E Nomine Patres Et Filii Et Spiritu Sancti von DoesNotAccept (Pater Noster) ================================================================================ Kapitel 1: pater noster qui es in caelis ---------------------------------------- pater noster qui es in caelis Vater unser, der du bist im Himmel Our Father who art in heaven Der Boden war schlammig. Den jungen Mann störte es nicht, seine Schuhe starten sowieso vor Dreck. Er ging in den Salon. Selbst dort war die Stimmung gedrückt, als würde gleich ein großes Unwetter hereinbrechen. Es war wegen dem Krieg. Alle wussten, dass er ausbrechen würde, nur keiner konnte sagen wann. Er setzte sich an einen der freien Tische und wartet. Der Wirt kannte ihn, auch wenn er nicht sehr häufig in der Stadt war. Aber einen Besuch von ihm vergaß keiner so schnell. Kurz darauf stand ein dampfender Teller Bohnen und eine Flasche billigen Weins vor ihm. Er war Trapper. Ein verdammt guter Trapper. Nachdem die Hudson’s Bay Company im vorigen Jahr nicht mehr das Monopol auf Fellhandel hatte, hatte sich sein Geschäft sogar langsam bezahlt gemacht. Außerdem war es die einzige Arbeit, die er hier in den nördlichen Staaten ausüben konnte. Hier bedeutete in diesem Fall Washingtoner Territorium, an der Grenze zu Oregon, Westküste. Ein verdammtes Scheißland, von Gott verlassen, aber genau richtig für Leute wie ihn, die einen Neuanfang mit neuer Identität machen wollen, ohne dass die Vergangenheit sie so schnell findet. Und deshalb zog er jetzt seit ungefähr zwei Jahren durch die Wälder und Küstenkette der Rocky Mountain. Jagte Nerze, Füchse, Vielfraße und erwischte gelegentlich einen Puma – einen so genannten Berglöwen – und konnte von dem Geld, das er für die Felle bekam, einigermaßen leben. Doch seine Vergangenheit war per Schiff eingetroffen und folgte der Spur aus Gerüchten, die er unwillkürlich gestreut hatte, wie ein Bluthund seiner Beute. Er war sechs Wochen in den Bergen umhergewandert, hatte seine Fallen überprüft, neue aufgestellt und kaputte repariert. Leben konnte er von dem, was die Wälder zu bieten hatten recht gut. Und manchmal traf er Reisende, die ihm Neuigkeiten aus der Welt brachten. Die Südstaaten weigerten sich immer noch die Sklaverei aufzugeben. Idioten. Er machte sehr gute Beute in diesen Wochen. Zwar hatte er gehofft die Felle einiger Jungtiere verkaufen zu können, denn diese brachten den doppelten Preis ein, doch leider verirrten sich nur Tiere, die älter als zwei Jahre waren, in seine Fallen. Aber er sollte trotzdem zufrieden sein, schließlich konnte er hiervon neue, bessere Fallen kaufen und auch sonst einige Sachen, damit er vernünftig über den Sommer kam. Er wollte weiter ziehen, Richtung Kanadische Grenze. Aber erst einmal musste er in die nächste Stadt und sein Geld auch wirklich bekommen. Granite Falls war nur vier Tagesmärsche entfernt. Mit den Fellen würde er etwas länger brauchen, aber das war ihm das Geld allemal wert. Also machte er sich auf den Weg. Danach würde er über Jordan Road weiterziehen. Kapitel 2: sanctificetur nomen tuum ----------------------------------- sanctificetur nomen tuum Geheiligt werde dein Name Hallowed be Thy name. Es hatte wieder geregnet. Genauso wie es seit seiner Abreise fast jeden Tag geregnet hatte. Als würde der Himmel darüber trauern, dass er seinen angestammten Platz verließ um das zu suchen, was ihn mehr als alles andere in der Welt bedeutete. Er erinnert sich noch, wie er vor vier Monaten in Everett angekommen