Watership Down von Nesuki (Schattengesicht) ================================================================================ Kapitel 2: Kurai ---------------- Moss und Black kehrten nach Efrafa zurück und sahen grade noch das Hinterteil des letzten Owslas in der Dunkelheit des Loches verschwinden. Black hopste einige Schritte vor und lauschte. „Vorwärts, du halbe Portion!“ erklang eine raue Stimme den Lauf hinauf. Ein kurzer Aufschrei und ein leises, darauffolgendes Poltern ließen vermuten, dass einer der Owslas den kleinen Gefangenen gewaltsam hinuntergestoßen hatte. Leises Wimmern drang an das Ohr der schwarzen Marli. Das dumpfe Geräusch eines Trittes, ein kurz darauffolgendes, zittriges Stöhnen und einige Momente lang Stille. „Setz dich endlich in Bewegung oder du wirst den Tag bitter bereuen, an dem du geboren wurdest!“ Den Lauten zu urteilen, setzten die drei ihren Weg fort.. Moss sah verwundert zu Black, deren Gesichtsausdruck schwer definierbar war. Hatte sie Mitleid mit einem Feind?! Der Graue konnte es sich gar nicht so recht vorstellen aber sie hatte sich vorhin im Wald ja schon recht seltsam benommen. Er machte sich aber keine weiteren, großartigen Gedanken darüber und hopste wortlos an ihr vorbei, den Lauf hinab. Der Windzug des grauen, vorbeiziehenden Rammlers hatte Black aus den Gedanken gerissen. Einen Augenblick stand sie noch wie angewurzelt da und schaute ihm nach. Dann folgte sie ihm. Ihr Weg führte sie direkt zur Ratshalle. Sie zögerte nicht einzutreten und schaute sich einmal um. Auf der Empore war der gesamte Rat versammelt, aber vom General war weit und breit noch nichts zu sehen. In der Mitte des Riesenbaus hockte der kleine Gefangene ängstlich zusammengekauert auf dem Boden, links und rechts saßen die beiden Owsla. Und jetzt erkannte sie ganz eindeutig: Es war Fiver. Es war tatsächlich Fiver! Sie erinnerte sich an die Zeit im alten Sandleford-Gehege. Sie hatte nie wirklich Notiz von dem kleinen Bock genommen aber sie erinnerte sich klar daran, dass er den grausamen Untergang des Geheges vorhergesehen hatte und grade noch rechtzeitig mit einigen anderen Kaninchen geflohen war. Sie hätte nie gedacht, ihn je wiederzusehen. Erst recht nicht hier in Efrafa. Auch Hauptmann Campion saß unmittelbar neben den dreien und schaute aufmerksam, den General erwartend, zur Empore hinauf. Black zuckte mit den Ohren, schlich gar lautlos an der Wand entlang und setzte sich nahe des Schattens einer dunklen Ecke nieder. Kurz darauf erschien der General tatsächlich auf der kleinen Erhebung der Empore. Der riesige Rammler setzte sich auf seinen Platz und schaute grimmig knurrend zu dem Gefangenen hinab. „Ich höre!“ erklang seine tiefe Stimme. „Sir!“ begann Campion „Den Kleinen hier haben wir am Fluss aufgesammelt. Weit und breit war keine Spur von anderen Kaninchen.“ „Er war also allein?“ Woundwort senkte den Kopf „Bist du dir auch sicher?!“ „Völlig sicher, Sir!“ erwiderte der Hauptmann überzeugt. „Wo genau habt ihr ihn gefunden?“ fragte der General noch einmal nach. „Nördlich der Steinbrücke, Sir!“ kam als Antwort „Hinter dem großen Farngewächs um genau zu sein.