Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 50: Bruder gegen Bruder ------------------------------- Noch immer mit geschlossenen Augen kniet Arashitsume in seinem Thronsaal und lauscht der regen Geschäftigkeit in seinem Schloss. Wie sie sich alle bemühen, seinen Erwartungen zu entsprechen. Es ist beinah zum Lachen. Doch im Augenblick steht ihm nicht der Sinn danach. Vor ein paar Augenblicken sind einige Stimmen in diesem wirren Wust aus mentalem Gebrabbel verschwunden und Arashitsume weiß, dass der Fürst des Westens, seine ersten Opfer gefunden hat. Sesshomaru kommt dem Palast immer näher und noch immer hat er keine Nachricht über den Verbleib der Nordfürstin und ihrem Heer. Offenbar muss er nun doch einmal in Erfahrung bringen, was Sokudo gerade treibt. Ohne große Anstrengung sendet er seine Worte aus. „Sokudo!“ Nur wenige Augenblicke später erhält er Antwort: „Mein Fürst! Vergebt mir! Ich bin untröstlich, dass ich Euch nicht schon früher kontaktiert habe, doch die Umstände waren etwas ungünstig.“ Unwillig verzieht Arashitsume das Gesicht: „Ich bin es leid, mir Ausflüchte anzuhören! Also rede schon! Hast du Yarinuyuki übermittelt was du solltest?“ „Ja, mein Fürst!“ „Ja und? Stell meine Geduld nicht länger auf die Probe!“ „Sie... schien gewillt, mir zu glauben, doch ungünstigerweise hat auch noch ein zweiter Bote sie aufgesucht. Ein Nishi-aitsu, der für Sesshomarus Bruder arbeitet und hat ihr eine vollkommen andere Geschichte erzählt. Er versuchte Euch als den Schuldigen hinzustellen, mein Fürst!“ Arashitsume hält inne. Seine ebenmäßige Stirn legt sich in Falten. Was hat das zu bedeuten? Fuscht ihm dieser Hanyou etwa ins Handwerk? Wie überaus lästig! „Und wie hat sie das aufgenommen?“, fragt er weiter. „Sie ist sich nicht sicher, wem sie glauben soll. Sie ist nun auf dem Weg zu Euch, um sich Klarheit zu verschaffen.“ Verdammt! Arashitsume ballt ärgerlich die Faust. Das hat mir gerade noch gefehlt! Wenn sich Yarinuyuki auf Sesshomarus Seite schlägt, dann wird es allmählich eng. Doch noch ist nichts verloren. Scheinbar ist ihr Entschluss noch nicht gefasst und das bedeutet, wenn er geschickt vorgeht, kann er ihre Bedenken noch immer zerstreuen. „Wo befindest du dich im Augenblick?“, fragt er nun scharf. „Wir befinden uns gerade auf dem Weg zum Palast. Ich wurde vorerst in Gewahrsam genommen von ihren Soldaten, zusammen mit dem Nishi-aitsu, aber gerade eben ist er seinen Bewachern entkommen und geflohen.“ Der Ostfürst hebt die Brauen. „Ach tatsächlich? Wie hat Yarinuyuki darauf reagiert?“ „Sie weiß es noch nicht, mein Fürst. Sie ließ uns bei ihren Leuten zurück und begab sich mit diesem Kossoridoku zusammen auf den Weg zu Eurem Palast.“ Arashitsumes Augen weiten sich. „Einen Augenblick! Sagtest du Kossoridoku? Was hat der Kerl bei ihr verloren?“ „Als wir auf ihn trafen, waren gerade zwei der Streuner auf dem Weg mit ihm zu Eurem Palast. So wie es aussieht, dienen sie momentan diesem Hanyou, der gerade gegen Chihime-sama kämpft und scheinbar soll Kossoridoku dazu beitragen, Euch in Misskredit zu bringen. Aber ich glaube nicht, dass er viel erzählen wird. So wie es aussieht, wurde er von seinen ehemaligen Kameraden und diesem Hanyou überwältigt und übel zugerichtet.