war. Als er sich auf die Suche nach dieser einen Person begeben hatte, hatte er feststellen müssen, dass diese sich kein Ding geändert hatte. Er war in schallendes Gelächter ausgebrochen und hatte sich schon am nächsten Tag landeinwärts aufgemacht. Der Himmel war ihm treu geblieben und hatte mehr Tränen geweint als er in den letzten drei Jahren in seiner Heimat in Spanien gesehen hatte. Dann war er da: Granite Falls. Es dauerte ungefähr zwei Stunde, bis er einen Salon gefunden hatte, den diese Person auch ‚häufiger’ aufzusuchen schien. Er nahm sich ein Zimmer und zahlte dem Besitzer noch ein paar Dollar extra, damit dieser die Klappe hielt, seine Ankunft betreffend. Dann erkundete er das kleine Städtchen. Es war gemütlich, auch wenn man selbst hier im Norden das Nahen des Krieges und die damit verbundene Angst und Anspannung spüren konnte. Er fand eine Kirche und betrat sie ohne Scheu, denn in diesem heiligen Gebäude befand er sich auf vertrautem Boden. Ein kahlköpfiger Mönch bemerkte ihn und kam auf ihn zu. „Gott segne dich mein Sohn.“ Er machte ein Kreuz vor dem jungen Mann. „Sei willkommen in seinen heiligen Hallen.“ Er nickte und eine blonde Strähne viel ihm ins Gesicht, während er sich umsah. „Habt dank, Bruder. Ich bin froh wieder unter seinen Augen wandeln zu dürfen.“ Der Mönch nickte und zog sich zurück, als er ihm bedeutete, dass er allein beten wollte. Aus seiner Manteltasche fischte er einen abgegriffenen Rosenkranz aus Marmorperlen und setzte sich vor eine schlechte Kopie eines Gemäldes der Maria Magdalena. „Vergib mir, denn ich bin auf dem Weg zu sündigen, so wie es dir vorgeworfen wurde.“ Danach betete er acht Perlen des Rosenkranzes. Den Mönch nahm er überdeutlich wahr und war auf der Hut, vor allem, was durch die Tür kommen konnte. Seine einzige Sicherheit war ein neunschüssiger LeMat-Revolver. Und das war seiner Meinung nach nicht genug. Na ja… Bevor er ging warf er noch etwas Kleingeld in die Spendentrommel. Sofort stand – wie erwartet – der Mönch neben ihm und dankte ihm überschwänglich. „Sagt Bruder, wisst Ihr etwas über einen Mann, der hier ab und zu vorbei kommt? Er hat dunkle Haare und verkauft soweit ich weiß Felle. Er ist ein Einzelgänger, nicht sehr gesprächig.“ Der ältere Mann ihm gegenüber überlegte einen Moment und nickte dann. „Ja, ich glaube, ich weiß von wem Ihr sprecht. Der Mann, den Ihr such, ist Trapper und zur Zeit in den Wäldern um diese Stadt unterwegs. Er kommt regelmäßig her zum beten, wenn er da ist. Er ist ein frommes Lamm meiner bescheidenen Herde. Doch seine meiste Zeit verbringt er auf dem Markt und im Salon.“ Blaue Augen blitzen überrascht. Er geht freiwillig in die Kirche? Doch äußerlich lies sich der junge Mann nichts anmerken. „Wisst Ihr noch etwas, Bruder?“ „Nun leider muss ich sagen, dass er sich häufig prügelt und duelliert. Aber bis jetzt scheint er immer gewonnen zu haben.“ Jetzt zeigte der blonde Mann doch seine Überraschung. „Er duelliert sich? Gibt es hier denn gute Schwertkämpfer?“ „Schwerter?“, der Mönch sah ihn verständnislos an. „Nein, ich habe hier noch niemanden mit Schwertern gesehen. Hier duelliert man sich nur mit Revolvern.“ Seine Nase kribbelte. Sprachen sie hier wirklich über denselben Mann? „Könnt Ihr mir den Namen des Trappers sagen? Vielleicht sprechen wir von verschiedenen Menschen?