Dragons 'n' Phenixs von Luzziemaus (Wenn Liebe gegen Schickal kämpft) ================================================================================ Kapitel 2: Erste Nacht in Tokio II ---------------------------------- Wow, hier jetzt schon das 2. Kapitel, eben frisch fertig geworden. Wünsch euch allen ein frohes neues Jahr und viel Erfolg und Freude 2007^^. Viel Spaß mit dieser Story: Erste Nacht in Tokyo II „Also Chris“ sagte ich lachend und drehte mich zu dem Jungen um, doch was war mit ihm?! Er stand mitten im Foyer von ‚Mum`s sweet Home’ (so nannte zumindest sie den großen heruntergekommenen Raum, in dem sich eine Ansammlung von verschiedenen alten Sesseln und der große Tresen der Rezeption befanden, der früher einmal als Bar gedient hatte, als dies noch ein Bordell war), von seinen Kleidern tropfte das Wasser auf den Teppich. Eine Hand hatte er zur Faust geballt und den Kopf hielt er soweit gesenkt, das seine schönen Augen von den Stirnfransen verdeckt wurden. Wassertropfen liefen über seine Wangen. Weinte er etwa?! „Was...“ begann ich verunsichert, doch Mum rauschte schon an mir vorbei. „Oh, wo hast du denn den aufgegabelt? Aber Kleiner, du musst doch nicht weinen!“ Doch als sie seinen Kopf hob, lächelte er einfach müde. „Ich weine doch nicht! Das sind nur Tropfen aus meinen Haaren. Danke dass Sie so nett sind, aber ich bin sehr müde. Er sagte Sie hätten ein Zimmer für mich.“ Seltsam war es schon, wie seine Stimmungen immer wechselten, aber ich sollte mich daran nicht stören. Der Blonde war so unglaublich süß und unschuldig, was Mum wohl auch dachte. “Natürlich hab ich ein Zimmer für dich, Süßer, aber das wird nicht ganz billig.“ zwinkerte sie ihm zu. „Ich zahle.“ Klärte ich sie schnell auf. Mir gefiel die Vertraulichkeit zwischen den beiden nicht, obwohl ich mir natürlich im Klaren darüber war, das Mum keine ‚Bedrohung’ für mich darstellte. Dafür erntete ich einen mehr als eindeutige Blick von ihr, der wohl etwas in Richtung ‚Das Kind?!’ bedeutete. „Das ändert natürlich alles.“ Sagte sie jedoch gutgelaunt wie immer, nachdem ich ihr mit einem kalten Blick klargemacht hatte, dass sie das nichts anging. Dies war mein Spiel und sie hatte sich nicht einzumischen. Und wie alle aus der Unterwelt kannte sie mich und was es für Konsequenzen hatte, wenn man sich mir in den Weg stellte. Stattdessen kam nun, während sie hinter ihrem Tresen herumwerkelte der Kleine auf mich zu und nahm mir sanft die Tasche aus der Hand. Ein eindeutiges Zeichen. Er wollte mich nicht mit auf das Zimmer nehmen, aber das war auch klar gewesen. Die Jagt hatte ja gerade erst begonnen. „Danke das du mir hilfst und das du das bezahlst wäre nicht nötig gewesen.“ Sagte er mit beschämt gesenktem Blick. Dann hob er sich kurz auf die Zehenspitzen, schnellte nach oben und gab mir einen kurzen Kuss auf die Backe. Dann lief er leicht kichernd hinter Mum her, die ihn bereits auf der Treppe erwartete. ‚Du spielst deine Rolle zu gut, mein Kleiner.’ Dachte ich mit finsterem Blick, der ihnen folgte, bis sie fast um die erste Kehre verschwunden waren. Dann zwang ich noch ein Lächeln auf meine Lippen und rief den beiden lauthals etwas nach. „Wir sehen uns morgen beim Frühstück!“ Sein letzter Satz hallte mir noch immer nach. „Sicher nicht! Jack!