Die letzten Jahre von Rejah ================================================================================ Kapitel 19: Mord ---------------- Kapitel XVIII : Mord Harrys Herz blieb kurzzeitig stehen. Danach pochte es weiter – mit einer unbändigen Kraft, die er sich selbst gar nicht mehr zugetraut hatte. Der Grund dafür: Hoffnung. Hoffnung und Freude, und grenzenlose Erleichterung, am Leben zu sein und es auch zu dürfen. Jakob gab ihm noch eine Chance. Er hatte sein Leben nicht verspielt. Seine Hände glitten zitternd an der Holztür hinunter, er spürte das schmerzvolle Pochen unter seinen Fingernägeln, dort, wo sich die Holzsplitter tief in seine Haut gebohrt hatten und spürte es nicht, spürte nur den angenehm kühlen Boden unter sich, als er zusammensackte und ihm die Tränen in die Augen schossen, Tränen der Erleichterung. Er nahm Pomfrey wahr, die hinter ihnen stand und wohl nicht wusste, was sie sagen sollte; er wusste es ja selbst nicht. Lupin lächelte nicht, sein Gesicht war gezeichnet von Sorge und alt geworden, er sah ihn nur an und wusste, dass er dumm war. So grenzenlos dumm, ihm nicht vorher schon geglaubt zu haben. Und über allem die Erleichterung. Er ließ sich wieder in sein Bett befördern, ließ sich zudecken, ließ sich 'Gute Nacht' sagen und schlief ein, und es war ein traumloser Schlaf, tief und erholsam, wie er es nur vor seiner Vergiftung gekannt hatte. ~~~~~*~~~~~ Am nächsten Morgen schien es ihm, als wäre der Tag noch heller als sonst. Er setzte sich auf, schob sich blinzelnd die Brille auf die Nase und sah sich um. Der Krankenflügel war leer. Er konnte das Klappern von Pomfrey nur im Nebenraum hören. Leise stand er auf und tapste zur Tür. Dieses Mal war sie nicht verschlossen, wie eine Einladung wirkte sie auf ihn, der er nicht widerstehen konnte. Er öffnete sie, dankbar, dass sie offensichtlich frisch geölt war und schlich auf den Gang. Es konnte nicht mehr so früh sein, wenn es um diese Jahreszeit schon hell war und so vermutete er, dass der Unterricht schon begonnen hatte. Er zuckte die Schultern, was interessierte es ihn? Bald würde er die Schule eh wieder verlassen, um an seinen Plänen weiterzuarbeiten. Er musste nur zuerst Lupin finden. Die Schule war wirklich wie ausgestorben und endlich genoss er es. Die leeren Gänge gehörten ihm, die Weite der Wiesen glänzten vom Morgentau, der blaue Himmel über ihm war klar und freundlich. Er fühlte sich frei. Er hatte noch nicht viel Weg hinter sich gelassen, als er die Schulglocke läuten hörte, die die Mittagspause ankündigte. So spät war es schon? Er verbarg sich hinter einer Säule, als die Massen an Schülern an ihm vorbei in die Große Halle stürmten. Keiner von ihnen beachtete ihn, obwohl sein Versteck nicht sonderlich gut und er beinahe ohne Weiteres sichtbar war. Als sie vorbeigelaufen waren, schlug er die entgegengesetzte Richtung ein, nicht, weil er ein Ziel hatte, sondern, weil er nicht noch einmal auf Schüler treffen wollte. Wo er war, erkannte er erst, als es schon zu spät war. Er konnte sich gerade noch hinter einer niedrigen Statue verstecken, als er die Stimmen hörte. „Ich will es Ihnen nicht noch einmal sagen, Minerva!“ „Ich bin mir der Gefahr vollkommen bewusst! Dennoch ist er ein Schüler Hogwarts und als solchen werde ich ihn aufnehmen!“ „Sie sorgen sich nur um ihn, weil er Ihnen das Leben gerettet hat!“ Harry duckte sich, als er erkannte, dass über ihn gestritten wurde, als würde ihn irgendetwas verraten. „Mit Sicherheit nicht! Vielmehr zeigt doch gerade das, dass Mr Potter nicht auf die schwarze Seite gelangt ist!