“ Während Campion vom General noch ein bisschen ausgefragt wurde, folgte Black aufmerksam lauschend dem Gespräch. Mit einem Mal machte sich ein mulmiges Gefühl in ihr breit und sie spürte ganz deutlich, dass sich irgendetwas oder irgendjemand unmittelbar hinter ihr befand. Nun drang ein Geräusch an ihre Ohren. Langsame, leise Schritte, über den trockenen Boden in ihre Richtung. Doch aus einem ihr unerfindlichen Grund, wagte sie es nicht, sich umzudrehen und nachzusehen, was das war. Sie spürte etwas im Nacken. Regelmäßiger, heißer Atem hielt ihr Nackenfell in Bewegung. Ihr wurde heiß und kalt. Die Schnauze ihres Hintermanns berührte das lange Fell der schwarzen Marli knapp und sie fühlte förmlich, wie sich ein fieses Grinsen auf den Lippen des Unbekannten breit machte, während er ihren Geruch aufnahm. Ein leises, rauchiges Lachen drang an ihr Ohr. Sie riss die Augen auf und versuchte aus den Augenwinkeln zu erkennen, wer hinter ihr stand. Die Hitze stieg ihr in den Kopf und sie spürte das Pochen ihres Herzschlags deutlich in den Ohren. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wieso sie sich plötzlich so fürchtete und sich nicht traute, sich umzuschauen. Black spürte den fremden Atem in ihrem Nacken nun nicht mehr. Stattdessen konnte sie die hellbraune Schnauze des Anderen aus den Augenwinkeln erkennen. Langsam kam sie ihrer Wange immer näher. Black legte die Ohren an und schloss die Augen. „KURAI!“ hallte es laut durch die Halle. Mit einem einzigen, riesigen Satz sprang ein Kaninchen hinter Black hervor und landete in der Mitte der Ratshalle, direkt vor dem Gefangenen. Es war ein großer, muskulöser Rammler. Kopf, Hals und Pfoten waren hellbraun. Brust, Bauch und Blume waren cremefarben, während der Rest seines Fells pechschwarz war. Ein wirklich ungewöhnlich gezeichnetes Kaninchen. Kurai saß schnurgerade da und blickte mit aufgestellten Ohren zum General hinauf. „Sir?!“ sprach er mit sicherer, dunkler Stimme. „Du hast unseren >Gast< sicher schon bemerkt, nicht wahr?“ begann Woundwort mit einem gemeinen Grinsen auf den Lippen „Ich möchte, dass du dich ein bisschen mit ihm beschäftigst.“ Kurai grinste finster und bleckte dabei die scharfen, perlweißen Zähne. „Es wird mir ein Vergnügen sein, Sir..“ begann er und wandte sich zu Fiver um, welcher sich hinter ihm nicht ein Millimeterchen von der Stelle gerührt hatte, seit er in die Ratshalle geschliffen wurde „Ich bin mir sicher, dass der kleine Fuchs eine Menge, höchst interessante Dinge weiß, die er mir mit Freuden mitteilen wird.. He he.“ Die blutrot leuchtenden Augen Kurais funkelten Fiver entgegen und fixierten ihn auf eine furchteinflößende Art. Fiver wäre das Herz beinahe stehen geblieben, als ihn Kurais Blick traf. Sein Körper bebte noch heftiger als ohnehin schon. Er wünschte sich nichts sehnlicher als wieder zu Hause zu sein. Er wollte überall sein. Es wäre ihm egal gewesen wo. Nur nicht hier. Nicht hier in Efrafa! Und erst recht nicht bei diesem Kurai. „Gut!“ sagte der General und hob amüsiert den Kopf „Also mach dich an die Arbeit!“ Kurai schaute noch mal grinsend zu Black in der Ecke zurück, die immer noch wie zu Eis erstarrt an ein und dem selben Fleck verharrte. Erschrocken zuckte sie zusammen als sie den finsteren Blick des Rammlers bemerkte. Allein schon vom puren Blick eingeschüchtert schaute sie zu Seite und legte die Ohren an. Nun wandte sich Kurai wieder zu Fiver um. „Beweg dich gefälligst, du dreckige Made!“ fuhr er ihn giftig zischend an. Der kleine Gefangene zuckte zusammen und presste seinen Körper nur noch fester an den Boden. Kurai verdrehte die Augen, packte Fiver unsanft im Nackenfell und schleuderte ihn in Richtung eines Laufeingangs fort. Der Fuchsbraune knallte mit dem Rücken gegen eine Felswand und landete schmerzhaft auf dem Boden. Grinsend kam Kurai auf den Kleinen zu. Fiver riss die Augen vor Furcht auf, sammelte seine Kräfte und stemmte sich hoch. Auch wenn seine Läufe zitterten und drohten nachzugeben, er wollte unter keinen Umständen noch einmal fliegen. Er traute sich weder Kurai den Rücken zu zukehren, noch ihm ihn die Augen