Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 41: Erlösung -------------------- Laufen! Schneller! Du hast keine Zeit zum Atmen! Es gibt nichts, was Tenmarus verzweifelten Sprint hindern kann. Keine Felsen, kein Unterholz, keine Bäche. Er läuft wie er noch nie in seinem Leben gelaufen ist. Ich darf nicht zu spät kommen! Ich darf es einfach nicht! Wer weiß, ob diese Miko nicht vielleicht schon in Position ist. Wie konnte mir das nur entgangen sein! Dabei war es doch von Anfang an so klar! Tenmaru schüttelt sich innerlich. Ich habe es nicht gemerkt! Niemand von uns hat es gemerkt! Dabei hätte es uns gleich stutzig machen müssen. Sie war viel zu stark! Sie kämpfte, um uns zu beschützen. Natürlich war sie stark! Es gab überhaupt keinen vernünftigen Grund dafür, warum sie plötzlich mitten im Kampf stolpern sollte. Inu Taihyouga hat seinen Vorteil sofort genutzt. Er hat sie getötet, wehrlos wie sie war! Wehrlos, verdammt! Ich hätte es merken müssen! Ich hätte merken müssen, dass da etwas nicht stimmte, als ich Inu Taihyouga angriff und er sich nicht wehrte, ja nicht mal rührte! Natürlich hätte er sich gewehrt! Er war doch noch viel zu sehr auf Kampf eingestellt, als dass er sich hätte überrumpeln lassen. Nicht mal seine Leute haben reagiert. Erst als er tot vor mir lag, kam wieder Bewegung in sie. Was war ich doch für ein Idiot! Ich hätte es merken müssen, aber ich habe sie nicht gerochen! Nicht bewusst jedenfalls. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, hätte es mir klar sein müssen! Kein Wunder, dass ich mich in Kagomes Nähe so schrecklich unwohl gefühlt habe. Sie riecht genau so! Auch sie riecht nach Miko! Diese feine, unterschwellige Nuance hat mich die ganze Zeit irritiert. Es besteht kein Zweifel daran, damals war eine Miko in der Nähe! Und diese Miko hat meine Mutter auf dem Gewissen! Ein Knurren entfährt ihm. Sie hat sie gebannt und Inu Taihyouga dann den Rest machen lassen. Dann lähmte sie ihn und wir haben die Drecksarbeit gemacht. Was für ein mieser Plan! Arashitsume! Du hast das alles von Anfang an geplant! Hat Kossoridoku schon damals für dich gearbeitet? Hat er dir alles erzählt, was wir getan haben? Wusstest du durch ihn von meiner Existenz? Wolltest du mich so verzweifelt, dass du bereit warst, deine eigene Schwester zu ermorden und einen Krieg zu riskieren? Du sagtest, du hättest mich gerettet. Du fragtest, wo ich wohl ohne dich wäre. Du bist es gewesen! Du hast mein Leben zerstört! Du hast meine Mutter umgebracht! Schwer muss Tenmaru schlucken. Der schmerzhafte Druck in seiner Brust wird langsam unerträglich. Seine Gliedmaßen fühlen sich taub und schwer an, aber er läuft weiter. Arashitsume, du bist Schuld daran, dass sie mich zu Ihm geschickt hat. Sie wusste schon immer, dass du mich wolltest, und dass es nur einen Weg gab, wie du mich nicht bekommen konntest. Ich dachte, das wäre der einzige Grund gewesen, aber jetzt weiß ich, dass sie etwas anderes im Sinn hatte. Sie wollte Vergebung! Vergebung für das, was sie damals tat. Tenmarus Herz droht in seiner Brust beinah zu zerspringen. Die vertraute Witterung ist direkt vor ihm. Er darf nicht zu spät kommen! Nicht hierbei! Er hat bereits seine Mutter verloren, er wird Ihn nicht auch noch verlieren! Koste es was es wolle! Es reicht einfach nicht! Er ist nicht schnell genug! Eine weitere Witterung dringt ihm schwach in die Nase und seine Augen fliegen panisch auf. Sie ist da! Sie ist hier irgendwo ganz in der Nähe! Er hat nicht mehr viel Zeit. Er muss sich beeilen! Nun spielt es auch keine Rolle mehr, wer ihn sieht. Kagome weiß es und die Erleichterung, sein Geheimnis mit jemanden teilen zu können, ist unbeschreiblich. Ja, nun hat er die Kraft, Ihm entgegenzutreten, nun wo es heraus ist! Ohne größere Aufmerksamkeit darauf zu verschwenden, beginnt Tenmarus Körper sich zu verformen und in die Länge zu ziehen und nur wenige Augenblicke später läuft an seiner Stelle ein gigantischer Hund mit langer, hellgrauer Mähne durch die Nacht; unaufhaltsam seinem Ziel entgegen. Grimmig presst Sesshomaru Kossoridoku auf den Boden. Der Streuner blickt erst ein wenig besorgt zu ihm hoch, doch dann verzieht er keine Miene mehr sondern erwidert den stechenden Blick des Daiyoukais nur mit unverhehltem Trotz. „Du hast mir erzählt, Inu Yasha hätte das Schloss zusammen mit deinen Kameraden verlassen“, sagt der Fürst des Westens leise. Ungerührt schaut Kossoridoku ihn an: „Das stimmt ja auch!“ Sesshomaru fletscht die Zähne. „Du sagtest, er wolle zu den Nordyoukais, weil einige von euch Rache nehmen wollten.“ „Auch das stimmt!