“ „Sagtest du gerade, der Hanyou kämpft gegen dieses Miko-Weib? Woher weißt du das?“ Ein kurzes Zögern, dann kommt die Antwort: „Sie... fing mich auf dem Weg zu Yarinuyuki ab. Nur weil der Hanyou sie ablenkte, konnte ich ihr entkommen.“ Arashitsume fletscht unwillkürlich die Zähne. Dieses verdorbene Weibsbild bringt aber auch nichts Vernünftiges zustande! Erst versagt sie bei ihrem Auftrag und dann hätte sie beinahe noch seinen Alternativplan zum Scheitern gebracht. Die Frau macht einem nichts als Ärger. Kein Wunder, dass man sich nicht mit Mikos abgeben soll. Nun, zumindest mit diesem Hanyou sollte sie noch fertig werden. Um den wird er sich zunächst mal keine Sorgen mehr machen müssen. Einen Augenblick scheint er noch zu überlegen, dann sagt er: „Bleibe vorerst dort und gib ihnen keinen Grund, deine Geschichte anzuzweifeln. Sollte sich etwas Neues ergeben, kontaktiere mich augenblicklich! Verstanden?“ „Natürlich, Arashitsume-sama!“ In diesem Augenblick erscheint plötzlich eine Gestalt am Eingang des Saales und nähert sich rasch. Arashitsume blickt auf und sogleich erkennt er den Neuankömmling. Wie beiläufig bricht er den Kontakt zu seinem Untergeben ab und konzentriert sich auf den kräftigen Youkai, der sich ihm nähert, direkt vor dem Thron zum Stehen kommt, auf die Knie hinabfällt und ergeben den Kopf senkt. „Ihr wünschtet mich zu sehen?“, fragt Raimeimaru. „In der Tat!“, Arashitsumes Miene ist regungslos, „Es befinden sich Eindringlinge in meinem Palast!“ Überrascht hebt Raimeimaru den Kopf: „Eindringlinge, mein Fürst?“ „So ist es!“, antwortet Arashitsume, „Ich wünsche, dass du sie aufspürst und sie in Gewahrsam nimmst!“ Ein wenig unsicher blickt Raimeimaru ihn an: „Ich bitte untertänigst um Verzeihung mein Fürst, aber ist das nicht ein Versäumnis der Higashi no Tate (Schild des Ostens)? Sollten sie nicht dafür sorgen?“ Nun wird der Blick des Fürsten deutlich kühler. „Seit wann ist es dir erlaubt, meine Befehle in Frage zu stellen?“ Raimeimaru senkt rasch wieder den Blick: „Verzeiht mir, mein Fürst! Natürlich werde ich Eurem Befehl gehorchen!“ „Gut!“, entgegnet Arashitsume ungerührt, „Es sollte kein größeres Problem für dich werden. Diese Personen werden kaum Widerstand leisten.“ Raimeimaru hebt den Kopf: „Wer ist es, mein Fürst? Wen soll ich für Euch festnehmen?“ Eine Schiebetür wird aufgestoßen und eine kleine, grüne Gestalt stürzt beinahe ins Zimmer bevor sie die Tür hastig wieder zuschiebt. Schwer atmend und schwitzend schaut Jaken sich um. Der Raum ist leer. „Und du bist auch sicher, dass das hier das richtige Quartier ist?“, wendet er sich an seine Schulter. „Natürlich!“, piepst Myoga empört, „Das hier ist das Quartier in dem Inu Yasha-samas Begleiter und Rin untergebracht waren.“ Der kleine Kobold blickt sich um: „Aber hier ist sie nicht! Sie werden sie doch wohl nicht schon gefunden und getötet haben? Oh, nein!“, verzweifelt wirft er sich zu Boden, „Ich habe versagt! Ich habe meinen Herren schmählich enttäuscht! Das wird mir Sesshomaru-sama niemals verzeihen! Ich bin schon so gut wie tot! Sesshomaru-sama kennt in diesem Punkt keine Gnade! Was mach ich nur! Was mach ich nur! Rin! Ach, Rin! Warum war ich nur nicht schneller!