zu schauen. Mit jedem Schritt, den der Owslafa auf Fiver zukam, hopste dieser zwei Schrittchen rückwärts nach hinten. Darüber sichtlich amüsiert kicherte Kurai einmal kurz auf. Nun machte er einen kleinen Satz nach vorn. Vor Schreck stolperte der kleine Bock rückwärts und verlor das Gleichgewicht. Schreiend purzelte er einen tiefen Gang hinab und landete in einem Bau, der von der Größe her etwa ¼ der Ratshalle ausmachte. Kurai folgte. Fivers Laute waren auch noch deutlich in der Halle zu vernehmen. Campion hatte das alles mitangesehen und die Zähne die Zeit über so heftig zusammengebissen, dass er seinen Unterkiefer vor Taubheit kaum noch spürte. Er hasste diese Methode Informationen aus Kaninchen heraus zu bekommen. Nur leider machte der General von dieser sehr häufig Gebrauch. Genauso wie er dabei häufig von Kurai Gebrauch machte. Campion hatte in seiner gesamten Lebenslaufbahn noch nie ein Kaninchen angetroffen, das so dermaßen Gefühlskalt und skrupellos war. Er hatte noch nie erlebt, dass ein nettes Wort über die Lippen dieses Rammlers gekommen wäre oder sich ein aufrichtiges Lächeln auf ihnen abgezeichnet hätte. Nichts. Immer nur dieses ständige Grinsen. In der Tat: Er konnte Kurai wirklich nicht sonderlich ausstehen. Allein schon die Art, wie er mit anderen Kaninchen umsprang widerte ihn an. Nur leider konnte auch er als Hauptmann nichts dagegen unternehmen, was der General anordnete. Doch er fasste sich ein Herz und fragte: „Sir. Meinen Sie wirklich, dass es in diesem Falle der richtige Weg ist? Der junge Rammler kam mir schon verängstigt genug vor..“ Das dunkle Grummeln des Generals ertönte im Raum. „Ich halte diese Methode für effektiv“ antwortete Woundwort „Oder ist dies etwa nicht zu bestätigen, Campion?“ „Gewiss, Sir“ entgegnete der Braune „Aber ich glaube, es wäre zumindest in diesem Fall besser, einen anderen Weg zu gehen.“ „Und ich glaube, dass es bei mir liegen sollte, zu entscheiden was der richtige Weg ist“ sprach der General „Aber falls du irgendeinen Vorschlag haben solltest, der vielleicht sogar mehr Erfolg verspricht, dann immer raus damit.“ Woundwort lehnte sich zurück und schaute gelassen zu Campion hinab. Der Hauptmann überlegte kurz. „Nun, Sir..“ er stand auf und nickte dem General „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Mit diesen Worten verließ er die Ratshalle. Währenddessen hockte Fiver ängstlich zusammengekauert in der Mitte des anderen Baus. Es roch seltsam. Eine Mischung aus dem süßlichen Geruch modrigen Holzes und Blut lag in der Luft. Das behagte dem kleinen Rammler ganz und gar nicht. Hektisch schaute er sich um. Es war ein finsterer Bau, die Wände waren vollkommen zerkratzt und hier und da steckte noch eine Kralle zwischen Stein und Erde. Er schluckte schwer. „Gefällt es dir hier?“ erklang die kalte Stimme Kurais und Fiver zuckte heftig zusammen. Unfähig zu antworten starrte ihn der Fuchsbraune einfach nur mit weit aufgerissenen Augen an. „Schade...“ Kurai zuckte die Achseln und legte das für ihn typische Grinsen auf „Mir schon! Es ist quasi mein zweites Heim. He he. “ Kurai hopste langsam um Fiver herum und machte ihn dadurch nur noch nervöser als er ohnehin schon war. Er musterte den Kleineren von oben bis unten. „Das hier ist die >Gloomy Hole<“ begann er und blickte sich um „Kannst du dir in etwa vorstellen, was hier getan wird, kleiner Fuchs?