“ ich spie den Namen wie etwas widerwärtiges aus. Dabei hatte ich ihn gar nicht so empfunden. Er war ein wenig zu freundlich, ein wenig zu perfekt, um echt zu sein. Ein Mensch wie ich, ein Mensch mit einer Maske. Ein Mensch, der jemanden suchte, der sie ihm vom Gesicht riss. Doch diese Person konnte ich sicher nicht sein, dazu litt ich zu sehr unter meiner eigenen. Außerdem hatte das Schicksal etwas anderes für mich vorgesehen, etwas das wohl meine ganze Kraft fordern würde. Ich lehnte mich gegen das Glas des Spiegels und sah mir selbst tief in die leeren Augen. „Kann man dem Schicksal entkommen?“ Wie oft ich diese Frage schon gestellt hatte. Ich zog mir das nasse Hemd aus und ließ es mit einem Klatschen auf den Boden fallen. „Kann man dem Schicksal entkommen, wenn es so deutliche Zeichen hinterlassen hat?“ Langsam drehte ich mich um, stand nun mit dem Rückseite zu dem dunklen Glas und als ich den Kopf drehte, konnte ich es auf meinem Rücken sehen. Ein Tatoo, rot, gold und schwarz. Wilde Flammen umgeben einen anmutigen Vogel mit schwanengleich gebogenen Hals und langem Schweif, der sich bis an den Bund meiner Hose und darunter noch ein gutes Stück weiter über meine Hüfte schlängelt. Doch seine Krallen sind scharf und der Schnabel wirkt hart und bedrohlich. Und in den Augen scheint ein Glitzern zu liegen, ein Schimmern als wäre das Tier lebendig, als würden die Flügel, die es fast beschützend über meinen Rücken gelegt hat, jeden Moment in der Bewegung fortfahren, in der sie eingefroren wurden. Und die Flammen, die er über meine linke Schulter speit, scheinen zu lodern und mein Fleisch zu verzehren, ebenso wie die Federn, die sich in einem einzigen Inferno selbst zu verbrennen scheinen. Früher sagte einmal jemand zu mir, der Phönix wäre mein Schutzgeist. Ich würde eher sagen er ist mein Fluch. Doch ich hatte wichtigeres zu überlegen, Dinge, die sich nicht wie dieses meinem Willen entziehen warteten darauf, dass ich ihnen meine Aufmerksamkeit zuwendete. Mich weiter ausziehend ging ich in den angrenzenden Waschraum und stieg in die etwas verkalkte, aber saubere Duschkabine. Besser als in den meisten Pensionen, in denen ich bisher meine Nächte verbracht hatte. Das Wasser war zuerst eiskalt, aber schon bald legte es sich wie eine schützende Umarmung warm auf meine Haut und ließ meinen Gedanken die Muße, sich noch einmal an die seltsamen Umstände zu erinnern, die mich aus Osaka, meiner ehemaligen Heimat, nach Tokio verschlagen hatten. Vor genau zwei Wochen war ich wie immer arbeiten gewesen - wenn man das so nennen konnte. Knapp bekleidet stand ich in einer Gasse, die zu meinen Gebiet gehörte (Die anderen Stricher nannten es abfällig das ‚Phönixnest’, jedoch nur wenn ich nicht in der Nähe war) und zählte meine Einnahmen. Genug um die nächste Woche etwas zu essen zu haben und dann noch 1000 Yen, die ich auf die Seite legen konnte. Zufrieden wollte ich mich schon auf den Weg zu meinem Unterschlupf machen, ein verwahrlostes Haus, in dem sich außer mir keine Menschenseele aufhielt (wofür ich persönlich gesorgt hatte), da kam ein Fremder auf mich zu. Keiner von meinen Stammkunden auf jeden Fall. „Guten Abend.