“ „Jaken-sama...?“, eine zaghafte Stimme bringt den kleinen Youkai urplötzlich zum Verstummen. Sofort springt er auf und schaut sich hektisch um: „Rin?“ „Ich bin hier drin!“, die leise Kinderstimme kommt aus dem Wandschrank in dem die Futons verstaut werden. Sofort läuft der kleine Gnom hinüber und reißt die Tür auf. Darin, gut versteckt hinter den Matratzen, lugt eine kleine Nasenspitze und ein schwarzer Haarschopf hervor. Jakens Miene hellt sich augenblicklich auf. „Rin!“, ruft er freudig aus, „Du bist ja gar nicht tot!“ Das Mädchen krabbelt nun aus dem Schrank hervor. „Ich bin aufgewacht und niemand war mehr da“, erklärt sie, „Also habe ich gewartet, aber niemand ist gekommen. Und plötzlich hörte ich lautes Rufen und Trappeln auf dem Gang und ich dachte mir, da stimmt was nicht. Also hab ich mich versteckt, damit sie mich nicht entdecken! Aber ich wusste, dass Sesshomaru-sama mich bestimmt finden wird. Wo ist er denn?“ Jakens Miene wird ernst: „Er hat mir gesagt, dass ich dich mitnehmen soll. Ich soll dich sofort hier wegbringen. Hier wird es nämlich bald gefährlich!“ Rin nickt gehorsam. „Ok!“ Gerade wollen sie den Raum wieder verlassen, da geht erneut die Tür auf. Wie angewurzelt stehen Jaken, Myoga und Rin da und blicken zu dem kräftigen Youkai hoch, der nun in der Tür steht und ihnen den Weg versperrt. „Whaa!“, ruft Jaken aus, „Wir sind ertappt!“ Mit ausdrucksloser Miene blickt Raimeimaru auf die kleine Dreiertruppe vor ihm herunter. Sein Blick bleibt an Rin hängen und seine Stirn legt sich in nachdenkliche Falten. Dann sagt er: „Ihr werdet mich begleiten!“ Doch so einfach gibt sich Jaken nicht geschlagen und so hoch wie er es vermag, richtet er sich vor dem Youkai auf und streckt ihm seinen Kopfstab entgegen. „Auf keinen Fall! Und ich rate dir, fordere nicht meinen Zorn heraus, oder du wirst es bitter bereuen! Mein Herr, Sesshomaru-sama, wird sehr ungehalten sein!“ Doch statt einer Antwort schiebt Raimeimaru lediglich hinter sich die Tür zu. Einige Augenblicke später ist ein heftiges Rumpeln und Krachen in dem Zimmer zu hören. Einige Schreie ertönen und dann liegt wieder Stille über dem Flur. Ein tiefes Grollen dringt aus Sesshomarus Kehle. Mit rotglühenden Augen starrt er zu Inu Yasha hinüber. Erst scheint es als wollte er ihn angreifen, doch dann fährt sein Kopf wieder herum und gleich darauf setzt er seinen Weg fort. „Ich hab gesagt du sollst hierbleiben!“, schreit Inu Yasha ihm zornig hinterher. Er hat reagiert und sofort setzt er seinem Bruder nach. „Kaze no Kizu!“, und wieder rollt die mächtige Attacke direkt vor der Schnauze des großen Hundes vorbei. Mit gefletschten Zähnen ruckt Sesshomarus Kopf herum. Grimmig erwidert Inu Yasha den Blick: „Das war die letzte Warnung!