Heilloser Romantiker von Pansy ================================================================================ Kapitel 45: Kapitel 45 ---------------------- Kapitel 45 „4 Blätter… Hast du eine Ahnung, was er damit meint?“ Steven war nur wenige Minuten später eingetroffen und hatte einen unruhig hin und her laufenden Joe vorgefunden, der einen schwarzen Zettel in der Hand gehalten hatte und die Augen von diesem nicht hatte nehmen können. „Über die Spitze ragt im Winter die Sonne niemals“, wiederholte der Blonde die Worte, die auf dem Papier in weißen Lettern geschrieben standen. „Nicht nur, dass er mir meinen Freund genommen hat! Das reicht ihm anscheinend nicht, nein, er muss sich aufspielen und in Rätseln schreiben!“ Zerstreut strich sich Joe mit einer Hand über die Stirn, wischte den kalten Schweiß weg, der sich in den letzten Minuten dort angesammelt hatte. „Jetzt muss die Polizei doch was unternehmen, oder nicht?“ Erwartungsvoll sah er seinen Vater an. „Wenn man mal davon absieht, dass du das Beweismaterial angefasst hast und darauf nun deine Fingerabdrücke sein werden, vermutlich nur deine, dann können wir es auf einen Versuch ankommen lassen.“ Achselzuckend sah Steven sein Gegenüber an, der nervös mit den Fingern auf den Tisch trommelte, an dem sie noch nicht lange saßen. „Ich verstehe deine Distanz und Gleichgültigkeit ja“, meinte Joe mit einem Anflug von Wut, „doch hier geht es allein um Rick und in keinster Weise um mich. Könntest du dich daher auch bitte so verhalten?“ „Und das sagst ausgerechnet du!“ Steven erhob sich. „Seit wann bist du eigentlich ein solcher Egoist?“, fügte er sichtlich enttäuscht an, sprach aber sogleich weiter, bevor Joe in irgendeiner Weise reagieren konnte: „Gib’ mir den Zettel, dann gehe ich damit zur Polizei. Ein aufgebrachter, anscheinend sich nicht unter Kontrolle habender junger Mann wie du es bist findet auf dem Revier sowieso keine Beachtung und ich möchte, dass Rick so schnell wie möglich gefunden wird.“ Für einen Moment war der Jüngere sprachlos, aber dann erhob er sich ebenfalls und ging einen Schritt auf Steven zu. Es sah kurz danach aus, als wolle er schreien oder handgreiflich werden, doch plötzlich sank sein Kopf auf seine Brust und er seufzte. „Danke.“ Mehr erwiderte er nicht, sondern hielt Steven das schwarze Papier entgegen, der es ihm abnahm, nach seiner Jacke griff und ging. /Ich höre deine Schritte, wie sie im Flur nachhallen, und ich hoffe sehr, dass du mit einer guten Nachricht wiederkehrst. Und wenn du zurückkommst, dann bitte ich dich endlich um Vergebung. Ausgerechnet jetzt erkenne ich erst, wie nahe wir uns eigentlich stehen und wie schmerzhaft es für dich gewesen sein muss, von mir zu hören, du seiest nicht mein Vater. Denn ebenso schwer ist es für mich, dass du nun mir gegenüber eine Distanz hegst, doch ich weiß, dass ich allein sie zu verschulden habe. Darum bin ich ja selbst enttäuscht von mir…/ Völlig erschöpft, niedergeschlagen und unglücklich schlurfte er in sein Schlafzimmer und ließ sich dort auf sein Bett fallen. Als er sein Gesicht in seinem Kissen vergrub, durchzuckte es ihn, denn er roch den dunkelhaarigen jungen Mann, den er vor gut zwölf Stunden verabschiedet hatte, in dem Glauben, er würde seine Eltern besuchen und danach zu ihm zurückkehren. Wie hatte er ihn nur allein gehen lassen können! Natürlich, Rick war ebenso wie er erwachsen, aber hatte die Gefahr nicht bereits in ihrer beiden Rücken gelauert? Waren sie nicht genau in jener Nacht vor diesem Irren geflohen? Wie hatte er nur derart unbedacht sein können; so leichtgläubig!? /Rick wollte allein gehen!