“ Die schwarze Seite? Wie kam sie denn darauf? „Ach nein? Sie vergessen wohl das, was im Grimmauldplatz passiert ist-“ „Das tue ich nicht!“ McGonagall holte tief Luft. „Harry mag da zwar geflohen sein, doch er ist zurückgekehrt, dahin, wo er hingehört.“ „Aber vorher hat er noch dafür gesorgt, dass dieser Werwolf entkommen ist.“ „Das steht nicht mit Sicherheit fest!“ „Und wie soll er sich bitte sehr sonst befreit haben? Er war gefesselt und sonst war keiner da!“ Er kannte die zweite Stimme, doch woher? Klonk, klonk, klonk. Das Schlagen eines hölzernen Beins auf dem Steinboden. Moody. Natürlich, er war der Einzige, der ihm ernsthaft misstraute und auch keinen Hehl daraus machte. Der Einzige, der ihm momentan gefährlich werden konnte. Wäre er so eiskalt gewesen, wie er es gerne hätte, würde er die Lösung für dieses Problem, die ihm sofort einfiel, ohne zu zögern in die Tat umsetzen. Moody musste sein Wissen mit ins Grab nehmen. Ihn töten. Umbringen – Harry konnte es nicht. McGonagall hatte eine Weile geschwiegen, doch jetzt sprach sie mit leiser, unsicherer Stimme weiter. „Doch ... doch, einer war da.“ Harry wagte es, um die Statue zu gucken, nur ein kleines Stück. „Remus Lupin ... er ist auch ein Werwolf und er – er könnte ihm geholfen haben ...“ McGonagall stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als sie erkannte, dass der Orden hintergangen worden war. „Er befindet sich noch im hier im Schloss, er – wir müssen ihn sofort finden!“ Sie rauschte an ihm vorbei, Harry konnte gerade noch den Kopf einziehen, um nicht gesehen zu werden. Moody eilte ihr hinterher, doch sein magisches Auge blieb noch einen Moment an der Statue, hinter der er sich versteckt hielt, hängen. Es schien ihn zu durchbohren, nur eine endlose Sekunde lang, bevor er verschwand. Harrys Herz raste. Er musste Lupin sofort warnen, sie durften ihn nicht in die Finger bekommen. Doch Moodys Blick hatte ihn gelähmt, er hockte immer noch steif und unbeweglich hinter der Statue. Hatte er ihn gesehen? Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Dieses Mal war es nicht Moodys typisches Misstrauen, das ihn auf seine Spur gebracht hatte, sondern sein Auge. Er hatte die ganze Zeit Bescheid gewusst – als er damals im Grimmauldplatz war, hatte er gesehen, wie Lupin John entkommen ließ, während sie in der Küche waren. Er hatte einfach durch die Wand geschaut. Und als er hinübergeeilt war und er, Harry, sich selbst aus dem Staub gemacht hatte, hatte er es auch gesehen. Moody und sein allwissendes Auge. Er hatte ihn durchschaut. Es war alles geplant gewesen. Harry hatte sich selbst verraten. Er sprang auf und lief durch die Gänge, hatte jedoch keinerlei Anhaltspunkte, wo er Lupin finden sollte. Der einzige Ort, wo er sich gerade möglicherweise aufhalten könnte – die Große Halle. Das Mittagessen fand gerade statt und Lupin als Gast in Hogwarts würde sicher daran teilnehmen. Er ahnte nichts von der Gefahr. McGonagall und Moody waren ihm ein gutes Stück voraus. Er musste sie einholen – dieses Mal war er so dankbar wie nie zuvor, dass Fred und George ihm ihre Karte vermacht hatten. Die Karte des Rumtreibers, durch die er nach und nach alle Geheimgänge Hogwarts' auswendiggelernt hatte. Er hielt an einer weiteren Statue an, nur wenige Meter von seinem Versteck entfernt, öffnete die Tür, die sich dahinter verbarg und kroch in den engen Gang. Es war dunkel und feucht, doch er brauchte sich nur an den Wänden entlangzutasten, um sich zurechtzufinden. Mehrmals