Dark Age of Camelot von Lanefenu (Llienne's Life) ================================================================================ Kapitel 15: Klärende Worte -------------------------- Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Ich blieb wohl eine halbe Stunde auf dem Bett liegen und zählte imaginäre Punkte an der Decke, ehe ich laut und tief seufzte und die Beine über die hölzerne Kante schwang. Ich fühlte mich ein wenig wie ein Tier im Käfig, als ich nun rastlos im Raum auf- und abging. Dass draußen immer mal wer einen langen Hals machte und mich begaffte -besonders drei Lurikeenkinder drückten sich an der Glasscheibe die Nase platt- verstärkte das Gefühl noch. Ich hörte das gedämpfte Kichern der drei Früchtchen und wandte ihnen ärgerlich den Blick zu. Ein Mädchen mit kurzen blauen Haaren streckte mir die Zunge heraus, ein rothaariger Junge schnitt eine scheußliche Grimasse und alle drei lachten. Ich knirschte lautlos mit den Zähnen und kehrte ihnen wieder den Rücken zu. So weit, dass ich wegen ein paar Gören die Nerven verlieren würde, war ich noch nicht. Da hatte ich hier im immergrünen Hibernia schon ganz andere Dinge erlebt. Die Zeit kroch träge dahin und mein Magen knurrte immer lauter, als sich wie auf ein Stichwort hin das Geräusch schwerer Schritte näherte. Nur einen kleinen Moment später wurde die Tür aufgeschlossen und ein massiger Firbolg trat in den Raum. Der Mann musste den Kopf ein wenig einziehen und balancierte ungeschickt ein hölzernes Tablett mit einer Schale, der ein köstlicher Duft entstieg, sowie einem Stück Brot, einem Becher und einer kleinen Kanne. "Ihre Majestät bedauert, dass es so lange gedauert hat," brummte der Hibernianer mit seiner Bassstimme. "Iss und beeil dich. Ich werde warten." Er stellte das Tablett in Ermangelung eines Tisches auf den Schemel und stampfte dann aus dem Zimmer, ohne meine Antwort abzuwarten. Ich trat hastig näher und betrachtete, was man mir gebracht hatte. Einen wirklich kleinen und nur halb gefüllten Teller mit dünner, aber appetitlich riechender Suppe, ein winziges, aber frisches Stück Brot und einen Becher voll verdünnten Wein. Warum der Firbolg eine Karaffe bereitgestellt hat, war mir nicht ganz klar, denn das Gefäß war leer. Nun ja, dass die Halbriesen nicht viel mehr Intellekt als ein Troll besaßen, hatte ich ja schon festgestellt. Ich zog den Schemel zum Bett, ließ mich auf dessen Kante nieder und beugte mich gierig über meine magere Mahlzeit. So wenig es auch war, es war doch köstlich. Die Suppe schmeckte nach Rindfleisch und Gemüse, der dünne Wein war süß und gut gekühlt und eine Wohltat für meine trockenen Lippen und die ausgedörrte Kehle. Ich aß wie ein Tier, weil es keinen Löffel gab, umfasste ich den Teller mit beiden Händen und schlürfet lautstark, wobei mir ein wenig Suppe aus den Mundwinkeln rann. Sorgsam leckte ich jedes Tröpflein fort, wischte den Teller mit dem Brot aus und verspeiste es, ehe ich alles mit einem letzten Schluck Wein hinunterspülte und einen herzhaften Rülpser ausstieß. Guckte ja schließlich keiner. Danach seufzte ich bedauernd. Es hatte mir gut geschmeckt, aber es war längst nicht genug, um meinem Hunger gänzlich die Stirn zu bieten. Für ein Mädchen -selbst für eines aus Midgard- hatte ich einen bemerkenswert guten Appetit, der in der letzten Zeit viel zu selten gestillt worden war. Ich wollte mich gerade erneut auf dem Bett ausstrecken, als die Tür abermals aufschwang und mein Wohltäter, der Firbolg, ins Zimmer trat. "Bist du fertig?" brummte er. Ich nickte nur- gut, dass er nicht gefragt hatte, ob ich satt wäre. Ich hätte vermutlich noch einen halben Ochsen auf Brot vertilgen können. "Gut. Komm mit." Die knappe, knurrige Art des Hünen ärgerte mich ein wenig, doch ich gehorchte und trat auf ihn zu. "War das meine Henkersmahlzeit?" erkundigte ich mich und schaffte es nicht, die Bemerkung allzu humorvoll klingen zu lassen. Der Firbolg grunzte, antwortete nicht und packte mich am Arm, woraufhin ich die Zähne zusammenbiss und einen Schmerzlaut unterdrückte. Ich stellte mich darauf ein, jetzt nach Alainn Cuir gebracht zu werden, und abermals lag ich falsch. Der Firbolg schleppte mich hinter das Haus und ich sah ein paar ordentlich gefaltete Kleider im Gras, ebenso mehrere Holzeimer. Während ich noch verwirrt die Stirn runzelte, fuhr der Hibernianer herum und bellte die Lurikeenkinder an, die uns kichernd und giggelnd gefolgt waren. Kreischend stoben sie