Dark Age of Camelot von Lanefenu (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 17: Das Haustier ------------------------ Alazais fuhr im ersten Moment erneut erschrocken zusammen, doch dann ignorierte er alle inneren Stimmen der Vernunft und bettete das Gesicht an Zacharels Schulter. "Na, na," machte der Heiler tröstend. "Es schon wieder alles gut werden. Auf jedes Gewitter es folgt Sonnenschein, ein dummer Spruch, aber er stimmt. So, nun du setzt dich noch einmal hin und ich nach deinem Kopf schaue, in Ordnung?" der Elf nickte schwach, hickste und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Danke, dass Ihr...mir nicht weh tut," sagte er heiser. Die Worte kamen ihm selbst ziemlich seltsam vor, aber nach den bisherigen Erfahrungen empfand Alazais tatsächlich pure Dankbarkeit, dass es einen Midgarder gab, der nicht danach trachtete, ihn auf jede erdenkliche Art und Weise zu zerstören. Zacharel lächelte mitfühlend. "Ehrensache," kommentierte er nur, nahm ein frisches Tuch von dem kleinen Stapel, den Stellan ihm gebracht hatte, befeuchtete es mit dem etwas trüb gewordenen Wasser und begann, behutsam das angetrocknete Blut von der Schläfe des Jungen zu waschen. Auch hier brachte er die süßlich duftende Salbe an, ebenso verfuhr er mit dem höchst empfindlichen Spitzohr, das von Stellans Zähnen in blutige Mitleidenschaft gezogen worden war. Der Elf zitterte vor Schmerz und grub eine Hand in die Strohmatratze und Zacharel dachte nicht zum ersten Mal, wie schade es um dieses unschuldige Kind war. Von diesem gemeingefährlichen Irren, der Stellan unbestreitbar war, als Objekt der Begierde gehandelt zu werden, war an für sich schon ein schlimmes Los, doch nun stand der Hibernianer auch noch im Mittelpunkt von Vasudheims Interesse. "Weißt du," meinte der Heiler nachdenklich, während er ein wenig Creme auf die Bisswunde rieb, "vielleicht ich könnte unseren König davon in Kenntnis setzen, was sie alles tun hier mit dir. Oder auf jeden Fall Björn, der einer unserer Kriegsführer ist. Reichsfeinde fangen das in Ordnung ist, aber das hier..." stirnrunzelnd sah Zacharel an dem Elfen hinunter. Alazais schüttelte unbehaglich den Kopf. "Das würde doch nur noch mehr Ärger geben," mutmaßte er mit noch nicht ganz fester Stimme. "Oh, ich Ärger liebe, ich nicht leben kann ohne Aufregung," gab der Frostalf verschmitzt zurück und strich seinem Patienten kurz über die blonden Haare. "Sag mal, du Hunger hast? viel zu mager du bist, das mir ist schon vorhin aufgefallen." Alazais nickte, aber seine Gedanken kreisten um etwas ganz anderes als Nahrung. "Sagt," begann er vorsichtig, "Ihr kennt Euch doch bestimmt," ein kurzes Zögern, "gut hier aus?" Zacharel musterte den Jungen erstaunt. "Aber sicher, ich wohnen hier." Der Elf nickte und wagte es nicht, dem anderen in die Augen zu blicken. "Würdet Ihr, könntet Ihr nicht...mir zeigen, wie ich zurück ins Grenzgebiet komme?" fragte er fast flüsternd. Unruhig verknotete er die Finger miteinander. Das war ein gefährlicher Moment, denn wenn der Frostalf ihm auch geholfen hatte, war damit noch lange nicht sicher, dass er ihm so wohlgesonnen war, dass er sich auch dazu bereit erklären würde, ihm bei einer Flucht zu helfen, die ihn selbst Kopf und Kragen kosten konnte. "Das ich könnte wohl," sagte Zacharel, nachdem er einen Moment überlegt hatte. "Aber ich nicht glauben tu, dass es wäre besonders klug. Sie würden schnappen dich, noch ehe