“ Sagte er freundlich, als er vor mir stand. Mich um einen ganzen Kopf überragend und mit der dunklen Kapuze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte mochte er für manche bedrohlich wirken, doch ich war diesen Anblick gewöhnt, traf täglich solche Leute. Meisten frustrierte Ehemänner, die bei ihrem ‚kleinen Ausrutschern’ nicht erwischt werden wollten. Solche Leute verabscheute ich, so feige und verlogen. Wenn es ihre Frauen herausfänden, würden sie vermutlich jede Schuld von sich weisen. Erbärmlich! „Entschuldigen sie, aber ich möchte sie um eine Auskunft bitten.“ Unterbricht der Mann meinen Gedankengang. „Ich suche jemanden. Sein Name soll Chris sein, einen Nachnamen konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Aber er soll in ihren Kreisen auch als ‚Phe’ bekannt sein.“ Innerlich machte ich mich bereits auf alles gefasst, doch äußerlich blieb ich ruhig. Vielleicht war ich ihm nur von einem anderen Empfohlen worden.... Man sollte nicht immer das schlechteste von anderen denken... tausende dieser ‚schlauen Sprüche’ schwirrten durch meinen Kopf. Doch die Gesetze der Dunkelheit hatten mich etwas anderes gelehrt. Durch kleine Anspannungen der Muskeln, die für ein menschliches Auge nicht auszumachen waren, machte ich mich bereit, notfalls zu kämpfen. Solang der andere mich nicht unvorbereitet überraschte, hatte er keine Chance. Und rein äußerlich musste ich immer noch das Bild eines schwächlichen Strichers mit einer großen Klappe abgegeben haben. „Nie von ihm gehört, aber das hier ist mein Gebiet, und niemand wagt es, sich ohne meine Erlaubnis hier aufzuhalten!“ sagte ich hochnäsig. „ Aber...“ stotterte er, verwirrt über die schroffe Zurechtweisung, doch ich drehte mich einfach um und ging weiter meines Weges. „ Oh Michael, du hast es immer noch nicht verstanden!“ tadelte plötzlich sanft eine leicht spöttische Stimme, die sofort alle meine Alarmsysteme schrillen ließ. Und so kam es, dass die Bewegung, mit der ich mich wieder den beiden Fremden zuwendete, durch den Schreck steif und langsam war. Der andere, den ich zuvor nicht bemerkt hatte (ich verstand nicht, wo er hergekommen war, ich hätte jeden sich nähernden sofort bemerken müssen) strich ‚Michael’ sanft über den Kopf, den er traurig hängen ließ. „Verzeiht Meister“ wisperte er niedergeschlagen. Ich musste ihn diesem Moment abfällig geschnauft haben, denn der größere richtete nun seine Aufmerksamkeit auf mich. Aus trotzigen Augen blickte ich ihn feindselig an, als er mit federnden Schritten und einem auffällig netten Lächeln auf mich zuging. Ich hielt nicht viel von Leuten, die sich über andere erhoben und sich Titel wie ‚Herr’ oder ‚Meister’ geben ließen. „Hallo Chris.“ Sagte er und beugte sich zu mir hinab wie zu einem Kind. Der lange weiße Leinenmantel hing nur wenige Zentimeter über dem Boden und hatte, als er auf mich zuschritt, einige Papierfetzen aufgewirbelt, die nun wieder zu Boden sanken. Das er meinen Namen wusste quittierte ich nur mit einer herausfordern hochgezogenen Augenbraue, woraufhin er einfach zu lachen anfing! Diese Unverschämtheit konnte ich nicht dulden, doch bevor meine flache Hand ihren Platz auf seiner Wange finden konnte, hatte er sie bereits aufgehalten. Ich riss mich los und stolperte rückwärts. „Wage es nicht mich noch einmal zu berühren!