auseinander und rannten Richtung Nordausgang davon. Ich wollte meinen Begleiter gerade fragen, was denn nun wieder kommen würde, da japste ich schon nach Luft, als der Kerl einen Eimer verflucht eisigen Wassers über meinem Kopf entleerte. "Aufhören," spuckte ich, "ich habe schon geba..." natürlich hörte er nicht auf, aber die nächste Wasserladung war wenigstens warm. Das dünne, zerfetzte Untergewand klebte mir unangenehm am Körper und stellte ihn zur Schau und ich trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, doch der Firbolg schien nicht im Mindesten beeindruckt. "Zieh die Lumpen aus," grollte er, "sie stinken." Ich starrte ihn an, halb beleidigt, halb ungläubig. "Hier, mitten in der Stadt, soll ich... Ihr spinnt wohl!" der Firbolg knurrte voller Ungeduld. "Zieh sie aus, oder ich werde dir dabei helfen...!" ich ballte die Fäuste und der Mann tat es mir gleich. Blieb da noch der kleine Unterschied, dass seine so groß und breit wie Schaufeln waren. Bebend vor Zorn und Verlegenheit drehte ich ihm den Rücken zu und schälte mich aus dem Kleiderrest und der Firbolg trat resolut näher und schüttete mir einige weitere Eimer warmen Wassers über den Kopf. "Hier," sagte er und drückte mir doch tatsächlich ein gelbes Stück Seife in die Hand. Bei Bragi, was hab ich getan, dachte ich zähneknirschend und seifte mich mit hastigen Bewegungen ein. Je mehr ich mich beeilte, desto schneller war die unwürdige Behandlung vorbei. Warum mussten Hibernianer eigentlich überhaupt dauernd baden?! so eine übertriebene Sucht nach Reinlichkeit war nur etwas für Mimosen und gezierte Schnösel. Zweimal im Monat reichte doch vollkommen aus und wenn es jemandem wirklich einmal unangenehm war, konnte er auch eine Handvoll Schnee nehmen und...der Gedanke entglitt mir, als mich wieder warme Wassermassen trafen. "Das reicht!" fauchte ich und blinzelte mir das Wasser aus den Augen. "Ich fange schon an zu schrumpeln, verdammt nochmal." Irrte ich mich, oder blitzte es in den kleinen Augen des Mannes kurz belustigt auf? er deutete auf die Kleider im Gras. "Hast du im Haus nichts Passendes gefunden? probiere das dort. Ansonsten musst du nackt vor Ihre Majestät treten." Ich funkelte ihn zornig an, verdeckte mit einem Arm meine Scham und mit dem anderen die Brüste und trippelte auf den Haufen zu. "Ich werde die ganze Zeit herumgeschubst," sagte ich langsam und ging in die Hocke, einen Arm sinken lassend und den Haufen durchwühlend. Der Firbolg wartete schweigend. "Und mir gibt ja eh keiner eine vernünftige Antwort," fuhr ich mit mühsam unterdrücktem Ärger fort, wobei ich ein grünes, grausam kitschig verziertes und besticktes Kleid beiseite warf, "aber ich versuche es trotzdem. Wo hat man den Elfen Zaphykel hingebracht?" der Firbolg sah mich sehr seltsam an. Er kniff die Augen zusammen, grinste kurz und dann wurde sein Gesicht plötzlich wieder so ausdruckslos wie eine zerfurchte Maske. "Du wirst ihn sehen. Vielleicht. Wenn sie es wünscht." Ich wollte eine schnippische Bemerkung fallen lassen, doch er schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. "Genug jetzt. Zieh dich an, ich warte vorne." Während der Firbolg davonstapfte, spürte ich plötzlich wieder den innigen Wunsch, in Tränen auszubrechen. Das alles war so unfair, ich war nur auf der Flucht, zappelte und strampelte wurde dabei geringschätzig wie ein Tier behandelt. Was ich hier auch angefangen hatte, es war schief gegangen. Meinen scheußlichen Bruder hatte ich nicht besiegen können, was aus Keena, Brakalu und den anderen geworden war, würde ich wohl nie erfahren, und Zaphykel...resigniert missbrauchte ich das alberne Kleid als Handtuch, rubbelte mir die kurzen Haare trocken und wählte dann ein Paar schwarz gefärbter Leinenhosen, hohe Lederstiefel und eine ärmellose, weiche Samtweste. Skaldin hin oder her, ich hatte für den Moment keine Lust, mich wieder in eine Rüstung zu werfen. So eine war ohnehin nicht verfügbar. Missmutig schlenderte ich zur Vorderseite des Hauses und der Firbolg, der mir schon abwartend entgegen blickte, nickte zufrieden. "Nun siehst du wieder vorzeigbar aus. Ich denke, wir können Ihrer Majestät jetzt einen Besuch abstatten." Ich schwieg, ließ es mir aber nicht nehmen, dem Hünen hinter seinem Rücken eine respektlose Grimasse zu schneiden. Als ich mir das kurze, noch immer feuchte Haar auswrang und dem Firbolg mit hängenden Schultern folgte, erfüllte mich eine Ihr-könnt-mich-alle-gern-haben Stimmung, die