte. Schon ein bischen gelangweilt trottete ich umher und musterte die anderen Spieler. Viele sprachen mich an und forderten mich zum Tauschhandel auf. Aber da ich nichts zu tauschen hatte verzogen sie sich auch wieder schnell. Als ich die Treppen erklommen hatte und wieder auf dem kleinen, gepflasterten Platz stand entschied ich mich erst einmal offline zu gehen und morgen wieder zu kehren. Doch ER machte mir einen Strich durch die Rechnung... Aufeinmal vibrierte alles um mich herum... Ich dachte schon mein Rechner würde den Geist aufgeben, doch als sich ein schwarzes Loch senkrecht vor mir auftat wusste ich das er es nicht war. Ein grauenhaftes Zischen war zu hören. Aufeinmal schlüpfte etwas aus diesem Loch hervor... es überrumpelte mich sodass ich zu Boden fiel und mir den Kopf stieß. Vorsichtig machte ich die Augen auf um diesen Trampel gleich einmal blöd anzufahren. „Well, I´m sorry my friend“, grinste mir Ceres entgegen und reichte mir seine Hand. Kapitel 6: 6. Sucht ------------------- „Verdammt noch mal, was willst du?!“, fauchte ich Ceres an und lies mir hochhelfen. „Ich dachte wir treffen uns erst morgen! Und ausserdem: Woher wusstest du das ich hier bin?!“ Sein Grinsen machte mich noch wütender als ich eh schon war. „Well, I´m always watchin ya“, zwinkerte er mir zu. „Hmmm... Your character looks very real... Even the Dragon Tattoo... You did it by yourself, don´t ya? Which programme?“, fragte er mich mit aufgerissenen Augen als er an meinen Haarspitzen zupfte. Entsetzt schlug ich seinen Arm weg, er kam mir nämlich ein bischen zu nahe... „Keine Ahnung, hat ein Freund für mich gemacht.“ Abschätzig lächelnd verschränkte er die Arme. „I knew it. The whole body-thing is perfect, but your outfit... isn´t impressing me at all. Black trousers, black boots, black gloves, black Shirt and black necktie... You look like everyone else on the Gothic Server. How boring... But at least, it fits ya“, kicherte er höhnisch. Ich fühlte wie mir die Wut hochkam. Viel schlimmer war es aber weil ich wusste das er recht hatte. Also entschied ich mich einfach die Zähne zusammen zu beissen. „Was willst du?“, fauchte ich noch einmal. Sein Blick wurde von einer Sekunde auf die andere todernst. Er holte tief Luft und sah mich durchdringlich an. "We got no time, Chirality.“ Zum ersten mal sprach er mich mit meinem Nickname an. Aber ob er mich deswegen jetzt ernst nehmen würde konnte ich nicht aus seiner ruhigen Stimme heraushören. „I watched this virus over a few months, and it is growing every second. We must destroy it.“ Das Leder meiner Handschuhe knarrzte als ich vor Erregung meine Hände ballte. Es war wie eine Welle die durch meinen Körper ging. Wie ein wildes Tier das Blut geleckt hatte... so sehr wollte ich diesen Virus vernichten. Ich wollte ihn jagen... bis er am Ende vor mir in die Knie gehen würde. Ceres jedoch sprach weiter mit ernster Stimme: „You must check an area for me. I read it on the board.“ Als Board wurde das Forum des Spiels bezeichnet in dem Tips und Meinungen ausgetauscht wurden, so viel hatte ich mitbekommen als ich die Anleitung überflog. Angesehen hatte ich es mir jedoch noch nicht, und so harrte ich gespannt aus was Ceres mir zu berichten hatte. „A young girl posted it a few minutes ago. She meant there´s something strange on the Gothic Server, in the east of the field „Silvercliff“. Don´t go to the Dungeon, it is in the east of the field!“, verlieh er seiner Aussage noch einmal Nachdruck. „Jaja, ich soll im freien Feld danach suchen, schon verstanden! Jetzt red endlich weiter!“, fauchte ich ungeduldig. „Don´t be rude, you´ve got no reason for it“, belehrte Ceres mich und fuhr fort: „I don´t know what´s going on there. Perhaps it could be the virus... or not. You have to be very careful! If anything goes wrong... you know very well what could happen to ya.“ Sein Blick durchbohrte mich. Wir starrten uns eine Weile an als ich begriff was er damit sagen wollte. Er wollte lediglich sicher gehen das ihn keine Schuld trifft falls mir etwas zustossen sollte. Ich grinste ihn an. Ja, er war wirklich ein wenig wie ich. Denn er wusste es genauso gut wie ich. Wir waren nur eine Zweckgemeinschaft. Zwei individuelle Personen die ein Ziel verfolgen. Koste es was es wolle. Wenn er mich, oder ich ihn, dafür opfern musste – dann war es das Wert. Ich hatte ihn unterschätzt. Seine von einem Moment auf den anderen ernste Art lies es mich nicht gleich erkennen. Er war genauso besessen von dem Virus wie ich. Ich rief das Menü auf um das Feld „Silvercliff“ aus 2500 verschiedenen Landschaften auszuwählen. Es dauerte ein wenig bis ich es fand... und ausserdem klangen Ceres Worte noch in meinen Ohren: „Hurry up! The Dragon King Company will lock the area in a few hours, it causes too much trouble for them...“ Natürlich. Falls in dem Gebiet etwas vorgefallen wäre, hätten sie ein Problem. Denn sollten die Medien etwas davon mitbekommen würden sie Endgültig in Verbindung gebracht mit den vielen Koma- und Selbstmordfällen. If the virus catches ya – you will see the words again and hear this horrible noise – you must react quickly. Even when it sounds too easy – press the „Escape“ Button exactly 19 times and you will be back in the field all alone.“ „19 mal“, predigte ich mir selbst vor. Das durfte ich auf keinen Fall vergessen... Wer weiß was sonst geschehen könnte... Es wunderte mich allerdings das Ceres nicht selbst in dieses Feld eindringen konnte. Eigentlich war es schon unmöglich den Server zu wechseln... Doch Ceres hatte sich von dem Asia Server in den Gothic Server eingehackt. Scheinbar schien es eine Selbstverständlichkeit für ihn zu sein... Also warum war es ihm nicht möglich die Gebiete selbst zu untersuchen? Geschockt riss ich die Augen auf. „Das kann doch nicht...“, stammelte ich. Was würde mich in diesem Feld erwarten wenn nicht einmal Ceres dort hinwollte oder hinkonnte?! Er war immerhin einer der meistverfolgten Hacker der Welt! „Dieser Arsch will mich also als Versuchskaninchen benutzen...“, murmelte ich wie in Trance. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf. Aber eigentlich... war alles egal. Ich konnte längst nicht mehr zurück. Mich trieb die Sucht. Ich musste diesen Virus vernichten. Ich musste einfach. Mein Computer lud das Feld. Ich krallte mich fest an mein Joypad. Pufferung zu 15 Prozent abgeschlossen. Ich fühlte die kalten Schweißperlen in meinem Nacken. Zu 35 Prozent abgeschlossen. Gänsehaut legte sich über meine Angespannten Muskeln. Schon 70 Prozent. Ich atmete hastig. Pufferung abgeschlossen. „Ich muss einfach... Ich muss.“ Kapitel 7: 7. Silvercliff ------------------------- Ich riss die Augen auf. Ich wagte nicht zu atmen. Fassungslos trat ich ein paar Schritte zurück. Feine Steinchen und Sand knirschten unter meinen Stiefeln. Ich konnte die Augen nicht schliessen. So etwas unglaubliches hatte ich noch nie gesehen. „Wahnsinn...“, flüsterte ich andächtig. Keine zwei Meter vor mir ging es schätzungsweise 800m in die Tiefe. Ein gigantischer Canyon. Die rauen Felsen der Klippen bäumten sich wie Riesen gegeneinander auf. Sie schienen einen stummen Krieg zu führen. Für immer getrennt. Silbrig glänzten sie im Sonnenlicht, so als wollten sie um deren Gunst buhlen. Es war ein unbeschreiblicher Anblick. So etwas erhabenes hatte ich noch nie gesehen. Auch wenn es nicht real war. Es kostete mich gute Mühe meinen Blick von den Klippen zu richten. Jenseits von ihnen befand sich eine halb steinige halb sandige Landschaft. Ich hielt kurz inne. „Im Osten“, murmelte ich vor mich hin. Ich schloss die Augen. Was würde mich dort erwarten?! Aufgeregt ballte ich die Hände. Ich drehte mich nach Osten. Ich öffnete die Augen nicht. Aus Vorfreude grinsend atmete ich durch. Ein letztes mal noch... Denn was ich dann sah sollte mir für ein paar Sekunden die Luft rauben. „Scheiße, was?!“ Benommen torkelte ich ein wenig zurück. Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Sofort fasste ich mich wieder. Grinsend musterte ich meine Entdeckung. Eine riesige Düne tat sich vor mir auf. Der Wind fraß längst an der obersten Sandschicht, dennoch konnte man sie noch erkennen... Die riesigen Zeichen die in die Düne geschrieben waren. Wie einst die Betreffzeile von Cere´s e-mail glichen die Lettern einfachem Datenmüll. Doch ich war längst zu besserem belehrt. Selbstverständlich kopierte ich die Szene sofort auf CD-Rom um sie später zu dechiffrieren. Ein letztes mal noch betrachtete ich die Düne. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich spürte sofort das dies kein Scherz von irgendeinem Player oder kleinem Hacker sein konnte. Hier war etwas anderes am Werk gewesen... Denn solch fein aufgebaute grafischen Landschaften kann man nicht einfach ändern, sie sind viel zu gut geschützt als das dies möglich wäre. Hier war ein gigantisch konstruiertes Programm am Werk, das speziell auf die Manipulation des grafischen Aufbaus des Spiels ausgerichtet war – mit anderen Worten: Der Virus. Diese Lettern konnten der entscheidende Hinweis sein... oder auch nicht. Denn wenn dieser Virus wirklich so intelligent programmiert wurde, könnte es sein das er darauf ausgerichtet ist die Menschen in die Irre zu führen, sodass er möglichst lange wüten konnte. Ich schloss die Augen. „Glaub nicht du kannst mir entkommen“, flüsterte ich. Plötzlich traf mich ein harter Windstoß von der Seite. Um mich herum verwirbelte sich der Sand zu einem dichten Vorhang. Schützend nahm ich die Arme vors Gesicht. Bald legte sich der Schleier wieder, ich öffnete langsam die Augen. Erschrocken starrte ich vor mich hin. Das war nun wirklich... seltsam. Vor mir lag noch die Düne, die Lettern jedoch sorgfältig gelöscht. Fast so als wäre diese Nachricht speziell für mich gedacht gewesen... Doch das interessierte mich jetzt nicht. Ich wollte nur so schnell wie möglich offline um die Zeichen auszuwerten. Sämtliche Muskeln in mir spannten sich schon vor Erregung als ich die Cyberglasses absetzte. Ich streckte mich ein wenig als mein Blick auf die Uhranzeige fiel. Es war schon zwei Uhr morgens. Doch das interessierte mich recht wenig, ich war hellwach. Und ich würde eh morgen von der Schule blau machen, das war mir klar. Noch einmal streckte ich mich durch bevor ich die kopierte Grafik der Düne aufrief. Sofort startete ich auch das Dechiffrierprogramm. Nun musste ich nur noch die seltsamen Zeichen sorgfältig eintippen. Wäre nur ein einziges von ihnen falsch, so käme ich zu keiner korrekten Lösung. Mit voller Konzentration überprüfte ich noch einmal mein Werk: &i§ #i$$bra0%h§n (i%&... /8h #0)?te &i§ n/&? (ö8?