du hast verlassen Odins Tor. Und wenn auch nicht," demonstrativ deutete der Heiler auf Alazais' feine Stoffkleidung. "Du keine Waffen bei dir trägst, nichts zu essen, viel zu dünne Sachen. Du erfrieren würdest da draußen, dich hoffnungslos verirren und vielleicht werden gefressen von irgendwelche Ettins oder Taigakatzen." Das waren alles bedeutende Argumente, doch die Tatsache, dass Zacharel ihm nicht einfach aus Bosheit die Hilfe verweigerte, ließ Alazais zaghaft neuen Mut schöpfen. "Vielleicht, aber das Risiko würde ich eingehen. Bitte," vorsichtig sah er nun doch auf, "könntet Ihr nicht einfach wegsehen und ich...schleiche mich nach draußen?" flehend bohrte sich der Blick seiner schwarzbraunen Augen in den des Midgarders und Zacharel blinzelte ein wenig unbehaglich, kratzte sich am Kopf und meinte dann: "Ich glaube, dass Stellan merken würde das, kleines Elf. Er dich finden würde und dann es wäre sehr, sehr unangenehm für uns beide." Alazais wollte etwas erwidern, aber da erklang ein wenig gedämpft eine höhnische Stimme vor der geschlossenen Tür: "Wie Recht du damit hast." Der Elfenmagier fuhr entsetzt zusammen und auch Zacharel wirkte irgendwie ertappt, als nun gleich darauf die Tür aufflog und Stellan präsentierte, der sich gemächlich ein wenig Schnee aus den Haaren schüttelte. "Die Berge bei Svasud sind ein netter Anblick," meinte er in alarmierend sanftem Plauderton. "Man kann weit hinauf steigen und auf den See herunter blicken. Man kann Darkness Falls sehen und den Teleporterkreis, der uns in die verschiedenen Ecken des Landes bringt. Oder ins Grenzreich." Mit gemächlichen Schritten trat er näher. "Ich komme gerade aus Svasud. Wirklich hübsch da, auch wenn es dauernd schneit." Er überbrückte die letzten Meter, beugte sich zu Alazais herunter und fasste den wachsbleich gewordenen Jungen nicht einmal besonders fest beim Kinn. "Wärst du auch dahin gegangen?" fragte er mit bebender Stimme. Hinter ihm betrat Dailjuvar, sein treuer und zuverlässiger Übersetzer, die Hütte und warf dem Hibernianer einen beinahe mitleidigen, wenn auch strengen Blick zu, nachdem er die Frage übermittelt hatte. "Du solltest jetzt sehr klug antworten," meinte er auf gälisch. "Dail," warf Zacharel plötzlich ein, ebenfalls auf gälisch, damit Stellan ihn nicht verstehen konnte, "warum du klebst dauernd an diesem Verrückten? warum du spielst einen Schatten für ihn? bei Eir, er den Jungen umbringen wird. Du das so willst? Kinder töten?" zwei kleine rote Flecken brannten auf den Wangen des Heilers. Dailjuvars Lippen zuckten kurz. "Das geht dich überhaupt nichts an," erwiderte er dann kalt, aber eindeutig im Tonfall einer Verteidigung. Stellan indes beachtete die beiden Frostalfar gar nicht und starrte Alazais an, wobei dem jungen Magier bei dem Blick vor Furcht auch noch der letzte Rest Farbe aus dem Gesicht wich. "Ich warte," hauchte Stellan tonlos. "Wolltest du dich heimlich davonmachen? schon wieder?" der Elf schluckte und fuhr sich mit der Zungenspitze über die plötzlich trockenen Lippen. Es hatte keinen Sinn zu lügen. Er wusste nicht, wie lange Stellan und Dailjuvar still an der Tür gehorcht hatten, aber vermutlich hatten sie alles gehört, was sie wissen mussten. An den Übersetzer gewandt, erwiderte er mit zitternder Stimme: "Ja. Aber bitte haltet Zacharel da raus, er hat mit der Sache nichts zu tun." Der Frostalf sprach die Worte nach und Stellans Griff um den zierlichen