Alchemy Invasion von Ling-Chang ================================================================================ Geste der Freundlichkeit ------------------------ Ankündigung: Alle mit einem (*) markierten Wörter, werden am Fuß dieser Episode in einer Fußnote erklärt. Schaut bitte da nach x3 ________________________________________________________________________________ Emi und Tetsuya umarmten ihren Sohn. Sein Herz klopfte. Er wollte, dass sie bei ihm blieben. Wie sehr hatte er sich das all die Jahre gewünscht. Anstatt dieses alten Mannes, der ihn schlug, ihn trat, ihn hungern und Durst haben ließ, ihm die Energie entsog und ihn anschrie. Akuma klammerte sich an seinen Eltern fest. Irgendwann ließ Emi ihn los und sagte etwas Unverständliches zu ihrem Mann. Der nickte und sah sich die Ketten an, die Akuma um seine Hand- und Fußgelenke trug. Sie schnitten tief in die Haut und hinterließen Wunden und Abdrücke. Tetsuya strich über Akumas Handschellen. Man sah wie ein kleiner Strahl aus seinem Zeigefinger auf das Metall der Ketten prallte und diese absprangen. Akuma starrte seine Handgelenke an. Sie bluteten und waren ziemlich wund gescheuert. Rote Formen waren darauf zu sehen. Das mussten wohl die Innenseiten der runden Handschellen gewesen sein. Während Akuma seine Hände ansah, löste Tetsuya auch seine Fußketten. Er wusste, wie gefährlich das war, aber so zu leben, wollte er keinem zumuten. Akuma starrte an seinen Beinen hinab. Sein Leben lang hatte er gelegen, weil er vor Schmerzen nicht hatte stehen können und nun war er frei. Er versuchte aufzustehen und knickte ein. Es war schwer, sicher zu stehen. Tetsuya fing ihn auf und trug ihn in den Armen in Richtung des Ausgangs. Emi stellte fest, dass dort noch die Schräge war. Tetsuya sah auf Akuma, der sich ängstlich an ihn klammerte. Er sagte zu seiner Frau: „Das mag stimmen, aber es gibt auch einen anderen Weg. Ich könnte springen*.“ „Gut.“ Emi rückte näher und hielt sich an ihrem Mann fest. Akuma zuckte zusammen, als ein großer Sog sie erwischte und er alles nur noch verschwommen wahrnahm. Dann bemerkte er einen Ruck und öffnete die Augen. Sie standen in dem Büro von Yuudai. Tetsuya und seine Frau sahen aus dem Fenster. Die Sonne ging auf. „Wecke, Shin, Liebling. Es ist alles normal, verstanden! Nichts ist passiert. Ich bringe Akuma zum Kamikaze*.“ „Zum Kamikaze? Braucht man da nicht eine Audienz?“ „Schon, aber so früh ist er normal noch nicht bei der Arbeit. Wenn ich ihn erwische und mich zwischen seine Termine schieben kann …“ „Viel Glück!“ Emi und Tetsuya gingen ins Schlafzimmer. Er legte Akuma aufs Elternbett, wo dieser sofort in einen tiefen Schlaf fiel. Die Anstrengung hatte ihn wohl sehr müde gemacht. Tetsuya zog sich eiligst um, nahm Akuma wieder auf den Arm und ging mit ihm die Treppe, die gegenüber der Schlafzimmertür lag, runter. Emi wandte sich nach links und ging durch den langen Gang auf Shins Zimmertür zu, klopfte und betrat den Raum. Sie weckte Akumas Zwillingsbruder wie jeden Morgen mit einem Kuss auf die Stirn. Dann verließ sie den Raum und kam ebenfalls herunter in den Flur, der nach der Treppe kam und Wohnzimmer mit Esszimmer bzw. Küche verband. Sie sah ihren Mann an, der sich seinen Umhang über zog und den schlafenden Akuma in einen anderen einwickelte. Es würde Verwirrung stiften, wenn die Leute den Jungen sehen würden und ihn für den vollkommen ahnungslosen Shin halten würden. Er küsste seine Frau und trat hinaus in den sonnigen Morgen. Dann sprang er in die Hauptstadt, Anduil. Dort war noch gar nichts los, glücklicherweise kam ihm schon der Kamikaze entgegen, der wohl gerade auf dem Weg zur Arbeit war. Der alte Mann blieb stehen und fragte: „Aitoshi, Tetsuya? Was tragt ihr in euren Armen zu so früher Stunde?