“ Ganz langsam, kaum merklich, nickte Fiver und legte die Ohren an. Nun kam Kurai direkt auf den Kleinen zu und drängte ihn rückwärts an die Wand. Als dieser die kalte Wand im Rücken spürte, machte sich glatt noch mehr Panik in ihm breit, obwohl er den Anschlag des Pegels eigentlich schon längst erreicht hatte. Kurai näherte sich Fiver trotz Wand immer mehr und kam ihm mit dem Gesicht so nahe, dass sich deren Nasenspitzen beinahe berührten. „Also? Wärst du so freundlich mir zu sagen, was ich wissen will? Ich denke zu kennst die Fragen...“ sprach der Rammler mit rauchig finsterer Stimme. Fiver wollte grade den Kopf schütteln als Kurai seine Pfoten plötzlich links und rechts neben seinem Kopf gegen die Wand wuchten ließ. Dies tat er so hart, dass sich einige Bröckchen aus der harten Wand und Decke lösten und auf den Boden hinabrieselten. Der kleine Bock sank eingeschüchtert ein Stückchen tiefer. „..Alles andere wäre nämlich äußerst ungesund für dich!“ ergänzte sich Kurai noch und fragte nun „Woher kommst du?“ Fivers Lippen bewegten sich und formten, was er sagen wollte aber kein Wort drang aus ihnen hervor. „Also gut“ sagte Kurai finster grinsend. Keine Antwort war für ihn auch eine Antwort und Kurai sah jegliche Art von Antwort gern; beides war ihm Recht. Er ließ die Krallen seiner rechten Pfote aufblitzen und schnellte mit ihnen Richtung Gesicht des kleinen Gefangenen vor. Fiver kniff die Augen fest zusammen und schnappte nach Luft. „Wa- Wa-...“ begann er hektisch und Kurai hielt inne „Watership D- Down!“ „Aaaaah! Schon besser.“ Kurai nahm seine Pfote grinsend zurück und harkte weiter nach „Wo liegt dieses Gehege?“ Kurais Worte klangen gelassen, er war die Ruhe selbst. Das allerdings machte Fiver nur noch verrückter. Der große Rammler bemerkte das natürlich und war sichtlich amüsiert darüber. Er liebte es, wenn seine >Gäste< so reagierten. Einige Augenblicke zögerte Fiver noch irgendetwas auf Kurais Frage hin zu antworten. Er konnte sein Heim nicht einfach verraten. Wie in Zeitlupe schüttelte er den Kopf und starrte Kurai ängstlich mit weit aufgerissenen Augen an. Dieser verengte die Augen und fletschte die Zähne. Er packte den Fuchsbraunen am Kragen, so gut es für ein Kaninchen eben möglich ist dies zu tun, und drückte ihn die Wand entlang ein Stück nach oben, sodass sie in etwa in Augenhöhe waren. Mit der anderen Pfote packte Kurai Fivers Unterkiefer, übte so etwas Druck auf den Kiefer aus und brachte Fivers Kopf in eine Position, in der der Kleine gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. Der kleine Bock fühlte keinen Boden mehr unter seinen Hinterpfoten. Er wimmerte leise. „Ich rate dir mir zu erzählen, was ich wissen will, Kleiner Fuchs“ sprach Kurai seelenruhig „Ansonsten werde ich dafür Sorge tragen, dass niemals wieder eine Silbe aus deinen Mund hervordringt.“ Mit diesen Worten brachte der Rammler noch ein bisschen mehr Druck auf den Kiefer des Kleineren. Langsam fing es an, ihm richtig weh zu tun und Fiver bekam Angst davor, dass der Kiefer gleich wirklich mit einem lauten Knacken brechen würde. Der kleine Bock stöhnte vor Schmerz laut auf. Die Krallen der Pfote, mit der ihn Kurai immer noch am Kragen hatte, bohrten sich allmählich durch die Haut. Fiver spürte, wie sich warmes Blut den Weg durch sein Fell Richtung Boden bahnte. Der Kleine konnte sein Herz in den Ohren rasen spüren und er fühlte, wie ihm das Blut vor Aufregung in den Kopf schoss. Kurai merkte, dass Fiver keinerlei Anstalten machte, ihm eine Antwort zu geben und drückte nun sogar noch fester zu. Fiver schrie laut auf und kleine Schmerztränchen kullerten seine Wangen hinab. Er war plötzlich taub für alles, jedes Wort, jedes Geräusch. Alles um ihn herum verschwamm und allmählich wurde alles schwarz. Er verlor das Bewusstsein. Verloren in der Finsternis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)