Kieferknochen wurde eine Spur fester. "Raus hier," befahl er mit einem Blick auf den Heiler, der protestierend den Mund aufmachte. "Raus!!" brüllte Stellan wild. "Verschwinde aus meiner Hütte- sofort!!" Zacharel stand umständlich auf und warf Alazais einen bekümmerten Blick zu. "Dail," sagte er dann im Vorbeigehen, abermals auf gälisch, "du nicht mehr in seiner Schuld stehst. Lass nicht zu..." der sprachkundige Runenmeister schüttelte den Kopf. "Ich will das nicht hören," erklärte er ruhig. "Und nun geh." Zacharel seufzte tief, ließ den Kopf sinken und verließ die Hütte. Einen Moment war es still. "So," machte Stellan dann. Es klang kurzatmig. "Dailjuvar, tu mir den Gefallen und pass kurz auf ihn auf." Der Frostalf musterte ihn mit einem Blick, in dem leise Abscheu zu lesen war, doch er widersprach mit keinem Wort. "Was hast du vor?" wollte er wissen. Der blonde Nordmann wandte sich bereits ab. "Das siehst du gleich." Er verschwand hinter seiner Bar und allein der Gang in Richtung der vielen Weinbeutel reichte schon, um Alazais ein leises, verzweifeltes Stöhnen zu entlocken. "Du bist doch selbst Schuld," sagte Dailjuvar gedämpft, aber ärgerlich. "Das ist das zweite Mal, dass du Ärger machst." Der Magier starrte Stellans breiten Rücken an. "Ich will das nicht," erwiderte er tonlos, "nicht das Ganze noch einmal. Bitte tötet mich, aber lasst nicht zu, dass er...das alles noch einmal tut." Dailjuvar schnaubte und wandte den Blick ab. "Es gibt viel schlimmere Dinge als das, Elf. Viel schlimmere. Pass auf, dass du sie nicht kennen lernst." Der Berserker richtete sich wieder auf und schloss mit einem Fußtritt den Deckel einer Truhe, die hinter der Bar verborgen in einer Ecke stand. In den Händen hielt er ein schweres, aus Kettengliedern geflochtenes Halsband mit einem kleinen Schloss und eine ebenfalls eiserne Kette. Gut sichtbar für den Elfen legte er beides auf die hölzerne Oberfläche der Theke, ehe er den Raum durchquerte und eine seiner Äxte von der Wand nahm. Der Anblick ließ Alazais auf dem Bett zurückweichen, bis er mit dem Rücken an die kalte Wand stieß. "Dailjuvar, wusstest du, dass ich mal einen Hund hatte?" fragte der Nordmann in ruhigem Ton. Der Runenmeister schüttelte den Kopf. "Hm-hm," machte Stellan bekräftigend, "einen hübschen schwarzen Wolfshund. So einen von der Art, wie ihn die Jäger bei sich führen. Weißt du, warum ich ihn nicht mehr habe?" "Nein, Stellan. Keine Ahnung." "Er war ein schrecklich ungelehriges Tier. Hat nie das getan, was ich wollte. Irgendwann hat es mir gereicht. Kannst du dir das vorstellen?" "Ja, ich denke schon. Ich weiß so gut wie jeder andere, was mit deiner Frau geschehen ist." Der Berserker wurde keineswegs wütend, stattdessen lächelte er. "Nicht ganz," meinte er vage. "Ich habe ihm die Hinterläufe abgeschlagen." Liebevoll strich er mit einer vernarbten Hand über seine zweischneidige Axt. "Ich dachte mir, ein Hund, der mir gehört, aber nie tut, was ich will, der ist zur Arbeit nicht zu gebrauchen und muss auch nicht mehr laufen können. Übersetz das dem kleinen Alazais." Dailjuvar unterdrückte das Gefühl von Ekel und sprach leise zu dem Elfen. Der Junge zog die Knie noch ein wenig dichter an den Körper und blickte Stellan mit vor Grauen noch dunkler gewordenen Augen wortlos an. Der Nordmann nahm das lose Halsband und die Kette an sich und trat mit langsamen Schritten näher. "Das da gehörte diesem ungezogenen Hündchen," erklärte