Trip von Einfallspinsel ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Trip In jener Nacht war es kalt und feucht. Von dem vergangenen Herbst war nicht mehr zu sehen, als die faulen und braunen Blätter, die matschig auf den Gehwegen der Stadt klebten. Damals war ich in dem Alter von 15 Jahren und schlenderte mit meinen nicht vorhandenen Freunden durch die Fassade einer Großstadt. In der heutigen Dämmerung waren kaum Leute unterwegs und wenn doch, dann gingen sie schnell und hasteten von Dach zu dach, in der Hoffnung nichts von dem staubigen Nieselregen abzukriegen. Ich überlegte, was ich wohl in dieser Nacht eines Freitags tun sollte. Ich könnte mich langweilend neben meinen Vater vor den Fernseher setzen, mich in einen Schal wickeln und zum zehnten Mal „Die Judenbuche“ von Anette Droste-Hülshoff lesen, so wie die letzten Wochenenden, ich könnte aber auch in diese populäre und bis in die letzte Ecke volle Disko schmuggeln und mit einem Bierchen in der Hand so tun, als ob ich so partygeil wäre, wie der Rest der Menschen in meinem Alter. Aber ich hatte eigentlich nie vor, mich auf dieses Niveau hinaufzubegeben. Langsam schlich ich in Richtung nach Hause weiter, sah mir zwischendurch den neuesten Computer auf dem Markt in einem Schaufenster an, beneidete die, die ihn sich leisten konnten und versank in meinem Selbstmitleid. Ich ging nur ein paar Meter, bis mich jemand anrempelte, es war Lisa, der einzige Mensch außerhalb meiner Familie, der mich überhaupt beachtete, wenn ich am Morgen den Klassenraum betrat. Sie lächelte mir dann manchmal knapp zu und begrüßte mich mit einem „Morgen.“. „Ey, du, gehst du auch in die Disko?!“, lallte sie und lief schon wieder weiter. Sie hatte wohl schon vorher getrunken, wie es so üblich war. Langsam drehte ich mich um. Lisa war bereits hinter der nächsten Ecke verschwunden. Ich beschloss, dieses Mal sollte mein Wochenende anders verlaufen und schlug die Richtung ein, aus der das tosende Gelärme von Musik und betrunkenen Leuten schallte. Ich stand jetzt schon eine Stunde mit meinem vollen Bierglas an der Bar zwischen drängelnden Minderjährigen und hielt nach Lisa Ausschau. Es schien mich niemand zu bemerken, weder flüchtige Blicke noch angewiderte wurden mir zugeworfen, als ob ich ein Geist wäre. Und ich musste mir eingestehen, dass es sich hier auch nicht anders oder sogar besser, als zu Hause mit einer Novelle in der Hand, anfühlte. Es dauerte noch eine weitere geschlagene Stunde, bis das blonde Mädchen schließlich taumelnd aus der tanzenden Menge von Grölenden auftauchte. „Da bist du ja!“, rief sie und griff nach dem Getränk in meiner Rechten. „Gehen wir auf die Toilette.“ Ich sagte nichts und folgte ihr schweigsam auf das stinkende, mit Neonlampen beleuchtete Mädchenklo. Lisa zerrte mich in eine der Kabinen und zog sich ihr schwarzes Jäckchen aus. „Ich zeig dir was, das wirst du nie vergessen. Du wirst nicht mehr aufhören können, so aufregend ist es!“ Ich blieb stumm schweigend und bemühte mich, nicht in ihre schönen Augen zu sehen. Sie nahm meinen Arm, ich protestierte nicht. Sie schnürte ihn über dem Ellenbogen ab, zog eine Spritze hervor und injizierte mir die klare Flüssigkeit in die Vene. Würde ich jetzt nicht neben meiner Mutter sitzen, dann wäre ich inzwischen wohl etwa 38 Jahre alt . . . © By Merle Schulenburg 7.12.2005 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)