“ Der Mönch zögerte und ein paar zusätzliche Münzen wanderten über eine behandschuhte Hand in die Spendentrommel. Die alten Augen glitzerten. „Ja, vielleicht wäre es gut den Namen zu wissen, sonst reden wir aneinander vorbei nicht wahr? Er nennt sich Rona… ein seltsamer Name, findet Ihr nicht? Er…“ Der Mönch wollte weiterreden, doch er stoppte ihn. Rona…!? Warum dieser Name? „Ich danke Euch, Bruder. Ihr habt einem Bruder des Ordens sehr geholfen. Gott wird seine Blicke weiterhin mit Milde auf Euch richten.“ Plötzlich stand Angst in den Augen des Mönches. „…des Ordens? Mein Herr, warum habt Ihr euch nicht zu erkennen gegeben?“ Ein eisiges Grinsen kroch über die jugendlichen Lippen und verschwand gleich darauf wieder. „Weil ich inkognito reise und eigentlich unerkannt bleiben möchte, doch es kann sein dass ich Eure Hilfe noch brauche, deshalb habe ich mich entschlossen, Euch zu sagen, wer ich bin. Versteht Ihr, Bruder?“ Der Mönch nickte eifrig, große Furch in seinen Augen. „Mein Auftrag ist wichtig, also beschwöre ich bei Gott, dem Allmächtigen, dass Ihr schweigen werdet über mich!“ Wieder nickte der kahle Kopf auf und ab und der alte Mann zitterte am ganzen Körper. Er hatte Angst. Angehörige des Ordens waren auf der ganzen bekannten und unbekannten Welt in geheimen Aufträgen unterwegs. Es hieß, dass sie ihre Anordnungen vom Heiligen Vater persönlich erhielten. Und für deren Erfüllung alles taten, was notwendig war. Schließlich war ihnen jede Sünde schon vorher vergeben worden. Der Mönch musterte sein Gegenüber. Ein junger Mann Anfang zwanzig vielleicht, gekleidet wie ein etwas vornehmerer Kaufmann oder Lehrer. Blonde Haare umwalten das fein geschnittene Gesicht und überdeckten eines der blauen Augen, was das ganze mit einem Hauch von etwas geheimen, mystischen umgab. Er war sicher ein Liebling in seinem Kloster gewesen. In den Augen blitzte – wie der Mönch annahm – gläubiger Eifer. Der junge Mann nickte ihm zu und verschwand Richtung Ausgang, nicht ohne eine letzte Münze aufblitzen zu lassen, geprägt mit dem Siegel des Heiligen Vaters, bevor sie in der Spendentrommel verschwand. Dann war die Tür zu und der Mönch setzte sich auf eine der harten Holzbänke. „Oh Gott, was hat mein armes Lamm bloß verbrochen?“ Doch in Gedanken ging er schon die Vorbereitungen für die heimliche Beerdigung durch. Denn es bestand kein Zweifel daran, das Rona sterben würde. Kapitel 3: adveniat regnum tuum ------------------------------- adveniat regnum tuum Dein Reich komme Thy kingdom come Er hatte tatsächlich ein verdammt gutes Geschäft machen können, und viel Geld für die Felle bekommen können. Jetzt ging er zur Kirche, wie er es immer tat. Bruder Christopherus erwartete ihn immer und hielt eine Kerze für ihn bereit, auch wenn der arme Priester nicht wusste, warum er betete. Und so nahm er auch heute seine Kerze entgegen, brachte seinen Tribut und ging zu seinem Stammplatz . Vor dem Bildnis der Maria Magdalena setzte er sich. Nanu? Eine Kerze stand auf der Halterung und brannte. Sie brannte noch nicht lange. Scheint als wäre ein weiterer Sünder in der Stadt . Doch dieser Gedanke machte ihm wenig aus. Die Schicksale anderer waren ihm egal. Er musste überleben, mehr zählte eigentlich nicht. Weit weg von seiner Vergangenheit musste er um sein Überleben kämpfen. Er betete und ging dann in den Salon. Doch die zweite Kerze wollte ihm nicht aus dem Kopf. Schließlich war es das Zeichen gewesen…Argh!! Schluss damit! Das ist vorbei. Und die Kerze ist Zufall! Im Salon angekommen setzte er sich an den letzten freien Tisch, als der Wirt mit seinem Essen kam, bestellte er noch Brandy. Als ihm plötzlich