stieß er sich den Kopf, rutschte auf dem nassen Boden aus und schrammte sich die Hände auf, doch er konnte nicht stehen bleiben. Er durfte es einfach nicht, Lupin war in Gefahr. Und mit ihm der gesamte Clan, wenn sie ihn dazu zwingen würden, alles auszuplaudern. Es dauerte nicht lange, da sah er einen schmalen Spalt Licht, dem er sich rasch näherte. Er stieß die Klappe auf, ohne sich um das dahinter Liegende zu kümmern und kam in der Großen Halle heraus. Einige Köpfe wandten sich um, als er auf einmal aus der kleinen Öffnung im Boden kroch, doch es waren nur ein paar Hufflepuffs. Harry legte den Finger an die Lippen und zwinkerte ihnen zu, als würde er Verstecken spielen und fragte sich, woher er diese gespielte Gelassenheit hernahm. Schnell, aber nicht allzu auffällig ging er zwischen dem Tisch der Hufflepuffs und der Gryffindors entlang und suchte den Lehrertisch nach Lupin ab. Er saß tatsächlich da, zwischen Flitwick und Mrs Sprout und hatte ihn scheinbar noch nicht gesehen. Er musste irgendwie seine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Und er hatte nur noch wenig Zeit, denn bald würden Moody und McGonagall hier auftauchen. Also musste er die Wahrheit sagen. Ein bisschen zumindest. Er stolperte zum Lehrertisch, die Beine schwach vor Aufregung. „Mr Lupin, ich soll Ihnen ausrichten, dass Moody Sie sucht!“, stieß er abgehackt hervor, was zwar nicht seine Glaubwürdigkeit unterstrich, dafür aber, dass es dringend war, was er sagte. „Sie sagt, Sie sollen sich unverzüglich bei ihm einfinden!“ Lupin nickte, doch etwas in seinem Blick sagte ihm, dass er verstanden hatte. Noch hatte er vielleicht nicht das Ausmaß an Gefahr begriffen, in der er schwebte, doch er folgte ihm bereitwillig. Die Blicke der Schüler folgten ihm, bis sie aus der Halle hinaus waren. „Harry, was-“ „Nicht jetzt!“ Er führte ihn weg, weit weg von der Großen Halle. McGonagall und Moody waren sicher bereits dort angelangt und mussten feststellen, dass Lupin nicht mehr da war, doch Moody konnte nicht so weit durch das Schloss sehen. Jedenfalls hoffte Harry das. „Harry, was ist passiert?“ Sorge schwang in Lupins Stimme mit. „Ich – also – Sie müssen schnell von hier verschwinden!“ „Was?“ „Man weiß, dass Sie John zur Flucht geholfen haben! Moody – er, er muss es gesehen haben, Sie wissen schon-“, redete er in einem Schwall weiter und deutete dabei auf sein Auge. „Machen Sie, dass Sie aus Hogwarts rauskommen!“ Lupin sah ihn kurz an. „Weiß er auch von dir?“ „Ja – aber McGonagall glaubt nicht daran, dass ich irgendetwas mit der Sache zu tun habe-“ Harry unterbrach sich selbst, denn Lupin sah ihn an, voller Ernst, und doch schwang etwas in seinem Blick mit, was Harry nicht gefiel. „Was ist, Professor?“ Doch der schüttelte nur den Kopf. „Schon gut, Harry. Du weißt, was du zu tun hast.“ Seine Augen huschten nur kurz zu Harrys Schuhen, in denen sich immer noch das geschwärzte Messer verbarg. „Ich muss mich beeilen, bevor sie das Appariersystem blockieren.“ Er winkte ihm noch und war dann verschwunden. Und Harry sah sich einer schwierigen Aufgabe bevor. Moody töten. Er musste ihn töten. Nur so konnte er sichergehen, dass er nicht auch noch ihn verriet. ~~~~~*~~~~~ Hogwarts war in Alarmbereitschaft. Harry sah es an den Schülermassen, die von den Vertrauensschülern aufgefordert wurden, in ihre Gemeinschaftsräume zu gehen. Er sah es auch an den Lehrern, die durch die Gänge huschten, den Zauberstab fest in der Hand haltend. Hätte er seinen doch nur nicht verloren. Die Suche nach Moody gestaltete