“ „Kamikaze ich wäre euch verbunden, wenn ihr mir eine Audienz geben würdet, ohne, dass mein Vater davon erfährt.“ „Nun … schwer! Aitoshi, Yuudai ist sehr schlau, aber das wird sich machen lassen, folgt mir.“ Der Kamikaze ging an Tetsuya vorbei, der sich umdrehte und dem Alten folgte. Irgendwann kamen sie im Haupthaus an, wählten aber nicht den normalen Empfangsraum, sondern die Treppe hoch zu den eigentlichen Büros. Als sie in eine Sackgasse kamen, an deren Ende nur eine kahle Wand war, fragte sich Tetsuya, ob das hier ein Scherz war, denn ihm war nicht zum Lachen zu mute. Der Kamikaze flüsterte unverständliche Wörter und aus der nackten Wand trat ein großes Portal. Es öffnete sich schwungvoll und die beiden Männer gingen hindurch. Erst dann schloss es sich wieder. Der Kamikaze ging einen langen Gang entlang, der mit Steinsäulen gesäumt war. Zwischen diesen Kolossen hingen Bilder, standen Skulpturen aus Marmor oder befanden sich Leuchter, die den Flur in ein fahles Licht legten. Tetsuya lief dem alten Mann hinterher. Irgendwann öffnete der mit einem weitern unverständlichen Satz eine Tür zu einem der zwei Türme. Als sie in das große und runde Turmzimmer traten, erkannte Tetsuya, dass es wohl das eigentliche Büro der Regierung, des Kamikazes, sein musste. Der alte Mann setzte sich hinter den Schreibtisch, der in der Mitte des Raums war, und wirkte augenblicklich sehr gebrechlich, was er ganz sicher nicht war. Hinter ihm standen Bücherregale, die sich bis zur bestimmt 50 Meter hohen Decke ausbreiteten. Natürlich, Alchemisten konnten schweben, also war das nicht abnormal, aber es war schon beachtlich. Der Kamikaze deutete mit einer Handbewegung auf die weiße Couch, die neben dem monströsen Schreibtisch stand. Tetsuya legte Akuma auf das Sofa und setzte sich auf den Stuhl gegenüber dem Kamikaze. Der setzte einen erwartenden Gesichtsausdruck auf, fragte aber schließlich: „Nun denn, was ist mit Shin?“ „Das ist nicht Shin.“ Der Kamikaze starrte Akuma an, stand auf und ging auf ihn zu. Als er den Umhang zurück schlug, sah er nur Shins Gesicht. „Ich glaube ihr halluziniert. Das ist doch Shin!“ „Nein, das ist sein Zwillingsbruder Akuma.“ Der Kamikaze drehte sich um. Tetsuya machte sich über ihn lustig! Das war eindeutig Shin. Es gab keinen Zwillingsbruder von Shin. Es gab bei den Aitoshis keinen Akuma. Dann hatte der alte Mann einen Geistesblitz. Es gab keinen Akuma, Zwillingsbruder des Shin, Sohn des Tetsuyas und Enkel des Yuudais, weil er nicht in den Akten stand. Wenn er nicht in den Akten stand, existierte er also theoretisch nicht, aber praktisch gab es ihn. Aber für jeden Menschen musste man in Taen einen Antrag auf eine Existenz-Urkunde* stellen. Der Kamikaze seufzte. Also waren die Gerüchte wahr. Der Aitoshi-Clan hatte wirklich ein dunkles Geheimnis. „Sprecht! Aitoshi, Tetsuya. Was hat das hier zu bedeuten?“ „Ich … Ich werde euch erzählen, wie sich die Lage so entwickelte, aber ihr sprecht nicht bei der Segment-Besprechung* darüber.“ „Nun gut. Verschafft mir Klarheit in dieser nebligen Angelegenheit.