“, erwidert Kossoridoku kalt. Ein grimmiges Knurren klingt in Sesshomarus Kehle und er kommt ganz dicht an das Gesicht des Streuners heran: „Du sagtest, er wollte sie bei ihrem Vorhaben unterstützen!“ Nun fletscht auch Kossoridoku die Zähne: „Ich sagte: Ich schätze! Dass meine Vermutung unkorrekt war, ist nicht meine Schuld!“ Sesshomarus Klauen schließen sich nun immer stärker um seinen Hals. „Halte mich nicht zum Narren, Kossoridoku!“, faucht er, „Du hast mir wissentlich falsche Informationen gegeben.“ Doch der Blick des Streuners zeigt keinerlei Reue. „Macht nicht mich dafür verantwortlich, wenn Ihr die falschen Schlüsse zieht!“ Sesshomarus Knie drückt hart auf seine Brust und Kossoridoku keucht auf. „Ich habe dir deine Dreistigkeiten schon viel zu lange durchgehen lassen!“, raunt Sesshomaru gefährlich. Doch nun zieht ein gehässiges Lächeln über Kossoridokus Gesicht: „Und was wollt Ihr nun deswegen tun? Hmm? Wollt Ihr mich töten? Nur zu! Was hindert Euch?“ Tödlich funkelt Sesshomaru ihn an und seine Zähne sind gefletscht, doch er rührt sich nicht. Verächtlich blickt Kossoridoku zu ihm hinauf: „Gebt es zu! Ihr werdet es nicht tun, sonst hättet Ihr es schon längst getan!“ Mit einem heftigen Druck presst Sesshomaru sein Knie auf das Brustbein des Streuners. Ein trockenes Knacken ertönt, als dabei einige Rippen brechen. Kossoridoku ächzt auf und er verzieht schmerzhaft das Gesicht. Nun legt sich eine angewiderte Miene auf Sesshomarus Gesicht. „Ich höre Arashitsumes Worte aus deinem Mund, Kossoridoku! Es ist also wirklich wahr, dass du zu seinem, kleinen Dienstboten verkommen bist.“ Mit wütendem Gesicht starrt der Streuner nun zu ihm hoch. „Selbst wenn es so wäre, und das bedeutet nicht, dass ich irgendetwas zugebe, dann wäre ich tausendmal lieber sein Dienstbote, als Euer Kampflehrer, Sesshomaru!“ Nun gefriert Sesshomarus Miene zu einer starren Maske. „Ist das so?“, fragt er ruhig, „Was siehst du in ihm?“ Boshaft funkelt Kossoridoku zu ihm hoch: „Einen Fürsten, der sich seine Würde bewahrt hat. Einen Fürsten, der seinem Erbe und seiner Familie keine Schande gemacht hat. Einen Fürsten, der weiß, was einen Daiyoukai ausmachen sollte und der es verdient, dass man ihm bedingungslose Loyalität schwört! Einen Fürsten, der die Taten seiner treusten Untertanen zu würdigen weiß und sie nicht dadurch belohnt, dass er sie dazu zwingt, an der Fürstenfamilie, der sie Treue geschworen haben, Verrat zu üben!“ Einen lange Moment blickt Sesshomaru ihn schweigend an. Dann sagt er leise: „Kossoridoku, du weißt überhaupt nicht wie Arashitsume ist! Du idealisiert ihn genau so, wie zuvor meinen Vater. Du wirst wieder enttäuscht werden!“ Doch der Streuner funkelt ihn nur vernichtend an und dann spuckt er dem Fürst des Westens hinauf ins Gesicht. Unmittelbar darauf, packt Sesshomarus Hand Kossoridokus Hals fester und dann schlägt er ihn einmal mit voller Wucht auf den Boden. Seine Augen glühen. Ein gurgelndes Lachen dringt aus Kossoridokus Kehle. „Tötet mich doch! Na los!“ Wieder lacht er leicht röchelnd durch den Luftmangel. Tiefer Hass liegt nun in Sesshomarus Gesicht. „Das hättest du wohl gern!“, grollt er, „Aber fürs Erste brauche ich dich noch! Du wirst mir jetzt ein paar Fragen beantworten! Also, wie lange arbeitest du schon für Arashitsume?“ In einiger Entfernung zwischen den Bäumen späht eine weißhaarige Gestalt hervor. Sie lächelt. Das wird einfacher werden, als gedacht! Beiläufig fährt Chihime sich durch ihre Haarsträhnen. Es scheint ein glücklicher Wink des Schicksals zu sein, dass Arashitsumes kleiner Helfer hier aufgetaucht ist. Solange er den Kopf hin hält und den Fürsten des Westens mit seinen Frechheiten beschäftigt, wird er sicher nicht merken, was sich hinter seinem Rücken anbahnt. Es wird ein Kinderspiel werden! Das wird recht praktisch sein, da diese Technik sie enorm viel Kraft kosten wird und sie nur einen Versuch unternehmen kann, ehe sie ihre Kräfte wieder aufladen muss. Aber wozu sich Sorgen machen. Der Daiyoukai sitzt ihr hier praktisch auf dem Präsentierteller und er ahnt noch nicht mal etwas von seinem bevorstehenden Ende. Sie kichert lautlos. Er wird überhaupt nicht merken, wie ihm geschieht. Wenn sie Glück hat, dann wird der andere, kleine Youkai diese Technik vielleicht sogar überleben und sie kann ihn gleich zum Wiederauffrischen ihrer Kräfte nutzen. Und dann wird sie sich auf die Suche nach diesem Mönch und seinen Freunden machen. Es geht ja nicht an, dass jemand, der über sie Bescheid weiß, unbehelligt durch die Weltgeschichte marschiert. Mit einem eleganten Schwung zückt sie zwei Haarstäbchen und mit einer routinierten Bewegung, steckt sie damit ihre Haare hoch, sodass sie aus dem Weg sind. Dann krempelt sie die Ärmel hoch und fixiert ihr Ziel. Einmal mehr lächelt sie boshaft. Fahr zur Hölle, Youkai! Unbarmherzig presst Sesshomaru Kossoridoku den Hals zusammen. Seine Stimme klingt erschreckend ruhig als er fragt: „Muss ich mich wiederholen?