“ Sesshomarus kräftige Muskeln spannen sich an. Seine Haltung ist geduckt und bereit zum Sprung. Noch einmal vibriert das beängstigende Knurren in seiner Kehle und dann von einem Moment auf den anderen stürmt er los. Inu Yasha sieht ihn kommen. Jetzt gilt es! Unwillkürlich stellt er fest, dass ihm ein wenig mulmig zumute wird. Er hat schon öfter gegen seinen Bruder gekämpft und gelegentlich auch in seiner wahren Gestalt, aber dies ist das erste Mal, dass er seinen Bruder als Gegner hat, wenn er so völlig außer sich ist. Es erscheint zweifelhaft, ob der ihn gerade überhaupt erkennt. Er fasst Tessaigas Griff fester und hebt das Schwert, um ihn zu empfangen. Es weiß, Sesshomaru ist stark. Womöglich ist er der härteste Gegner den er sich vorstellen kann. Aber im Gegensatz zu Naraku, seinem Hassfeind, wünscht er seinem Bruder nicht unbedingt den Tod. Zugegeben, Sesshomaru ist arrogant, stur, rücksichtslos, grausam und ständig auf Streit aus, aber wirklich hassen, tut er ihn eigentlich nicht. Und wenn er ehrlich sein soll, dann wäre es ihm lieber, wenn er seinen Bruder diesmal nicht töten müsste, doch möglicherweise wird sich das nicht vermeiden lassen. Sein Bruder scheint wirklich zu allem bereit zu sein, um den Ostfürsten fachgerecht auseinanderzunehmen. Und genau das muss erstmal verhindert werden. Mit unheimlicher Geschwindigkeit prescht der Daiyoukai auf ihn zu und jetzt läuft auch Inu Yasha los, entschlossen, ihm zu begegnen. Nur einen Augenblick später treffen die beiden Kämpfer aufeinander. Kräftige Kiefer schnappen zu und im selben Moment durchzuckt das Aufblitzen eines geschwungenen Schwertes die Luft. Ein wütendes Knurren erfüllt den Platz und im nächsten Augenblick wird der kräftige Hund zur Seite geschleudert. Doch rasch fängt er sich wieder auf seinen drei Pfoten ab und fährt herum. Boshaft starrt er den Hanyou an, der in eben diesem Moment, nach einem hohen Sprung, wieder auf dem Boden aufkommt und sich seinem Gegner ebenfalls wieder zuwendet. „Es scheint, ich habe endlich deine Aufmerksamkeit!“, meint Inu Yasha ernst. Sofort geht er wieder in Angriffsposition. „Du bist ganz schön nachlässig!“, stellt er verächtlich fest, „Hätte ich mit der scharfen Seite zugeschlagen, wärst du jetzt Schnetzelfleisch. Hat sich mit deiner menschlichen Form auch dein Verstand verabschiedet?“ Sesshomaru knurrt bedrohlich und dann stürmt er erneut auf den Hanyou los. Wieder hebt Inu Yasha drohend sein Schwert: „Zwing mich nicht! Im Gegensatz zu Tenmaru, werde ich nicht zögern, dich zu verletzen!“ Urplötzlich fliegen Sesshomarus Augen wild auf und im selben Moment beschleunigt er sein Tempo. Schon hat er den Hanyou erreicht. Inu Yasha versucht noch zu reagieren, doch nur einen Augenblick später geht auch schon eine riesige Pranke nieder und noch ehe er sich in Sicherheit bringen kann, trifft ihn der heftige Schlag der Tatze und drischt ihn einmal quer über den Platz, sodass er unter Knacken und Rauschen in der buschigen Krone eines nahen Baumes hängenbleibt. „Arg, verdammt!“, flucht Inu Yasha benommen, „Ich dreh ihm den Hals um! Der geht mir jetzt schon so dermaßen gegen den Strich!“ Ein wenig umständlich versucht er sich aus den Zweigen des Baumes zu befreien, möglichst noch bevor Sesshomaru auf die Idee kommt, ihm den Rücken zu kehren und seinen Weg zum Palast fortzusetzen. Er muss sich ein wenig die Schmerzen verbeißen dabei, denn ausgerechnet der massive Baumstamm hat seinen Flug gebremst und einmal mehr ist er dankbar für sein Dämonenblut, dass seinen Körper so widerstandsfähig macht und ihn vor den schlimmsten Verletzungen bewahrt hat. So ist er mit ein paar blauen Flecken davon gekommen und schon hat er sich wieder soweit aufgerappelt, dass er vom Baum herunterspringen kann. Doch fast wie erwartet, schert sich sein Bruder gar nicht mehr um ihn. Längst hat er ihm den Rücken gekehrt und sich wieder auf den Weg gemacht. Inu Yasha verzieht das Gesicht. „Hör gefälligst auf, mich zu ignorieren!