tatsächlich beinahe tröstlich war. Ich war gescheitert, so sah es aus. Ich hatte alles versucht und am Ende nichts gewonnen. Seltsamerweise war es mir beinahe egal, zumindest für den Moment. Zwar brannten meine Augenlider und der Druck der unvergossenen Tränen war in den letzten Minuten nur stärker geworden, aber ich wollte mich nicht mehr aufregen oder weinen. Dazu könnte ich wohl noch genug Gelegenheit bekommen, wenn Ihre hochgeschätzte Majestät Mikata sich mit befassen würde. Eigentlich war es schin ein wenig verwunderlich, dass man nicht von 'Seiner Majestät' sprach, aber Mikatas greiser Vater hatte es an Autorität nie mit seiner Tochter aufnehmen können. Ich seufzte leise. "Du machst so ein betrübtes Gesicht, Menschenmädchen," bemerkte der Firbolg beinahe friedlich, obwohl er sich nicht einmal umgedreht hatte. "Ja, ich wundere mich auch," versetzte ich mit halblauter Stimme, die jedem Essig Konkurrenz gemacht hätte. "Fragt mich nicht wieso, aber Hibernia und seine Bewohner haben irgendwie eine stimmungshemmende Wirkung auf mich. Besonders die Dame, die bei euch auf dem Thron sitzt." Mit einer Schnelligkeit, die man ihm wohl kaum zugetraut hätte, drehte sich der Firbolg um und packte mich vorne an der Weste. "Spotte nicht über unsere Herrin, Mensch!" grollte er, wobei sich seine kleinen Augen drohend verengten. Ich war bei der unvermuteten Berührung unmerklich zusammengezuckt, doch nun blickte ich meinem Begleiter beinahe herausfordernd ins grobe Gesicht, schwieg dazu jedoch. Nach einem kleinen Moment stieß der Mann ein Schnaufen aus und stellte mich mit einem Ruck wieder auf die Füße. "Midgarder," knurrte er nur und setzte seinen Weg in Richtung Thronsaal fort. Wissen bedeutet, seinen Gegner zu kennen. Wer seinen Gegner kennt, hat das Wissen um den Sieg -midländisches Sprichwort- Mein Herz klopfte nun doch, als wir wenig später an der Schmiede vor Alainn Cuir standen. Der Firbolg trat plötzlich zur Seite und machte eine einladend wirkende Handbewegung: "Nach dir." Ich sah ihn beklommen an und der Firbolg grunzte halb ungeduldig, halb belustigt. "Ihre Majestät möchte dich sehen, nicht mich. Darum gehe vor." Ich wollte am liebsten weglaufen, aber natürlich war allein der Gedanke schon blanker Irrsinn. Hier, in der Hauptstadt Hibernias, hätte ich mir keinen schlechteren Ort für eine Flucht aussuchen können. Ich durchquerte die mit Teppich ausgelegten Gänge und registrierte nur am Rande, dass nirgendwo ein Händler herumstand. Sogar der Siegelmacher, den für gewöhnlich nichts und niemand von seinem angestammten Platz vertreiben konnte, war verschwunden. "Wo sind denn alle?" stieß ich gegen meinen Willen hervor. Die ganze Angelegenheit wurde immer seltsamer. Waren die Bewohner Tir na nOghs auch alle bei der Massenversammlung vor den Toren der Hauptstadt zusammen gekommen? und wenn ja: warum? der Firbolg lächelte nur ein wenig und sagte nichts. Etwa vier Schritte vor den mächtigen, geschlossenen Eichentüren blieb er stehen und nickte mir auffordernd zu. Mit bleischweren Beinen und einem faustgroßen Klumpen in der Kehle, aber wenigstens hoch erhobenen Hauptes, schritt ich an ihm vorbei und streckte die Hände aus, da öffneten sich die Türen wie von Geisterhand selbst und gaben den Blick auf den Gang frei, welcher in den Thronraum führte. Ich nahm allen Mut zusammen und trat ein. Es waren nur einige Schritte, die ich gehen musste, ehe ich am Ende des Ganges erstarrte und das wohl fassungsloseste Gesicht aller Zeiten machte. Jubel schlug mir entgegen, schlichte, ungetrübte Begeisterung. Ich blickte in die feindlichen -feindlichen?- Gesichter und konnte ganz einfach nicht begreifen, was hier vor sich ging. Dort saßen gut dreißig Elfen, Lurikeen und Kelten neben Firbolgs und ein paar vereinzelten Shars und Sylvanern an einem gedeckten Banketttisch und jubelten mir zu, als wäre ich eine siegreiche Heldin ihres Reiches. Und am Kopf der Tafel saß..."Was...Ihr?" murmelte ich beinahe verstört und starrte die Elfe an. Brigit nickte lächelnd. Sie war kaum wieder zu erkennen. Ihr Gesicht war frei vom Schmutz und den unzähligen kleinen Schrammen, die sie beim Kampf in Murdaigean davongetragen hatte. Das lange Haar trug sie in einer kunstvollen Hochsteckfrisur und ihre Kleidung bestand aus einer meisterhaft gefertigten, dunklen Schuppenrüstung und einem prachtvollen Umhang. Der einzige Schmuck bildete ein schmaler goldener Stirnreif. "Was...aber...wie seid Ihr..." stammelte