er gelassen. "Und da unser Süßer hier verdächtige Ähnlichkeiten aufweist, will er wohl auch wie ein Hund behandelt werden. Mir soll das Recht sein." Er schlang das eiserne Band um den Hals des Magiers und ließ es zuschnappen, ehe er die Kette daran befestigte. Dann wandte er sich um und holte die Axt. Alazais sah es und begann vor Angst zu wimmern. "Bitte," brachte er kläglich hervor, "ich werde nie wieder weglaufen, b-bitte...tut das nicht..." Dailjuvar senkte den Blick und presste die Lippen zusammen, doch Stellan verzichtete darauf, um eine Übersetzung zu bitten. Er packte den Fuß, den er dem Elfen erst vor so kurzer Zeit gebrochen hatte, und hob die schwere Axt mühelos mit einer Hand. Alazais fing leise an zu schluchzen und kniff die Augen zusammen. Zwei, drei endlose Sekunden geschah nichts und dann ertönte ein dumpfes Krachen, das den jungen Magier furchtsam zusammenfahren ließ.Vorsichtig öffnete er die Augen und sah die Axt, die auf dem Boden lag und beim Aufprall ein paar Splitter aus dem Holzboden gerissen hatte. "Streck deine Hände aus," befahl der Nordmann ruhig. Er deutete herrisch auf die Handgelenke des Hibernianers und Alazais, der die Geste auch ohne eine Übersetzung verstand, gehorchte hastig, was ein zufriedenes Lächeln auf Stellans Lippen zauberte. Schien ja gerade so, als würde sich das kleine Miststück letzlich doch noch als lernfähig entpuppen. Das Lächeln verschwand wie fortgewischt, als er nach dem linken Daumen des Jungen griff. "Dailjuvar, ich brauche dich für heute noch einmal, dann bin ich hier fertig," erklärte er. Der Runenmeister sah wortlos auf, während Stellan damit begann, den Finger des Jungen nach hinten zu biegen. "Ich," erklärte er hart, während der Knochen mit einem dezenten Knacken brach, Alazais aufschrie und Dailjuvar das kleine Wort übersetzte. "Werde," ein weiteres Knacken, gefolgt von einem gepeinigten Stöhnen. "Nie," der Mittelfinger des Elfen brach wie ein morscher Zweig. "Wieder," abermals der Übelkeit erregende Laut. "Weglaufen!" mit einem entschlossenen Ruck brach Stellan dem Elfen auch noch den kleinen Finger, während Dailjuvar seiner Arbeit nachging. "Und jetzt will ich den Satz noch einmal von ihm hören, möglichst glaubwürdig, ehe mir einfällt, dass er noch eine weitere Hand hat," fuhr der Berserker eisig fort. Aus tränenverschleierten Augen sah Alazais auf und stieß dann gequält hervor: "Ich werde nie wieder weglaufen." Der Nordmann nickte Dailjuvar grimmig zu. "Und diesmal sollte er mich ernst nehmen." Sein Blick wurde noch eine Spur kälter. "Für das Einzige, zu dem er wirklich gut geeignet ist, braucht er weder Hände noch Füße." Herrisch nahm er seine Axt auf, trug sie zurück zur Wand und packte dann die Kette, um Alazais mit einem kräftigen Ruck vom Bett zu reißen. "Bis du Respekt gelernt hast, wirst du wie ein Hund auf dem Boden schlafen. Und beim nächsten Mal draußen vor der Hütte, ohne Füße!" zornig wickelte er die Kette um den Bettpfosten, wobei er sie so kurz hielt, dass der Elf kaum zwei Schritte weit kriechen konnte. "Und jetzt will ich schlafen," fügte der Nordmann übellaunig hinzu und bedeutete Dailjuvar mit einer knappen Geste, sich zu entfernen. "Gute Nacht, und danke für deine Dienste." Der Runenmeister verbeugte sich steif, warf noch einen letzten Blick auf den leise schluchzenden Elfen und verließ dann mit eiligen Schritten die Hütte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)