“ zischte ich bedrohlich. Er machte mir keine Angst. Der Schlag hatte nur einen Bruchteil meiner Kraft enthalten, und doch hatte es mir klargemacht, dass er ein zumindest annähernd ebenbürtiger Gegner war. Also musterte ich ihn noch eindringlicher. Er war einen Kopf größer als ich und wirkte gut trainiert. Schmal und muskulös, gebaut wie ein Athlet war er und dieser Eindruck wurde durch kurze dunkelblonde Haare und wasserblaue Augen noch verstärkt. Unter dem offenen Mantel trug er einen Weinroten Rollkragenpullover und eine Jeans. Ein Mann, den man sah und gleich wieder vergas. Nicht sehr schön, nicht sehr hässlich, einfach ein Durchschnittsmensch. Und doch schien er etwas Besonderes an sich zu haben, das nur ich wahrnehmen konnte. Ich bemerkte, dass seine Muskeln ebenso unauffällig gespannt waren wie meine, dass er bereit war den letzten Rest seine Kraft im Falle eines Angriffs von einer Sekunde auf die andere freizusetzen. Auch er schien gemerkt zu haben, dass sein bisheriges Verhalten ihn nicht weiterbringen würde, denn sein zuvor noch väterlich-freundliches Gesicht verdunkelte sich leicht. „Wenn du mich nicht dazu gezwungen hättest, hätte ich dich nicht berührt.“ Stellte er dennoch immer noch ruhig klar. „Woher kennst du meinen Namen!“ forderte ich von ihm zu wissen, worauf er nur wieder zu lächeln anfing. Eins der ungeschriebenen Gesetze der Dunkelheit lautete: ‚ Sollte dein Gegner lächeln, hat er noch ein Ass (oder ein Messer) im Ärmel.’ „ So wie du gerade meine Vorbereitungen auf einen Kampf bemerkst, so habe ich auch deine erkannt.“ Erklärte er, und wieder war da dieser Tonfall, als würde er mit einem Kind sprechen. Unwillig knurrte ich. Vielleicht sollte ich ihm zeigen, dass ich ein durchaus erstzunehmender Gegner war. Doch als hätte er meine Gedanken gelesen hob er beschwichtigend die Hände und fuhr fort. „Nur Menschen wie uns ist es möglich, sich auf solche Weise auf einen Angriff vorzubereiten. Also musstest du Chris sein.“ „Menschen wie wir, pha! Was willst du damit sagen! Ich habe mit dir nichts zu schaffen!“ Doch in meinem Gehirn arbeitete es. War er etwa so wie ich? Ich dachte ich wäre der einzige... aber würde er dann von uns als ‚Menschen’ sprechen? Diesen Titel hatte ich schon vor langer Zeit abgelegt. „Vielleicht sollte ich dir erst einmal erklären, wozu Michael“ er deutete auf den hinter ihn stehenden, der unser Gespräch gespannt beobachtete. „und ich hierher gekommen sind. Meine Name ist Falco, aber du darfst mich ‚Fire’ nennen. Wir kommen aus Tokio, von einer Organisation, die sich ‚Phoenix’ nennt, und wir haben von deinen speziellen Fähigkeiten erfahren, sowie von dem Tatoo auf deinem Rücken. Stimmt es, das du es seit deiner Geburt trägst?“ „Seit ich mich erinnern kann, ja... aber die Leute im Heim sagten, das es sicher von irgendeiner Sekte dort angebracht worden ist.“ „ Aber es hat sich nicht verzogen, wie es beim Wachstum eigentlich der Fall sein müsste, oder?!“ hackte er nach. „ Na und?! Vielleicht bin ich eben so regelmäßig gewachsen, dass man das nicht erkennt. Überhaupt, was geht dich das an?!“ fauchte ich wütend. Er hatte nicht das Recht, so viel über mich zu erfahren! Er schien doch nicht so wie ich zu sein, sonst würde er diese Fragen nicht stellen. Frustriert wollte ich gehen. Eine weitere Hoffnung, doch nicht allein auf dieser Welt zu sein zerschlagen. Ich wollte nicht mehr. Wahrscheinlich kam er von so einem verrückten Wissenschaftlerverein, die in mir nur eine Anomalität sahen, die es wert war zerschnitten und untersucht zu werden. Und das alles wegen diesem blöden Tatoo, das ich doch so sehr hasste für das, was es für mich verkörperte. Ein Leben mit Hass und ewiger Einsamkeit. „Warte!