$... 6I3 §?9d §s, d7§ #§in? Hä8+/ &§ B9&% /r&$ke?... H§7=t ?$! Ja, alles war richtig übertragen. Sogleich startete ich das Programm. Da es einige Zeit brauchen würde ging ich in die Küche hinüber um mir ein Glas Wasser zu holen. Meine Hände zitterten als ich trank. Meine Augen flimmerten... ich war einfach zu lange vor dem Rechner gesessen. Aber es war mir unmöglich jetzt einfach aufzuhören. Angespannt sah ich auf die Uhr. Es war erst acht Stunden her. Vor acht Stunden fing alles an. Mein Blick wanderte weiter, hinüber zur Garderobe. Mein Vater war wieder einmal nicht nach Hause gekommen. Aber das war mir auch egal. Sollte er doch bleiben wo er wollte. Ich brauchte ihn nicht. Ganz sicher nicht. Langsam schritt ich hinüber zur Fensterfront. Vor mir erhob sich taghell Tokio. Es waren keine Sterne zu sehen. Ja, nicht einmal der Himmel war zu sehen. Viel zu sehr wurde man von den hellen Lichtern der Stadt geblendet. Eine hässliche Stadt. Es war unerträglich hier für mich. Wie auch überall sonst... ausser in Shanghai. In Gedanken versunken drehte ich mich um und stellte das Glas in die Spüle. Ich wollte eh mal wieder nach dem Programm sehen. Zu meinem Erstaunen war der Prozess bereits abgeschlossen. Lächelnd setzte ich mich. „Mal sehen“, murmelte ich und klickte auf den Button „Lösung anzeigen“. Nervös flitzte der Mauszeiger über den Bildschirm als sich ein neues Fenster öffnete. Ich konnte es kaum erwarten. Die Fingernägel meiner linken Hand gruben sich immer tiefer in meinen Oberschenkel. Ich war unglaublich angespannt. Doch als ich die Lösung sah... Verwandelte sich die Anspannung in... einen Hauch von Angst und Erstaunen... Sie missbrauchen mich... Ich wollte sie nicht töten... SIE sind es, die meine Hände in Blut tränken... Helft mir Ich hielt die Luft an. Damit hatte ich nicht gerechnet. Kapitel 8: 8. Eden? ------------------- Am nächsten Morgen schälte ich mich schlaftrunken aus dem Bett als das Telefon klingelte. Es war eh die Schule, also ging ich gar nicht erst dran. Die Morgensonne blendete meine müden Augen. Gähnend sah ich auf den Wecker „Schon elf...“, murmelte ich und schleppte mich ins Bad. Die letzte Nacht hing mir noch gehörig in den Knochen. „SIE sind es die meine Hände in Blut tränken“, sagte ich mir selbst vor als ich vorm Spiegel stand. Das alles ergab keinen Sinn für mich. Vielleicht sollte es ja auch keinen Sinn ergeben... vielleicht wollte der Virus mit der Nachricht wirklich nur Verwirrung stiften. Da stand ich nun, völlig übermüdet vom vielen Grübeln. Gestern schon gab ich entkräftet auf diese Nachricht zu verstehen. Gut das mir Ceres seine Emailadresse gegeben hatte... Es war mir lieber wenn auch er sich die Nachricht noch einmal anschauen würde, vielleicht würde er sogar einen Sinn erkennen können. Alles war auf einmal total verquer geworden. Diese ganze Sache war scheinbar viel komplexer als ich es mir vorstellen konnte. Doch momentan konnte ich nur abwarten. Mein nächster Weg führte sofort zum PC. Hastig füllte ich das Log in Fenster des Spiels aus. Ich musste sofort überprüfen ob ich eine Nachricht von Ceres hatte. Und Gott sei Dank wurde ich fündig... Auch wenn er mir erst vor zwanzig Minuten geschrieben hatte. Good job, Li Chien. You did very well. The message you´ve found... The words sound strange to ya, don´t they? Well, they´re confusing me a little bit, too. But I got a suspicion. I´m going to search for more information... then I´ll tell ya everything. By the way... Turn ya TV on and watch the channel FOX. I´m sure you know what´s going on. Mit einem Satz war ich vor dem Fernseher. Hastig zappte ich zu FOX. Als ich dann mitbekam von was die Sonderübertragung handelte erstarrte ich. Und ob ich wusste was los war. Wie könnte ich es vergessen? Dieses Erlebnis hatte sich in unser Gedächtnis gebrannt... Ja, in das Gedächtnis eines jeden Menschen. Aufmerksam lauschte ich den Worten des Reporters: „Hier ist gerade eines der größten Zugunglücke weltweit passiert! Hinter mir kann man gut erkennen welches Ausmaß an Schaden verursacht wurde, ganz zu schweigen von bis jetzt 67 gefundenen Toten. Es werden noch weitere 320 Personen vermisst, doch die Feuerwehr schätzt ihre Überlebenschancen nur für sehr gering ein“, berichtete der stark schwitzende Mann vor den Trümmern. Man sah ihm genau an das er das Zittern seines Körpers zu unterdrücken versuchte. Hinter ihm packten blutverschmierte Feuerwehrleute eine Leiche in den vorgesehenen Leichensack. Panische Menschen liefen durchs Bild, ihr Gesicht entstellt vor Angst. Der Moderator im Nachrichtenstudio meldete sich zu Wort: „Wie genau ist das Unglück denn abgelaufen?“ „Viele Züge prallten einfach frontal ineinander da sie sich auf einem gemeinsamen Gleis aufeinander zu bewegten. Dies geschah mit immenser Geschwindigkeit sodass die Trümmer die Stützpfeiler der Bahnhofshalle zerschlugen, die somit zusammen brach und die Opfer einfach unter sich begrub. Einzelne Teile des Bahnhofs stehen noch, jedoch ist ein Zugang zur Zeit nicht möglich. In diesen halbwegs intakten Bereichen könnten sich unter Umständen noch Überlebende befinden.“ „Wie konnte es zu diesem Unglück kommen?“, fragte der Moderator eindringlich. Doch ich wusste es. Ich wusste es schon seit Ewigkeiten. Es war längst wieder einmal Zeit geworden. Wie die Brandung, die immer wieder zurück kehrt. Es war längst Zeit geworden. „Zuerst wurde von einem Attentat ausgegangen, doch diese These wurde bald wiederlegt. Tatsächlich liegt der Fehler am Zentralcomputer der Bahn.“ „Ich wusste es!“, schrie ich. Wütend trat ich gegen mein Bett. Ich wusste es die ganze Zeit über. Diese Idioten im Kongress. Diese verdammten Idioten unterschätzten die Gefahr. Sie hätten es längst verbieten sollen... Die Nutzung des Internets zur Steuerung öffentlicher Stellen. Der Reporter vor dem Bahnhof wischte sich den Schweiß von der Stirn und fuhr, er schien fast schon entkräftet zu sein, fort: „Der Zentralcomputer der japanischen Bahngesellschaft befindet sich in Osaka, er hat sämtliche Fahrpläne für sämtliche Züge gespeichert. Dieser Computer leitet auch die Züge, es gibt also keinen Menschen der diese zum Anfahren bzw. Anhalten bringt, dies erledigt alles die Maschine. Und diese jeweiligen Befehle sendet der Zentralcomputer via Internet an die betreffenden Stellen. Nach Untersuchungen qualifizierter Informatiker am Zentralrechner in Osaka verursachte ein Eindringling im System die falsch verschickten Daten. Durch diese wiederum geschah dann letztendlich das Unglück.“ „Eindringling...“, flüsterte ich vor mich hin als sich mein Blick gebannt auf den Bildschirm fixierte. Ich wusste genau was jetzt kommen würde. Der Studiomoderator meldete sich wieder zu Wort: „Hat die Polizei schon verdächtige Personen im Auge?“, fragte er weiter. „Ja, die Polizei erhielt ein paar anonyme Hinweise. Bei der Pressekonferenz vor ein paar Minuten nannte Polizeichef Nakamura die Namen drei weltbekannter und gesuchter Hacker. Ihr besonderes Augenmerk liegt nun auf den Computersynonymen „Big O“ und „Raven“, Hauptverdächtiger ist jedoch „Ceres“, dem auch der Börsencrash von 2002 zuzuschreiben ist.“ Ich hielt die Luft an. „Das kann nicht sein...“, murmelte ich entsetzt. Ich starrte auf die Lippen des Reporters. „Die drei Verdächtigen werden polizeilich gesucht, hinzukommend ist auf den Hacker „Ceres“ ein Kopfgeld von 500.000 Dollar ausgesetzt. Deshalb ist damit zu Rechnen das die Kopfgeldjäger des Internets, die sogenannten „Cyber-Bounty-Hunter“ nicht eher ruhen werden bis zu seiner Ergreifung.“ Das reichte mir. Wie in Trance schaltete ich den Fernseher aus. Ich ging hinüber zur Fensterfront in der Küche. Am Horizont war eine graue Wolke vom Boden aufsteigend zu sehen. Der Hauptbahnhof. Ich konnte es nicht fassen. Diese Idioten hatten nichts gelernt vor vier Jahren. Rein gar nichts. Als die Netzkrise „Eden“ ins Land ging begann es genauso. Nur das sie diesmal einem Hacker die Schuld gaben, nicht etwa einem Virus. Deshalb fiel das Wort auch nicht in Verbindung mit dem Unglück... Aber konnte Ceres wirklich...?! Meine Fingernägel bohrten sich in die Handinnenfläche. Ich biss die Zähne fest zusammen als sich mein Blick im Fußboden feststarrte. Nein. Nein, ich war mir sicher. Ceres war es nicht. Er war mit etwas anderem beschäftigt. „DIESE VERFLUCHTEN KORRUPTEN SCHWEINE!“, brüllte ich. Sie wollten dieses Unglück nicht auf die eigene Kappe nehmen, das wir mir sofort klar. Sie brauchten einen Sündenbock – einen der sie schon lange stört... Ceres. Es war mir scheißegal das es ihn erwischte. Aber es war mir ganz und gar nicht egal das es einen von uns erwischte. Sie hatten die Dreistigkeit die Schuld auf einen Hacker zu richten anstatt zuzugeben das der Fehler bei ihnen liegt. Vor Wut trat ich die wertvolle chinesische Vase vom Beistelltisch. Das klirren der Scherben klang wie Musik in meinen Ohren. Ein Keramiksplitter bohrte sich in meinen Fuß. Doch es war mir scheißegal. Das Adrenalin in meinem Körper lies mich keinen Schmerz spüren. Ich bückte mich und zog regungslos die Scherbe heraus. Blut lief über meine Hand. Ich warf den Splitter zu den anderen und leckte das Blut von meiner Hand. „Egal... Dann mache ich alleine weiter“, murmelte ich. Denn sollten sie Ceres schnappen – was sie eh nie geschafft hätten, er war zu klug - dann würde ich allein weiter machen, so viel stand fest. „Allein...