Minoru von lightnik (Seltsame Krankheit) ================================================================================ Kapitel 2: Zu viele Fragen -------------------------- Als Minoru aus der Tür ging und den kleinen Stall neben dem Haus ansteuerte, bäumte sich bereits wieder eine grauschwarze Rauchsäule über dem Schornstein auf. Yumi war schon gegangen, um noch einige Sachen für die kleine Reise ins Nachbardorf zusammenzupacken und eine Liste von den Dingen zu erstellen, die sie benötigte. Kazuya hatte danach kein Wort über den Vorfall, von dem Yumi erzählt hatte, verloren und konzentrierte sich stattdessen voll und ganz auf seine Arbeit. Minoru wusste dennoch, dass er darüber nachdachte – Kazuya machte sich häufig Gedanken um andere. Inzwischen hatte er den Stall erreicht und schob die Tür auf. In der kleinen Hütte befanden sich zwei Pferde, die Minoru mit aufgestellten Ohren ansahen und freudig schnaubten, als er den Stall betrat. Offensichtlich waren beides Stuten, die sich jedoch zumindest vom Äußeren her komplett unterschieden: Eine hatte strahlendweißes, die andere nachtschwarzes Fell. „Guten Morgen ihr zwei!“, sagte er und streichelte den beiden Tieren, die sich gemeinsam einen etwas größeren Verschlag teilen, sanft über die Nüstern. „Ich glaube, wir müssen dich mal wieder waschen, Hikari!“, murmelte Minoru lächelnd und rieb über einen braunen Schmutzfleck am Hals der weißen Stute. Dann wand er sich um und ging zur anderen Seite des Stalls, wo sich allerlei Dinge befanden: ein großer Haufen Stroh auf der einen Seite, auf der anderen verschiedene Werkzeuge, die, trotz ihres offensichtlichen Alters sorgsam und ordentlich nebeneinander aufgereiht an der Wand hingen, Sättel, Zaumzeug und schließlich ein mittelgroßer, zweirädriger Holzwagen mit einer Anspannvorrichtung für Pferde. Nun drang von draußen das Geräusch eines Hammers, der mit großer Wucht auf ein Stück Metall trifft, an Minorus Ohr. Es war zweifellos Kazuya, der gerade ein rotglühendes Stück Metall bearbeitet, um es anschließend wieder in der Esse aufzuheizen und den Vorgang solange zu wiederholen, biss es die gewünschte Form hatte. Minoru umfasste die beiden Stangen des Wagens, an die die Pferde gespannt werden sollten, und zog daran, bis er sich ächzend und unendlich langsam in Bewegung setzte. Als er das Fuhrwerk an den Pferden vorbeizog, wieherten sie amüsiert. Minoru warf ihnen einen ärgerlichen Blick zu. „Ja, ja, das gefällt euch, wenn die Menschen eure Arbeit machen, hm?“ Es klang nicht halb so ärgerlich, wie er es beabsichtigt hatte, er musste im Gegenteil sogar noch lächeln. Als er den Wagen rausgezogen hatte, kehrte er zurück, um die Pferde zu holen. „Gut, meine Damen, wer möchte zuerst?“ Die beiden Stuten schnaubten und verscheuchten ein paar Fliegen mit dem Schweif, blieben ihm die Antwort aber schuldig. „Bloß nicht drängeln! Also, Yami, du hast heute die Ehre!“, grinste er und präsentierte dem schwarzen Tier das Zaumzeug. Beim Klang ihres Namens, stellte die Stute aufmerksam die Ohren auf und trottete schließlich mit zögerlichen Schritten an Minoru heran. Kurze Zeit später standen Yami und Hikari auch schon vor dem Holzkarren und genossen die warmen Sonnenstrahlen. Just in diesem Moment kehrte auch Yumi zurück. Eine große Tasche hing über ihrer Schulter, als sie bei Minoru ankam. „Da bin ich wieder. Stell dir vor, der Mordfall wird schon überall diskutiert!“, eröffnete sie. „Ach ja?“, Minoru warf einen Blick zum Dorfplatz. Tatsächlich schienen sich mehrere Menschen zusammengefunden zu haben, die aufgeregt gestikulierten. „Gibt’s irgendwas Neues?