ich im hoffnungslosen Versuch, aus dem innerlichen Chaos etwas halbwegs Vernünftiges zustande zu bringen. Brigit schmunzelte schuldbewusst. "Ich sehe, du bist verwirrt und du hast ja auch jeden Grund dazu. Meine Lieben," sie nickte den anderen Anwesenden zu, "seid so gut und lasst mich für eine Weile mit meinem Gast alleine." Die Hibernianer erhoben sich sofort, verbeugten sich vor der Elfe und verließen dann in einer feierlichen Reihe den Thronsaal, wobei mir immer noch das ein oder andere Lächeln zuteil wurde. Ein Kelte mit blauen Tätowierungen im Gesicht klopfte mir sogar auf die Schulter und eine Lurikeen umarmte mich rasch, ehe sie grinsend ihrem Gefährten nacheilte. Außer Brigit war nur noch ein Elf am Tisch zurückblieben. Er saß ganz am Ende der Tafel und hatte mir bisher den Rücken gekehrt, doch als der letzte Hibernianer den Raum verlassen hatte, drehte er den Kopf, strich sich mit einer nachlässigen Geste das lange dunkle Haar aus der Stirn und sah mich an. Es war Zaphykel. Ich machte ein Gesicht wie eine Kuh und glotzte zwischen Mutter und Sohn hin- und her. Brigit weidete sich einen Moment an meinem grenzenlosen Erstaunen, doch noch immer gab sie mir nicht die ersehnte Erklärung und schnippte stattdessen laut mit den Fingern. Ein Türflügel schwang auf und ein überdurchschnittlich groß gewachsener Lurikeen huschte herein. Er verbeugte sich linkisch vor den beiden Elfen, zwinkerte mir zu und begann dann, die bereits geleerten Teller und Schüsseln samt Besteck einzusammeln. Es sah zwar einmalig aus, wie sich das Kerlchen mit dermaßen viel Geschirr belud, ohne dabei auch nur einen Löffel fallen zu lassen, doch für solche profanen Dinge hatte ich für den Moment keinen Blick übrig und starrte immer noch Zaphykel und seine Mutter an. Letztere fasste sich jedoch in Geduld und strapazierte die meine bis auf ein beinahe unerträgliches Maß, während Zaphykels Gesicht seltsam ausdruckslos blieb. Der Lurikeen verschwand, wobei er ein wenig wie ein vergoldeter kleiner Turm wirkte, und kam wenig später mit sauberen Gedecken für drei Leute zurück. Mit einer weiteren Verbeugung stellte er Teller, Schüssel, Besteck und einen frischen Trinkpokal zuerst vor Brigit hin, ehe er Zaphykel und dann mir ein Gedeck vorsetzte. Eine letzte Verbeugung und der Lurikeen huschte hinaus, wobei wie von Geisterhand die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Brigit, die das absichtlich zu machen schien, schmunzelte und goss uns edlen Wein ein. "Llienne. Wie geht es dir? wir haben uns seit der Schlacht ja nicht mehr gesehen." Ich schüttelte fassungslos den Kopf. "Ihr seid wieder da?" fragte ich dümmlich, meine Verblüffung war einfach zu groß. Doch die Elfe nickte ernst. "Ja. Weißt du nicht, wieviel Zeit vergangen ist?" ich stutzte und rechnete kurz. Nun, das war nicht viel. Nach der überstürzten Teleportrückreise aus Murdaigean war mir schon aufgefallen, dass die Zeit im Innenland nicht ganz mit der des Schlachtfeldes überein stimmte, doch ich hatte höchstens mit ein paar Stunde gerechnet. Ob meiner Erschöpfung hatte ich eine Nacht in der Höhle des Murgar geschlafen, Zaphykel quasi im letzten Moment vom Galgen entführt und eine weitere Nacht -meine Wangen röteten sich ein wenig- mit dem Elfenprinzen verbracht. "Doch nur ein paar Tage?" tippte ich unsicher und noch immer nicht ganz Herrin meiner selbst. Brigit lächelte, doch ihre Augen blieben ernst. "Es waren etwas über zwei Wochen, Llienne. Und in diesen zwei Wochen ist viel geschehen. Der Verräter und seine Tochter sind geflohen und nicht jeder hier ist mit meiner Rückkehr einverstanden." Sie wiegte nachdenklich den Kopf. "Dabei bin ich nicht die Einzige, die zurückkehren wird." Ich sah, wie sich Zaphykel bei den Worten seiner Mutter versteifte und seine Miene noch kühler wurde und vermied es, eine entsprechende Frage zu stellen. Brigit sprach bereits weiter, ihr Ton war ruhig und sachlich: "Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. Ich selbst habe das Exil gesucht und Hibernia ohne eine Führunsgkraft zurückgelassen, genau wie mein Mann, der sich Schlachtfeldern und unserem geliebten Schleier zugewandt hat. Wir haben das Reich im Stich gelassen." Ich schwieg ratlos, denn tatsächlich dachte ich nicht anders. Doch ich wollte dazu nichts sagen, Hibernias Politik war nicht die meine, Elfen waren allesamt eh ein wenig seltsam und ich besaß bezüglich Brigit und Lugh Lampfhota durch den Berserker Vewo viel