“, wiederholte ich noch einmal als mein Blick wieder durch die Fensterfront, hinüber zur Rauchwolke, fiel und sich dort verlor. Allein. Kapitel 9: 9. Netslum --------------------- Als ich die Wunde an meinem Fuß verarztete beruhigte ich mich langsam wieder. Ich entschloss mich dazu diesen Vorfall vorerst zu verdrängen und mit meinen Nachforschungen in Sachen Virus fortzufahren. Mit einer heißen Tasse Tee kehrte ich zum PC zurück. Ich hasste Kaffee. Als ich 13 war nippte ich einmal an der Kaffeetasse meines Vaters, der mit voller Konzentration in ein Telefongespräch mit einer Baufirma vertieft war. Nun ja, leider bekam ich einen Schluck zu viel, sodass ich mir erst einmal gehörig die Zunge verbrannte. Der bittere Geschmack des starken Kaffees hing mir noch bis zum Abend im Mund... Ausserdem musste ich groß auf Toilette wie nie zuvor – milde ausgedrückt. Und als ich Abends mit aufgespreizten Augen im Bett lag und nicht schlafen konnte stand es für mich fest: Kaffee kam eindeutig aus der Hölle. Deshalb bevorzugte ich Tee, insbesondere grünen Tee. Ich entschied mich dazu erst einmal das Board zu lesen... Ceres hatte seine Tips schließlich auch von Spielern die dort posteten. Nach einiger Zeit wurde ich sogar fündig! Ein Spieler namens „Kakuro“ postete die Botschaft: In letzter Zeit kommt es ja bekanntlichermaßen immer wieder zu seltsamen „Ereignissen“ im Spiel. Ich hielt das alles für ein Gerücht, aber dann betrat ich den Dungeon „Red Rip“ vom Gothic Server aus... Ich weiß nicht woher es kam. Ich kann mir auch nicht erklären was es zu bedeuten hatte... vielleicht findet ihr ja etwas heraus. Haltet mich bitte auf dem Laufenden! Selbstverständlich musste ich dem sofort nachgehen... Gänsehaut breitete sich wieder einmal über meinen Körper... Auch wenn ich jetzt alleine war, ich liebte es einfach... Das ganze Risiko... Der Nervenkitzel... Ich war zu einem richtigen Junkie geworden. Sofort loggte ich mich ein. „Tja... da wär ich wieder...“, murmelte ich in den dichten Nebel der sich über den Gothic Server legte. Ich drehte mich um und rief das Hauptmenü zur Auswahl der Felder aus. Es dauerte ein wenig bis ich „Red Rip“ unter den 2500 anderen Welten fand. Gerade wollte ich meine Auswahl bestätigen, da materialisierte sich etwas vor mir... „Nicht schon wieder!“, murmelte ich lustlos. Sofort kam er aus dem schwarzen Loch heraus geschossen, selbstverständlich rempelte er mich wieder über den Haufen. Ich hatte noch seinen Fuß auf meiner Brust als er sich entschuldigte: „Oh, I´m sorry man!“, kicherte er. Gereizt stieß ich sein Bein weg und richtete mich wieder auf. „Ich dachte ich würde erst einmal nichts von dir hören... Wegen dem Vorfall“, fauchte ich als ich den Staub von der Kleidung klopfte. „Well... because of this...“ Ceres Blick richtete sich auf einen Punkt hinter mir. Starr beobachtete er was dort vor sich ging. Ich wollte mich gerade umdrehen als er mich an der Hand packte... „because of this, we have to go!“, lachte er als er mit mir in das schwarze Loch sprang. Seltsam gekleidete Spieler rannten auf uns zu, sie sahen aus wie Ritter oder so etwas in der Art... Auf jeden Fall wollten sie uns, anscheinend, fangen... Und mir war sofort klar warum. Mit einem Blick der töten könnte starrte ich Ceres an, doch er drehte sich nur lachend weg und verschloss das schwarze Loch hinter uns. Das nächste was ich vor die Augen bekam war ein blauer Ladebalken. „Pufferung abgeschlossen“ meldete er. Unter meinen Füßen spürte ich schon das verdreckte, graue Kopfsteinpflaster. Seltsame Geräusche waren zu hören... Es erinnerte mich an ein Magenknurren... oder ein Gurgeln... Auf jeden Fall war es seltsam. Als ich mich umsah lief mir erst einmal ein kalter Schauer über den Rücken. Dieser Server - ich hatte keine Ahnung welcher es war – sah schrecklich aus. Es war wie ein Deja vú... Denn hier erinnerte alles an die dunklen Ecken Shanghais... Zerfallende Gebäude... Überall Dreck und tote Pflanzen... Grauer Dunst am Himmel... und in den Häusereingängen saßen... Naja, ich sollte sie wohl eher „Gestalten“ nennen. Etwas packte mir an die Schulter. „This is Netslum“, erklärte Ceres mit einem tiefen Unterton. Wie ein Blitz schoss es durch mich hindurch. Selbstverständlich... dann waren die Gerüchte wahr... Unlängst hatte ich davon gehört. Die Netslums. Kijin erzählte mir einmal davon... Diese Server waren nur durch Cheats zu erreichen. Und diese Cheats waren wertvoll, verdammt wertvoll sogar. Man handelte sie zwischen 1000 bis 5000 Dollar. Deshalb wurden sie auch so gut geschützt... Ersteigerte man sich den Cheat für ein Netslum bekam man zuerst eine Software sowie ein biometrisches Datenerkennungsgerät zugeschickt. Mit der Software musste man sich erst einmal registrieren, so bekam man ein spezielles Benutzerkonto. Ab jetzt war es möglich das Netslum zu betreten, jedoch musste der Nutzer erst eine biometrische Datenerkennung durchführen... das heißt einen Fingerabdruck und eine Stimmprobe abgeben. So wurde abgesichert das nur derjenige das Netslum betreten konnte der den Cheat auch wirklich ersteigert hatte. Somit war eine weitergabe des Cheats unmöglich. Hinzukommend war die Auflage dieser Softwares mit den Cheats selbstverständlich limitiert, sodass weltweit nur etwa 50 Nutzer eines Online Games das Netslum betreten konnten. Ja, das alles wusste ich von Kijin. Denn vor ein paar Jahren versuchte er einmal sich ohne Cheat in ein Netslum einzuhacken. Er war kläglich gescheitert. Die Netslums waren besser geschützt als so mancher Großrechner der Bundesbank. Doch gerade sein Scheitern steigerte Kijins Faszination für die Netslums. Er steigerte sogar einmal um einen Cheat mit... Ich glaube er war für das World of Warmight Netslum... Aber egal. Jedenfalls war dieses Netslum nichts weiteres wie ein Country Club in den USA: Ein Verein von reichen, versnobten Online Gamern die nichts besseres zu tun hatten als vom Netslum aus für andere unerreichbare Welten zu erforschen und somit limitierte Rüstungsgegenstände zu erhalten. Aber egal... „It still scares me...“, hauchte Ceres mit ernstem Blick. Ich fragte ihn lieber nicht wie er es schaffte uns beide hierher zu bringen, eine solch lange Erklärung hätte ich jetzt nicht ausgehalten. Ich wollte mich viel lieber umsehen... „I haven´t visited the Netslum for a half year I think... But last week... I decided to go there again. And I´ve found... this.“ Er biss die Zähne zusammen als sein Blick die Umgebung musterte. „Was genau hat sich alles verändert?“, fragte ich. Mit starrem Blick drehte Ceres sich um. „Talk to anybody here... Don´t matter who... You´ll see...“, murmelte er und wandte seinen Blick zum grauen Himmel hoch. Ich sah mich ein wenig in der Gegend um... und beschloss dann eine kauernde Gestalt in der dunklen Ecke eines Häusereingangs anzusprechen. Es schien ein junges Mädchen zu sein... Immer wieder flackerte ihre Grafik vor mir auf und war sogar zwischendurch schwarz weiß geworden... Nervös wippte sie hin und her, die Augen weit aufgerissen. Mich überkamen langsam Zweifel ob ich sie wirklich ansprechen sollte... Doch ich tat es einfach. „Hey, geht’s dir nicht gut?“, fragte ich ernst. Mit einem Ruck richtete sie ihren Blick auf mich, ich erkannte wie ihre Augen hin und her zuckten. Langsam öffnete sie den Mund. Und was sie dann sagte riss mir den Boden unter den Füßen weg... „Th@& ?i$le! m@“, stand in einer Sprechblase neben ihrem Kopf. Erschrocken sprang ich zurück. Datenmüll?! Nein, ein Charakter aus Datenmüll?! Das konnte nicht sein... Nein, so etwas konnte ja gar nicht existieren! „It´s scary, isn´t it?“ Ceres stand auf einmal neben mir. An meinem Gesicht konnte er ablesen das ich auf eine Erklärung brannte. „The User of this Character named Catherine Miller. She was 15 years old... and died three months ago.“ „UND WARUM ZUR HÖLLE IST SIE DANN NOCH EINGELOGGT?! WER STEUERT DIESEN CHARAKTER DENN?!“, brüllte ich aggressiv. Ich wollte eine Antwort. Sofort. Doch Ceres lies sich Zeit. Er atmete noch einmal tief durch bevor er weitersprach: „Nobody.“ Verdutzt starrte ich ihn an. Er Charakter der nicht gesteuert wird?! Ich war verwirrt. Sehr sogar. „You have to listen careful now, little Hacker“, ermahnte Ceres mich mit ernstem Blick. „Maybe I can´t explain it to ya a second time“, verlieh er allem noch einmal Nachdruck. Gebannt starrte ich ihn an. „Leg los“, meinte ich ungeduldig. „She died while playing Dragoon.“ Ich hielt die Luft an. „The Virus... catched her. She saw the words and heard the noise as we did... And then she had an epileptic attack. Because of this... she died.“ Sein Blick bekam eine traurige Note als er die kauernde Gestalt musterte. „The Character is still logged in... Even she´s death. But the virus damaged it´s Datas almost... This „Thing“ here is left oft Catherine Miller“, erklärte er als er mit seinem Metallstab auf die graue Gestalt zeigte. Nun musterte ich auch die anderen Charakter die sich auf diesem Server herumtrieben. Ich musste nicht lange überlegen um es zu erkennen... Man sah es ihnen doch an... Allein das Flackern verriet schon alles. Mit ihnen war das gleiche passiert. Sofort wusste ich warum Ceres mich hierher gebracht hatte. Mit ernstem Blick sah ich ihn an: „Du denkst die Cheater wurden alle mutwillig von dem Virus umgebracht?“ Er sah mir tief in die Augen. Seine schwarzen Pupillen brannten sich in mich hinein. „Ya.“ Sogleich drehte er sich um und wandte sein Augenmerk wieder auf den Himmel. „There´s just one Cheater left...“, hauchte er. Er drehte sich um. Nie werde ich seinen eiskalten Blick vergessen als er es aussprach: „I´m next, Li Chien. The Virus is hunting me.