Dark Age of Camelot von Lanefenu (Die Seele des Paladins, oder: Der Meister und sein Schüler) ================================================================================ Kapitel 1: Eine alte Seele geht ihren Weg ----------------------------------------- Vollendete Stille senkte sich über die kleine Stadt. Die Luft flimmerte vor Hitze und das Leben selbst schien für diesen einen Moment den Atem anzuhalten. Der Jungpaladin bemerkte von all dem nichts. Sein Blick galt ausschließlich der hochgewachsenen Gestalt in ihrer nunmehr geschwärzten Rüstung. Mit erhobenem Rundschild und einer von unschuldigem Blut besudelten Klinge trat der Schwarze auf ihn zu. Nach wie vor war es absolut still und die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel. Langsam, als würde sein Arm ihm den Dienst versagen, ließ der Jungpaladin den Speer sinken. Als er nun sprach, klang seine Stimme weder zornig noch entsetzt, doch tiefe Bitterkeit schwang in ihr mit: "Soweit sind wir also gekommen, ja?" er versuchte, einen Blick auf das Gesicht unter dem schwarzen Vollhelm zu erhaschen, doch das herunter geklappte Visier gab nichts preis. Der Jungpaladin trat einen halben Schritt vor. "Antworte mir, Aragonath." Der andere schwieg und hob zum Zeichen, dass er gehört hatte, nur seine Axt ein wenig höher. Obwohl es nahezu windstill war, flüsterte und rauschte es leise auf dem entweihten Marktplatz, das Blut versickerte träge im gesprungenen Erdboden und ein zerfetztes Banner fiel dem Jungpaladin wie aus dem Nichts vor die Füße. Seine dunkelblauen Augen weiteten sich ein wenig, als er endlich begriff, welche Tragödie sich an diesem Sommerabend wirklich abgespielt hatte. "Du bist ihrem Ruf also tatsächlich gefolgt? ausgerechnet du, Aragonath...ausgerechnet du?" er schüttelte den Kopf und versuchte, den schon beinahe schmerzhaften Kummer vorerst in die letzte Schublade seines Bewusstseins zu verdrängen. "Also dann," sagte er leise, straffte die Schultern und hob seinen Speer. "Komm schon. Jetzt sind nur noch wir beide übrig. Hast du deine Gildengefährten auch umgebracht? wie all die Unschuldigen hier?" er deutete auf die verstreuten Leiber und spürte, wie sich seine Hilflosigkeit zögerlich mit dumpfer Wut mischte. Zum ersten Mal regte sich der Schwarze. Er ließ seine Axt lässig über den toten Boden schleifen und gab ein gedämpftes, trockenes Lachen von sich. "Du redest zuviel, mein Junge. So war es damals schon." Der Jungpaladin nickte beklommen. "Ja. Wahrscheinlich." Und ohne Vorwarnung stürzte er vor, Speer und Schild kampfbereit erhoben. Das Klirren ihrer aufeinanderprallenden Waffen klang unnatürlich laut in dem nun vom Tod beherrschten Dorf. Die vertrockneten Gräser wiegten sich sanft in einem nicht wehenden Wind und die wispernden Stimmen wurden ein wenig lauter. Der Jungpaladin wusste nur zu genau, dass er diesem Gegner bei weitem nicht gewachsen war. Sie beide trennte nicht nur einen Kopf Größe und zwanzig Jahre Erfahrung, viel mehr schien der schwarz gekleidete Ritter alle nur allzu menschlichen Eigenschaften wie Erschöpfung, Furcht, Reue oder Schmerz verloren zu haben. Unerbittlich trieb er den Jüngeren vor sich her und die einstmals so sanftmütigen, ruhigen braunen Augen schienen hinter dem Visier in bösartiger Belustigung zu funkeln. Der unausgewogene Kampf zog sich gute fünf Minuten hin, ehe der Jungpaladin, der sich inzwischen auf reine Abwehr beschränkte, für einen Moment unachtsam wurde, über einen der Toten stolperte und erschrocken um sein Gleichgewicht rang. "Schade," sagte Aragonath bedauernd und gab ihm einen beinahe spielerischen Stoß, der jedoch ausreichte, den jungen Mann endgültig stürzen zu lassen. Sogleich war er über ihm, drückte ihn mit dem Fuß nieder und setzte ihm die Waffe an die Kehle. "So, Söhnchen," sagte er ruhig. "Und was jetzt?" während dem Jungpaladin feiner Schweiß auf der Stirn perlte, wirkte der Schwarze so, als käme er gerade von einem gemütlichen Abendspaziergang. "Du hast