/, versuchte er seine Schuldgefühle abzuschwächen, doch es half nichts, sich das immer und immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Im Endeffekt machte er sich schwere Vorwürfe und die Tatsache, dass er obendrein sein intaktes Familienleben zerstört hat, belastete sein Gewissen nur noch mehr. Und diese Sentimentalität machte ihn wahnsinnig. Er wollte sie schnellstmöglich wieder loswerden, dessen war er sich sicher. Als er sich auf den Rücken drehte und die Augen öffnete, sah er nicht wie gewohnt die Decke, sondern die weißen Lettern auf schwarzem Hintergrund, die ihm nichts weiter als ein Rätsel waren. Was hatten denn Blätter mit Rick zu tun? Und was sollte mit dem dahin geworfenen Satz besagt werden? /Über die Spitze ragt im Winter die Sonne niemals… Ich bin mir ziemlich sicher, dass damit ein Gebäude gemeint ist. Doch welches verdammte Haus kann man mit den Worten ’Süden’ und ’4 Blätter’ in Verbindung bringen?/ Haben sie denn überhaupt eine Bedeutung? Was wäre, wenn man ihn einfach nur auf eine falsche Fährte locken wollte? Er musste die Begriffe in einen Zusammenhang bringen! Egal wie! Auch auf die Gefahr hin, dass es keinen gab. Schließlich war es dem Menschen schuldig, den er von Herzen liebte. In Gedanken lief er die Stadt ab und versuchte sich vorzustellen, wie sie an einem sonnigen Wintertag aussah, also fast wie an diesem Tag. Er fing bei seiner Wohnung an und ging alle Straßen durch, die von ihr in Luftlinie wegführten. Seine Rechte ruhte währenddessen unablässig auf seiner Stirn und seine Brust hob und senkte sich langsam. Während die Häuser meist zu beiden Seiten emporragten oder sich Gärten ins Unendliche strecken zu schienen, konnte kein noch so markantes Gebäude auf Anhieb einen Geistesblitz bei ihm auslösen. Graue, weiße oder gelbe Silhouetten erstreckten sich vor und neben ihm, blanke Mauern, verzierte Fassaden, Balkone, Glasfronten, Villen, rote, braune Dächer… Nach einiger Zeit erschien ihm sein Tun als vollkommen sinnlos und er war kurz davor einzuschlafen. Als sich die Dunkelheit bereits über seine Augen legte, seine Lider zufielen und sich sein Körper schwer anfühlte, näherte er sich schon fast unbewusst immer weiter der Innenstadt. Und je näher er ihr kam, desto mehr drängte sich ein Bauwerk in sein Blickfeld, das ihn nur noch mehr nach Rick sehnen ließ. Die Kathedrale sah wie immer prunkhaft und edel aus, verkörperte wie eh und je Stärke und Anmut. Und vor ihr zeichnete sich immer facettenreicher Ricks Gestalt ab, der nur leicht bekleidet ein Lächeln im Gesicht trug. Alsbald sah er sich selbst vor ihm und ihre Lippen fanden sich erst zu einem leidenschaftlichen Kuss, bevor ihre Hände auf dem Rücken des jeweils anderen hinabfuhren. Der Hintergrund wandelte sich um in seine Wohnung und er bettete den Dunkelhaarigen sanft auf sein Bett, benetzte ihn dort vom Hals abwärts mit federleichten Küssen, worunter sein Freund aufstöhnte, vor allem als er keck in dessen Brustwarzen biss. Seine Zunge fuhr in kleinen Kreisen um seinen Bauchnabel und der Kleinere vergrub seine Finger in dem blonden Haar, zog ihn sachte wieder zu dessen Gesicht empor und verwickelte ihn in einen Kuss, der ihnen beiden den Atem raubte. Wohlig seufzend löste er sich von ihm und ließ seine Zunge über die Ohrmuschel des anderen streifen. Er spürte derweil seine eigene Erregung, die ständig anschwoll, und presste seinen Unterleib an den seines Freundes. In einem langsamen Rhythmus kreisten sie ihre Becken und ihre Zungen fingen sich gegenseitig ein. Die Lippen des anderen schmeckend glitten seine Hände wieder tiefer hinab und entfernten die letzten störenden Kleidungsstücke, bis endlich wohlersehnt nackte Haut auf nackte Haut traf. Ihre Körper waren heiß, begehrten nach mehr und wollten den jeweils anderen noch intensiver spüren. Joe löste den Kuss und glitt wieder tiefer, um Rick zum Höhepunkt zu treiben. Willig streckte dieser sich ihm entgegen und… ’In der Kirche legen die Menschen ihre Sünden ab…’, hallte Ricks Stimme wider. Joe