“ Kapitel 10: 10. Kakuro ---------------------- Deshalb. Ich wunderte mich schon die ganze Zeit... warum der Großmeister Ceres sich mit einem „kleinen Hacker“, wie er mich auch immer nannte, wie mir abgab. Er brauchte schlicht und einfach Hilfe. Es musste jemand sein der Respekt vor ihm hatte und deshalb nicht seine Identität preisgeben würde. Schließlich durfte niemand erfahren wo und wann er auftauchte – zu viele Cyber-Bounty-Hunter waren hinter ihm her... Und die anderen großen Hacker der Welt hätten ihm letztendlich doch nur ans Bein gepisst und ihn verraten... Deshalb hatte er mich gewählt. Er wusste es... das ich ihn bewunderte... zumindest ein wenig. Darum hatte er mich gewählt – er vertraute mir. Ich wurde ausgenutzt... aber trotzdem spürte ich puren Stolz in der Brust. Denn ich war es. Mich hatte er ausgewählt. Ich wusste das er mich nie direkt um Hilfe bitten würde... Das hätte er auch gar nicht tun müssen. Denn mittlerweile brannte ich selbst darauf den Virus zu zerstören. Nicht wegen ihm, nein wirklich nicht. Nur um des Sieges willen... Das Testosteron kochte in mir hoch. Wir standen uns gegenüber. Wir grinsten uns an. Wir hatten einen Pakt geschlossen, ganz im Stummen. Keine Worte, keine Erklärungen. Wir wussten um was es ging. Ich half ihm den Virus zu zerstören und sein Leben zu retten... und er sollte mir alles beibringen was er wusste. Ja, das war unser Pakt. „Wir sollten den Virus suchen“, meinte ich. „Hast du die Nachricht am Board gelesen? Ein gewisser Kakuro hat was entdeckt. Ich glaube wir sollten da mal vorbeischauen.“ Ceres brach in Lachen aus. Naja, und dies nahm so schnell kein Ende. Ich muss wohl nicht extra betonen das ich mir ziemlich verarscht vorkam. Als er dann vor kichern in die Knie ging platzte mir fast der Kragen. Ich war kurz davor ihn am Kragen zu packen als er etwas sagte das mich unglaublich erschreckte... „Your so sweet, little Hacker“, keuchte er atemlos vor lachen. Ich fühlte mich gnadenlos angeschwuchtelt. Angeekelt trat ich zurück während Ceres wieder aufstand und einmal tief Luft holte. „Well, You´ve never played an Online Game before, did ya?“, lächelte er. Verärgert schüttelte ich den Kopf, immer noch mit einem gehörigen Sicherheitsabstand. „I see. Then I have to teach ya a few things...“ Seine glitzernden Augen unterstrichen sein hämisches Grinsen... Er führte etwas im Schilde... Oh ja, ich roch es förmlich... Er hatte einen Heidenspaß daran Lehrer zu spielen... Mit einer heroischen Geste eröffnete er seine Erklärung: „Listen to ya Master, little Hacker!“ MASTER?! Ich hörte wohl nicht recht!!! Doch bevor ich etwas sagen konnte fuhr er schon fort. „The one who postet it – his Nickname is Kakuro, isn´t it?“ Ich nickte. „Ya, Kakuro is well known in the whole game... He´s a Goldfisher... Ah, for real: He try to be a Goldfisher.“ Was? Ein Goldfischer? Mein Blick war wohl so fragend das Ceres gleich fortfuhr: „A Goldfisher is a thief. If you go to the dungeon he posted, he´ll steal all the gold you earned in the game. But... Kakuro is an Idiot!“, kicherte er. „He´s a Loser! He´s mad about being a Goldfisher – but he hasn´t stolen anything from anybody till today! He´s a weakling!“ Ceres hielt sich den Bauch vor lachen. Es war mir selbst unerdenklich wie er in seiner Situation noch lachen konnte... Momentan hatte er genug Probleme... Ein Virus der ihm nach dem Leben trachtete und die gesamte japanische Regierung die ihm... naja, ebenfalls nach dem Leben trachtete. Erst jetzt fiel mir auf das Ceres unter Stimmungsschwankungen zu leiden schien... Ja genau... Bevor wir das Netslum betreten hatten lachte er auch... wurde dann melancholisch... dann ernst... traurig... wieder ernst und gleich darauf albern. Verdammt nochmal, worauf hatte ich mich da eingelassen?! Ein todgeweihter, durchgeknallter Hacker mit starken Stimmungsschwankungen und leicht schwuchteligen Ansätzen... Na toll. „Und was sollen wir deiner Meinung nach tun, du Witzbold?!“, fragte ich barsch. „I don´t know“, kicherte Ceres atemlos. „Also ich werde dorthin gehen um mich zu vergewissern das dort nichts ist. Goldfischer hin oder her, bei mir gibt’s eh nichts zu holen, ich bin völlig blank.“ Ceres rappelte sich auf: „Ya, let´s go there. I wanna meet him... I must see this Loser!“, meinte er mit entschlossenem Blick. „Denkst du nicht du solltest dich lieber verstecken oder so?! Immerhin klebt dir die gesamte Staatsregierung am Arsch.“ „Don´t worry, little Hacker! They won´t hunt me anymore“, zwinkerte er mir zu. Ich war so angeekelt das ich nicht weiter nachfragte. Und so machten wir uns auf den Weg zum Dungeon. Als wir in dem Gebiet „Red Rip“ ankamen verschlug es mir erst einmal wieder die Sprache. Alles hier war... widerlich. Der Boden dieses Feldes bestand aus faulenden Tierkadavern... Man konnte die Knochen sehen... Und Maden legten ihre Eier in das zerfallende Fleisch... Ich beschloss schnell nicht weiter auf den Boden zu schauen. Ceres schien das alles jedoch nichts auszumachen. Grinsend schlenderte er zum Dungeon, der bereits in Sichtweite war, hinüber. Und ich muss sagen, dieser Dungeon war noch tausendmal widerlicher als der Boden des Feldes. Alles war aufgebaut wie ein Turm... Rippen bildeten die tragenden Balken und Streben, in sie waren schmerzverzogene Gesichter geschnitzt... Zwischen diesen Knochen befanden sich keine Ziegel wie bei einem echten Turm, nein: Es waren Fleischfetzen die halb zerfault zwischen den Rippen klebten. Als ich näher kam fiel mir auf das genau diese Fleischfetzen pulsierten und Blut absonderten... es war einfach widerlich. Welcher kranke Mensch dachte sich so etwas aus?! Aber das war mir jetzt egal. Ich entschied mich es einfach zu ignorieren, und so betraten wir das Innere des Turms. Mit einem Mal standen wir knöcheltief in warmem, rotem Blut. An Ceres Lächeln konnte ich erkennen das dies durchaus normal zu sein schien... Also gingen wir einfach tiefer in den Dungeon. Dieser war aufgebaut aus vielen verschiedenen Stockwerken, den sogenannten „Leveln“. Im höchsten, bzw. tiefsten Level eines Dungeons (kommt auf dessen Bauart an) befand sich jeweils eine Schatztruhe mit wertvollen Gegenständen. Bis dorthin jedoch musste man sich erst einmal vorkämpfen, denn auf dem Weg lauerten selbstverständlich viele Monster die es zu besiegen galt. Ein typisches Rollenspiel eben. Nichts neues, nichts besonderes. „I think he is in the highest Level...“, murmelte Ceres nachdenklich. „Let´s go there!“, lachte er daraufhin. Es dauerte nicht lange bis wir auf das erste Monster trafen... Es sah aus wie eine Fledermaus... Nur ohne Haut – naja, eben genauso widerlich wie der Rest dieses Dungeons. Es setzte bereits zum Angriff an, da kam es mir in den Sinn: Ich wusste ja gar nicht wie man kämpfte! „CERES, WAS ZUR HÖLLE MUSS ICH TUN?!“, brüllte ich. „What?! You don´t know how to fight?!“, fragte er mich entsetzt. „Which weapon did ya chose?!“ Meine Gedanken ratterten als ich dem Sturzflug der Fledermaus auswich. „Ich glaube es hieß „Drachenklauen“ oder so ähnlich!“ Ich war mir wirklich nicht mehr sicher... Viel zu schnell hatte ich damals die Registration abgeschlossen... Ich gab nicht viel Acht darauf welche Waffe ich wählte – leider. Ceres zog der Fledermaus gehörig eins mit seinem Metallstab über als er mir erklärte ich solle die „Drachenklauen“ im Menü auswählen. Als ich das tat veränderten sich meine Handschuhe... Scharf blitzende Metallklingen wuchsen meine Finger entlang... Mit einem kurzen Tastenklick griff ich die Fledermaus an. „Well done, little Hacker!“, lobte mich Ceres. „Wait, I kill him!“, schrie er, in der Hand fasste er fest seinen Metallstab. Wie bei der Beschwörung eines Priesters vollführte er traditionelle Bewegungen mit ihm. Es erinnerte mich sehr an die Kunst dieser buddhistischen Priester... sie verstanden es ausgesprochen gut mit Waffen umzugehen... Gebannt starrte ich auf Ceres. Ich gebe zu das dieses Schauspiel durchaus etwas heroisches hatte... Dieser durchgeknallte Hacker sah aufeinmal so... unbesiegbar stark und entschlossen aus... Mit einer gekonnten Bewegung stellte er den Stab senkrecht auf den Boden... Ich war wie gebannt als ich das metallische Klingen hörte... und dann löste sich eine weiße Energiewelle von ihm! Fast so als würde man einen Stein ins Wasser werfen und dann die Kreise betrachten die die Wellen ziehen... Ich war fasziniert. Die Fledermaus wurde in ihre Einzelteile zerlegt und verschwand verpixelt vor unseren Augen. „Hey Ceres, kann ich das auch irgendwann?!“, fragte ich interessiert. Grinsend drehte er mir den Rücken zu und ging weiter. „Sure“, war seine Antwort. Nach etlichen Monsterkämpfen waren wir im obersten Level angekommen. Ein dünner Spieler mit weißem Daunenmantel nahm uns in Empfang. „Ich wusste das jemand kommen würde! Ich wusste es!“, freute er sich, sodass seine schrille Stimme durch den Raum hallte. Allein Ceres kichern übertönte sie noch. Sogleich bemerkte ich das jemand versuchte sich in meine Dragoon-Daten einzuhacken. Ich musste nicht lange überlegen um zu wissen wer es war... „Du bist Kakuro, hab ich recht?“, fragte ich. „Oh, du hast also schon von mir gehört!“, grinste der schwache Spieler eingebildet. „Naja, ich habe eben schon einen gewissen Bekanntheitsgrad hier... So viele eifern mir nach... Aber sie werden mich nie übertreffen, denn ich bin KAKURO DER GROßE!“, brüllte er mit dem Feuer der Leidenschaft in seinen Augen. Derweil wurde Ceres kichern zu einem ausgewachsenen Lachen. Er konnte sich den Kommentar einfach nicht verkneifen: „No Man, you are just the BIGGEST LOSER!“ Mit einem einfachen Nicken stimmte ich ihm zu während er sich vor lachen krümmte. Kakuro hatte keine Ahnung vom Hacken, er kam noch nicht einmal durch die erste Firewall meines Computers. Was für ein Loser. Entsetzt starrte er uns an. „IHR HABT SIE WOHL NICHT ALLE! NIEMAND LEGT SICH MIT MIR AN!“, schrie er mit rotem Gesicht. „JETZT MACH ICH EUCH FERTIG!“ Ceres, der sich gerade wieder ein bischen gefangen hatte, prustete von neuem los: „Ya wanna kill us?! Look at ya! You like like a marshmallow!“ Das bewegte sogar mich zu einem Grinsen. Naja... der weiße Daunenmantel war wirklich nicht vorteilhaft... „JETZT SEID IHR ENDGÜLTIG DRAN!“, brüllte Kakuro und griff an. Doch als er Ceres Metallstab auf seiner Rübe zu spüren bekam machte er sich schnell auf die Flucht... „ICH KRIEGE EUCH NOCH!