“ „Ich sage gar nichts!“, quetscht Kossoridoku hervor. „So ein Jammer!“, meint Sesshomaru kühl und dann lässt er ihn plötzlich los, jedoch nur um ihm unmittelbar darauf einen kräftigen Hieb mit der Klaue ins Gesicht zu verpassen. Blut spritzt auf und der Youkai hält sich unwillkürlich die aufgeschlitzte Wange. Hoch aufgerichtet steht Sesshomaru nun über ihm und schaut geringschätzig auf ihn hinab. „Schon seit damals, als ich dir diese Wunde das letzte Mal verpasst habe?“ Kossoridoku lächelt genüsslich und schüttelt den Kopf; dabei spritzen mehrere Blutstropfen auf den kühlen Waldboden. „Ich habe Euch nichts zu sagen!“ Scharf schaut Sesshomaru ihn an. „Danach?“ Kossoridoku lächelt und starrt zu Boden. In der Dauer eines Augenblicks, zieht Sesshomaru sein Schwert und bohrt es mit einem gezielten Stich in Kossorodokus Schulter. Der Youkai verbeißt sich den Schmerz, doch er verzieht das Gesicht. Gnadenlos dreht Sesshomaru die Spitze in der Wunde herum. Kossoridoku keucht. „Etwa davor schon?“ Hasserfüllt starrt der Streuner ihn an. Grimmig fletscht er die Zähne. „Wie lange davor schon?“, Sesshomarus Stimme wird kälter. Mit einem Ruck reißt Kossoridoku sich los. Schon will er hinüber zu seinem Schwert hasten, doch der Fürst des Westens verstellt ihm den Weg. Mit kalter Berechnung starrt Sesshomaru ihn an. Kossoridoku beißt die Zähne zusammen. Nein, an dem Daiyoukai wird er nicht vorbeikommen. Nun hebt Sesshomaru sein Schwert und streckt es ihm entgegen. Seine Augen beginnen gefährlich zu leuchten. „Ich habe gefragt, wie lange davor schon!“, wiederholt ruhig, „Gleich nach deiner Flucht?“ Nun wird es Kossoridoku doch etwas mulmig zumute. Der Fürst des Westens scheint entschlossen, eine Antwort zu erhalten. Eine Flucht wird nicht möglich sein. Doch auf einmal weiten sich seine Augen ein wenig. So unauffällig wie möglich, geht sein Blick an dem Fürst des Westens vorbei und bleibt in den Bäumen hinter ihm hängen. Vielleicht ist eine Flucht gar nicht mehr nötig! Ein triumphierendes Lächeln legt sich jetzt um seine Mundwinkel und dann blickt er dem Daiyoukai direkt ins Gesicht. „Nein!“, sagt er mit erhobenem Kinn, „Schon viel länger! Um genau zu sein, seit Euer Vater damit begonnen hat, diese Menschenfrau zu begatten!“ Sesshomarus Augen weiten sich vor Erstaunen. Er bringt kein Wort heraus. Dann fragt er: „Und der Brief?“ Gehässig grinst Kossoridoku ihn an: „Was könnte ein Reich besser schwächen, als eine Fürstenfamilie die zerstritten ist!“ Noch immer sprachlos blickt Sesshomaru ihn an. Dann sagt er: „Also hat Arashitsume dir den Auftrag gegeben, meiner Mutter davon zu erzählen!“ Kossoridoku lächelt. „Scharfsinnig bis zuletzt, Sesshomaru!“ In genau diesem Augenblick hebt Sesshomaru ruckartig den Kopf. Im Bruchteil einer Sekunde hat er sich umgedreht. All seine Instinkte sagen ihm, dass er sich in Gefahr befindet, doch er erkennt nicht woher. Und im selben Moment spürt er eine gewaltige Aura, die sich ihm in rasendem Tempo nähert. Sofort wendet sich der stolze Daiyoukai dem Waldrand zu und nur einen Augenblick später sieht er, wie eine gigantische, monströse Gestalt aus dem Dickicht bricht und mit atemberaubenden Tempo direkt auf ihn zuhält. Es kostet Sesshomaru kaum einen Gedanken, dem gewaltigen, hellgrauen Hund vor ihm seine Waffe entgegenzustrecken. „Also doch!“, murmelt er finster, „Er hatte also doch andere Ambitionen!“ In diesem Moment passieren mehrere Dinge. Der stolze Daiyoukai aus dem Westen holt mit seinem Schwert aus, um den Angreifer niederzustrecken, der gewaltige Hund springt direkt auf ihn zu und aus den Büschen, in einiger Entfernung, löst sich ein schwaches, violettes Glimmen, rast direkt und unaufhaltsam auf Sesshomaru zu und noch ehe der Fürst des Westens merkt wie ihm geschieht, hat sich der mächtige Hund auch schon zwischen ihn und die heranrauschende Energie geworfen und fängt die Wucht des Angriffes mit seinem riesigen Körper ab. Ein erbärmliches Jaulen entfährt der hünenhaften Gestalt und wie ein mächtiger Felsbrocken stürzt der gewaltige Hundeyoukai schwer zu Boden und bleibt unter einem scheußlichen Zucken und Röcheln schließlich liegen. Sesshomaru benötigt ein paar Augenblicke, um zu erfassen was passiert ist. Sprachlos blickt er zunächst auf Kossoridoku, dann