auffiel, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Er konnte es spüren, konnte es fast anfassen. Er aß langsam weiter und musterte seine Umgebung. Holzfäller, Kleinkriminelle, Polizisten, Farmer aus dem Umland, Jäger, alle verhielten sich normal. Dennoch spürte er, dass ihn jemand beobachtete. Dieser Jemand war verdammt gut darin nicht aufzufallen. Vielleicht jemand am Tresen? Nein. Er saß dem Tresen genau gegenüber, das war nicht möglich…. Wer dann? Er zwang sich weiter zu essen, als hätte er nichts bemerkt und beobachtete scharf weiter. Dann sah er zufällig, wie der Wirt einen verstohlenen Blick in die Galerie genau über seinem Tisch warf. Also über ihm! Verdammt! Schließlich konnte er nicht einfach seinen Revolver ziehen und blind nach oben schießen. Darum aß er auf, zahlte und ging. Kaum war er draußen angelangt spürte er schon wieder Blicke auf sich. Der Mond schien in dieser Nacht sehr hell. Er blickte offen in die oberen Fensterreihen des Gebäudes hinter ihm, doch erkennen konnte er nichts, da der Schatten zu dunkel war um hindurch sehen zu können. Fluchend machte er sich auf den Weg zu seiner Unterkunft. Wohl wissend, dass ihm unbekannte Augen folgten. Er würde schon rausbekommen, wer ihm da nachstellte. Bisher hatte er jeden besiegt und getötet, der sich das getraut hatte! Und trotzdem wünschte er sich in diesem Moment seine Schwerter an seinen Gürtel und nicht diese winzigen Pistolen. Damit kam er sich einfach nur hilflos vor. Er schlief unruhig, träumte von vergangenen Ereignissen, die sich im Licht einer Kerze widerspiegelten, die unter dem Bildnis der Maria Magdalena stand. Er sah Personen, die er getötet hatte, Personen, die ihm geholfen hatten und immer wieder tauchte das Bild einer Person auf, die sich im Dunkeln aufhielt, so dass er nur ihre Umrisse erkennen konnte. Dennoch wusste er, wer es war, und sah ab und zu eine blonde Strähne aufblitzen, wenn eine schlanke Hand sie aus einem – wie er wusste – fein geschnittenen Gesicht strich. Er drehte sich im Traum von dem Bild weg, konnte es nicht ertragen. Denn diese Erinnerung weckte Dinge in ihm, die er zurück gelassen hatte. Zumindest hoffte er das. Im Traum spürte er diese Person aus dem Dunkel näher an ihn herantreten. Und als schmale Finger sich um seine Schulter schlossen, fuhr er aus dem Schlaf auf und sah sich panisch um, versuchte die aufkommenden Gefühle nieder zu kämpfen. Das ist vorbei. Ich habe diese Person verraten, genauso, wie sie mich! Und trotzdem blieb ein Schatten an ihm haften. Ein Schatten jener Gefühle, die ihn so sehr in Schwierigkeiten gebracht hatten. Und die er dennoch zu vergangenen Zeiten genossen hatte. Der Raum, in dem er lag, war leer. Niemand außer ihm war da. Nur am hinteren Ende, beim Schrank neben der Tür, flitzte eine Maus auf der Suche nach Nahrung hin und her. Er fühlte sich beobachtet. Die Maus starrte ihn an, als sie gewahr wurde, dass er wach war. Vielleicht versuchte sie herauszufinden, ob er ihr gefährlich werden könnte. Oh Gott! , er fasste sich an den Kopf und seufzte. Warum verfolgst du mich immer noch, du verdammter Mistkerl? Die Maus machte sich aus dem Staub, als er begann sich mehr zu bewegen. Dabei legte er sich nur wieder hin, versuchte eine bequeme Position zu finden und zu schlafen. …Warum kann ich dich nicht vergessen? Er drehte sich wieder auf die andere Seite und starrte eine Ratte an, die ihre Nase unter der Tür herein geschoben hatte. Kapitel 4: fiat voluntas tua sicut in caelo