“ „Das ganze Unheil fing mit der Geburt der beiden an. Während Shin das Bluterbe „Aitoshi Oranger Drache“ bekam, wurde Akuma „Aitoshi Roter Drache“ zugeteilt. Das Stärkste und vor allem Unbändigste von allen, die ihn erwischen konnten. Wir hatten alle Angst, aber mein Vater sah die Situation ernster. Ich dachte, wir könnten das anders regeln, aber er war schneller. Er löschte die Gedächtnisse der anwesenden Ärzte, dann meins und das meiner Frau. Wir konnten uns nicht mehr an Akuma erinnern, der seit jeher in einem versteckten und verzauberten Raum lebte, ohne, dass ich es mitbekam. Dann träumte ich heute Nacht von dem schicksalhaften Tag. Als wolle jemand, dass ich ihn finde. Seltsamerweise wusste ich genau, wo wir hingehen mussten. Ich erinnerte mich an rätselhafte Dinge, die Vater in meiner und Emis Anwesenheit aber nie in Shins erwähnte. Dann fanden wir ihn. Ich brachte ihn her, in der Hoffnung noch irgendetwas zu tun.“ „Interessant.“ Der Kamikaze strich über Akumas Wange und ging zurück zu seinem Schreibtisch, um sich dort hinzusetzten. „Sehr interessant …“ Er stand wieder auf und ging an den Bücherregalen auf eine kleine Tür, die neben einem riesenhaften Kamin war, zu und verschwand für eine Weile in diesem Raum. Dann kam er schwer beladen mit einem sehr großen Buch zurück. Er legte es auf den Tisch und setzte eine Brille auf. Als er Feder und Tinte nahm, hob er den Blick auf Tetsuya. Er wollte wohl etwas fragen, ließ es dann aber sein und schlug stattdessen im Verzeichnis des Buches herum. „Aitoshi … A … i … t … Aaken, Abold, Achal, … Aim, Aiten, Aito, Aitoshi … Da haben wir euch ja! Seite 1877.“ Er schlug eine sehr lange Weile herum und traf die Doppelseite, auf deren rechten Seite Aitoshi stand und auf deren linker Aito zu sehen war. Er klappte den Stammbaum aus, der unter dem Namen von Tetsuyas Familie stand. Ganz unten erblickte der Kamikaze Shins Namen. Schließlich griff er nach der Feder und tauchte sie in die Tinte. Er begann die Fragerei der Geburtsverzeichnung*: „Name und Buchstabierung?“ „Aitoshi, A-i-t-o-s-h-i, Akuma, A-k-u-m-a.“ „Geburtsdatum?“ „21. Februar.“ „Bluterbe?“ „Aitoshi Roter Drache.“ „Sprache?“ „Eh … weiß ich nicht.“ Der Kamikaze sah auf und zog eine Augenbraue hoch. So langsam stellte er die Person vor sich in Frage. Er musste doch wissen, welche Sprache sein Sohn sprach! Der alte Mann stand auf, ging rüber zu Akuma und schüttelte ihn sanft. Akuma wachte auf, sah in das Gesicht des Kamikazes und begann zu schreien. Er rollte sich von der Couch, krabbelte über den Boden auf seinen Vater zu und versteckte sich ängstlich hinter ihm. Tetsuya strich beruhigend über seinen Kopf. „Eins weiß ich, er spricht nicht die Menschensprache.“ Der Kamikaze fragte etwas in der Alchemistensprache, doch Akuma reagierte nicht. Tetsuya zuckte mit den Schultern und streichelte weiter Akumas Kopf. Dann wiederholte der Kamikaze seine Frage in der Göttersprache. Akuma hörte auf zu zittern und gab einen seltsamen Laut von sich. Tetsuya sah auf den Kamikaze, der zufrieden lächelte. „Göttersprache also. Euer Sohn ist ein Muttersprachler.“ „Akuma ist ein …“ Tetsuya konnte es nicht glauben! Der kleine Junge, der nach Yuudai so gefährlich war, dass man ihn wegsperren musste, sprach eine so wundervolle Sprache? Tetsuya lächelte. Vielleicht war Akuma doch zu etwas Besserem bestimmt und vielleicht war ER der Auserwählte für dieses Erbe. Der Kamikaze hatte sich gesetzt und die Tatsache notiert. Dann erhob er sich und schüttelte Tetsuyas Hand. „Leider ist es mir nicht möglich, Aitoshi, Yuudai nichts davon zu erzählen.“ „Aber … er wird nicht begeistert sein.“ „Mag sein, aber ich habe einen Plan, wie ich euren Sohn von seinen Energieketten erlösen kann.