sich schwierig – das Schloss war riesig. Obwohl er bereits seit Jahren an der Schule war, kannte er nur einen Bruchteil der vielen Winkel. Zudem machten es ihm die vielen Schüler schwer, schnell voranzukommen. Wenn ihn einer der Vertrauensschüler sah, würde er aufgefordert werden, in den Gryffindorturm zu gehen. Er hielt sich daher versteckt oder ließ sich nur für kurze Zeit in der Menge treiben, ehe er in einen anderen Gang huschte. Moody war der Einzige, der ihn suchte. Dessen war er sich sicher, denn er war auch der Einzige, der ihn verdächtigte. Denk nach, Harry, schalt er sich selbst. Wo würdest du dich suchen? Diese Frage erledigte sich von selbst, als er plötzlich das markante Klacken von den Wänden hallen hörte. Ohne sich umzusehen versteckte er sich hinter einem Wandteppich und lugte dann vorsichtig dahinter hervor. Sei nicht dumm, Harry. So ein alter Teppich kann dich auch nicht vor ihm schützen. Moody stand am Fuße einer langen, gewundenen Treppe, die Harry bekannt vorkam – natürlich. Sie führte zu dem höchsten Turm Hogwarts'. Dem Turm, mit dem Harry nicht gerade angenehme Erinnerungen verband. Ausgerechnet dort suchte Moody ihn? Warum in aller Welt? Moody war inzwischen schon so weit hinaufgestiegen, dass Harry ihn nicht mehr sehen konnte – doch er war sich sicher, entdeckt zu werden, wenn er jetzt auch nur eine falsche Bewegung machte. Also wartete er ab, bis er sicher war, dass Moody oben angekommen sein musste und kam erst dann aus seinem Versteck hervor. Da er immer noch keinen Zauberstab besaß, nahm er das Messer, das Jakob ihm gegeben hatte, in die Hand. Es fühlte sich schwer an, doch er wusste, dass das dunkle Metall nicht viel wog. Stück für Stück erklomm er die Stufen und fühlte sich wie am Tag davor, als er die Treppe ebenfalls hinaufgestiegen war, doch nicht, um sein Leben zu retten. Es war ein langer Weg und am Ende wehte ihm der kalte Winterwind entgegen. Moody versuchte gar nicht erst, ihn überraschend anzugreifen. Er stand still da, mitten auf der Plattform, die den Turm umgab, und sah ihm entgegen. Es hatte angefangen zu regnen, nur ein wenig, doch es reichte, um seine Kleidung zu durchweichen. „Potter.“ Moody sprach seinen Namen voller Respekt aus, was Harry verwundert stehen bleiben ließ. „Ich habe Ihren Vater immer bewundert, Potter. Er war ein großartiger Auror, wissen Sie das?“ Harry fröstelte. „Er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass sein Sohn auf die schwarze Seite gewechselt ist!“ Das war schon zu viel. Voller Wut hielt Harry das Messer hoch. „Seien Sie still! Reden Sie nicht über Dinge, von denen Sie nichts verstehen!“ „Ich verstehe sehr viel, Potter. Ich verstehe sehr gut, ich weiß sogar, dass Sie sich dieser Gruppierung angeschlossen haben. Jakob Wentworth, nicht wahr? Er ist der Anführer ... und auch dieser andere Werwolf gehört dazu ... und Lupin. Er hat ihm geholfen. Ich frage mich, was Sie dazu bewegt, Potter, auf die schwarze Seite zu wechseln-“ „Es ist nicht die schwarze Seite, verdammt-“ „Oh doch, das ist sie, und das wissen Sie ganz genau! Sie stellen sich gegen den Orden und der Orden ist die weiße Seite – was wollen Sie noch hören?