mehr Wissen, als ich eigentlich haben durfte. Was hatte der einstige Küchensklave gesagt- Zaphykels Onkel sei angeblich auf einem seiner Schlachtfelder gefallen? nein, ich stellte die Frage lieber nicht. Doch die alte und neue Herrin Hibernias schien direkt in mich hineinzublicken. "Wenn du Fragen hast, Llienne, dann stelle sie. Ohne dich wäre ich heute nicht hier." Ich räusperte mich, warf einen kurzen Blick zu Zaphykel und nahm einen Schluck Wein. Er schmeckte süß und lieblich und war angenehm kühl. "Wo sind meine Freunde?" wollte ich wissen. "Irgendwo im Schloss, denke ich. Sie dürfen sich natürlich frei bewegen. Diese junge Valkyn, Keena, sie hat immerzu nach dir gefragt. Und auch die Albioner waren sehr besorgt." Brigit schloss lächelnd die Augen. "Wirklich merkwürdig," murmelte sie. Ich blickte sie fragend an und die Königin öffnete beinahe träge ein Auge. "Wie ich schon einmal sagte, eine Freundschaft zwischen Midgardern und Albionern ist nichts Alltägliches. Davon könnt ihr noch euren Kindern erzählen. Dies wird man zumindest bei uns tun." Ihre Stimme nahm einen beinahe feierlichen Unterton an, als sie sich vorbeugte und mich sehr ernst anblickte. "Du bist kaum mehr als ein Kind, Llienne. Und doch stehe ich tief in deiner Schuld. Ich glaube, du weißt gar nicht, was du und jene, die dir folgten, vollbracht haben. Du kannst durchaus stolz auf dich sein und wenn es irgend etwas gibt, das ich für dich tun kann, dann zögere bitte nicht, es mir zu sagen." Ich nahm verlegen einen weiteren Schluck Wein und blickte kurz zu Zaphykel hinüber. Dessen Schweigen war mir suspekt und der Ausdruck leiser Traurigkeit in seinem Gesicht verwirrte mich. "Ich...möchte nach Hause," sagte ich stockend und biss die Zähne zusammen, als der Elf die schlanken Hände so fest um seinen Trinkpokal schloss, dass die Fingerknöchel unter der Haut weiß hervortraten. Brigit schien davon nichts zu bemerken. "Natürlich seid ihr nicht länger Gefangene und dürft gehen, wann immer ihr wollt. Ich kann mich für das, was du hier erleben musstest, nur entschuldigen. Sofern du es annehmen willst, biete ich dir als Königin meine Freundschaft." Sie hob warnend den Zeigefinger, als ich etwas sagen wollte. "Versteh mich nicht falsch, Llienne. Hibernia und Midgard sind noch immer verfeindet und daran wird sich in nächster Zeit nichts ändern. Der Krieg geht weiter. Und es wäre töricht, dir zu versprechen, dass du von nun an vor keinem der Meinen mehr etwas zu befürchten hast. Dein Name wird sich herumsprechen, einige werden dich sicherlich erkennen. Doch wenn du auf dem Schlachtfeld stehst, stehst du in erster Linie Feinden gegenüber." Die Elfenkönigin seufzte und fürte ihren Becher an die Lippen. "Ich würde dir gerne versichern, dass du hier willkommen bist und nach Belieben bei uns ein- und ausgehen kannst. Aber dem ist nicht so. Ich gebe dir eine Eskorte mit, die dich nach Hause bringen wird. Meine Dankbarkeit gehört dir, und...verzeih mir, ich will nicht überheblich klingen, aber sofern du zu Hause in ärmlichen Verhältnissen lebst, lass mich dir auch Gold und ein paar kleine Geschenke mitgeben." Ich lächelte verlegen, obwohl mich Zaphykels Blick mit Unwohlsein erfüllte. Die bernsteinfarbenen Augen des Elfen wirkten traurig und beinahe vorwurfsvoll und das schmerzte, wenngleich ich mir keiner Schuld bewusst war. "Ich danke Euch, Brigit, aber Ihr seid mir nichts schuldig." Die Königin wedelte meine Worte mit einer kurzen Handbewegung wie einen üblen Lufthauch beiseite. "Reden wir später darüber, du hast hier alle Zeit der Welt und sollst keine Gefangene mehr sein, sondern mein Gast, so lange du es möchtest." Sie hob den vergoldeten Deckel einer Platte und köstlicher Bratenduft wehte mir entgegen. Ein peinlich lautes Knurren entrang sich meinem durch die Suppe nur vage angefüllten Magen, woraufhin ich rasch eine Hand auf den Bauch presste und verlegen in meinen Weinbecher starrte. Brigit lachte leise und sogar Zaphykel rang sich ein Lächeln ab. Wollte ich auch keine Geschenke annehmen, eine zünftige Mahlzeit musste sein. Doch ich konnte mich nicht mit ungetrübtem Genuss an gebratenem Geflügel, saftigem Schweinebraten, jungem Gemüse und den exotischen Saucen laben- immer wieder huschte mein, so hoffte ich, beiläufiger Blick zu Zaphykel, dessen Gesicht nun wieder kühl und abweisend geworden war. Kein Wunder, dass alle Elfen so magersüchtig wirken, die ernähren sich ja wirklich überwiegend von