“ rief er und packte mich fest an der Schulter. Wie konnte er es wagen! Ich wirbelte herum und holte schon zum Schlag aus, als ich erstaunt inne hielt. Was tat er da? Gerade hatte er seinen Mantel fallen lassen und nun... riss er den Ärmel seines Pullovers ab. Was sollte das. Da erst sah ich den leicht verschwommenen Fleck auf seiner Schulter und als ich näher trat, das es ein sehr verblasstes und unscharfes Tatoo war. Ähnlich dem, das auch ich trug. "Was soll das?" flüsterte ich verwirrt. "Auch ich trage dieses Zeichen, seit ich denken kann..... aber..... es war schon immer so schlecht...Ich habe gehört, deines soll klar zu sehen sein, als hätte es ein wahrer Künstler gestochen." Ich schwieg, konnte nicht glauben was ich sah. " Wir alle tragen dieses Zeichen." fuhr er fort, im ruhigen, beschwichtigenden Ton." Aber bei keinem ist es klar zu erkennen. Es soll angeblich über die Generationen hinweg verblasst sein, so heißt es zumindest." "Welche Generationen? Was soll das bedeuten?" warf ich ein. " Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Ich bin nur hier, um dir ein Angebot zu machen. Überlege es dir gut, es wird dein ganzes Leben verändern. Wir würden dich gerne in den Reihen der 'Phönixe' sehen." "Warum?" Meine alte Skepsis ist zurück, Gott sei dank. Wäre sie noch länger verschwunden gewesen, hätte das schlimme Folgen haben können. "Ich bedauere, aber mehr kann ich dir nicht sagen. Wenn du Interesse hast, komm zu uns nach Tokio. Wir werden dich dann erneut kontaktieren. Ich kann dir auf jeden Fall garantieren, das du dort unter..." er musterte mich kurz und abschätzig „zivilisierten Menschen wärst. So etwas wie hier,“ mit einer weiträumigen Bewegung, die verdreckten Mauern, den abbröckelnden Putz und vor allem meine Kleidung einschließend, deutete er um sich „ wirst du nicht mehr nötig haben.“ Zuletzt schwang unverhohlene Abscheu in seiner Stimme mit. Dann streckte er mir einen einfachen weißen Papierumschlag hin und sah mich auffordernd an. „Was soll ich damit?“ „Das ist genug Geld für ein Ticket nach Tokio.“ In diesem Moment riss mir der Geduldsfaden. Innerhalb einer Sekunde stand ich vor ihm und packte das Papier so heftig, das er zusammenzuckte. Dann riss ich den Fetzen Papier und den daraus hervorquellenden Inhalt genüsslich in kleine Fetzen. Zuletzt warf ich sie auf den Boden und zermalmte sie unter meinem Stiefel. Höhnisch blickte ich ihn dann an, während er immer noch fassungslos auf die grünen Schnipsel im Staub unter meinen Füßen starrte. Nach diesem kurzen Moment, in dem ich meinen Erfolg genoss, packte ich ihn am Kragen und presste ihn gegen die nächste Hauswand, auch wenn er größer war als ich, ich wusste, das er mir nicht mehr gefährlich werden konnte, schließlich wollte er etwas von mir. Mein Gesicht war dem seinem ganz nah. „ Hör mir jetzt gute zu!“ zischte ich fast lautlos in sein Ohr. „Seit ich 13 bin lebe ich auf der Straße, und doch habe ich noch nie ein Verbrechen begangen. Ich habe gehungert, wenn es sein musste und ich habe härter gearbeitet, als du es je in deinem Leben tun wirst. Und nur, weil der ‚Beruf’, den ich momentan ausübe, nicht deinen gehobenen Ansprüchen gerecht wird, so verdiene ich doch Geld und tue nichts unrechtes. Ich biete eine Ware an und es gibt Leute, die sie mir abnehmen, doch das bedeutet nicht, dass man mich so wie ich bin kaufen könnte! Und jetzt pack deinen Schoßhund da hinten ein und verschwinde, ich werde über euer Angebot nachdenken und dann werdet ihr schon sehn, was passiert. Mehr wirst du nicht von mir bekommen! Aber auch nicht weniger.