auf die Stelle von der dieser offenbare Angriff ausging und schließlich hinüber zu Tenmaru, dessen Körper nun in ein unheimliches Leuchten gehüllt ist. Man kann direkt dabei zusehen, wie sich die mächtige Hundegestalt verflüchtigt und der Streuner sich zunehmend in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt. Doch damit nicht genug. In genau diesem Moment tauchen aus der Richtung, aus der Tenmaru gekommen ist, drei weitere Gestalten auf. Es sind die drei übrigen Streuner und mit wutglühenden Augen stürmen sie auf die Lichtung. Hier kommen sie nun zum Stehen. Mit wilden Mienen blicken sie sich um und schließlich bleiben die Blicke der beiden Nordyoukais an Kossoridoku hängen. Mit einem bedrohlichen Knurren kommen sie nun auf ihn zu und in Kossoridokus Miene zeichnet sich zum ersten Mal Furcht ab. Nein, das läuft ganz und gar nicht so, wie er sich das gedacht hatte. „Kossoridoku!“, schon fliegt Kegawas mörderischer Schrei zu ihm hinüber. Die beiden Nordyoukais setzen sich in Bewegung. „Lass ihn nicht entkommen!“, knurrt Samushi tödlich. Die beiden sind keine zwei Meter mehr entfernt, als Kossoridoku den Ernst der Lage erfasst und beschließt, lieber die Flucht zu ergreifen. Rasch wendet er sich um, doch er hat den Zorn seiner ehemaligen Kameraden gründlich unterschätzt. Mit einem wilden Schrei werfen sich die beiden auf ihn und reißen ihn zu Boden. Wie von Sinnen schlägt Samushi auf den Westyoukai ein. Seine Augen leuchten in einem gefährlichen Blau. So energisch wie möglich bemüht sich Kossoridoku, dem Griff seiner früheren Kampfgefährten zu entkommen, doch die Klauen der Nordyoukais halten ihn wie Schraubstöcke fest. „Schmutziger Verräter!“, schreit Samushi außer sich, „Ich reiß dich in Fetzen für das was du getan hast!“ Doch eine kalte Stimme schiebt dem sofort einen Riegel vor. „Wenn ihr ihn umbringt, seid ihr tot!“ Groß ragt Sesshomaru neben den Ringenden auf. Seine Augen leuchten rot und seine Reißzähne sind unter seinen Lippen deutlich sichtbar. Wutschnaubend starren die beiden Nordyoukais den Fürsten an. Es ist ihnen anzusehen, dass sie mit einer schweren Entscheidung ringen. Doch Sesshomarus Miene ist unmissverständlich. „Samushi, Kegawa! Lasst ihn leben, aber bewacht ihn gründlich!“, Yaebas Stimme fliegt energisch zu ihnen herüber. Noch immer scheinen die beiden schwer mit sich zu ringen. „Tut was er sagt!“, die Ruhe in Sesshomarus Stimme könnte einem eine Gänsehaut verursachen. Nun kommt der Anführer der Streuner zu ihnen hinüber. Ein scharfer Blick auf seine Untergebenen genügt und dann fügen sie sich, wenn auch mit großem Widerwillen. Mit steinerner Miene betrachtet Yaeba den Streuner aus dem Westen. Kossoridoku blutet an Gesicht und Oberkörper aus vielen Wunden. Seine Haare sind wild zerzaust und blutgetränkt. Die beiden Nordyoukais halten seine beiden Arme mit einem eisernen Griff fest und ihre langen Klauen bohren sich schmerzhaft in sein Fleisch. Sein Blick ist ein wenig verschleiert, doch unter den wirren Fransen in seinem Gesicht starrt er den Youkai aus dem Osten noch immer mit tiefster Verachtung an. Yaebas Miene ist hart. „Du gehst nirgendwo mehr hin, Verräter!“, knurrt er leise, „Du bist der Beweis für Arashitsumes Verrat und du wirst nicht sterben, bevor er für das bezahlt hat, was er getan hat!“ „Und dann kannst du dich auf was gefasst machen!“, grollt Samushi tödlich neben seinem Ohr, „Dachtest du wirklich, wir würden nicht merken, wo du gewesen bist, ein paar Tage vor Ihrem Tod? Als ob ich jemals vergessen würde, wie es in Inu Taihyougas Palast riecht. Die Geschichte von dem Kampf mit den Nordyoukais, habe ich dir nie wirklich abgekauft! Aber vielleicht wollte ich auch nicht sehen, was für eine miese Ratte du bist!“ „Oh nein, wir kommen zu spät!“, ertönt auf einmal eine helle Stimme hinter ihnen. Die Youkais blicken auf. Dort zwischen den Bäumen taucht nun auch Inu Yasha mit Kagome auf dem Rücken auf. Rasch kommt er bei ihnen zum Stehen und sogleich ist das Mädchen auch schon von seinem Rücken herunter. Eilig läuft sie zu den Youkais hinüber; Inu Yasha folgt ihr. Sein Blick geht in die Runde. Offenbar haben sie das Meiste verpasst. Kossoridoku ist überwältigt und in Gewahrsam, Sesshomaru hat anscheinend das Attentat überlebt und Tenmaru...? „Tenmaru!