riss seine Augen weit auf. Das musste das Gebäude sein! Wieso, weshalb, warum konnte er nicht sagen, doch mit einem Mal war er sich vollkommen sicher. Und wenn er die Kathedrale noch mit ’Süden’ in Korrelation bringen konnte, dann konnte er es beweisen. Obwohl sein Körper entkräftet war und gleichzeitig vollkommen erhitzt, stand er wieder auf und hastete ins Bad, wusch sein Gesicht mit eiskaltem Wasser, warf danach einen flüchtigen Blick in den Spiegel, in dem er nichts weiter als einen völlig fertigen jungen Mann sah, dessen Augen vor Begierde funkelten. Wie spät war es? – Seine metallene Armbanduhr verriet es ihm. Und obgleich es nicht einmal acht Uhr morgens war, konnte ihn nichts davon abbringen, zur Kirche zu gehen, um Informationen über sie zu erlangen. Vielleicht hatte er nun eine vielversprechende Spur und die würde er nicht so bald wieder loslassen! Chaos herrschte in Ricks Kopf. Nichts als Tumult und Unordnung. Resigniert ließ er sich aufs Sofa sinken und griff nach der Wasserflasche. Ein paar Mal drückte er sie von einer Hand in die andere, bis er sie letztendlich öffnete und aus ihr einen großen Schluck entnahm. Abwesend tastete er mit dem Zeigefinger nach seiner Nase und strich vorsichtig über sie. Mittlerweile schmerzte sie nicht mehr, aber er hatte noch die Faust vor Augen, die mit einem Mal nach ihm geschlagen hatte. Und dazu der gänzlich emotionslose Gesichtsausdruck ihres Besitzers. Gut, er war selbst handgreiflich geworden, aber schließlich war er es doch, der mir nichts dir nichts entführt worden und hier gegen seinen Willen festgehalten worden war und noch immer wurde. Alexandros hieß also der Mann, der ihm das alles antat, und dafür nicht im Geringsten einen Grund hatte. Hatte sich Rick jemals etwas zu Schulden kommen lassen? – Sowohl spontan als auch bei reiflicher Überlegung würde er diese Frage mit einem strikten Nein beantworten. An sich war er immer viel zu gesittet und zurückhaltend gewesen, hatte sich vielmehr jedweder Konfrontation entzogen und Joe die Prügeleien überlassen. Vielmehr war er ein ruhiger, manchmal in sich zurückgezogener Mensch, der älteren Menschen gerne half und ein friedliches Leben bevorzugte. Nur war ihm dieser Frieden nicht gestattet. Erst die Abwendung seiner Eltern und jetzt das. Das grelle Licht schien noch immer auf ihn herab und ächtete die Dunkelheit, die in seinem Kopf herrschte. Bisweilen gab es kaum noch schöne Dinge, die ihn ein wenig munterer stimmen konnten. Die Sehnsucht nach Freiheit und danach, sich an Joes Körper schmiegen zu können, war unermesslich geworden. Er drehte seinen Kopf nach rechts und begutachtete das Tablett, das ihm dagelassen worden war. Neben der Flasche, die er noch in der einen Hand hielt, war ihm spärlich belegtes Brot gebracht worden, das aber nicht einmal ungenießbar aussah. Obwohl er keinen rechten Hunger verspürte, hob er den Teller an und roch an dem Essen. Ein beinahe schon köstlicher Duft stieg ihm in die Nase, dennoch stellte er das weiße Porzellan zurück. /Aber…/ Erneut hob er den Teller an, nicht um das Essen ein weiteres Mal zu begutachten, sondern um das darunter Liegende genauer in Augenschein zu nehmen. Das schwarze Rechteck war keine Serviette, sondern ein Blatt Papier. Und dieses lag sicher nicht ohne Grund dort. Neugierig, aber bedacht griff er danach. ~~~~~ Es ist mir eine Ehre, dich in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen. ~~~~~ /Um sich mir ungesehens zu nähern…/ ~~~~~ Da mir dein Freund keine andere Wahl ließ, musste ich zu einem probateren Mittel greifen, um ihm begreiflich zu machen, dass du mir gehörst. ~~~~~ /… probateres Mittel…/ Auf Ricks Gesicht zeichnete sich ein sarkastischer Ausdruck ab, der von tiefer Trauer untersetzt war. ~~~~~ Leider habe ich momentan nicht die Möglichkeit, mich dir