“ Dann stieß ich ihn mit einem harten Ruck von mir und er landete in ein paar scheppernden Mülltonnen. Nun ging ich gemessenen Schrittes an seinem ungläubig dastehenden Gehilfen vorbei und verschwand in den Schatten. Im nachhinein musste ich zugeben, dass mich diese Begegnung mehr aus der Ruhe gebracht hatte, als ich mir hatte anmerken lassen. Tagelang hatte ich danach auf der dreckigen Matratze in meinem Unterschlupf gehockt und ins Leere gestarrt. Es war nicht das Geld oder das komfortable Leben gewesen, das mich lockte. Natürlich hatte ich eben diese Gründe gewesen, die ich mir immer wieder vorgehalten hatte, doch darum ging es nicht, nicht wirklich. ‚Menschen wie wir’ hatte er gesagt… Und auch wenn ich daran gezweifelt hatte, das er so war wie ich – was wenn ich mich irrte? Wenn dort Wesen wie ich waren? Die wie ich Probleme gehabt hatten, sich in dieser Welt zurechtzufinden, die meine Ängste und Sorgen, meine Einsamkeit nur zu gut nachempfinden konnten… Was wenn ich hier eine, nein, die einzige Chance verpasste, die mir das Leben gab? Hieß es nicht, jeder Mensch bekommt nur eine Chance, glücklich zu werden? Und wenn ich sie einfach so gehen ließ, was dann? Weiter dieses Leben führen, zwischen Angst, Hass, Abscheu und Verachtung - Das konnte ich nicht mehr, das wollte ich auch noch nie. Und das schlimmste war, das dies alles Gefühle waren, die ich nicht etwa von meiner Umwelt entgegengebracht bekam- natürlich auch das- doch vor allem empfand ich so mir selbst gegenüber. Angst vor dem, zu was ich mittlerweile geworden war, so brutal, so abweisend, nur damit mir niemand zu nahe kam, nur damit ich nicht verletzt wurde….. und selbst niemanden verletzte. Hass, Selbsthass, für das was ich war, für das was ich nie sein würde. Abscheu, weil ich ’dreckig’ war, weil ich den Job als Stricher selbst erniedrigend und widerwärtig empfand. Aber was hatte ich für eine Wahl, kriminell wollte ich nicht werden und eine Ausbildung hatte ich nicht. Auch war ich zu stolz um betteln zu gehen. Und die Verachtung, die war wohl die schlimmste. Weil ich ein erbärmliches Leben führte. Weil ich im Selbstmitleid versank. Weil ich zu feige war um etwas gegen all dies zu tun, um endlich mein Leben zum Besseren hin zu ändern. Weil ich schwach war, zu schwach um ich selbst zu sein, zu schwach um mir meine Träume zu leben, zu schwach um den Kreis des Schicksals zu durchbrechen, der mich gefangen hielt. Wütend schlug ich gegen die Fliesen und der Schmerz befreite mich von den Erinnerungen. „Hör auf mit diesem Geflenne!“ zischte ich dem Spiegel zu als ich die dusche wieder verlassen hatte. „Ich bin nicht schwach! Ich bin stark! Ich brauche niemanden, ich komme allein zurecht!“ Es war richtig gewesen, hierher zu kommen. Ich musste dieses erbärmliche Dasein in Osaka hinter mir lassen und versuchen von vorne anzufangen. Auch wenn nun meine Zukunft ungewiss war, besser als das dahinsiechen in diesem Drecksloch war es allemal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)