et in terra ------------------------------------------------------- fiat voluntas tua sicut in caelo et in terra Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden Thy will be done on Earth, as it is in heaven Auf den ersten Blick schien er gedankenverloren die Kerze neben seiner zu betrachten. Für manche der Kirchengänger mochte es auch so aussehen, als würde er andächtig beten. Er tat nichts dergleichen. Er beobachtete. Den Mönch, der krampfhaft versuchte, nicht ängstlich in seine Richtung zu starren, und die anderen Menschen, die hier ein- und ausgingen. Es waren normale Leute, einfach gekleidet. Kaufleute, Handwerker oder Jäger. Er ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wäre ein einfaches Leben zu führen. Jedoch hätte er nicht sagen können, ob er dazu im Stande war. Er kannte nur das Dasein für die Kirche. Sein ganzes Leben gehörte ihr. Hatte ihr gehört. Bis eine ganz bestimmte Person aus dem Nichts aufgetaucht war und alles zerstört hatte, woran er geglaubt hatte. Er stellte eine dritte Kerze auf den Ständer, sprach ein kurzes Ave Maria und verließ die Kirche. Der Mönch wäre sonst wahrscheinlich an Herzversagen gestorben. Er schlenderte durch die Straßen der kleinen Stadt. Ein wenig freute er sich, das normale Leben der anderen beobachten zu können. Sie waren alle unschuldig, mit ihren kleinen und größeren Sünden liebte der Vater sie alle, denn so hatte er sie geschaffen. Doch auf ihn blickte er nur noch mit zornerfüllten Augen, denn er war ein Sünder, dessen Sünde nie vergeben werden konnte. Als kleiner Junge hatte man ihn halb verhungert vor einem spanischen Kloster des ‚Ordens’ gefunden. Man hatte ihn gesund gepflegt und ihn in den Lehren der Kirche unterwiesen. Jede noch so kleine Sünde, die er begangen hatte, wurde hart bestraft und mit noch größerer Härte wurde er ihrer dann immer wieder erinnert. Schließlich war er offiziell eingetreten und hatte bald seine ersten Aufträge erhalten. Sein allererster Auftrag bestand darin einen älteren Ordensbruder zu begleiten. Sie waren den Jakobsweg entlang gewandert, bis nach Santiago de Compostela, und hatten dort einige Pilgerprediger aus dem Weg geräumt, die eine Bibeldeutung vertraten, die der Heiligen römisch-katholischen Kirche ein Dorn im Augen war, hätte sie sich verbreitet. Damals war er dem Tod begegnet und hatte gelernt, wie schnell mal ihn herbeiführen und ihm die Seelen der Sünder übergeben konnte. Damals hatte er jeden Tag nach der Tat schreckliche Albträume gehabt. Sein Bruder hatte ihn diese nicht nehmen können, doch hatte er ihm immer wieder versichert, das diese Art der Sünde ihnen, und nur ihnen allein, vergeben wurde und dass der Heilige Vater sogar auf solchen bestand, damit sich der christliche Glauben ungehindert entfalten konnte. Nun, er war jung gewesen und viel zu unerfahren, dass er den Worten glaubte und auch glaubte, dass dies der einzige so geartete Auftrag sein würde, den er je erhalten würde. Doch die Wahrheit war, er war ein Mörder in heiliger Mission geworden. Denn alle seine Aufträge waren unausweichlich mit dem Tod verbunden. Und schließlich, nachdem er sich mit dem Morden abgefunden hatte, war jemand in seine Welt getreten, die nur noch aus Gebeten, Bußen und Morden bestand und hatte sie für eine kurze Zeit gesprengt. Diese Person hatte ihm eine andere Seite der Sünde gezeigt. Und ehe er es sich versehen hatte, war seine Seele des Teufels Eigentum gewesen. Und wieder war seine Welt mit einem Schlag