“ Harry hörte gar nichts mehr. Moody hatte seine Wut zur Genüge angefacht. Er dachte nicht nach, als er nach vorne losstürmte, das Messer erhoben, ohne jeglichen Schutz. Moody reagierte schnell; ein heller Strahl zischte gleißend auf ihn zu und Harry konnte nur noch in letzter Sekunde ausweichen. Er rutschte auf dem nassen Steinboden aus und fiel mit voller Wucht auf seine Seite. Er lag nur den Bruchteil einer Sekunde da, ehe er sich wieder aufrappelte und gerade noch so dem nächsten Fluch ausweichen konnte. Fluch um Fluch prallte vor ihm auf dem Boden ein, in die Wand, haarscharf an seinem Ohr vorbei. Moody spielte mit ihm. Das Messer war eine Nahkampfwaffe. Soviel konnte selbst der dümmste Laie erkennen. Der Zauberstab zum Fernkampf geeignet. Wie dumm er schon wieder gewesen war! Harry richtete sich keuchend wieder auf. Es musste einen Weg geben, an Moody heranzukommen! Es musste – wie sollte er sonst an ihn herankommen? Es konnte doch nicht unmöglich sein! In diesem Moment wünschte er sich seinen Besen herbei, irgendetwas, um wenigstens nicht ganz so schutzlos mit seinem lächerlich wirkenden Messer zu sein. Doch er hatte ihn nicht dabei. Er war auf sich gestellt. So wie er es damals bei Richard und Jakob gesehen hatte, fing er an, Moody mit breiten Schritten zu umkreisen. Dieser quittierte das mit einem irritierten Lächeln. „Tatsächlich, man merkt Ihnen an, dass Sie sich den Werwölfen angeschlossen haben. Fehlt nur noch, dass Sie den Mond anheulen.“ Doch Harry wollte sich nicht weiter provozieren lassen. Nach und nach breitete sich eine kalte Ruhe in ihm aus, die seine Gedanken klar und seine Sinne scharf werden ließ. Er hatte nur noch ein Ziel. Wieder das gleiche Manöver – er stieß mit dem Messer hervor, Moody feuerte einen Fluch auf ihn ab, er wich zurück. Das gleiche Spiel, immer und immer wieder. Nur, dass er langsam von der Aussichtslosigkeit seines Unterfanges erschöpft war. Und dann passierte es: Ein Fluch streifte ihn. Er zeriss seinen Ärmel und verbrannte ihm die Haut und weil er dadurch unachtsam wurde, sah er auch nicht den zweiten Fluch kommen, den Moody direkt danach auf ihn gerichtet hatte. Die Augen einen Moment vor Angst zusammengekniffen wurde er mit dem Rücken voran gegen die Außenwand des Turms geschleudert. In der linken Hand hielt er sich den verletzten Arm, in der rechten das Messer, dass er kaum noch halten konnte, weil er so stark zitterte. Nasse, schwarze Strähnen hingen ihm ins Gesicht und Moody kam ihm wie der Mann vor, vor dem alle Kinder abends in ihren Zimmern Angst hatten und sich unter ihren Bettdecken verkrochen. Harry erlaubte sich keine Angst. Er hielt durch. Irgendwie. „Legen Sie das Messer auf den Boden.“ Moody wollte ihm wohl noch eine zweite Chance geben – sollte er sie annehmen und damit Jakobs Angebot aus dem Wind schlagen? Er brauchte keine Sekunde darüber nachzudenken. Er ließ das Messer klirrend auf den Boden fallen und kippte dann selbst um. Moody überbrückte sofort den sichernden Abstand zwischen ihnen und stand nun über ihm, blickte auf ihn herab. Harry spürte es durch seine geschlossenen Augenlider. Er hatte sie nur für einen Moment schließen wollen, kaum mehr als ein Blinzeln, doch die Dunkelheit gaukelte ihm die Sicherheit vor, die er gerne hätte. Öffne die Augen, befahl er sich, tu es endlich, oder es ist alles vorbei. Als er es tat, streckte Moody gerade die Hand aus, um sein Messer an sich zu nehmen. Harrys Beine bewegten sich wie von selbst, sie schlitterten über den nassen Boden, gegen Moody Beine und traten dagegen, nahmen ihm den Halt, brachten ihn zum Stolpern. Er fiel nicht, doch es reichte, um das Messer wieder an sich zu nehmen und es mit aller Gewalt nach oben zu drücken. Doch Harry hatte nicht gezielt, es war Angst, die ihn geleitet hatte, auch wenn er diese versucht hatte zu verdrängen. Er traf Moodys Herz nicht, sondern eine Rippe, rutschte ab