“, wollte Minoru wissen. Yumi zuckte mit den Schultern. „Offensichtlich handelt es sich bei dem Toten wirklich um einen Priester. Es hat sich wohl auch der Verdacht bestätigt, dass er unsern Herrn Sasuke bestehlen wollte. Er soll nachts unter irgendeinem Vorwand in Sasuke-samas Schlafgemach gegangen sein, jedenfalls stellten die Wachen zunächst nichts Ungewöhnliches fest. Dort soll er dann einige wertvolle Gegenstände entwendet haben, die er unter seinem Kimono versteckte. Sasuke schlief ja, also bemerkte er nichts. Aber sein Bruder, Itachi, wollte wohl noch mal nach ihm sehen und bemerkte, dass etwas fehlte. Da das schon kurz nach dem Diebstahl geschah, konnten die Wachen den Priester noch fassen, ehe er das Haus verlassen konnte. Der jedoch wollte fliehen, deshalb griffen die Wachen zu ihren Waffen…Das ist jedenfalls die Version, die Itachi verbreitet hat.“, erklärte sie. Minoru sah sie verwundert an. „Was meinst du mit "die Version , die Itachi verbreitet hat"?“, fragte er und hob eine Augenbraue. Yumi schnaubte abfällig. „Also wirklich Minoru! Jetzt sag mir doch mal einen guten Grund, wieso ein Priester den Herrn Sasuke bestehlen sollte? Er bekam, wie jeder Priester, doch wohl eine angemessene Entlohnung für seine Dienste und außerdem hätte er ganz andere Möglichkeiten gehabt, ihn zu bestehlen, als sich nachts in sein Zimmer zu schleichen!“ Minoru zuckte mit den Schultern und legte den Kopf schräg. „Zum Beispiel?“ Yumi seufzte. „Wie du ja weißt, war ich in letzter Zeit wegen Sasuke-samas Erkrankung häufiger dort. Ich habe mitbekommen, dass die Priester regelmäßig Reinigungsrituale durchführten, um den Dämon, der seinen Geist gefangen hält und ihm alle Kräfte raubt, zu vertreiben. Dabei darf niemand sonst anwesend sein. Sasuke-sama befindet sich in einem Fieberschlaf, aus dem er nur selten und immer nur für kurze Zeit aufwacht. Es wäre doch wesentlich unauffälliger gewesen, bei einer solchen Zeremonie etwas mitgehen zu lassen, oder?“ Minoru nickte, fragte sich aber zugleich auch, warum es nicht so sein sollte, wie Itachi anscheinend verkündet hatte. „Ich glaube, er will irgendetwas vertuschen!“, antwortete Yumi, ohne dass er die Frage laut gestellt hatte. Im ersten Moment sah Minoru sie verwirrt an, erkannte jedoch, dass seine Gedanken wahrscheinlich wie so oft in seinen Augen zu lesen war, wie in einem offenen Buch. Vielleicht kannte Yumi ihn aber auch einfach zu gut. „Etwas…vertuschen?“, Minoru runzelte die Stirn. Yumi rollte mit den Augen. „Ist das nicht offensichtlich?! Ist doch seltsam, dass niemand weiß, woran Sasuke-sama überhaupt erkrankt ist. Und dass nun sein Bruder immer mehr in den Vordergrund tritt. Und dieser komische Mord, also wirklich!“ Minoru sagte nichts, irgendwie kam ihm das übertrieben vor. Ein paar Atemzüge lang sah Yumi ihn durchdringend an, als könnte sie die Antwort auf all ihre Frage jetzt wieder in seinem Gesicht ablesen, seufzte aber schließlich nur resigniert. „Na ja…Vielleicht ist das wirklich etwas weit hergeholt.“, wieder hatte Minoru seine Meinung nicht laut ausgesprochen, und doch hatte sie seine Gedanken gelesen. Minoru lächelte ihr aufmunternd zu. „Ach komm, Kazuya hat Recht, lass uns nicht weiter drüber nachdenken. Wir müssen ohnehin los.“, sagte er. Sein Blick schweifte für einen Augenblick hinauf zur Sonne, wie um seiner Aussage noch einmal Nachdruck zu verleihen. Yumi nickte, warf ihre Tasche auf den Wagen und ging voraus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)