Luft, dachte ich, als ich mir ein Stück zartes Entenfleisch in den Mund schob. Brigit und Zaphykel aßen eher sporadisch, mehr aus Höflichkeit, aber ich war ja erst später hinzugestoßen, bestimmt hatten die Beiden schon etwas gehabt, beruhigte ich mein Gewissen. Was mich betraf, so futterte ich wie ein Pferd. Ein ganzer Haufen gedünsteter Möhren- und Kartoffelstücke, eine Entenbrust, saftiger Schweinebraten, frisch gebackenes Brot und dazu der köstliche Wein. Besser konnte es wohl auch in Walhalla nicht sein. Eigentlich könnte ich jetzt wahrhaft glücklich sein. Ich war hier nun zu Gast, statt gefangen gehalten zu werden, die rechtmäßige Herrscherin saß auf ihrem Thron, Keena und die anderen waren noch am Leben. Aber Zaphykel ging mir nicht mehr aus dem Sinn. "Ich hoffe, du bist satt geworden," riss mich die Stimme der Elfenkönigin aus meinen Gedanken. Ich leckte mir verlegen einen letzten Rest Sauce von den Lippen und betrachtete die Platten und Schalen, die unter meinem mörderischen Appetit doch ziemlich gelitten hatten. Aber satt war ich, eigentlich konnte man das schon überfressen nennen. Zufrieden seufzend tätschelte ich mir den Bauch und ignorierte den gutmütig-spöttischen Ausdruck in Brigits Augen. "Satt ist gar kein Ausdruck. Vielen Dank, das war köstlich." Die Elfe schmunzelte. "Du erwartest jetzt sicher eine kleine Ewigkeit staubtrockener Konversation, wie das bei Hofe nach einem guten Essen nunmal üblich ist, oder?" ich war ein wenig verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel und die Direktheit, nickte aber wahrheitsgemäß. Brigits Lächeln wurde noch eine Spur wärmer. "Aber ich gehe auch recht in der Annahme, dass du viel lieber deine Freunde wiedersehen möchtest?" ich starrte leicht verlegen auf meinen Teller "Also..." die Elfe lachte leise und nippte an ihrem Weinkelch. "Tu dir keinen Zwang an. Reden können wir später, wir haben alle Zeit der Welt. Wenn du deine Valkyn und die Albioner suchst, ich glaube, sie sind in der Taverne. Zaphykel wird dich sicher gerne dorthin bringen," sie nickte dem Prinzen zu und dieser fuhr unmerklich zusammen. Ich sah fragend zwischen Mutter und Sohn hin und her, doch während Brigits Gesicht bis auf ein seltsames kleines Lächeln gänzlich ausdruckslos blieb, nickte Zaphykel nach kurzem Zögern sachte. "Gerne," bestätigte er tonlos und brach damit endlich sein eigentlich schon unhöfliches Schweigen. Ich stand auf und machte einen ob meines vollen Magens etwas ungelenk wirkenden Knicks vor der Elfe, ehe ich zur Seite auswich, um Zaphykel den Vortritt zu lassen. Der Elfenmagier sah mich nur kurz an und ging dann an mir vorbei. Schweigend, Seite an Seite, verließen wir den Thronsaal. Die Halle war bis auf wenige Ausnahmen noch immer verlassen, zwei elfische Wächter hatten ihren Stammplatz wieder eingenommen und grüßten uns mit ehrfürchtig gesenktem Kopf. Auch der Siegelmacher war wieder da, doch statt etwas zu sagen, bedachte er uns lediglich mit einem strahlenden Lächeln. Zaphykel ließ der gänzlich neue Respekt offensichtlich ziemlich kalt, mir hingegen war die plözliche Ehrerbietung regelrecht unangenehm und ich war nicht unglücklich, als wir Alainn Cuir endlich hinter uns ließen. Unangenehm war auch Zaphykels seltsame Stimmung. Ich warf ihm einen Sitenblick zu -sein Gesicht hatte starke Ähnlichkeit mit einer Steinstaue- und hielt es dann nicht mehr länger aus. "Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? hab ich dir irgendwas getan?" Zaphykel schwieg und mied dabei meinen Blick und ich wurde urplötzlich regelrecht wütend. Wir waren gerade am derzeit verlassenen Alchimietisch vorbeigegangen, als ich mich ihm in den Weg stellte und seine Schultern packte. "Zaphykel!" der Elf schüttelte den Kopf und sah mich mit dieser Mischung aus Traurigkeit und Vorwurf an. "Ich will nicht..." "Was willst du nicht?" "Das weißt du doch." "Dann halt mich für dumm, aber ich weiß im Moment nicht, warum du mich stur anschweigst!" "Ich ertrag' es nicht. Ich will nicht, dass du gehst." Einen Moment herrschte Stille, dann ließ ich unbehaglich von dem Elfen ab und verknotete die Finger ineinander. "Zaphykel, du...darüber haben wir doch schon gesprochen," murmelte ich. Mit einem Ruck hob Zaphykel den Kopf, welchen er bei den letzten Worten gesenkt hatte. "Ja, ich weiß, natürlich haben wir das, aber ändert sich dadurch etwas? nenn mich kindisch, nenn mich selbstsüchtig. Vielleicht hast du Recht. Trotzdem, ich kann's eben