“ Mit diesen Worten springt er ihm hinterdrein. Du dämliche Kerl!, denkt er bei sich. Hast du wirklich alles vergessen? Hast du vergessen, dass wir hier sind, um einen Krieg zu verhindern? Du Blödmann, du muss doch wissen, dass du Arashitsume nicht einfach so angreifen darfst! Auch wenn es mich selbst ankotzt, dass das miese Stück Dreck noch immer unter den Lebenden weilt, aber momentan schützt ihn noch das Gesetz. Das habe sogar ich begriffen, und wenn ich das weiß, dann du ja wohl auf alle Fälle! Ist dir das plötzlich alles egal? Inu Yasha nimmt weiter die Verfolgung auf, doch Sesshomaru hat schon einen ziemlichen Vorsprung. So wie die Dinge laufen, wird er ihn kaum einholen können. Inu Yasha fletscht die Zähne. Verdammt! Ich will dich nicht töten müssen! Nicht aus irgendwelchen plötzlichen Sympathien für dich, aber damit würde ich Arashitsume womöglich noch einen Gefallen tun! Ich hasse es! Ich hasse es, dass du mich dazu zwingst, du Idiot! Seine Hand umklammert hart Tessaigas Griff. Hast du bei mir auch so viele Gewissensbisse gehabt? Du hast vorhin zwar wirklich versucht, mich zu töten, aber als du dann die Gelegenheit hattest, hast du gezögert! Sei ehrlich, du wolltest es gar nicht, aber du warst bereit, es zu tun, um einen Krieg zu verhindern. Verdammter Dreckskerl! Ich weiß nicht, was mich mehr stört. Dass du versucht hast, mich zu töten, oder dass du es eigentlich gar nicht wolltest! Was bin ich für dich, Sesshomaru? Ein Feind? Ein unvermeidliches Übel? Ein Wesen, dass zufällig das gleiche Blut hat wie du, oder doch so etwas wie ein Bruder? Ich versteh dich einfach nicht! Ich kann dich inzwischen gar nicht mehr einschätzen. Ich habe heute Seiten an dir gesehen, von denen ich nie dachte, dass sie existieren würden. Was, verdammt, soll ich davon halten? Und jetzt das! Das da bist nicht mehr du! Das da ist meilenweit von dem Sesshomaru weg, den ich kenne. Du warst immer so stolz auf dein Erbe und jetzt wird es dir wahrscheinlich den Untergang bringen. Aber... das lasse ich nicht zu! Ich werde nicht akzeptieren, dass du alles wegwirfst, was dir wichtig war, nur weil du glaubst, nichts mehr zu verlieren zu haben! Und wenn ich deinen Stolz und deine Prinzipien nur dadurch beschützen kann, indem ich dich töte, dann... bleibt mir wohl keine andere Wahl! Noch einmal atmet er kurz durch, doch dann holt er weit aus, zielt und schlägt zu. Eine mächtige Energiewelle löst sich von der Klinge und fegt nun direkt auf den dahineilenden Daiyoukai zu. Eine innere Stimme scheint den mächtigen Hund jedoch zu warnen und lässt ihn herumfahren. Mit geschicktem Sprung will er der heranrauschenden Energie entgehen, doch dabei unterschätzt er ein wenig ihre Geschwindigkeit und noch im Sprung wird er von den gelbleuchtenden Energiemassen mitgerissen. Der Lichtblitz lässt Inu Yasha kurz die Augen schließen. Die Attacke hat sich verflüchtigt und eine dicke Staubwolke liegt nun über