und glitt tiefer. Seine Augen weiteten sich schreckhaft, wie die eines Kaninchens, als er spürte, wie die Klinge so weit eindrang, bis der kleine, eckige Griff es verhinderte. Moody starrte ihn ebenso erstaunt an. Sein Glasauge glitt panisch umher, dann packte er Harrys Hand, die das Messer umklammerte und zog die Klinge aus sich heraus. Zentimeter um Zentimeter. Harry versuchte dagegenzuhalten und drückte das Messer wieder hinein und sah dabei in Moodys Gesicht die Schmerzen, die er in jenem Moment durchlitt. Doch Moody war stärker als er. Die Klinge rutschte Harry aus der Hand und durch den Druck, den Moody immer noch auf sie ausgedrückt hatte, schnellte sie nach unten und verfehlte ihn nur haarscharf. Harrys Herz setzte für einen Moment aus. Ebenso seine Gedanken. Dann schnappte er sich wieder das Messer, das auf den Boden gefallen war und rutschte rückwärts, nur weg von Moody. Der alte Auror verfolgte ihn nicht. Er blieb dort, wo er war, fiel dann auf die Knie. Blut breitete sich auf seinem nassen Umhang aus, vermischt mit Regen, und er sah ihn an, mit seinem echten Auge und dem Glasauge und es schien Harry, als würde es ihn hypnotisieren und fesseln, sodass er gezwungen war hierzubleiben, bis jemand kam und entdeckte, was er getan hatte. Harry rappelte sich auf und starrte zu Moody herüber. Was, wenn er überlebte? Er sah nicht danach aus. Was aber, wenn doch noch schnell jemand kam und ihn rettete? Er durfte noch nicht gehen, seine Aufgabe war noch nicht erfüllt. „Potter ... hör auf ...“ Moody holte zwischen jedem Wort rasselnd Luft. „Was du machst ... ist falsch ...“ Harry wollte „Tut mir Leid“ sagen und hätte es auch so gemeint – doch er war einfach nicht mehr zum Sprechen fähig. Stattdessen ging er auf ihn zu, und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Moody bettelte nicht um sein Leben. Er tat etwas viel Schlimmeres: Sein Blick strafte ihn mit Verachtung, derselben Verachtung, die er auch Todessern gegenüber zeigte. Er verstand ihn immer noch nicht. Dann war es vorbei. Harry stieß das Messer durch Moody Brust und diesmal traf er. Er hatte es getan. Moody war tot. Seine Augen zu, weil er sie selber geschlossen hatte und nicht, weil ein liebender Mensch mit den Fingern über sie gestrichen war, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Gestorben. Ermordet. Es hatte nur einen Augenblick gegeben, in dem Harry Zweifel gekommen waren. Zweifel an dem, was er tat. Es war der Moment, kürzer als eine Sekunde, in dem Moody ihn angesehen und er den Menschen hinter der Mauer aus Misstrauen erkannt hatte. Nicht den Feind, der er war. Harry wischte das Messer an Moodys Umhang ab und schob es wieder zurück in sein Versteck an seinem Knöchel. Er sollte weg. Moody würde man so oder so finden, doch er sollte dann nicht mehr in der Nähe sein. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, Lupin diese Sache in die Schuhe zu schieben, doch natürlich würden sie davon ausgehen, dass er es gewesen war. Er lief die Wendeltreppe im Turm hinunter, auch wenn seine Beine schwer wie Blei waren und er am liebsten in Zeitlupe gegangen wäre, so schnell war alles gegangen. Er war eiskalt gewesen, hatte es geschafft, seine Angst zu unterdrücken, doch jetzt schnürte ihm etwas die Kehle zu und obwohl er schon getötet hatte, fühlte er erst jetzt, dass er ein Mörder war. ~~~~~*~~~~~ Sorry dafür, dass das Kapitel etwas kürzer als sonst ist ;) Und Danke an Raviell, die mir bei Jakobs Nachnamen geholfen hat! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)