“, war das letzte was wir von ihm zu hören bekamen. „Er ist wirklich ein Loser“, stimmte ich Ceres zu. Er wischte sich gerade die Tränchen aus den Augen, so sehr hatte er sich amüsiert. Doch das sollte auch für längere Zeit das letzte Lachen sein das ihm über die Lippen kam... Denn was dann passierte war alles andere als normal. Damit hatten wir nicht gerechnet. Bei Gott, damit hatten wir nicht gerechnet. Kapitel 11: 11. Ghost --------------------- Der Raum um uns herum verpixelte vollkommen... Geschockt starrte ich rüber zu Ceres – doch er schien noch tausendmal mehr erschrocken zu sein als ich. Er wusste was jetzt kommen würde... man sah es an seinen flackernden Pupillen... Wieder erklang dieser ohrenzerfetzende Ton... er war mir sehr wohl bekannt... und als wir uns in einem weißen Raum voll nichts wiederfanden fühlte ich mich bestätigt: Der Virus schlug zu. Blutrote Schriftzüge zogen an mir vorbei... „Du bist nichts... vollkommen wertlos... stirb endlich, niemand braucht dich“, las ich wie in Trance. Eigentlich hatte er Recht. Was hatte ich denn jemals großes geschafft in meinem Leben? Nichts. Ich war nichts. Nur ein einziger, winziger Mensch im System dieser Welt. Ich war wertlos. Mich brauchte wirklich niemand. Ich schloss meine Augen... Auf einmal empfand ich den Ton als angenehm... Er raubte mir die Sinne... und erlöste mich von den erdrückenden Gedanken. „OPEN YA EYES IDIOT!“, brüllte Ceres und zog mir eins mit seinem Metallstab über. „WANNA DIE?! LOOK!“, schrie er weiter und zeigte auf die Bilder die vor uns flackerten. Aus den Augenwinkeln musterte ich sie ein wenig... Zuerst nur verschwommen, doch dann sah ich alles ganz genau...Dort waren Schüler zu sehen... Viele Schüler... die sich alle in einem Klassenzimmer aufgehangen hatten... Schmerzverzerrte Gesichter... Blut rann aus ihren Mündern... Auf dem nächsten Bild war eine zerfetzte Bahnleiche... mit weit aufgerissenen Augen... Es war ein Kind, nicht älter als 12 Jahre... Oh mein Gott. Sofort fasste ich mich wieder. Mit letzter Kraft rappelte ich mich auf. So wollte ich nicht enden, auf keinen Fall. „WIR MÜSSEN HIER RAUS!“, brüllte ich Ceres zu und begann die Tastenkombination zur Flucht zu drücken. Er zitterte am ganzen Laib, fast so als würden ihn Blitze durchfahren. „SCHAFFST DU ES?!“ Es dauerte eine Weile bis er mir antwortete. „YA!“, stammelte er mit letzter Kraft und verschwand dann aus dem Raum. Mein Blick fiel auf das große Bild vor mir... es war nur ein Sekundenbruchteil... doch dieses Bild brannte sich in mich ein... weil es anders war. Es war etwas ganz besonderes. Das nächste das ich zu sehen bekam war das Feld. Alles war wieder wie vorher. Auf dem Boden immer noch die faulenden Kadaver und der Himmel immer noch trist. Doch mit Ceres stimmte etwas nicht, ganz und gar nicht... Zitternd kniete er am Boden, um ihn herum zuckten immer noch Blitze... „HEY, ALLES IN ORDNUNG?!“, fragte ich voller Sorge. Entkräftet wendete er mir seinen Blick zu. „It attacked me... a few times... I couldn´t... I... I...“, stotterte er verwirrt. Ich kniete mich zu ihm und legte meine Hand auf seine Schulter. Ich gebe zu, ich hatte ein wenig Angst er würde mir gleich tot umfallen. „I need a rest... wanna rest a little bit. You´ll hear from me soon, I promise“, hauchte er kraftlos. Ich nickte ihm zu. Sofort loggte er sich aus und verschwand verpixelt vor meinen Augen. Auch ich entschloss mich dazu mich erst einmal auszuloggen. Zuhause bemerkte ich wie durchgeschwitzt ich wieder war. Mittlerweile war es Abend geworden... Sogleich schleppte ich mich unter die Dusche. Wie gut das jetzt tat... Ich genoss jeden Tropfen. Ich lehnte mich an die geflieste Wand und lies mich berieseln. Mein Gott. Was war aus mir geworden seit gestern? Mein Kopf war hohl. Ich wusste gar nichts mehr. Ich hob meine Hand und starrte sie an. Doch, ich wusste etwas. Ich wusste es ganz genau. Ich war am Leben. Gott sei Dank war ich am Leben. Wie konnte ich mich nur so vom Virus einlullen lassen?! Dieses Leben war nicht nur schlecht. Es gab auch Dinge die ich liebte an diesem Leben. Zum Beispiel das raschelnde Laub im Herbst. Die Eiszapfen im Winter, die unter den Gebäudevorsprüngen wuchsen. Der Geruch des Feuerwerks zu Neujahr. Die Tempel und Schreine in Shanghai. Der Duft von grünem Tee. All das wollte ich nicht missen. Nie wieder wollte ich mich so arg von dem Virus erwischen lassen. Das nächste mal würde ich sofort die Tastenkombi drücken und flüchten. Ich trocknete mich in meinem Zimmer ab und zog mich an. Nebenbei lies ich den Fernseher laufen. Es liefen immer noch Berichte von dem Zugunglück am Morgen. Ich hockte mich aufs Bett und verfolgte alles ein wenig... Doch dann wurde ich mit einem Moment hellhörig: „Der Verursacher des Unglücks war, wie längst vermutet wurde, der Hacker Ceres. Heute im Laufe des Nachmittages stellte sich dieser in einer Polizeistation in Osaka und gestand die Tat“, erzählte der Sprecher. Darüber konnte ich doch nur lachen. Im Fernsehen sah man wie zwei Polizisten diesen fetten, aufgeschwemmten „Ceres“ abführten. Er trug eine dicke Hornbrille und hatte ein hämisches Grinsen im Gesicht... Ja, er sah schon fast aus als hätte ihn der Wahnsinn gepackt... „Der Hacker mit dem Doppelnamen „Ceres“, bürgerlich Shinbo Ozaki, wird momentan psycholigisch untersucht. Man vermutet bei ihm eine schwere Schädigung der Psyche, hatte er doch 30 seiner 42 Lebensjahre alleine verbracht“, fuhr der Nachrichtensprecher fort. Ich musste nicht lange überlegen um zu wissen was dort vor sich ging. Man sah es an seinem gestörten Blick... Dieser Typ konnte auf keinen Fall Ceres, geschweige denn ein Hacker sein. Es gab viele dieser Verrückten... er war längst nicht der einzige. Verzweifelte Menschen die sich als jemand anders ausgeben, vorzugsweise jemand mit hohem Bekanntheitsgrad. Menschen die Fasziniert sind von einem bestimmten Menschen bzw. einem bestimmten Thema... Als damals Jack the Ripper in England wütete, gaben 37 Menschen in London zu gerade dieser gestörte Mörder zu sein. Sie waren so fasziniert von ihm das sie selbst der Ripper sein wollten. Ich konnte es selbst nicht ganz verstehen - und schon gar kein Stückchen nachvollziehen – aber irgendwie musste es den Menschen eine gewisse Befriedigung geben. Ach egal. Auf jeden Fall war es nicht der echte Ceres den sie geschnappt hatten. Aufeinmal schossen mir wieder dessen Worte in den Kopf: „They won´t hunt me anymore“, sagte er und zwinkerte mir zu bevor wir zum Dungeon gingen. Das meinte er also. Zu dem Zeitpunkt hatten sie seinen Doppelgänger schon geschnappt... Deshalb konnte er sich auch ungeschützt dorthin trauen... „Ich sollte ihn nicht unterschätzen...“, murmelte ich mir leise vor. Ceres hatte weit mehr auf dem Kasten als man es ihm zutrauen würde mit seiner leichtsinnigen Art. Jaja, seine leichtsinnige und schwuchtelige Art... Ich schüttelte mich angeekelt. „Ach, er ist ein Idiot!“, sagte ich entschlossen und ging hinüber zum Rechner. Doch insgeheim machte ich mir ein wenig Sorgen um ihn. Er war ziemlich geschwächt... Egal, ich würde auch ohne ihn weiter machen. Hauptsache es ging weiter. Es musste weiter gehen. Ich schickte Ceres eine Mail, in der Hoffnung er würde sich bald rückmelden. Ich fragte ihn wie es ihm denn so ginge und berichtete ihm von dem seltsamen Bild das ich als letztes vom Virus gesehen hatte... Ja, dieses eine Bild... Es hatte so etwas unwirkliches... Es war auf keinen Fall so wie die anderen... Vielleicht sollte es uns sogar zur Lösung verhelfen? Auf meiner Netzhaut brannten immer noch die Umrisse des Bildes... Vielleicht war es eines dieser Abbildungen die man nie im Leben vergessen würde, wie zum Beispiel das erste Foto der allerersten Freundin oder so... Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Als letztes füllte ich die Betreff-Zeile aus. Ich musste nicht lange überlegen was ich reinschrieb... Leise flüsterte ich vor mich hin: „Ghost“ Kapitel 12: 12. Rumors ---------------------- Drei Tage lang bekam ich keine Antwortmail von Ceres. Ich rechnete schon mit dem schlimmsten, doch dann fand ich endlich eine Nachricht von ihm in meinem Account. Er meinte ich solle mich einfach nur einloggen, er würde bereits auf mich warten. Sofort leistete ich seiner Bitte folge. Ich war gespannt was er mir zu sagen hatte... Schließlich kam ich in den letzten drei Tagen auch kein Stück weiter ohne ihn (was ich leider zugeben musste, obwohl mir das unglaublich wiederstrebte). Als ich mich einloggte wurde ich sofort zum Netslum-Server weitergeleitet, was mich doch sehr erstaunte. Ceres musste es wohl so eingerichtet haben... Egal, Hauptsache ich kam irgendwo an. Zu meinem Erstaunen jedoch fand ich ihn, angekommen im Netslum, nicht an. Überall waren die flackernden Charaktere verteilt... Ein wenig verdutzt musterte ich die Gegend. Sogleich entdeckte ich einen seltsamen Spieler, er saß mit gekreuzten Beinen auf einem alten, zerfallenen Brunnen in der Mitte des Hauptplatzes. Aber... er trug einen Metallstab bei sich... Sofort schoss es durch mich hindurch: „Ceres?!“, fragte ich den Spieler erstaunt. „Ya Man“ Sein verärgerter Blick durchbohrte mich. Er war stinkesauer, das konnte man gar nicht übersehen. Und er hatte sich... verändert. Stark verändert sogar. Ich musste mir mein schadenfrohes Grinsen verkneifen als ich ihn fragte: „Was zur Hölle ist denn mit dir passiert?!“ Er sah so... naja, nicht Ceres-mäßig aus. Aus seiner aufwändig verzierten und bestickten Priesterrobe war ein einfaches, grünes, Kimono-ähnliches Oberteil geworden. Sein Gewand war nicht mehr mit glitzernden Amuletten behangen, allein ein paar goldene Armreifen waren ihm geblieben. Die blonden Haare waren, genau wie die strahlend blauen Augen, zu einem einfachen braun geworden. Nun sah er aus wie ein ganz normaler Spieler, ihm blieb nichts besonderes erhalten. Ich räusperte mich und hielt mir die Hand vor um mein Grinsen zu verbergen. Ceres Blick wurde derweil immer bohrender. „This f*cking Virus damaged my Datas. LOOK AT ME! THIS S*CKS!