nicht ändern," beinahe wütend fügte er hinzu: "Dass ich dich liebe, meine ich. Ganz schön dumm von mir, oder?" ich fühlte mich, als wäre ich gegen eine Backsteinmauer gerannt. Vollkommen überrumpelt glotzte ich ihn an. Eine unverhüllte Liebeserklärung hatte ich noch niemals zu hören bekommen. "Tha gràdh agam ort," murmelte der Elf in seiner Landessprache, ergriff mich nun seinerseits bei den Schultern und drängte mich sanft gegen die nächste Hauswand. "Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast, so etwas ist mir wirklich noch nie passiert. Aber ich liebe dich. Wenn du nicht bleiben willst, dann...lass mich mit dir gehen." Jetzt fehlten mir die Worte, wenn auch nur für einen Moment. "Du weißt ja nicht einmal, was du da redest," versetzte ich lahm und nicht wenig schockiert. "Nach Midgard? du..." wieder einmal brachte er mich zum Schweigen, wenngleich auch ohne eine Handbewegung. Und ich wehrte mich nicht, als er sich nun vorbeugte und seine Lippen auf die meinen legte. Ich war inkonsequent, irgendwie schon. Er war ein Hibernianer, ein Elf, ein Fremder und ich liebte ihn überhaupt nicht. Oder? beinahe gegen meinen Willen hob ich nun eine Hand und vergrub sie in seinem langen Haar, derweil seine Zungenspitze liebkosend über meine Lippen fuhr, die Mundwinkel kitzelte und mit leisem Nachdruck Einlass begehrte. Willig gewährte ich ihm auch dies und sog beiläufig den eigentümlichen Duft des Elfen ein- Lavendel, so etwas wie würziges Baumharz und ein Hauch von Moschus bildete eine fremdartige Mischung, so faszinierend wie der junge Mann selbst. Geduldig ließ ich Zaphykel meinen Mundraum erforschen, ehe ich ihm ebenfalls zögerlich entgegen kam. In solchen Dingen konnte ich keine Erfahrung vorweisen und unsere gemeinsame Nacht hatte daran nur wenig geändert. Aber ganz offensichtlich machte ich meine Sache nicht unbedingt schlecht. Der Prinz schloss für einen Moment die Augen und sein Gesicht zeigte neben tiefem Wohlbehagen auch eine gewisse Ruhe, als wäre das einvernehmliche Spiel unserer Zungen nach all dem Ärger und den Lügen nun diese Art von Frieden, die er vorher nicht hatte finden können. Zaphykel wurde sichtlich mutiger und schloss eine Hand um meine linke Brust, während die andere über meine Hüften fuhr und sich dann beiläufig zwischen meine Schenkel stahl. Kürzlich am Fluss hatte ich schon darüber nachgedacht, was ein zufälliger Besucher dabei wohl denken mochte, aber die Gefahr war dort viel geringer gewesen als hier, inmitten der hibernianischen Hauptstadt. Offenbar hatte ich wirklich den Verstand verloren. Das änderte aber nichts daran, dass ich die Wärme des Elfen selbst durch den Stoff meiner Weste hindurch zu spüren glaubte und ein Schaudern durchlief meinen Körper, als sich nun auch meine Brustwarzen beinahe schmerzhaft verhärteten und die Wärme zu sinnlicher Hitze wurde. Seine Worte klangen mir noch in den Ohren nach, er liebte mich, und dieser Zauberspruch war stärker als die leise Stimme der Vernunft, die in meinem Unterbewusstsein panisch darauf bestand, dieser Sache ein rasches Ende zu bereiten. Mit dem Handballen und einer gehörigen Portion Geschicklichkeit ließ mich Zaphykel beinahe vergessen, dass zwischen meiner Haut und seinen tastenden Fingern noch der dünne Stoff der Leinenhose lag. Undeutlich hörte ich mich selbst ganz leise in den Kuss hinein keuchen und verfestigte den Griff in seine Haare, während ich den Rücken bog und selbst das Gefühl der steinernen, rauhen Hauswand in meinem Kreuz genoss. "Zaphykel...wenn uns...jemand sieht...!" ich konnte nur stockend sprechen. Ohne zu antworten oder sich aus dem atemlosen Kuss zu lösen, packte mich der Elf und hob mich hoch. Zu unserem Glück war die Tür der kleinen Hütte nicht verschlossen. Was noch viel besser war: auch hier waren die Bewohner ausgeschwärmt, um die Rückkehr ihrer Königin zu feiern. Beinahe eine Stunde später stahlen wir uns mit geröteten Gesichtern und einem Hauch von schlechten Gewissen aus dem Haus. Wir hatten das zerwühlte Bettzeug wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt und uns aus der auf einer Kommode stehenden Wasserschale bedient. Nun schritten wir wieder Seite an Seite in Richtung Taverne und man hätte glauben können, dass nichts geschehen war. Für Zaphykel hatte sich natürlich auch jetzt nichts geändert, doch wir hatten im Anschluss einen guten Teil dieser Stunde dafür genutzt, um uns ernst und ungestört zu unterhalten. Ich war dem