sicher viele Fragen," fuhr er fort, als der Besiegte beharrlich schwieg, "und im Himmel werden sie sie dir vielleicht beantworten. Wohlgemerkt, vielleicht. Freust du dich auf den Himmel, Kryptarion? oder auf einen Platz an Gottes Seite? hm?" er verstärkte den Druck seiner Klinge ein wenig, und hellrotes Blut quoll aus dem feinen Schnitt. Das Gesicht des Jungpaladins war aschfahl. "Ich habe einmal an einen Platz an deiner Seite geglaubt," flüsterte er heiser. "Neun Jahre lang, Aragonath. Warum ist dies nun alles passiert?" der Schwarze verharrte, die scharfe Axt fasste an des anderen Hals und sein Stiefel drückte mit solcher Kraft auf die Brust, dass der silberne Plattenharnisch tatsächlich ein leises, protestierendes Knirschen von sich gibt. "Weil Gott uns nicht zuhört, mein Junge. Wir sind ganz allein. Wir sind immer allein!" Kryptarion wand sich verzweifelt und schlug wirkungslos mit der Faust auf den Boden. Aragonath sah ihm ausdruckslos zu und nagelte ihn weiterhin am Boden fest, bis sich der Jungpaladin endlich in einem erstickten Schluchzen verlor. "Schade," sagte Aragonath nochmals und schüttelte den Kopf. Träge zog er Klinge und Fuß zurück und trat einen halben Schritt nach hinten. Eine Weile starrte er wortlos auf seinen einstigen Schüler hinunter. "Geh," befahl er dann einfach. "Geh, und frage deinen Gott, warum er das hier nicht verhindert hat, wo er seine Kinder doch so unsagbar liebt. Frage ihn, warum er nie etwas verhindert hat. Vielleicht gibt er dir ja eine Antwort." Mit einem Ruck wandte er sich ab, ohne den auf der Erde hockenden Jungpaladin noch eines Blickes zu würdigen. Kryptarion seinerseits hielt den Kopf tief gesenkt, salzige Tränen der Enttäuschung brannten hinter seinen Lidern. Langsam und mühevoll rappelte er sich auf und ergriff seinen Speer. "Bleib stehen," befahl er. "Kehr mir nicht den Rücken zu!" Aragonath gehorchte, ohne sich jedoch umzudrehen. Er wartete, bis der junge Mann auf wenige Schritte näher getreten war, ehe er ihm endlich den Kopf zuwandte. "Hör auf, Söhnchen," sagte er beinahe mitleidig, "hör auf." Die raunenden Stimmen hatten sich inzwischen zu einem bedrohlichen Zischen gesteigert, und Kryptarion schüttelte den Kopf. "Das kann ich nicht, Meister," sagte er leise und sprach damit das Wort aus, was er nun fast vier Jahre lang nicht mehr gebraucht hatte. Aragonath sah ihn drei Herzschläge lang schweigend an, ehe er abermals seine Waffen hob. Die Sonne brannte weiterhin so gnadenlos vom Himmel, als wolle sie alles Leben unter sich vernichten. Dabei gab es zumindest in diesem stillen Dorf am Meer überhaupt kein Leben mehr. Aragonath hob langsam die Schultern. "Wie du willst, Söhnchen." Es klang beinahe wie ein Seufzen. Das stetige Zischen und Flüstern wurde nun von einem kläglichen, nicht aus Menschenkehlen stammenden Schluchzen begleitet. Aragonath trat rücksichtslos auf das zerfetzte Banner, hob seinen nachtschwarzen Rundschild und die blutbesudelte Axt. Sie trägt den Beinamen ´´Bosheit´´ nun wahrhaftig zu Recht, dachte der Jungpaladin mit einer bizarren Art von Galgenhumor. Die beiden so unterschiedlichen Kämpfer musterten sich einen Moment lang abschätzend, ehe sie sich wie auf ein unsichtbares Kommando hin verneigten- diese Geste, zusammen mit den vielen Toten und dem entweihten Banner unterstrich die makabere und groteske Situation auf beklemmende Weise. Kryptarion hatte sich kaum aufgerichtet, da war der Ältere bereits mit einem unglaublich schnellen Satz bei ihm und hob die Axt. Ohne alle Eleganz taumelte er zurück, hob den Speer und parierte den Hieb im letzten Augenblick. Entsetzt bemerkte er, dass Aragonath lächelte- ein freudloses, höhnisches Grinsen, bar jeden Mitleids. Sein alter Meister hatte ihm aus unbekannten Gründen eine allerletzte Chance gegeben, doch er hatte sie nicht wahrgenommen, und nun würde der gefallene Paladin keine Sekunde mehr zögern. Vielmehr schien er sich darauf zu freuen, dem zum Friedhof gewordenen Caer Gothwaite