vollkommen zu widmen, aber als kleine Entschädigung darfst du dich in deinem neuen Zuhause ein wenig umsehen und die verborgene Tür zu dem Ort ausfindig machen, der deinen Bedürfnissen gerecht werden sollte. Ich wünsche dir einen angenehmen Aufenthalt. ~~~~~ /Ich spüre, wie meine Lippen zu beben anfangen und ein Lächeln beherbergen wollen, das zynischer nicht sein könnte. Seine Worte spiegeln aufrichtig genau den Charakter wider, der sich mir vom ersten Moment unseres ersten Aufeinandertreffens an offenbart hat. Von reiner Kälte und blankem Hohn kann man aber nicht mehr sprechen, vielmehr sind sie gepaart mit groteskem Wahnsinn…/ Da die spöttischen Zeilen aber dennoch sein Interesse geweckt haben, ließ er seine Augen quer durch den Raum streifen. In der ewigen Helligkeit sah er immer noch lieblos aus, hatte aber nicht mehr ganz so viel Deprimierendes an sich. Seine meerblauen Iriden streiften über jeden Winkel hinweg, der sich beim bloßen Anblick preisgab. Rick kam zu dem Entschluss, dass sich einzig hinter dem Schrank, in dem die Handschellen gelegen hatten, eine weitere Tür neben der offensichtlichen befinden konnte. Selbst auf die Gefahr hin, dass er auf das Spiel, das dieser Kerl eindeutig mit ihm spielte, hereinfiel, stand er auf und ging auf den großen Schrank zu. Geheime Verstecke, nicht gleich auszumachende Türen, sich bewegende Wände hatten ihn schon von klein auf in den Bann gezogen und so auch dieses Mal. Mit aller Kraft, die er aufwenden konnte, schob er das schwere Mobiliar von der Wand weg, das unter einem Ächzen nachgab. Als er den Abstand groß genug wusste, spähte er hinter das sperrige Holz und in der Tat blickte er auf eine Art Tür, die aber mehr ein Provisorium war. Eine in die Wand integrierte Platte, die sich zur Seite schieben ließ, was Rick auch ohne Zögern austestete. Alsbald sah er auf ein spartanisch eingerichtetes, aber nobles Bad. Ganz anders als der Rest des Hauses, den er kannte. Die Deckenleuchte war sofort aufgeflammt, als er einen Fuß ins Zimmer gesetzt hatte, und beschien nun eine geräumige Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette, die sofort ein Bedürfnis in ihm weckte, das er bei all seinen Gefühlsschwankungen nicht mal ansatzweise wahrgenommen hatte. /Einen solchen Raum hätte man sich bei dem Anblick, der sich mir die ganze Zeit über geboten hatte, nicht einmal erträumen lassen. Wenigstens bleiben mir üble Gerüche erspart, selbst wenn das auch nur seinen Zwecken dienen sollte… Er möchte sich sicher keinen Kuss von einem stinkenden Menschen rauben. Vielleicht könnte ich ihn auf diese Weise auf Abstand halten, doch ich verspüre nicht den Drang zu verwahrlosen, nur um eine Rebellion zu starten, die mir am Ende nur noch mehr schaden wird…/ Langsam entledigte sich Rick all seiner Kleider und stieg in die Dusche. Als er den Wasserhahn betätigte, glaubte er für einen Moment, dass kein Wasser kommen würde, doch schon die ersten Tropfen, die auf ihn herabprasselten, entlockten ihn in eine Welt fernab der Realität und ließen ihn all die negativen Gedanken beiseite schieben. Lange ließ er das wohlige Nass auf sich hernieder regnen und irgendwann begann er darüber nachzudenken, weshalb er bisher verschont wurde; in dem Sinne, nicht weitere Male geschlagen oder gar vergewaltigt worden zu sein. Auf dem Zettel stand, dass Alexandros nicht die Möglichkeit habe, sich ihm vollkommen zu widmen. Hundertprozentig war damit gemeint, sich Beischlaf zu erzwingen… Rick fuhr es durch Mark und Bein; den Gedanken daran ersetzte er vorsichtshalber gleich durch Oliviers Aussage: ’dann wird Alexandros trotz der Absprache mit Serrat keine Rücksicht mehr nehmen’. Serrat… Der Name sagte ihm was, oder doch nicht? Kurz bevor er glauben konnte, sich geirrt zu haben, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)