“, brüllte er hasserfüllt und fuchtelte wild mit seinem Metallstab durch die Gegend. In seinen Augen glühten die Feuer der Hölle, so sauer war er. Er stand auf und lief wutgeladen auf und ab. „I`VE BEEN TOO NICE TO THIS F*CKING VIRUS! NOW IT´S GOING TO BURN IN HELL IF I CATCH IT!“, brüllte er. „WHAT A F*CKING SH*T! I`M GONNA KILL IT! NO, I`M GONNA KILL IT TWICE! NO, THREE TIMES! DIE F*CKING VIRUS, DIE!“, schimpfte er weiter. Seine Muskeln pochten, so wutgeladen war er. Er atmete tief durch und hockte sich dann wieder auf den Brunnen. „What a f*cking S*it“, murmelte er und regte sich langsam wieder ab. Ich las daraus das sein kleiner Aggressionsausbruch nun wohl wieder vorbei war. „Kannst du denn die zerstörten Daten nicht wieder neu aufbauen?“, fragte ich und verkniff mir immer noch das Grinsen. „No“, lautete die knappe Antwort, und auf seinen Blick zu schliessen wollte er diesbezüglich auch keine weiteren Fragen mehr gestellt bekommen. Vorsichtshalber lies ich es deshalb auch bleiben – ein anderes Thema interessierte mich schließlich noch viel mehr... „Hast du denn diesen Geist auf dem Bild auch gesehen?“, legte ich los. „Ya, but just for a second“, meinte Ceres mit ernstem Blick. Sofort hatte ich alles wieder vor Augen. Dieses seltsame Bild... Es war ganz verschwommen... Jedoch konnte man eine Person darauf erkennen... Völlig weiß war sie... Selbst die Haare... Vor allem glich der Körperbau dem eines Kindes... Es hatte die Hände zum Gebet gefaltet und war mit dicken Eisenketten angebunden... Deshalb war es auch so seltsam... Auf den anderen Bildern sah man Selbstmörder... Doch auf diesem einen ein unschuldiges Kind in Ketten gelegt. Da lag etwas im Busch. „I got Informations“, eröffnete mir Ceres, woraufhin er meine ungeteilte Aufmerksamkeit bekam. „It´s hard to explain... Listen: There´s something in this game. Not the virus, something different. It´s part of Dragoon. It´s still undiscovered, but there is something, I´m sure. Maybe it´s a hidden programme which the virus abuses... Do ya know what I mean?“, sah er mich fragend an. Ja, langsam verstand ich was er meinte. Wenn dort noch ein verstecktes Programm im Spiel sein sollte, für was auch immer es gut war, so könnte der Virus es als Wirt benutzen. Hätte er dieses eine Programm befallen, so hätte er automatisch Zugriff auf alle erdenklichen Daten. Und gerade weil es so gut versteckt wäre, könnte man den Virus auch nicht so leicht zerstören... Langsam wurde ich stutzig. „Dieser Virus... bekommt langsam etwas von einer K.I., denkst du nicht?“ K.I. war auch der Ausdruck für „Künstliche Intelligenz“, also ein Programm das die menschliche Seele und die Verhaltensweisen nahezu perfekt nachahmen konnte. Es kam mir so vor als würde der Virus seine nächsten Schritte geradezu bis ins Detail vorausplanen... Das Wort K.I. schien bei Ceres einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ihm schien ein Licht aufzugehen. Mit ernstem Blick sah er mich an: „The K.I. could be the virus... or the programme“, schlussfolgerte er. Sofort sprang er auf und lief aufgeregt auf und ab. Für mich ergab seine Aussage keinen besonderen Sinn, also fragte ich lieber noch einmal nach: „Weißt du zufällig etwas das ich nicht weiß?“ Er sah mich mit einem starren Blick an, fast so als würde er durch mich hindurchschauen. „I heard some rumors... I´m going to proof them... an try to get more informations.“ Er meinte es todernst. Waren wir vielleicht schon so nah an der Lösung? Meine Muskeln spannten sich an. „Kann ich auch etwas tun?“, fragte ich erwartungsvoll. Ceres starrte zum Boden. Er überlegte eine Weile und schien dann zu einem Entschluss gekommen zu sein. „If the rumors are true... Then we need help. It´s getting too big for us.“ Er tat sich sichtlich hart dies auszusprechen. Es lief mir kalt den Rücken runter. Ceres ganze Anspannung ging nun auch auf mich über. Er meinte es wirklich ernst. Ja, er meinte es todernst. Ich fragte nicht weiter nach. Ich sah ihm nur in die Augen. „Search for help, Li Chien. We need two more Hackers. One for the „Desert Server“ and one for the „Puppet Server“. Search for someone you trust. Listen Li Chien: You must trust them!“, betonte er noch einmal gründlich. „I´m going to go offline now. Let´s meet tomorrow at 6 p.m.. And take the new two Hackers with ya!“, meinte er ernst als er schon verpixelt vor meinen Augen verschwand. Auch ich loggte mich nun aus. Als ich die Cyberglasses abnahm bemerkte ich erst wie sehr ich am zittern war. Der Adrenalinschub lies meine Adern pochen. Ich fühlte das wir der Sache ein riesiges Stück näher gekommen waren. Doch der allerschwerste Teil stand mir noch bevor... Etwas das ich später noch bereuen sollte. Oh mein Gott, so sehr sollte ich es bereuen. Hätte ich es doch damals nur gewusst... Verdammt, hätte ich es nur gewusst... Kapitel 13: 13. Newbies ----------------------- Zwei Hacker denen ich vertraute... Was für ein Mist. Mit voller Wucht trat ich gegen meinen Schreibtisch. Ich wusste genau was ich jetzt zu tun hatte. Doch bei dem Gedanken daran drehte sich mir der Magen um. Aber ich hatte keine andere Wahl. Nur sie kamen in Frage. Ich vertraute ihnen über alles. Ich sorgte mich darum das ihnen etwas passieren könnte... Doch wenn ich sie so gut es ging beschützen würde, so konnte ihnen ja nichts passieren... So wollte ich mein Gewissen beruhigen. Dennoch schnürte es mir die Kehle zu als ich den beiden bei der Netzkonferenz in die Augen sah. „Was ist denn nur los mit dir in letzter Zeit, Li Chien?!“, fragte mich Ruka besorgt. „Wir machen uns ernsthafte Sorgen um dich... Du scheinst mit deinen Gedanken immer wo anders zu sein...“, fuhr sie mit besorgter Miene fort. Auch Kijin sah mich fragend an. Nun war der Zeitpunkt gekommen es ihnen zu sagen. Doch ich saß nur da und sprach kein Wort. Ich konnte meine besten Freunde doch da nicht hineinziehen! Aber ich musste es schließlich... Ihnen würde schon nichts passieren... Doch wer weiß? In meinem Inneren bekämpften sich die Gedanken gegenseitig. „Li Chien, jetzt sag doch endlich was!“, forderte Kijin. „Sollen wir zu dir kommen? Wenn wir ein Flugzeug nehmen sind wir in ein paar Stunden da für dich!“, meinte er besorgt. „Bitte sag doch was“, hauchte Ruka als ihr eine Träne über die Wange kullerte. Jetzt reichte es... Ich machte ihnen nur Kummer... Sie mussten es jetzt erfahren. Ich wollte sie nicht weiter leiden sehen... „Vor ein paar Tagen...“, fing ich an: „bekam ich eine seltsame Email.“ Daraufhin erklärte ich ihnen alles ganz genau bis ins Detail. Sie waren erstaunt – aber sie glaubten mir aufs Wort. Beide wussten das ich es ernst meinte. Sie verstanden mich sofort... insgeheim danke ich Gott dafür solche Freunde haben zu dürfen. „Und deine Wahl fiel also auf uns beide?“, fragte Kijin ein bischen verdutzt. „Ja. Ich vertraue niemandem mehr als euch“, erwiderte ich. Er senkte den Blick und grinste. „Ich hoffe nur das wir dir auch eine Hilfe sind!“, mischte sich auch Ruka lächelnd ein. „Heißt das ihr seid dabei?!“, fragte ich noch einmal vorsichtshalber nach. „Natürlich!“, kicherte sie. „Wow, ich freu mich schon richtig darauf!“ Ruka´s Optimismus war mal wieder nicht zu bremsen. „Ich will an diesem Desert-Server spielen!“, kicherte sie. „Nie im Leben“, meinte Kijin erst: „Nie im Leben spiele auch auf dem Puppet-Server. Das kannst du mal gleich vergessen!“ Er verschränkte die Arme und lehnte sich bockig zurück. „Ach warum denn?“, versuchte ich ihn zu überzeugen: „Ich könnte mir vorstellen das dir rosarote Rüschen gut stehen!“, lachte ich. „HAST DU LACK GESOFFEN ODER WAS?!“, brüllte er mir grinsend entgegen. „Ach Kijin, ich weiß gar nicht was du hast... Es gibt so viele Männer die ihre weibliche Seite betonen! Sieh dir nur David Beckham an! Dem steht das doch richtig gut!“, versuchte auch Ruka ihn zu überzeugen. „ICH GLAUB IHR TICKT NICHT RICHTIG! Verdammt nochmal, ich zieh euch nichts mit Rüschen an! Und wenn ihr mich fragt hat David Beckham seine Eier eh bei seiner Posh Spice abgegeben! Der lässt sich doch jeden morgen die Klamotten von der rauslegen, so einen Müll zieht doch sonst keiner freiwillig an!“, hetzte er grinsend. „Aber bei deinem zierlichen Körperbau stünde dir das sooo gut Kijin!“, meinte Ruka darauf mit glitzernden Augen. Doch er war nicht dazu zu bewegen sich überreden zu lassen: „Ein Wort: NEVER!“ Um des Friedens Willen gab sich Ruka dann doch geschlagen. „Oh Mann... Na gut, dann geh ich auf den Puppet-Server... Aber der andere wär mir lieber... der klingt aufregender...“, murmelte sie geknickt. Sogleich registrierten sich beide. Wir verabredeten uns auf den nächsten Tag um kurz vor sechs um uns dann gemeinsam einzuloggen. Ich schlief sehr unruhig in dieser Nacht... den anderen war es wohl auch nicht anders ergangen... wir waren viel zu aufgeregt und harrten auf den nächsten Tag. Am nächsten Tag loggten wir uns erst einmal gleichzeitig ein und landeten dann, oh Wunder, alle im Netslum. Als Ruka sich umsah packte sie erst einmal das pure Grauen: „Igitt, sieht das hier auf jedem Server so ranzig aus?!“ Sie war sichtlich geschockt, Kijin hingegen sah sich erst einmal sämtliche grafischen Arbeiten fasziniert an. Da wir ein wenig zu früh dran – und Ceres wohl deswegen noch nicht anwesend - waren lies ich die beiden erst einmal eine Runde im Netslum drehen, damit sie die Spielsteuerung ein bischen verinnerlichten. Doch schon bald gesellte sich Kijin zurück zu mir auf den alten Brunnen. „Das alles hier ist... recht ungewöhnlich...“, meinte er in Gedanken versunken. „Was meinst du?“ „Na alle grafischen Arbeiten hier... Es ist... zu real. Es ist alles andere als üblich ein Online-Game so detailgetreu aufzubauen... Alles hier ist zu aufwendig, weißt du?“, versuchte er mir zu erklären. „Ich meine, sieh mich an!“ Er stellte sich vor mich und sah mich besorgt an. „Ich habe eine perfekte grafische Abbildung unseres Äußeren geschaffen!“ Selbstverständlich benutzen auch Ruka und Kijin dessen Abbilder die er einst von uns gemacht hatte. „Besser geht es momentan nicht, da müssen erst einmal ausgefeiltere Programme kommen! Und trotzdem verfügt diese Welt hier, dieses Spiel, über einen ausgeklügelteren grafischen Aufbau! Es ist alles zu real!