zerstört worden und diese von Gott verfluchte Person hatte sein Leben verlassen. Das war vor drei Jahren gewesen. Und jetzt stand er hier mitten auf der Straße und starrte die Person an, die ihm alles gegeben und noch mehr wieder genommen hatte. Oh Gott. Du hast dich kein Stück verändert. Sie maßen sich gegenseitig mit erschrockenem Blick, wollten nicht zugeben, dass sie einander kannten, und doch war es offensichtlich für den Betrachter, wenn er näher hingeschaut hätte. Hat er aber nicht und so blieben ihm einige Dinge verborgen, die sehr wichtig waren. Das vorsichte Ballen einer Faust. Das Zittern schlanker Hände, welches schnell versteckt wurde. Und das wichtigste überhaupt: Die ganzen Gefühle, die sich n beiden ausbreiteten, ohne, dass sie es verhindern konnten. Und doch starrten sich grasgrüne und meerblaue Augen nur an, bis eine Kutsche ihren Blick für einige Sekunden trennte. Als die blauen Augen wieder freie Sicht hatten, war der andere verschwunden. Kapitel 5: panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie ---------------------------------------------------------- panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie Unser tägliches Brot gib uns heute Give us today our daily bread Nach dieser grauenhaften Nacht hatte er einen noch grauenhafteren Morgen. Sein Vermieter schmiss ihn raus, weil er in der letzten Nacht vor lauter Unruhe einige Möbelstücke demoliert hatte. Nun saß er wieder im Salon und aß. Er war gereizt und übervorsichtig. Doch niemand ließ sich dazu herab ihn zu beobachten, mit Ausnahme des Wirtes, der schon einmal Tische hatte neu machen lassen müssen, weil dieser ungehaltene Gast in einer Prügelei fast alles zerstört hatte. Er nahm noch eine Flasche billigen Fussel mit nach draußen und lief ziellos durch die Stadt. Er hatte vor, noch wenigstens zwei Tage zu bleiben, bis er alle Besorgungen erledigt hatte. Also kümmerte er sich erst einmal um eine Unterkunft, in der er seine wenige Habe abstellen konnte. Er kam bei einem schwarzen Schuhmacher unter. Zahlte ihm einen halben Dollar als Miete und machte sich dann auf den Weg zum Markt. Er brauchte bearbeitete Lederriemen, die in der hiesigen feuchten Luft nicht so schnell brüchig wurden. Außerdem hatte er noch ein paar besonders schön gezeichnete Hermelinfelle im Übergang vom Sommer- zum Winterfell. Die wollte er jetzt für noch besseres Geld als die gestrigen Felle an Schneider oder Gerber verkaufen. Schließlich liebte die Frauenwelt solche Raritäten. Seine ungemütliche Stimmung hatte sich verflogen, in seinem Geldbeutel klapperten zehn Dollar. Er war zufrieden, Das war wirklich ein angemessener Lohn für seine Arbeit. Außerdem konnte er davon fast alles bezahlen, was er noch benötigte um aufbrechen zu können. Er besah sich einen Augenblick den Himmel, er hatte heute eine eigentümliche Farbe, ein Blau, das, je länger man es betrachtete, immer dunkler wurde. Dunkler, wie von Leidenschaft verhangen… Ach verflucht, das ist doch nur Einbildung. Doch als er seinen Blick wieder senkte starrte er immer noch in dieses unergründliche Blau, das ihn zu verschlingen schien, um ihn nie wieder herzugeben. Nein… Panik war alles, was er spürte. Doch er konnte sich nicht von diesen Augen lösen, so sehr er es auch versuchte und seinem Körper befahl sich davon zu machen. Nichts passierte, bis eine Kutsche sein Blickfeld durchschnitt und er sofort die Beine in die Hand nahm. Oh Gott… bitte lass es eine Einbildung gewesen sein!? Er lief zurück zu