ein letztes Opfer zu bringen. Klirrend, funkensprühend trafen ihre Klingen aufeinander. Einen Moment standen sie sich so gegenüber, der lächelnde Aragonath und sein zähneknirschender Schüler, ehe der Altpaladin beinahe lässig mit dem Schild zuschlug und seinen Gegner gegen den gesprungenen Runenstein schmetterte. Kryptarion trug keinen Vollhelm sondern lediglich einen eisernen Stirnreif und er spürte, wie etwas Warmes an seiner linken Schläfe hinabrann. Heftig blinzelnd und mit einem kupfernen Geschmack im Mund richtete er sich wieder auf und hieb ziellos nach Aragonath, der den Hieb mit stoischer Gelassenheit abblockte und gleichzeitig zurückschlug- kreischend schrammte die Axt über den silbernen Brustharnisch. Warum er überhaupt noch weiterkämpfte, war Kryptarion nicht ganz klar. Er würde hier sterben, ohne Zweifel, getötet durch den Mann, den er so oft verflucht und gefürchtet, aber auch bewundert und mehr als einmal wie einen Vater geliebt hatte. Seine abschweifenden Gedanken bezahlte er prompt mit einem weiteren kraftvollen Hieb, der seinen Schwertarm für einen Moment komplett taub werden ließ- der Speer fiel ihm aus den kraftlosen Fingern. Schweigend standen sie sich gegenüber, ehe Aragonath mit der Axt auf die fallen gelassene Waffe deutete. "Heb ihn wieder auf." "Wozu?" fragte Kryptarion leise und hielt sich den schlaff herunter hängenden Arm. Er hatte nicht einmal mehr Gefühl in den Fingerspitzen, und er fror trotz der sengenden Sonne. "Ich töte meine Gegner lieber, wenn sie mit einer Waffe in der Hand vor mir stehen. Das nimmt dem Ganzen ein wenig von seiner Lächerlichkeit." Aragonath klang beinahe gelangweilt, doch die dunklen Augen funkelten mutwillig und verächtlich gab er dem Speer einen Tritt, welcher die Waffe ein Stück auf den erstarrten Jungpaladin zuschlittern ließ. "Na los!" Kryptarion ging schweigend in die Knie und griff nach seiner Waffe. Diesmal ließ ihm Aragonath ein wenig mehr Zeit. Kryptarion stand auf und sah Aragonath an, und dieser trat auf ihn zu, um eine Reihe gleichmäßiger, zielsicherer Hiebe auf ihn niederfahren zu lassen. Das kann doch nicht wahr sein, dachte der Jungpaladin und erstickte den Anflug von Hysterie im Keim, ist er überhaupt noch ein Mensch? als hätte Aragonath seine Gedanken gelesen, ließ er plötzlich seine Axt fallen- die behandschuhte Hand schoss vor und legte sich wie ein Schraubstock um den Hals des Avaloniers, wobei er den jungen Mann abermals gegen den Runenstein stieß. "Du bist ein Narr, mein Junge," sagte der schwarze Ritter ausdruckslos. "Ein hoffnungsloses, verzweifeltes Kind." Er verstärkte seinen Druck, und Kryptarion schnappte nach Luft, wobei seine unversehrte Hand sich wirkungslos in den dunklen Umhang seines einstigen Meisters krallte. Schwarze Schlieren zogen vor seinen Augen vorbei, die Sonne schien zu verschwimmen und hämmernde Kopfschmerzen pulsierten in seinen Schläfen. Er legte den Kopf in den Nacken und sah, schon halb besinnungslos, auf einen imaginären Punkt am Himmel. Licht. Ein beruhigendes, mattblaues Licht, das der Sonne ihre Grelligkeit und Hitze nahm und ihm das eisige Gefühl in seinem toten Arm. Kryptarion schloss die Augen- war dies das Ende, ein letztes verwirrendes Spiel seiner Gedanken, ehe ihn Finsternis und Tod empfangenen würden? er spürte, wie die Finger seiner rechten Hand schwach und unkontrolliert zuckten und seinen Speer, der ebenfalls zu leuchten schien, plötzlich fest umklammerten. Aragonath schien die seltsame Veränderung nicht zu bemerken- sein Griff war nach wie vor eisenhart und der Blick der seelenlosen Augen konzentriert und abwartend. Mit einem stummen Schrei hob Kryptarion hinter seinem alten Lehrer den Speer und stieß ihn blind in eine winzige Lücke der schwarzen Plattenpanzerung. Aragonath erstarrte, und für einen Moment wurde der Druck seiner Hand so stark, dass den Jungpaladin ein trockener Würgereiz überkam. Doch dann lösten sich die Finger von seinem Hals und Kryptarion taumelte