“ Ich hatte nicht besonders viel Zeit um darüber nachzudenken, da rammte mir schon ein gewisser Herr seine Kniescheiben in den Rücken... Sofort sprang er wieder von mir herunter und landete mit einem grinsen im Gesicht vor mir: „I´m sorry Man!“ Gerade wollte ich Ceres richtig zur Sau machen, da fiel er mir schon ins Wort: „Oh, so you are the newbie?“ Newbie nannte man die frisch eingestiegenen Spieler, selbstverständlich meinte er Kijin damit. „Ah, ya Nickname is Sari? Nice to meet ya!“, lächelte er ihn an und reichte ihm die Hand. „Ya costume is fantastic! It fits ya perfect!“ Kijin trug einen beigefarbenen Turban mit Tigerstreifen, an den Armen hatte er auch weite Stulpen aus diesem Stoff... Ansonsten trug er eine Art braunes Hosenkleid wie ein Buddhisten-Priester, gerafft mit einem Kimonogurt. Naja, ich fand ja er sah mehr durchschnittlich als fantastisch aus, aber mich fragte ja keiner. Stattdessen kam Ceres mit einer leicht angesäuerten Miene auf mich zu. „But he´s just ONE Person! We need one more!“, murmelte er besorgt. Als ich schräg an ihm vorbeischaute sah ich das Ruka bereits angelaufen kam. „Schon unterwegs!“, entgegnete ich Ceres kalt. Mit ernster Miene drehte er sich um. Erstaunt starrte er sie an. Naja, ich muss zugeben ich war auch erstaunt als ich sie das erste mal in dem Aufzug sah. Sie trug eine Art Gothic-Lolita-Dress in weiß und blau. Viele Rüschen und Schleifen, Perlen und ein Diadem im lockigen Haar. Von allem eben ein bischen zu viel, aber es stand ihr ausgesprochen gut. Lächelnd sah sie Ceres an. Doch der drehte sich nur wutentbrannt zu mir um: „ARE YA STUPID?!“, schrie er. Er ging hinüber zu Ruka – die übrigens den Nickname Shayla benutzte – und küsste ihre Hand. Sein nächster Blick galt wieder mir: „Sie ist ein Mädchen du Idiot! Du kannst dieses süße Ding doch nicht da mit hineinziehen! Hast du denn gar keinen Anstand?!“ Ich weiß nicht was mich mehr schockte – die Tatsache das er endlich einmal unsere Sprache sprach oder die das er ein Weiberheld zu sein schien. Baff starrte ich ihn an. Hätte Ruka sich nicht eingemischt wären wir wohl die nächsten paar Tage im Stummen verharrt: „Aber ich möchte doch mitmachen! Bitte, ich möchte euch so gerne helfen!“, meinte sie mit dem herzzerreisendstem Hundeblick aller Zeiten. Kijin und mich konnte sie damit nicht mehr so arg einlullen, doch bei Ceres zog die Masche ausgesprochen gut. „Wenn das so ist...“, meinte er und kniete sich vor Ruka auf den Boden, in der rechten Hand die ihre: „Wenn das so ist werde ich dich beschützen, kleine Prinzessin!“ Kijin und ich prusteten vor lachen. Das war ja wie in einem dieser Kitschfilme... Doch Ceres störte das recht wenig, er himmelte immer noch Ruka an. Sie grinste fröhlich, schließlich hatte sie ja mal wieder ihr Ziel erreicht. Als wir uns alle wieder gefangen hatten fragte ich Ceres: „Hast du denn jetzt etwas herausgefunden?“ Er nickte ernst. „Aber es ist alles noch tausendmal komplizierter als ihr euch alle vorstellen könnt“, erklärte er. Gebannt warteten wir auf seine Berichterstattung. Es sollte und ein ganzes Stück voranbringen. Ein gewaltiges Stück sogar. Kapitel 14: 14. Michiru ----------------------- Ceres hockte sich mit verschränkten Armen auf den Brunnen. „Schon vor einigen Jahren hörte ich Gerüchte darüber. Ich tat sie allerdings immer als Unsinn ab... das war ein Fehler den ich heute zugeben muss.“ Sein Blick war besorgt zum Boden hin gerichtet. „Ich habe an allen Ecken und Enden gesucht, mich hier und da eingehackt – und es hat auch etwas gebracht...“ Ceres hob andächtig den Kopf und blickte uns streng an. „70% der Gerüchte konnte ich bestätigen“, sagte er kurz und knapp. Wir alle platzten fast vor Neugier, besonders Ruka und Kijin hatte nun das Fieber gepackt. „Was für Gerüchte?!“, fragte ich rastlos. Ceres Antwort kam sofort... „Ich muss ein wenig ausholen...“, meinte er und atmete tief durch. „Das Online-Game „Dragoon“ existiert eigentlich schon seit 10 Jahren. Vor der Netzkrise Eden war es nur mäßig bekannt. Um ehrlich zu sein, es hatte damals keinen großen Spielwert. Die Grafiken waren größtenteils unter dem Niveau der Zeit, und die Story war nicht besonders komplex. Als die Netzkrise Eden ins Land ging verschwand es sogleich ganz aus den Gedanken... Doch dann kaufte die Dragon-King-Company das Konzept auf und modernisierte es vollkommen. Neue Spielwelten entstanden, Zufallsereignisse wurden eingebaut und die Grafik und das Storyboard enorm verbessert. Alles wurde auf dem alten Programm aufgebaut, und so kam es zu dem Ruhm den das Spiel heute geniest.“ Vor Aufregung bekam ich Gänsehaut... Wann kam er denn nun endlich zum Punkt?! Und ganz nebenbei: Ich war erstaunt wie gut Ceres unsere Sprache beherrschte... Aber egal. Ich konzentrierte mich weiter auf seine Worte: „In dem ursprünglichen Game „Dragoon“... Da wurde etwas einprogrammiert was dort eigentlich nicht hin sollte. Der Japaner Michiru Suo erschuf das Spiel im Jahre 1996, er war damals erst 21 Jahre alt. Auf dem Fachgebiet der Programmierung jedoch war er einer der Besten. Er alleine „machte“ sozusagen das Spiel, für ihn war es wie eine Lebensaufgabe die er noch vor seinem Tod erledigen musste. Denn aufgrund einer Krebserkrankung starb Michiru Suo in dem gleichen Jahr in dem „Dragoon“ ins Netz gestellt wurde“, erklärte er geduldig. Auch Ruka konnte sich jetzt nicht mehr zurückhalten: „Was bitte hat er denn in das Spiel eingebaut das dort nicht sein sollte?“, fragte sie mit aufgerissenen Augen. „Nun ja...“, holte Ceres wieder aus: „Da niemand etwas genaues weiß gibt es verschiedene Thesen... Manche glauben daran das im Spiel eine versteckte Datenbank sei... Auf dieser sollten die besten Hackerprogramme aller Zeit zu finden sein. Die Leute die an diese These glauben, halten an dem Denken fest Michiru Suo sei der Großmeister aller Hacker gewesen. Er soll sämtliche Größen der heutigen Szene in seinem Handwerk unterrichtet haben, sogar mich!“, lächelte er und schüttelte den Kopf. „Wenn ihr mich fragt ist das absoluter Schwachsinn. Michiru Suo hatte nie Kontakt zum Bund der Hacker, das habe ich längst geprüft. Nun zur zweiten These... Ein paar Verschwörungskritiker vertreten die Meinung das Suo einen gewaltigen Virus im Spiel versteckt habe, der ein zweites „Eden“ herbeiführen sollte.“ Vor Anspannung ballte ich die Hände. Das hörte sich fast schon zu plausibel an... Ich zweifelte daran das diese These der Wahrheit entsprach... Da steckte bei weitem mehr dahinter, dessen war ich mir sicher. Und auch Ceres stimmte mir zu: „Auch daran glaube ich nicht. Michiru Suos Anliegen war es das Internet nach vorne zu treiben, war es doch zu seiner Zeit noch nicht sonderlich bekannt. Er engagierte sich in Fördervereinen und startete Kampagnen zur Internetnutzung in Schulen und Universitäten. Das allerletzte was er wollte war die Stilllegung des Netzes. These drei dagegen unterstütze ich vollkommen...“ Andächtig sah er in die Runde. „Michiru Suo soll der erste Mensch gewesen sein, der eine K.I., eine künstliche Intelligenz, geschaffen hatte. Als er die Arbeit an ihr beendet war, hatte sich seine Schöpfung in den engsten Fachkreisen leider schon rumgesprochen. Als sie dann versuchten die K.I. zu kopieren, musste er sie verstecken. So baute er um sie herum das Game „Dragoon“ auf. Das würde auch den schlechten Aufbau des Spiels von damals erklären... es war nur ein Zweckmittel, ein riesiges Schutzprogramm für seine K.I., das bis heute niemand knacken konnte. Nach seinem Tod geriet alles in Vergessenheit. Doch als die Dragon-King-Company das Spiel wieder aufgriff, bekamen sie auch gleich die K.I. dazu... Da sie davon bis heute nichts wissen, finden sie auch die Ursache für den Virusbefall automatisch nicht.“ Ich grübelte ein wenig bevor ich das Wort ergriff: „Naja, wenn dort eine K.I. versteckt ist... würde es wenigstens das ausgeklügelte Verhalten des Virus erklären... Er hat die künstliche Intelligenz befallen und lässt sie nun die Drecksarbeit machen...“ Wie ein plötzlicher Schock durchzog mich ein Gedankenblitz. Warum war ich nicht sofort darauf gekommen?! „Ceres, die Zeichen in der Düne!“ Er schenkte mir nur ein müdes Nicken. „Ich weiß. Es scheint als würde diese K.I. gegen den Befall ankämpfen... Auch das letzte Bild das wir damals im Dungeon sahen... Sie will uns eine Nachricht übermitteln glaube ich...“ Sein nachdenklicher Blick fiel auf Ruka, die sich leicht zitternd an den Brunnen lehnte. Man musste kein Spezialist sein um zu erkennen das sie Angst hatte. „Was ist denn Prinzessin?!“, fragte Ceres sogleich besorgt und legte ihr seine Hand stützend auf den Rücken. Ein wenig ängstlich lächelnd sah sie ihn an: „Ach es ist nichts... Nur... es ist komisch. Ein Programm das denken und handeln kann wie ein Mensch... Irgendwie jagt mir das Angst ein... Da könnte ja jeder daherkommen und Gott spielen, versteht ihr? Wenn die ganze Welt dazu im Stande wäre solche künstlichen Intelligenzen zu schaffen gäbe es sicherlich auch einen Haufen Missbrauch... Eine bessere Kriegsmaschine als so eine K.I. gibt es doch auch gar nicht... Immerhin ist sie jederzeit ersetzbar...“, grübelte sie. Ängstlich sah sie Ceres an: „Was ist wenn diese K.I. im Spiel auch nichts weiter als eine Kriegsmaschine ist?! Was wenn sie uns eine Falle stellen will?! Was dann?!“ Ceres blickte traurig zu Boden. Ich wusste längst was er jetzt sagen würde. Was blieb ihm anderes übrig? Er musste die Wahrheit sagen... so erschreckend sie auch war... „Um ehrlich zu sein...“, holte er aus: „Um ehrlich zu sein müssen wir auch von diesem Fall ausgehen. Vielleicht gibt es gar keinen Virus. Vielleicht ist diese K.I. eine Kriegsmaschine. Vielleicht will sie auch ein zweites „Eden“ herbeiführen. Wir wissen im Grunde genommen nichts.