“, ruft Kagome erschrocken aus. Hastig läuft sie zu der reglosen Gestalt hinüber, die da leblos, und noch immer in ein seltsames Glühen getaucht, am Boden liegt. Sofort sinkt das Mädchen neben dem Youkai hinab. Sein Kopf liegt auf der Seite. Mit zittrigen Fingern, fasst sie unter seine Wange und wendet sein Gesicht ihr zu. Der junge Streuner hat die Augen geöffnet und sein Blick fixiert unter scheinbar großen Anstrengungen ihr Gesicht. Seine Haut ist blass, nein nicht direkt blass, eher beinah durchscheinend. Seine Lippen sind grau und unter seinen purpurnen Augen liegen dunkle Ringe. Er scheint nicht in der Lage zu sein, sich zu rühren. Alles was er tut, ist, sie sehr erschöpft anzusehen und ein eigenartig sanftes Lächeln liegt um seine Mundwinkel. Kagome hebt schwach den Kopf, als sie bemerkt, dass nun eine weitere Gestalt an sie herangetreten ist. Es ist Sesshomaru. Schweigend und mit ausdrucksloser Miene steht er neben ihnen und blickt auf sie hinunter. Kein einziges Wort kommt über seine Lippen. Auch Inu Yasha und Yaeba treten nun zu ihnen und der Hanyou bemerkt, dass das Gesicht des Streuneranführers nun mit Sorgenfalten durchzogen ist. „Oh, Tenmaru!“, murmelt er kraftlos. „Was ist denn mit ihm?“, fragt Inu Yasha behutsam genug um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Kagome schaut auf; ihre Augen sind trocken, doch das heißt nichts, sie ist noch viel zu geschockt über die Verfassung des Streuners. „Ich weiß es nicht!“, sagt sie leise, „Ich glaube, er vergeht. Was immer sie mit ihm angestellt hat, ich wüsste nicht, wie wir es aufhalten könnten.“ Sanft gleitet ihre Hand über Tenmarus Arm. Der Streuner zieht scharf die Luft ein. Ein gequälter Zug fliegt über sein Gesicht, doch nun bewegen sich seine Gliedmaßen wieder ein wenig. „Tenmaru?“, fragt Kagome besorgt. Der junge Streuner wendet ihr den Kopf zu. Er lächelt sanft. „Es ist schon in Ordnung!“, sagt er leise, „Es ist endlich zu ende! Wenn ich Raiuko treffe, sage ich ihm..., dass sein Wunsch sich erfüllt hat! Auch ich durfte so sterben... wie ich es wollte!“ Kagome schlägt die Hand vor den Mund, doch sie bringt keinen Ton heraus. Das Glimmen um Tenmarus Körper nimmt immer mehr zu. Dicke Schweißperlen laufen über sein Gesicht und seine Haut ist fahl wie Asche. Für einen Moment schließt er kurz die Augen und schluckt einmal schwer. „Hast du Schmerzen?“, fragt Kagome zaghaft. „Es... geht schon!“, kommt die schwache Antwort. Dann plötzlich geht sein Blick hinüber zu Sesshomaru. Eine entsetzliche Sehnsucht liegt auf einmal in seinen Augen und schwach hebt er die Hand und streckt sie nach ihm aus. Er stöhnt einmal schwer vor Anstrengung, dann flüstert er: „Bitte..., vergebt mir meine Unzulänglichkeit! Ich muss... eine schwere Enttäuschung für Euch gewesen sein. Sicher habt Ihr etwas... anderes erwartet, etwas Besseres! Etwas, das Euer... würdig ist! Ich bereue es zutiefst..., dass ich Euch nicht nützlicher war! Aber...“, und nun legt sich ein glückliches Lächeln um seine Lippen, „ich bin... froh, dass ich Euch zumindest ein einziges Mal... nützlich sein konnte... Vater!“ Mit diesen Worten scheint den jungen Streuner auch noch das letzte bisschen Kraft zu verlassen. Die ausgestreckte Hand plumpst herab, der angehobene Kopf sinkt zurück und die Augen des Streuners schließen sich. Das Leuchten um ihn nimmt immer mehr zu und hüllt seine Erscheinung in einen Schein der immer mehr durch ihn hindurchdringt wie durch Milchglas. Und nun ist es im Glanz des gespenstischen Lichtes deutlich für alle Beteiligten erkennbar; das dunkelblaue, sichelmondförmige Symbol auf Tenmarus verätzter Stirn! Es ist das Letzte was noch verbleibt, bevor der Schein der Läuterung Tenmarus gesamten Körper umhüllt und ihn schließlich, vor ihren Augen, vollständig auflöst. Leuchtende Pünktchen, der Mikoenergie umwirbeln die Umstehenden und fließen dann rasch auseinander, um die kleine Lichtung wieder in beklemmende Dunkelheit zu tauchen. Für einen langen Moment hängt ein bedrückendes Schweigen über der Lichtung. Dann wendet sich Inu Yashas ernster Blick seinem Bruder zu. „Sesshomaru?“, kommt die kühle Frage, „Was meinte er mit 'Vater'?“ Doch der Fürst des Westens schweigt und verzieht keine Miene. Inu Yasha ballt die Faust. „Ich frage noch mal!“, sagt er mühsam beherrscht, „Was meinte er mit 'Vater'?“ Nun hebt Sesshomaru den Kopf und blickt seinen Bruder herablassend an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung!“ Doch nun fletscht Inu Yasha ärgerlich die Zähne: „Du mieser Dreckskerl! Du lügst doch!“ Sesshomaru hebt eine Braue: „Glaubst du?“ „Oh ja!“, schnaubt Inu Yasha erbost, „Und zwar ohne rot zu werden!“ Sesshomarus Miene ist hart. „Du irrst dich! Er ist nicht mein Sohn!“ „Hör auf mit diesen elenden Lügen!“, schreit Inu Yasha nun energisch, „Meinst du, ich bin blind? Ich hab das Symbol auf seiner Stirn auch gesehen! Nur unsere Familie trägt den Mond. Wie sollte er also dazu kommen?