seinem Zimmer und packte alle Sachen, die er besaß, zusammen, um sofort aufzubrechen. Was ihm jetzt noch fehlte würde er sich auf Bauernhöfen, die es im Umland gab, zusammenkaufen. Jetzt musste er nur weg von hier! Ein letzter Blick in seine Kiepe und die Bündel gezählt, seine Schwerter packte er in eine dafür vorgesehene Tasche, damit sie nicht auffielen. Alles da! Also los! Er schnallte sich alles auf den Rücken und machte sich auf dem schnellstmöglichen Weg aus der Stadt heraus. Jetzt ergab auch alles einen Sinn. Die Kerze unter dem Bildnis, sein Gefühl beobachtet zu werden, seine Träume, einfach alles. Aber wie hatte er ihn gefunden? War seine Spur so einfach zu verfolgen? Dabei hatte er doch versucht, so gut es ging keine Hinweise zu hinterlassen… Er hatte sich sogar einen neuen Namen zugelegt. Pah! Ein neuer Name, sehr witzig! Schließlich hat er dich immer so genannt. Und du Trottel von einem Schwertkämpfer wolltest das vergessen? Hast alles getan um dich zu verstecken und dann schließt du Bekanntschaften unter so einem Namen? Wie blöd kann man eigentlich sein? Du wolltest doch gefunden werden! Er hatte eine belebtere Straße erreicht und mischte sich unter die Händler und Bürger. In diesem Gewimmel würde er ihn nicht so schnell finden. Allerdings machte das die Beobachtung seiner Umgebung auch schwieriger. Und jedes Mal, wenn er einen blonden Schopf sah, versteckte er sich. Ich muss hier raus, und zwar schnell! Kapitel 6: et dimitte nobis debita nostra ----------------------------------------- et dimitte nobis debita nostra Und vergib uns unsere Schuld And forgive us our trespasses Er wusste, dass der andere die Stadt verlassen hatte. Das war ihm in dem Moment klar gewesen, als sie sich in die Augen gesehen hatten. Jetzt galt es ihn einzuholen. Er machte sich wieder auf den Weg zurück zur Kirche. Am Horizont zogen wieder Gewitterwolken auf. Er sammelte seine Habe ein, nachdem er ein letztes Gebet in der Kirche gesprochen hatte, und machte sich auf den Weg. Von dem Mönch hatte er erfahren, dass seine Zielperson Richtung Kanada unterwegs war. Das machte die Suche einfacher. Er würde ihm folgen, irgendwie ergab sich dann schon eine Möglichkeit. Bald nachdem er die Stadt Richtung Jordan Road verlassen hatte begann es zu regnen. Ihm war es egal. Er musste nur schnell vorankommen. Sonst hatte er keine Chance den anderen einzuholen. Er mochte nur einige Stunden Vorsprung haben. Doch der Blonde wusste, dass das schon ausreichte um eine ganze Welt zwischen sie zu bringen. Der Rege weckte Erinnerungen. Erinnerung an Zeiten, die er einerseits vergessen wollte. Doch andererseits wünschte er sie sich wieder herbei. Er hatte ihm einen Namen gegeben, bei dem nur er allein ihn nennen durfte. Sie hatten sich verstanden. Vielleicht war es eine Art Seelenverwandtschaft, er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er sich in der Gegenwart des Dunkelhaarigen wohl gefühlt hatte... Dieser hatte in den Stahlwerken als Tagelöhner gearbeitet und sich ab und zu als Lieferant für nicht ganz ungefährliche Pakete etwas dazu verdient. Sie hatten sich häufig in Spelunken getroffen, die sich um die Themse sammelten. Tranken und erzählten. Über was sie redeten war egal. Nur das er dem Dunkelhaarigen niemals die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte eine einzige große Lüge um die Freundschaft zwischen ihnen gestrickt. Denn die Wahrheit durfte keiner wissen. Schließlich war er damals in London gewesen um einen