Elfen sehr dankbar, dass er mich nicht direkt gefragt hatte, ob seine Gefühle bei mir auf Gegenseitigkeit beruhten. Denn zu meiner leisen Beunruhigung konnte ich dies nicht genau sagen. Hartnäckig wollte ich mich immer noch an die Tatsache krallen, dass uns zu viele Dinge wie etwa die Herkunft und der Stand trennten, doch dieser Umstand erschien mir als zunehmend lahmer werdende Ausrede. Um ehrlich zu sein, fürchtete ich mich vor meinen eigenen Gefühlen. Wir hatten abgemacht, uns nach Möglichkeit heimlich zu treffen. Wie Brigit schon ganz richtig bemerkt hatte, konnte ich nicht damit rechnen, hier nun wie selbstverständlich ein- und aus zu spazieren. Auch die Möglichkeit von abgerichteten Tauben wollten wir nutzen. Ich hatte Zaphykel auch erzählt, dass zu Hause eventuell noch Leifnir auf mich wartete. Eventuell. Wer wusste schon, ob die Zeit nicht nur in den hiesigen Schlachtfeldern, sondern auch in den Ländern verschiedenen Gesetzen folgte. Während ich hier ein gutes Jahr festgehalten worden war, mochte in Midgard vielleicht ein Jahrzehnt vergangen sein, wer konnte das schon wissen. Die gelblichen Augen des Elfen hatten sich bei Leifs Beschreibung merklich verengt und beinahe schmerzhaft hatte er meine Hand gepackt: "Wenn er dich schlecht behandelt, Llienne, dann sage mir das, verprochen? das gilt auch für deinen Vater. Und wenn dich dein verräterischer Bruder heimsucht, dann möchte ich auch dies wissen, in Ordnung?" ich hatte ihm mein Wort gegeben und war bestürzt, als seine Augen wie Prismen zu schimmern begangen. Offensichtlich baute also nicht nur ich in jüngster Zeit verdächtig nahe am Wasser. Nach einer inbrünstigen Umarmung und leisen, aufmunternden Worten hatten wir dieses Thema in stillem Einverständnis fürs Erste begraben. Ich würde mich mit ihm treffen, sicherlich. Aber nicht mehr. "Tir na nOgh ist so groß, was machen wir, wenn Keena und die anderen nicht in der Taverne sind?" fragte ich, um die neu aufgezogene Mauer des Schweigens einzueißen. Zaphykel hob gleichmütig die Schultern. "Meine M... Königin Brigit wird es wissen." Ich beobachtete ihn aufmerksam, wagte es aber nicht, eine entsprechende Frage zu stellen. Der Elf lächelte halbherzig, als hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen. "Es mag sich ja komisch anhören, aber eine Fremde als Mutter zu bezeichnen, fällt mir nicht besonders einfach. Vermutlich werd ich mich daran gewöhnen." Ich nickte flüchtig. "Du hast Zeit." Zaphykel sagte nichts dazu und kurz darauf hatten wir die Taverne erreicht. Gesang, Flöten- und Lautenspiel wehte uns entgegen, als wir durch die einladend geöffnete Tür traten. Ein paar Besucher blickten neugierig auf, doch ich suchte nach ganz bestimmten Gesichtern. Und ich hatte Glück. Dort, an der Bar, erkannte ich auf Anhieb einen langen, schlanken Rücken, der zur Hälfte von wilden blonden Haaren bedeckt wurde. Ich dachte an unser erstes Wiedersehen in Aegir, das mir schon eine Ewigkeit her schien. Ein freudiges Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich nun die Arme in die Hüften stemmte. "Typisch," rief ich über den allgemeinen Lärm hinweg. "Jedes Mal, wenn wir uns treffen, ist Keena irgendwie am Saufen." Die Valkyn fuhr blitzschnell herum und mein Grinsen wurde noch breiter. "Llienne?!" Keena sprang auf und eilte mir mit zwei Riesenschritten entgegen. "Llienne, alte Heulboje, du bist noch in einem Stück!" sie schloss mich so fest in die Arme, dass meine Rippen beinahe knackten. Ich lachte und schlang meinerseits die Arme um die Freundin. Erfreut bemerkte ich, dass auch Brakalu, Jerali und Gindar anwesend waren. Etwas langsamer, aber nicht minder herzlich gesellten sie sich zu uns und Gindar trat neben Keena und schlug mir kräftig auf die Schulter. "Ich habe es ihnen ja gesagt, du kommst wieder!" Jerali lachte und auch Brakalu ließ ein Lächeln sehen. "Was hast du getrieben? wohin bist du nach der Schlacht eigentlich verschwunden und warum kommst du erst jetzt?" sprudelte es aus Keena heraus. "Lass sie doch erstmal zu Atem kommen," grinste Jerali und Gindar wandte sich mit einem auffordernden Klatschen an den Schankwirt. "Eine Runde Bier, auf meine Kosten." Im Gegensatz zu Zaphykel, der mit unserer rauhen Herzlichkeit offenbar nicht allzuviel anfangen konnte, fühlte ich mich selig. Bier, endlich. In dem Punkt war ich trotz monatelangem hibernianischem Einfluss eine Midgarderin geblieben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)