“ Noch immer blickt Sesshomaru ihn regungslos an. „Er ist nicht mein Sohn!“, wiederholt er. Doch Inu Yasha geht gar nicht darauf ein. „Natürlich ist er das!“, schnaubt er wütend, „Und weißt du was, jetzt wo ich es weiß, fällt mir auch auf, wie ähnlich ihr beide euch seid!“ „Ähnlich?“, die Frage klingt ziemlich verächtlich. „Ja, ähnlich!“, funkelt Inu Yasha, „Und damit meine ich nicht nur sein Gesicht, dass dir bei näherer Betrachtung wirklich erschreckend ähnlich ist, ich rede von seiner ganzen Art. Sein Stolz, seine Sturheit und ganz besonders seine Verschwiegenheit!“ Sesshomaru lässt seinen Bruder nicht aus den Augen. Seine goldenen Augen leuchten im Mondschein unergründlich. Dann steckt er sein Schwert zurück in den Gürtel. „Er war nicht mein Sohn!“, wiederholt er einmal mehr und dann wird sein Blick eiskalt, „Ich habe ihn niemals anerkannt!“ Fassungslos starrt Inu Yasha ihn an. „Ist das dein Ernst? Sag mir bloß nicht, dass du das schon länger weißt!“ Sesshomaru blickt gleichgültig auf: „Sei nicht töricht! Ich wusste das natürlich von Anfang an! Ich wusste es, in dem Moment, als ich ihn zum ersten Mal sah! Glaubst du, ich würde meinen eigenen Geruch nicht erkennen, oder Ihren?“ Seine Goldaugen funkeln nun gefährlich. Sprachlos blickt Inu Yasha ihn an. „Du bist unglaublich!“, meint er frostig, „Und es kam dir nicht in den Sinn, uns das vielleicht zu erzählen?“ „Nein, kam es nicht!“, stellt Sesshomaru kühl klar, „Da ich nicht beabsichtigte, ihn anzuerkennen, erübrigte sich jede Debatte!“ „Aber er ist dein Sohn!“, ruft Inu Yasha empört. „Nicht, wenn ich es nicht offiziell bestätige!“, sagt Sesshomaru entschieden. Wütend baut sich Inu Yasha vor ihm auf. „Was für ein hirnverbrannter Blödsinn!“, faucht er, „Dadurch, dass du ihn nicht anerkennst, wird er doch nicht weniger dein Sohn!“ „Wieder falsch!“, erwidert Sesshomaru kalt, „Solange ich ihn nicht anerkenne, ist er überhaupt nicht mein Sohn!“ „Warum, zum Teufel, hast du es dann nicht einfach getan?“, schreit Inu Yasha zornig. Nun friert Sesshomarus Miene ein: „Meine Gründe brauche ich dir nun wirklich nicht verraten!“ Wütend ballt Inu Yasha die Fäuste. Für einen kurzen Moment funkelt er seinen Bruder lediglich missbilligend an, doch dann fragt er mit unterdrückter Wut in der Stimme: „Gab es tatsächlich irgendetwas, was dagegen gesprochen hätte? Ich habe Tenmaru nicht lange gekannt, doch ich wüsste nichts Schlechtes über ihn zu sagen. Er war mutig und er war stark. Ich hab ihn kämpfen gesehen. Er war mindestens so stark wie du! Und er war loyal, daran besteht überhaupt kein Zweifel! Wenn du es von ihm verlangt hättest, hätte er sich ohne zu zögern selbst getötet, und das alles war dir immer noch nicht genug? Ich weiß ja nicht, was du für Ansprüche an einen Sohn stellst, aber ich bin überzeugt davon, dass Tenmaru sie in jedem Fall erfüllt hätte.“ Mit regloser Miene blickt Sesshomaru ihn an. „Ich sagte bereits, dass meine Gründe dich nichts angehen. Und das sollten sie auch nicht, denn das Thema ist jetzt ohnehin erledigt!“ „Ach, meinst du!“, schnappt Inu Yasha bissig, „So einfach ist das für dich? Er ist tot und du gehst einfach zur Normalität über? Er starb um dich zu schützen und es ist dir einfach scheißegal?“ Sesshomarus Lippen bilden nun einen dünnen Strich: „Niemand hat das von ihm verlangt! Ich habe ihn nicht darum gebeten!“ „Als ob das eine Rolle spielen würde!“, grollt Inu Yasha, „Hast du es schon vergessen? Er war durch seinen Schwur an uns gebunden. Es war seine Pflicht, dich zu schützen und du dankst es ihm nicht mal, dass er sein Leben für dich geopfert hat.“ „Und wieder bist du im Irrtum!“, meint Sesshomaru mit kühler Miene, „Er war nicht länger an den Schwur gebunden!“ „Was soll das heißen?“, diesmal ist es Yaeba der sich einmischt. Die ganze Zeit schon, hat er mit gesenktem Kopf die Debatte verfolgt, doch nun blickt er auf, „Tenmaru würde seinen Schwur niemals verraten! Das war nicht seine Art!“ „Hat er auch nicht!“, sagt Sesshomaru gleichgültig, „Er kam zu mir und wollte aus seinem Schwur freigelassen werden. Ich habe ihm diese Bitte gewährt.“ Sprachlos blicken die Umstehenden den stolzen Daiyoukai an. Da plötzlich meldet sich eine leise Stimme zu Wort: „Das bedeutet also, dass Tenmaru sich aus freien Stücken für dich geopfert hat!“ Kagome blickt Sesshomaru direkt an. In ihrem Gesicht liegt tiefe Trauer und Enttäuschung. „Es war eine der wenigen Entscheidungen, die er selber getroffen hat, ebenso wie die Entscheidung, sich Yarinuyuki auszuliefern und Inu Yasha zu verteidigen.