der Stelle wo der große Hund zu Boden gestürzt ist. Mit der Hand scheucht Inu Yasha die Staubschwaden beiseite und läuft zu seinem Bruder hinüber. Er ist sich sicher, ihn getroffen zu haben, aber die Frage ist, wie sehr hat er ihn dabei verletzt? Noch immer ist kaum etwas zu erkennen durch die Staubwolke die in der Luft liegt. Urplötzlich hält er inne. Direkt vor sich riecht, nein, spürt er seinen Bruder. Und auf einmal bemerkt er zwei leuchtende rote Augen, die direkt vor ihm, aus unangenehmer Höhe, auf ihn hinabstieren. Inu Yasha nimmt sofort Verteidigungshaltung ein und hebt sein Schwert. „Du bist also doch noch nicht krepiert? Hätte mich ehrlich gesagt auch ein wenig enttäuscht! Bin irgendwie was anderes gewohnt von dir.“ Noch immer ist die riesenhafte Gestalt in dem Staubdunst kaum zu erkennen, doch ein tödliches Knurren ist nun wieder zu hören und die rotglühenden Augen sinken bedrohlich tiefer. Inu Yasha fasst sein Schwert fester: „Keine Chance! Ich lass dich nicht weg! Du gehst nirgendwo mehr hin!“ In genau diesem Moment spürt er wie sich beträchtliche Energiemassen vor ihm zusammenballen und ein scharfer Wind fegt urplötzlich über die Ebene, sodass Inu Yasha seine Füße fest in den Boden stemmen muss, um nicht umgeweht zu werden. Und nur wenige Momente später ist von der Staubwolke nichts mehr übrig und der Blick auf den mächtigen Daiyoukai wird frei. Eine lange, unschöne Wunde zieht sich quer über seinen Rücken bis hinab zu seiner Flanke und dicke Blutstropfen fallen unablässig zu Boden und haben bereits eine beträchtliche Lache gebildet. Doch die riesenhafte Gestalt scheint ihr keinerlei Beachtung zu schenken. Stattdessen ist ihr Blick nun unverwandt auf den Hanyou vor ihr gerichtet und ihre Zähne sind bedrohlich gefletscht. Noch immer umwirbeln rötliche Energiemassen den gewaltigen Hund und der Sturm den sie dabei erzeugen, beginnt schon die ersten Bäume zu entwurzeln. Dann urplötzlich innerhalb eines Sekundenbruchteils, schnellen die gefährlichen Kiefer vor und versuchen den Hanyou zwischen sich einzuquetschen. Doch Inu Yasha hat aufgepasst und ist geschickt aus dem Weg gesprungen. Immer wieder und wieder schnappen die Kiefer zu und wieder und wieder hüpft Inu Yasha flink aus ihrer Reichweite. Dabei entgeht ihm nicht die Blutspur, die sein Bruder hinter sich herzieht. „Sesshomaru!“, ruft er verbissen, „Hör auf damit! Krieg dich wieder ein, verdammt! Mit der Verletzung bringst du dich früher oder später noch selber um! Da muss ich nicht mal was machen!“ Doch der Daiyoukai scheint ihn nicht zu hören. Ein weiteres Schnappen folgt und diesmal springt Inu Yasha nicht aus dem Weg sondern hebt sein Schwert und mit einem geschickten Hieb zieht er dem riesigen Hund einen Schmiss quer über die Schnauze. Ein kurzes Aufjaulen ertönt und verstummt aber wieder so schnell wie es gekommen ist und nur einen Sekundenbruchteil später rast die mächtige Vordertatze hinab und noch ehe Inu Yasha reagieren kann, schlägt sie ihn auch schon zu Boden und begräbt ihn unter sich. Ein jähes Ausschnaufen lässt augenblicklich sämtliche Luft aus seinen Lungen entweichen und unter dem tonnenschweren Gewicht seines Bruders hört er bereits die ersten Rippen knacken. Verflixt! Er hat nur eine Sekunde nicht aufgepasst und gleich wird er so in die Mangel genommen. Schon beginnen seine Lungen unter dem Luftmangel zu schmerzen und sein Rücken fühlt sich an, als würde er gerade in Stücke gerissen. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Die scheußlichen Schmerzen, die seinen Körper gerade überfluten, lassen ihn fast die Besinnung verlieren, aber das darf nicht sein! Er kann so nicht aufgeben! Er muss es zu ende bringen! Es ist seine Pflicht! Schon sieht er wie die mächtigen Kiefer des Dämonenhundes zu ihm herunterfahren, um ihn zwischen ihren Zähnen zu zermalmen. Mit letzter Kraft reißt er Tessaiga, das noch immer in seiner Hand liegt, hoch und schlitzt über die Zehen der großen Tatze, die ihn niederhält. Ein erneutes Aufjaulen lässt den riesigen Hund zusammenfahren und die Pfote reflexartig wegnehmen. Eine unbeholfene Rückwärtsrolle bringt Inu Yasha aus seiner Reichweite und er keucht heftig, jetzt wo er endlich wieder Luft bekommt. Schwer stützt er sich auf Tessaiga und presst die Hand auf den Brustkorb. Wenn das Atmen nur nicht so eklig wehtun würde. Aber im Augenblick kann er sich nicht mit Schmerzen aufhalten. Noch immer muss er seinen Bruder davon abhalten, den größten Fehler seines Lebens zu begehen. Mit unvermindert entschlossenem Blick schaut Inu Yasha zu ihm hinüber. Er steht nun direkt zwischen dem Daiyoukai und dem Weg zum Ostpalast. Der mächtige Hund scheint den Hieb auf seiner Pfote schon nicht mehr zu spüren. Wieder lässt er ein bedrohliches Knurren hören und mit wachsamen Bewegungen versucht er nun, den Hanyou zu umrunden. Allmählich scheint die Blutung zum Erliegen gekommen zu sein, aber die große, rote Wunde und das blutverkrustete Fell ist noch immer deutlich zu erkennen. Inu Yasha hebt grimmig sein Schwert: „Versuch es besser gar nicht erst! Ich werde dich nicht vorbeilassen! Nicht solange doch ein Funken Leben in mir ist!“ Der Daiyoukai knurrt bedrohlich. Inu Yasha nimmt wieder Kampfhaltung ein, ungeachtet seiner Verfassung. Jederzeit ist jetzt mit einem Angriff zu rechnen. Mit drohender Körperhaltung und gesträubtem Fell steht der mächtige Hund ihm gegenüber. Die leuchtendroten Augen verleihen der gefährlichen Aura um ihn noch zusätzlich Ausdruck. Seine Muskeln sind angespannt und sprungbereit. Seine Lefzen heben sich ein wenig und in das tiefe Knurren in seiner Kehle mischt sich nun der Klang einiger verzerrt grausiger Worte: „Lass... mich... vorbei!“ Inu Yasha fletscht die Zähne und der Blick den er seinem Bruder nun zuwirft, steht diesem in nichts nach: „Nur über meine Leiche!“ In genau diesem Moment springt der große Daiyoukai wie von der Sehne geschossen los und steuert direkt auf den Hanyou zu. Mit der gleichen Inbrunst stößt sich nun auch Inu Yasha ab und sprintet direkt auf seinen Bruder zu. Mit flinken, eleganten Schritten folgt Yarinuyuki ihrem Weg. Ihr Gefangener schwebt noch immer dicht hinter ihr. Noch immer ist sie sich unschlüssig darüber, ob sie ihn gleich verhören soll, und damit kostbare Zeit verlieren, oder damit warten soll, bis sie bei Arashitsume ist, und Gefahr laufen, dass die Informationen sich als wertlos erweisen. Ein kleiner Gedanke genügt und der reglose