“ Er starrte mit eisigem Blick in den grauen Himmel. Die Wolken ballten sich gegeneinander auf als würden sie einen Kampf austragen. Ein eisiger Wind pfiff durch die verkommenen Gassen. Allein sein Gesang war zu hören... denn wir waren stumm geworden. Ceres hatte Recht. Wir wussten nichts. Gar nichts. Ein grollender Donner störte unser Schweigen. Hell leuchtete das Netslum im Licht der Blitze. Ceres starrte verzweifelt zum Himmel. „Ich werde sterben“, hauchte er. Noch total erschrocken von seinen Worten wunderte ich mich über den plötzlichen Platzregen der auf uns herniederging. „Ich werde sterben“, wiederholte er noch einmal deutlich und sah in die Runde. „Dieser Virus oder was auch immer macht Jagd auf mich... Deshalb... Ich meine... seht euch um...“ Mit seinem Stab deutete er auf die vielen flackernden Datenmüll-Charaktere des Netslums. „Der Virus suchte nach mir... er hat sie alle ausgerottet... aber mich hatte er leider nicht erwischt. Jetzt bin ich der einzige der Cheater der noch am Leben ist. Auch als wir ihm damals im Dungeon begegneten... Er kam nur wegen mir. Er griff auch nur mich an... dich versetzte er derweil in Trance... Er will mich töten. Ich bin mir sicher, ich bin der nächste der sterben muss...“ Ich weiß nicht ob er weinte... durch den Regen kullerten ihm viele kleine Tropfen durchs Gesicht... Mit eiskalt gefrorener Miene starrte er auf den Boden. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Nichts und niemand hätte ihn jetzt mehr aufmuntern können... Niemand ausser Ruka... „Hey... Du wirst nicht sterben!“, lächelte sie mitleidvoll als sie an seinem Ärmel zupfte um Aufmerksamkeit zu bekommen. „Weißt du... wenn du mich unbedingt beschützen willst, dann darf ich das auch!“, kicherte sie. „Ich pass auf dich auf, Chef!“, zwinkerte sie. Ceres war einfach nur baff. Als wir ihn alle anlächelten erkannte er das er nicht alleine war. Und als er dieses Lächeln erwiderte wusste ich das er uns vertraute. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte – ich bin schließlich ein Mann - wir hatten einen neuen Freund gefunden. Einen guten Freund sogar. Kapitel 15: 15. Tokio --------------------- Am nächsten Morgen stand ich gequält auf. Das nächste Treffen – und somit die Planung der Vorgehensweise in nächster Zeit – stand erst für heute Abend an. Gezwungenermaßen machte ich mich also auf den Weg zur Schule. Da ich aber alles andere als Lust hatte mit dem Bus zu fahren ging ich lieber zu Fuß. Ich hasste Linienbusse. Aus jeder Ecke roch es nach einem anderen Deo, Parfum oder Rasierwasser... da wurde einem schon am frühen Morgen schlecht davon. Und dann immer diese Kleinkinder mit ihren Pokémon Karten... Dieses wilde Geschrei fand ich einfach nur nervtötend. Ausserdem starrten sie mich jedesmal an im Bus als wäre ich ein Attentäter. Nun ja... ich gebe zu das mir dieser Aspekt doch sehr gefiel. Ich war stolz anders zu sein. Alle die was gegen mich hatten konnten mich mal kreuzweise. Sollten sie ihr Spießerleben doch so führen wie sie wollten. Die gingen mir alle herzlich am Arsch vorbei. Für solche Leute hatte ich stets nur ein höhnisches Lächeln übrig. Als ich durchs Stadtzentrum ging viel mir auf das die LED Bildschirme gar nicht liefen. Normalerweise flimmerte rund um die Uhr Werbung auf ihnen... Sehr seltsam. Auch einige Straßenbahnen standen still... Hatte es etwa wieder eine Erdbeben-Warnung gegeben? Das würde wenigstens die Sache mit der Straßenbahn erklären... Über mein Handy rief ich die aktuellen Unwetter- und Umweltwarnungen auf, doch dort war nichts von einem Erdbeben vermerkt. Ein wenig grübelnd ging ich einfach weiter. War wohl ein kleiner Fehler im Stromnetz... Konnte ja mal vorkommen. Auf halber Strecke entschied ich mich einen kleinen Umweg zu machen... Also kämpfte ich mich durch all die schwarz gekleideten Anzugträger mit ihren heißen „Coffee to go“ Bechern. Mein Gott. Die Straßen waren brechend voll von solchen Menschen. Konsumgesteuerte Marionetten. Ihnen ging es doch nur noch um Erfolg, man sah doch längst die Dollar-Zeichen in ihren Augen glänzen. Tja, so war Tokio. Industriestadt. Ja, Industriestadt voller Computergenies. Eigentlich sollte ich mich hier wohl fühlen sollte man meinen... Aber ich fand es grässlich hier. Es hatte einen ganz bestimmten Grund... den ich allein für mich behielt. Endlich war ich da. Der Umweg hatte sich gelohnt. Vor mir thronten hunderte Jahre alte Marmorstufen. Er erhob sich wie ein glorreicher Sieger zwischen den grauen Bauten der Großstadt... Ein Fleckchen grüne Erde, heile Welt... Das bedeutete mir der kleine Tempel auf dem Hügel. Schon als ich die ersten paar Stufen hochstieg durchfloss mich ein Gefühl von tiefer Ruhe. Und dann stand er vor mir, genauso wie er schon vor hunderten Jahren dort stand... Dieser wunderschöne, blutrote Buddhistentempel. Wieder etwas das man mir, rein äusserlich, nicht zutrauen würde. Ich liebte solche Tempel und Schreine. Schnell überkam mich die Erinnerung an Shanghai... Ich war oft bei Meister Ling gewesen... Er war mir wie ein Großvater... Ich war lieber bei ihm (er war Hohepriester) im Tempel als Zuhause bei meinem Vater, schon damals. Ich liebte es am kleinen Bach zu spielen der neben dem Tempelgebäude floss... Auch Ruka und Kijin kamen oft vorbei, sie durften natürlich nicht fehlen. Bald bekam ich dann meine eigene, kleine Priestertracht. Ich vertiefte mich mit Leib und Seele in die alten Legenden die von Monstern und Göttern berichteten. Für mich waren sie damals bei weitem interessanter als irgendein Videospiel. Am Neujahrsfest durfte ich dem Meister sogar beim Feuerwerk helfen, was für mich damals mehr als eine Ehre war. Als über mir die Funken in allen Farben glänzten wusste ich das ich hier nie wieder weg wollte. Doch da hatte ich die Rechnung ohne meinen Vater gemacht... Ein paar Monate später waren wir auf Hokkaido angekommen. Ich hasste ihn so dafür. Er hatte mir wieder einmal alles genommen. Mein Gott, wie hasste ich ihn. Mit aller Kraft klammerte ich mich an das was mir blieb... Meine kleine Priesterkutte und der Kontakt zu meinen Freunden. Aus Frust lernte ich die japanische Teezeremonie. Für mich hatte sie auch etwas meditatives... fast wie die Arbeit im Tempel. Genau aus diesem Grunde vertiefte ich mich auch die Kunst des No-Schauspiels. Aber nichts konnte mir das Gefühl dieser inneren Ruhe zurückgeben. Als ich 14 war zogen wir wieder zurück nach Shanghai. Ich fand den Tempel verlassen und verkommen vor. Mein Meister war tot. Nach ihm hatte sich niemand um die heiligen Hallen gekümmert. Der Bach war versiegt. Kein flackerndes Feuerwerk glühte mehr an Neujahr. An diesem Tag änderte sich alles. Ich lies mich tätowieren und machte eine neue Person aus mir. Aber ich habe nie vergessen... „Ich habe nie vergessen, Meister...“, hauchte ich als ich an den vielen qualmenden Räucherstäbchen vorbeiging. Vor mir taten sich vier steinerne Statuen auf. Ich kannte sie sehr wohl... Es waren die vier Götter aus meiner liebsten Legende. Jeder von ihnen bewachte eine Himmelrichtung: Suzaku, der Phönix, den Süden. Byakko, der weiße Tiger, den Westen. Genbu, die Schildkröte den Norden und zu guter letzt: Seiryo, der blaue Drache, den Osten. Andächtig schritt ich in die Mitte ihres Kreises. Lächelnd musterte ich jede einzelne Statue. Irgendwie fühlte ich mich jedes mal wieder wie ein Kind wenn ich dies tat... Ich ging hinüber zu der Tigerstatue und streichte ihr vorsichtig über die Nase... Der Stein war bereits am Bröckeln... aber das tat der Schönheit und Ästhetik der Figur bei weitem keinen Abbruch. Der Wind rauschte durch die Bäume als der alte Hohepriester des Tempels auf mich zukam: „Sieh einer an! Schön dich wieder einmal zu sehen, Junge!“, meinte der Alte und zupfte an seinem langen, weißen Bart. „Es gibt nicht viele Menschen in deinem Alter die hier herkommen... ich bin froh dich hier zu sehen, Junge!“ Als er lächelte kniff er die Augen zu... genau wie mein Meister es damals auch tat. „Ich bin gern hier... Es ist so schön ruhig... Aber leider muss ich nun gehen“, erwiderte ich freundlich. „Natürlich Junge. Ich wollte dich nicht aufhalten!“, meinte der Hohepriester verständnisvoll. „Ich wollte dir nur etwas sagen: Am Samstag in drei Wochen feiern wir hier das letzte Sommerfest des Jahres. Es wäre schon wenn du kommen würdest!“, lächelte der gutmütige Alte. Auch wenn es schwer fällt es zuzugeben: Ich war ein bischen gerührt. „Ich werde sehen was sich machen lässt, ehrwürdiger Priester!“, sagte ich noch bevor ich ging. Als ich die Stufen hinabstieg fühlte ich noch den Blick des Alten auf meinem Rücken. Es musste schwer für ihn sein... Er musste mit zu sehen wie sein Glauben langsam aus der Stadt verschwindet. Die Jugend interessierte sich längst für andere Dinge... Überhaupt kamen die Städter nur dann zum beten in den Tempel wenn sie ein Anliegen hatten... So beteten sie um Glück bei einer Prüfung, um Reichtum und anderes Oberflächliches. Es war unvorstellbar für mich wie sich der nette, alte Priester fühlen musste wenn er die Gebete hörte... Denn aus ihnen war kein Funken Glauben zu hören. Armer Priester. Armer alter Mann. Als ich den Schulhof betrat wartete ich extra ein wenig im Pausenhof auf Kato´s morgendlichen „Anschiss“ wenn man das so nennen darf. Wie jeden anderen Morgen sollte er mich ermahnen meine Schuluniform zu tragen. Und wie jeden Morgen würde ich ihn zur Schnecke machen und mir danach ins Fäustchen lachen. Voller Vorfreude starrte ich auf die Eingangstür der Schule. Doch Kato kam und kam nicht. „Seltsam...“, murmelte ich. Ich wollte schon hineingehen als mir einer von seinen Handlangern entgegen kam. Doch nicht einmal dieser machte Anstalten mich zu ermahnen! Als er an mir vorbeilief packte ich ihn am Arm. „Hey! Du bleibst gefälligst hier!“, fauchte ich. „Was willst du?!“, stammelte der hagere Typ erbärmlich. „Sag mir wo Kato ist!“, fuhr ich ihn an. Vielleicht hätte ich nicht fragen sollen. Aber es war zu spät... Denn seine Antwort kam sofort: „Kato liegt im Koma! Dieses Spiel... „Dragoon“ hat das getan!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)