“ „Und welchen?“ „Nun … Könnt ihr ihn hier lassen?“ „Ich denke nicht. Ich weiß nicht wie er rea-.“ „Na ja, ich glaube, ihm gefällt es hier.“ Der Kamikaze zeigte auf Akuma, der auf der Couch auf und ab hüpfte und selig lächelte. Dann huschte er auf die großen Regale zu und stellte sich auf die Zehenspitzen. Mit einer Hand tastete er nach einem Buch und zog es raus. Leider erwischte er es schlecht und mit dem einen Buch fielen fünf weitere aus dem Schrank. Akuma wich so schnell aus, dass Tetsuya nur der Mund aufklappte. Nicht nur das, er hatte auch alle aufgefangen und legte sie jetzt auf den Boden, um in einem rumzublättern. Irgendwann blieb er bei einem Bild stehen, dass den heiligen Schrein, in dem die Kamikazes zum Vertreter Gottes auf Erden ernannt wurden. Es war ein hübsches, helles und freundliches Aquarell-Bild. Akuma strich über das Gesicht eines dort dargestellten Hilfsgottes. Dann begann er zu lachen und stieß immer wieder ein Wort aus, dass so klang wie: gyälläth*. Tetsuya zog eine Augenbraue hoch und sah zum Kamikaze, der leise flüsterte: „Giellêth (Aussprache s.o.) ist das Wort für Hilfsgott.“ „Woher weiß er, dass das einer ist?“ „Weiß ich nicht.“ Akuma blätterte weiter und schaute die Buchstabenverzierungen am Anfang jedes Kapitels an. Er fuhr sie mit dem Finger nach, bevor er versuchte zu erraten, was da stand. Als er das nicht herausbekam, schaute er sich wieder die Bilder an, sprach aber nicht mehr. Der Kamikaze begann zu sprechen: „Nata maisur dessur, Akuma?“ Akumas Ohren zuckten und der kleine Junge sah zum Kamikaze auf. Er blickte hektisch zwischen seinem Vater und dem alten Kauz hin und her. Dann sprach er leise, sodass man kaum etwas verstehen konnte: „Kata … kata … Dom kata iyasur.“ „Tom nata dessur, tsisur kata.“ „Ainai … nai … ai … ainai! Ai!” „Nayi nat safi?“ „Ai sassa!“ Der Kamikaze lachte, als Tetsuya ein fragendes Gesicht machte, dann übersetzte er: „Ich habe ihn gefragt, ob er bleiben wolle. Er antwortete, wenn er es dürfe. Dann sagte ich, falls er bleibe, solle er es mir sagen. Er konnte sich nicht entscheiden, also fragte ich, was er denn nun wolle und er meinte, ja bitte.“ Tetsuya schluckte. Das würde bedeuten, dass sein Sohn von nun an nicht mehr bei ihm sein würde. Wie verlor er ihn, wie damals, als Yuudai Tetsuyas Gedächtnis löschte, nur, dass es dieses Mal mehr schmerzte. ________________________________________________________________________________ Kleines Lexikon springen = In diesem Fall ist nicht das Wort für "hüpfen" gemeint, sondern eine bestimmte Alchemy-Technik, bei der man während einer Zeit, z.B. einmal zwinkern oder einmal husten, von einem Ort zu einem anderen, ohne sich zu bewegen, gelangt. Existenz-Urkunde = Ist sowas Ähnliches wie eine Geburtsurkunde, zeigt ebenfalls die Existenz einer Person an. Segment-Besprechung = Deutschland hat Bundesländer, Taen hat Segmente. Die Obersten dieser Segmente treffen sich, um Neuigkeiten oder Informationen zu tauschen. Geburtsverzeichnung = Daten über eine Person, die in das Stammbaum-Buch des Kamikazes geschrieben werden. Sie werden später auch auf die Existenz-Urkunde (s.o.) geschrieben. Kamikaze = der Oberste aller Obersten der Segmente und Vertreter Gottes in einem Land. Der Kamikaze besitzt jeweils zwei Personen, die ihm zur Hand gehen (oft auch seine rechte Hand und linke Hand genannt!) Giellêth = Göttersprachlich das Wort für Hilfsgott. Aussprache: gjälläth (th wird wie das englische TH ausgesprochen!) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)