Youkai umrundet sie und schwebt nun direkt vor ihrem Gesicht. Kritisch mustert sie ihn. Der Youkai ist noch immer blutverschmiert und die unnatürliche Körperhaltung zeigt, dass längst nicht mehr alle Knochen zusammengeheilt sind. Anscheinend hat ihn entweder die Kraft, oder der Wille verlassen, sich zu regenerieren. Ein Blick in das aschfahle Gesicht des Youkais gibt Aufschluss darüber, das es vermutlich beides ist. Yarinuyukis Stirn legt sich in Falten. Es ist recht lästig, dass der Youkai sich in einer solch schlechten seelischen Verfassung befindet. So wird es sicher nicht einfach sein, ein paar brauchbare Worte von ihm zu erhalten. Aber sie weiß aus Erfahrung, dass sie letztendlich schon alles erfahren wird, was sie wissen will. Ärgerlich ist nur die Zeit, die dafür draufgehen wird. Innerlich schimpft sie hingebungsvoll über die beiden Streuner, die seinen Willen im Vorfeld schon so effektiv gebrochen haben. Das mag zwar eine günstige Vorarbeit gewesen sein, doch haben sie es vermutlich dabei ein wenig übertrieben. Jegliche Anteilnahme ist aus den Augen des Streuners verschwunden. Yarinuyuki überlegt. Könnte das ein weiterer Trick sein? Wenn die Streuner im Auftrag des Hanyous, oder gar Sesshomarus, handeln, wäre es möglich, dass man ihr bewusst einen nutzlosen Zeugen zugeschoben hat. Sie hat keine Garantie dafür, dass ihr Gefangener tatsächlich einer der Streuner ist, oder gar der bewusste Verräter. Und doch muss sie sich eingestehen, dass Samushis Schilderung einen stärkeren Eindruck bei ihr hinterlassen hat, als ihr lieb ist. Sie kann sich nicht helfen, aber sie ist tatsächlich gewillt, ihm zu glauben. All ihre Instinkte sagen ihr, dass er die Wahrheit sagt. Und dennoch darf sie es sich nicht erlauben, nur auf die Aussage eines Streuners hin, ihren Rachefeldzug abzublasen, oder den Fürst des Ostens offen zu beschuldigen. Dabei würde sie ihr Gesicht verlieren und das ist sie nicht bereit zu dulden. Im Grunde würde selbst die Aussage ihres Gefangenen wenig ins Gewicht fallen, wenn sein Wort gegen das eines Fürsten steht. Doch wenn seine Aussage dazu beiträgt, ihr selbst einen Eindruck zu vermitteln, was nun eigentlich wirklich passiert ist, dann wird sie diese Chance nicht ungenutzt lassen. Noch immer hat sie keine Gewissheit darüber, was tatsächlich an jenem Tag vorgefallen ist und so wie es aussieht, gibt es nur eine einzige Möglichkeit, das zu ändern. Doch dazu muss sie zunächst einmal zurück zum Palast des Ostfürsten und Arashitsume zur Rede stellen und wenn sie schon dabei ist, dann am besten auch gleich Sesshomaru. Doch noch während sie sich darüber Gedanken macht, trifft die Macht eine heftigen Aura auf ihre empfindlichen Sinne auf und lässt sie irritiert stehenbleiben. Sie wendet den Kopf in die entsprechende Richtung. Dann hebt sie erstaunt die Brauen. „Sieh mal einer an!“, murmelt sie wie zu sich selbst, „Mir scheint, nicht nur ich habe ein gewisses Anliegen an Arashitsume zu richten! Das kommt mir wirklich sehr gelegen! Vielleicht sollte ich Sesshomaru mal einen kleinen Besuch abstatten, ehe ich zu Arashitsume gehe. Mit dem Kerl habe ich nämlich auch noch ein Wörtchen zu reden!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)