“ Mit reglosem Gesicht blickt Sesshomaru sie an. Er sagt kein Wort. Doch Kagome fährt schon fort: „Ich verstehe jetzt, warum er das getan hat, obwohl er Inu Yasha gar nicht leiden kann. Er gehört einfach zur Familie, der einzigen Familie die er noch hat. Es muss schwer gewesen sein, jemandem zu dienen, den man um alles beneidet, was er hat, am meisten jedoch für die Tatsache, dass Inu Yasha von seinem Vater offiziell anerkannt wurde.“ Sie macht nun einen Schritt auf Sesshomaru zu und blickt ihm direkt in die Augen. „Alles was er je wollte, war nur deine Anerkennung, dass du ihn ein wenig beachtest! Er wollte lediglich die Aufmerksamkeit von der Person, von der das eine Selbstverständlichkeit sein sollte; seinem Vater! Aber er hat es niemals gefordert. Er hat sich mit dem zufriedengegeben, was du bereit warst, ihm aus freien Stücken zu geben.“ Noch immer blickt Kagome den hochgewachsenen Youkaifürsten an, doch ohne dass sie es bemerkt, laufen ihr nun wieder Tränen über die Wange. „Er hätte das alles so viel leichter haben können. Ich weiß jetzt, warum er die ganze Zeit kein Wort darüber verloren hat; er wollte dich nicht zwingen! Er sagte, jeder müsse eine Wahl haben! Er selbst hatte so selten die Wahl. Er war stets gezwungen, zu tun was andere verlangten, oder zu akzeptieren, dass Leute nur wegen seiner besonderen Witterung an ihm Interesse hatten. Er wusste, was es bedeutet, gezwungen zu werden zu etwas, das man nicht will. Das wollte er dir ersparen. Er hat dich so sehr respektiert, so sehr... geliebt! Alles was er wirklich wollte, war, dass du stolz auf ihn bist!“, immer wieder tropfen die Tränen von ihrem Gesicht und sie macht sich nicht einmal die Mühe, sie wegzuwischen. „Er war so schrecklich einsam und er hat so sehr gelitten! Kannst du denn nicht einmal ein kleines bisschen Mitleid für ihn aufbringen?“ Sesshomarus Miene ist reglos. Für einen langen Moment blickt er Kagome nur an, dann sagt er ruhig: „Bist du jetzt fertig?“ Kagome reißt die Augen auf. Diese kalten Worte treffen sie mitten ins Herz und sie schluchzt auf. Doch Sesshomaru wirft ihr nur einen teilnahmslosen Blick zu. „Welchen Zweck hätte es, ihn nun noch zu bedauern? Er ist tot und das hätte er sich ersparen können. Es war seine eigene Entscheidung und damit auch seine eigene Schuld! Ich habe weder die Zeit, noch das Interesse mich mit dem Tod eines Streuners länger als unbedingt nötig zu befassen!“ Kagome starrt ihn an wie vor den Kopf geschlagen. Sie kann nicht glauben was sie hört, doch ihr fehlt die Kraft für weiteren Protest. Doch nun meldet sich Inu Yasha wieder zu Wort: „Was bist du doch für eine gefühlskalte Kreatur!“ Der Hanyou bebt praktisch vor Wut und seine Stimme hat Grabeskälte. „Er war nicht irgendein Streuner, sondern dein Sohn, völlig egal was du sagst! Und er ist tot, weil er dich beschützen wollte! Er hat dich vergöttert und Gott weiß, warum das so war! Du hast eine solche bedingungslose Loyalität gar nicht verdient! Bis zu seinem Ende, hast du ihn ignoriert, beleidigt und angegriffen. Du hast sogar die Ostyoukais auf ihn gehetzt und ihn wie ein Stück Dreck behandelt und trotzdem hat er dich immer verteidigt und wollte nichts weiter als in deiner Nähe sein!“ Sesshomaru wirft seinem Bruder einen finsteren Blick zu, dann wendet er sich ab. „Du solltest aufhören, dich da so sehr hineinzusteigern! Es nützt ja doch nichts!“ „Den Teufel werd ich tun!“, schimpft Inu Yasha ungehalten, „Du wirst dir gefälligst einmal anhören, was ich dir zu sagen habe! Mir stinkt deine ständige Arroganz und Gleichgültigkeit nämlich schon lange! Jetzt sag ich dir mal was! Ich habe ja schon einige Male mitbekommen, was für ein hartherziger und selbstverliebter Kerl du bist, aber das was du mit Tenmaru gemacht hat, ist so ziemlich das Niederträchtigste was du dir je geleistet hast!“ Sesshomarus Nacken verspannt sich: „Halt deine Klappe!“ „Ich denk nicht dran!“, wettert Inu Yasha, „Kein Vater lässt sein Kind im Stich! Auch unser Vater hat das nicht getan! Er kam und rettete meiner Mutter und mir das Leben! Und das obwohl er schwer verletzt war! Auch du hast Tenmaru verwundet! Du hast mit ihm gekämpft, obwohl er nicht wollte! Er wollte nicht! Er konnte es nicht über sich bringen, dich zu verletzen, so sehr hat er dich respektiert!“ „Ich sagte, halt die Klappe!“ „Und als er erfuhr, dass du in Gefahr warst, gab es kein Halten mehr für ihn. Er lief dir nach, ohne an seine eigene Verfassung zu denken! Er konnte den Gedanken nicht ertragen, auch noch seinen Vater zu verlieren!“ „Du sollst den Mund halten!