keuchend zur Seite, wobei er sich kurz am blutbespritzten Runenstein festklammerte. Aragonath stand nach wie vor hochaufgerichtet, als würde er die blutige Speerspitze, die seine Schulter durchdrungen und den Nacken gestreift hatte, überhaupt nicht bemerken. Doch dann öffneten sich seine Lippen in einem Ausdruck leiser Überraschung und ein winziger Faden unnatürlich dunklen Blutes rann an seinem Mundwinkel herab. Krachend fiel der schwere Rundschild zu Boden. Kryptarion rieb sich die schmerzende Kehle und sah entsetzt zu, wie sein alter Meister sich endlich regte, und sich schwankend zu seiner fallen gelassenen Axt beugte. "Nein!" Kryptarion wollte schreien, doch er brachte lediglich ein trockenes Krächzchen zustande. "Hör auf, Aragonath...bitte! was ist nur mit dir geschehen, wer hat dir das angetan? hör auf..." der Altpaladin ergriff seine Waffe, drehte sich zu Kryptarion um- und brach mit einem leisen Seufzen in die Knie. Reflexartig wollte der Jüngere ihn bei den Schultern packen, da schnellte die Axt zu ihm hinauf und hinterließ einen tiefen, langen Riss in seiner linken Wange. Der Avalonier bemerkte es kaum, obwohl sofort Blut aus dem Schnitt strömte. Er griff nach seinem eigenen Speer, der immer noch aus Aragonaths Schulter wuchs. Doch seine Finger schwebten nur Zentimeter über der Waffe, da steigerte sich das matte Flackern zu einem gleißenden Licht und Kryptarion glaubte, die Hand in reines Feuer gehalten zu haben- mit einem Aufschrei zog er sie zurück. Zitternd und blutend hockte er nebem seinem gestürzten Lehrer, zögerte einen Moment und nahm dem anderen dann vorsichtig den schweren Vollhelm ab. Aragonath sah ihn an, nun wieder mit den ernsten, weisen Augen, die er über so viele Jahre hinweg geschätzt hatte. Sein Gesicht war entspannt, obwohl nach wie vor ein stetiger kleiner Blutstrom aus seinem Mund floss. "Was ist das?" flüsterte Kryptarion erstickt und starrte auf seine eigene Waffe, die nun wieder schwach glühte. "Was zur -" Aragonath seufzte leise. "Vergeltung," flüsterte er. Kryptarion sah ihn hilflos an. Aragonath erwiderte den Blick und lächelte- diesmal war es kein verdorbener Abklatsch mehr, sondern das ruhige, auf gutmütige Weise spöttische Lächeln, das dem Jungpaladin so vertraut wie der passende Ausdruck seiner Augen war, und ihm war, als krampfe sich eine kalte Hand um sein Herz. "Es ist gut so...wie es gekommen ist. Du hast es richtig gemacht, ich...konnte es nicht mehr. Kryptarion...frage nicht, wieso ich zu »ihnen« gegangen bin, ich...habe irgendwann den Glauben...", er hustete trocken und der feine Strom wurde stärker, "ich habe irgendwann den Glauben verloren...Demut...ich war schon lange kein Paladin mehr. Nun ist es gut. Und dass ausgerechnet du ausgewählt wurdest, mich zu..." er brach ab und Kryptarion beugte sich ängstlich vor. Es verging eine ganze Zeit, ehe Aragonath matt seufzte. "Er hat Sinn für Humor. Den hat er...wirklich. Leb wohl, mein Junge. Wohin ich nun auch gehe...wir werden uns sicher wieder sehen." Der alte Paladin tat einen tiefen Atemzug, dann noch einen- und lag still. Kryptarion sah mit gesenktem Kopf auf ihn hinunter, ungeachtet des Blutes, das aus seinem entstellten Gesicht tröpfelte. Behutsam küsste er den Toten auf die Stirn. "Das werden wir," sagte er leise. Er stand auf, fuhr sich kurz mit der Hand über die Augen und bemerkte, dass das geisterhafte Leuchten seiner Waffe verschwunden war- auch die Sonne brannte nun wieder mit ungehemmter Macht vom Himmel. Der Jungpaladin hielt sich den Arm, der nun zwar nicht mehr todeskalt, jedoch wieder völlig ohne Gefühl war, und sah zum Meer hinüber. Träge Wellen brachen sich am Ufer, und die unwirklichen Stimmen waren verstummt. "Also dann," flüsterte er und ließ den Blick umherschweifen, "ich habe wohl noch einige Dinge zu erledigen. Das wird ein schönes Stück Arbeit ohne Eure Hilfe, Meister, aber ich werde mein Glück versuchen." ~Ende~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)