Auftrag zu erfüllen… Kapitel 7: sicut et nos dimisimus debitoribus nostris ----------------------------------------------------- sicut et nos dimisimus debitoribus nostris Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern As we forgive those who trespass against as Der Regen viel in unaufhörlichen Strömen. Seit mehr als drei Tagen. Er stapfte durch den Matsch, immer weiter Richtung Norden, auf der unbefestigten Straße. Am Berghang konnte er eine Poststation ausmachen. Dort würde er die Nacht verbringen, und am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang weiter ziehen. Die Pferde im Stall waren leicht unruhig. Wer weiß warum? Vielleicht war ein Raubtier in der Nähe… Er war froh aus dem Regen zu sein, als er das Hauptgebäude der Station betrat. Die Lampen erhellten den großen Raum nur widerwillig und nur sehr leise waren gemurmelte Worte zu hören. Ein Mann in Uniform kam auf ihn zu und fragte ihn, was er wolle. Er antwortete, stellte sein Gepäck ab und setzte sich auf den Fußboden in der Nähe des Kamins. War doch verdammt kalt draußen. Als er die Augen wieder öffnete war es draußen bereits komplett dunkel. Die meisten Lampen waren gelöscht. Doch irgendwas stimmte nicht. Er fühlte sich, wie ein Reh direkt vor der Nase des Pumas, ausgeliefert. Doch er konnte nicht ausmachen, von wo die Gefahr drohte. Von außerhalb des Hauses? Oder war sein Widersacher hier im selben Raum mit ihm? Er sah sich um, ohne sich groß zu bewegen. Das wenige Lampenlicht erhellte die Holzdielen des Fußbodens nur sehr schwach. Umrisse von weiteren Personen um ihn herum zeichneten sich als Schatten ab. Nichts regte sich. Langsam verlagerte er sein Gewicht, versuchte eine andere Position einzunehmen. Er schob eine Hand zu seiner Tasche mit den Schwertern. Verdammt, wo steckst du Mistkerl? Vor dem Fenster bewegte sich ein Schatten. Sofort war seine ganze Aufmerksamkeit auf die Geräusche und Bewegungen von der anderen Seite der Hauswand gerichtet. Ich muss hier raus. Er schnappe sich seine Schwerter und verließ so leise wie möglich das Gebäude. Der Regen hatte aufgehört. Irgendwo tropfte Wasser vom Dach in eine Pfütze oder Regentonne. Der Wind rauschte in den Bäumen. Er bewegte sich geschmeidig durch die Schatten. Er war Jäger, im Spiel mit Dunkelheit und Stille kannte er sich aus. Er suchte die Gestallt, welche die Bewegung am Fenster hervorgerufen hatte. Er tauchte in den Schatten des Haupthauses ab, sein Haar hatte er unter einem schwarzen Tuch verborgen. Nichts sollte seine Anwesenheit verraten. Dann wieder…! Aus dem Augenwinkel heraus sah er den Schatten. Er bewegte sich schnell. Zu schnell für einen normalen Menschen. Doch er wusste, dass hinter ihm kein normaler Mensch her war. Als er an der Hausecke ankam um die der Schatten verschwunden war, stutzte er. Vor ihm stand ein junger Baum, dessen Äste im Spiel des Windes schattenhafte Bewegungen auf den Boden und durch eines der Fenster ins Haupthaus warfen. Hab ich mich getäuscht? Aber… was war mit dem Gefühl, dass er beobachtet wurde? „Eine Bewegung und du bist tot.“ Kaltes Metall legte sich an seinen Hals. Sein Griff um die Schwerter wurde fester, wenn er… „Denk nicht mal dran.“, die Stimme war eiskalt. Doch der Atem der ihn am Hals streifte war heiß. Verdammt! Langsam ließ er seine Schwerter sinken. Beruhig dich. Wart ab. „Lass die Schwerter fallen.“ Er tat wie ihm geheißen. Der andere rückte noch ein Stückchen näher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)