“ „Kagome hat recht, er hätte dich auch zwingen können, ihn anzuerkennen! Hätte er etwas gesagt, wäre die Sache wahrscheinlich früher aufgeflogen, aber er wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Er wollte nicht, dass du dein Gesicht verlierst!“ „Sei still!“, Sesshomaru ballt die Hand zur Faust. „Er hat immer nur an andere gedacht und dann erst an sich selbst. Kagome hat recht, er hat dich geliebt und du trittst diese Treue mit Füßen! Erst ganz am Schluss, als er wusste, dass es für ihn keine Hoffnung auf ein gutes Ende mehr gab, hat er sich zu dir bekannt. Ja, er hat sich zu dir bekannt! Er wollte der Welt endlich mitteilen, was für einen tollen Vater er hat!“, Inu Yashas Stimme trieft vor Sarkasmus und er hat die Arme verächtlich verschränkt, „Ich weiß nicht, ob ich das getan hätte? Hätte ich einen Vater wie dich, würde ich wahrscheinlich auch versuchen es zu verheimlichen, aber der Unterschied zu uns ist, dass er es sagen wollte und nicht durfte! Ich bin mir felsenfest sicher, dass es ihm verboten wurde! Wenn ich eines von ihm gelernt habe, dann dass er die Eide die er abgelegt hat, bedingungslos erfüllt hat.“ „Inu Yasha!“, Sesshomarus Stimme ist gepresst. „Aber warum rede ich hier eigentlich mit dir? Du bist und bleibst ein verbohrter Holzkopf, der nur an sich selber denkt und dem sein Sohn völlig egal ist! Selbst wenn du es fertig bringen könntest, dir nur ein winziges Quäntchen Mitgefühl abzuringen, es würde nichts mehr bringen! Er wird es niemals erfahren! Die Chance ist vertan! Er ist tot und du wirst ihm niemals wieder sagen können, was du von ihm hältst, ganz gleich was es ist.“ „Inu Yasha...!“ „Du hattest die einmalige Gelegenheit, einen Sohn zu bekommen, auf den du stolz sein kannst, aber nun ist er tot und nicht einmal du kannst ihn zurückbringen! Nicht mal mit Tenseiga! Du kannst nichts mehr daran ändern, nicht an seinem Tod und nicht an eurer Beziehung weil du zu überheblich warst, die Gelegenheit zu ergreifen, als sie sich dir bot! Wen juckt es, ob er ein Streuner war! Du hättest das jederzeit ändern können! Bist du wirklich so blasiert, dass es für dich auch nur auf den Rang ankommt, wie bei Arashitsume, und es keine Rolle spielt, ob sich jemand bewährt? Bist du wirklich so erbärmlich?“ „Inu Yasha...“ Wütend schnaubt der Hanyou seinen Bruder an, der noch immer mit dem Rücken zu ihm steht und inzwischen am ganzen Körper bebt: „Was ist?“ Zuerst gibt Sesshomaru keinen Ton von sich, doch dann sagt er leise: „Bitte, sprich nicht mehr weiter!“ Ungläubig starrt Inu Yasha seinen Bruder an, hat er richtig gehört? Doch dann ganz langsam dreht sich der Daiyoukai zu ihm herum und blickt ihn an. Unwillkürlich weicht Inu Yasha einen Schritt zurück und seine Augen weiten sich. Auf diesen Anblick war er nicht gefasst. Sesshomarus Gesicht ist leichenblass und nun sieht man die Ringe unter seinen Augen deutlich. Die sonst so selbstverständliche Gelassenheit des Fürsten ist verschwunden und eine grenzenlose Traurigkeit liegt auf seinem Gesicht. Seine goldenen Augen spiegeln solches Leid wieder, dass Inu Yasha eine Gänsehaut bekommt. Er kann es nicht glauben! Ist es möglich, dass sein Bruder sich seine Worte doch zu Herzen genommen hat? Doch nicht nur er, auch alle Umstehenden blicken ihn nun sprachlos an. Sesshomaru scheint sich nicht darum zu kümmern. Er steht einfach da mit leicht gesenktem Kopf, zitternden Fingern und einer verdächtig bebenden Unterlippe. Völlig perplex starrt Inu Yasha ihn an. „Sesshomaru, du...“, doch der Daiyoukai hebt nur schwach die Hand, als wollte er seinen Bruder dadurch zum Verstummen bringen. „Nicht...!“, flüstert Sesshomaru und schließt die Augen, „Bitte!“ Was Sesshomarus Geste vielleicht nicht vollbringt, das schafft nun der verzweifelte Ausdruck in seinem Gesicht. Inu Yasha gibt keinen Ton mehr von sich. Sprachlos blickt er seinen Bruder an und seine Augen weiten sich. Nie hatte er geglaubt, das jemals im Gesicht seines Bruders zu sehen. Tränen! Sesshomaru weint! Deutlich bahnt sich eine Träne ihren Weg über seine Wange und scheinbar kümmert es ihn nicht, wer es sieht. Seine Schultern beben und seinem Körper scheint plötzlich jede Kraft zu fehlen. Mit einer schwachen Bewegung fährt sich Sesshomaru über das Gesicht. Für einen Moment blickt er wortlos auf seine feuchten Fingerspitzen, dann lässt er den Kopf hängen. Er schluckt einmal schwer. Dann urplötzlich wendet er sich ab, seine Beine setzen sich in Bewegung, immer schneller und schneller, und schließlich ist von ihm nichts mehr zu sehen. Zurück bleiben nur fünf Youkais, ein Hanyou und ein Mensch, die nicht wissen, was sie sagen sollen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)