Heilloser Romantiker von Pansy ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- Kapitel 12 „Und du kommst auch wirklich nicht zu spät zu deiner Verabredung?“, fragte Rick den blonden jungen Mann, der ziemlich nervös wirkte und ständig unruhige Blicke auf die lederne Uhr an seinem Armgelenk warf. „Wenn nun nichts mehr dazwischen kommt, dann schaffe ich es rechtzeitig.“ „Es konnte ja keiner ahnen, dass der Bus plötzlich eine Reifenpanne hat.“ Verstohlen sah Rick immer auf die drei kräftigen Männer, die gerufen worden waren, um dem ältlichen Busfahrer beim Reifenwechsel zu unterstützen. In ihren blauen Overalls stemmten sie mit vereinten Kräften das Ersatzrad hoch und bugsierten es in mühevoller Kleinarbeit auf die Narbe. Joe neben ihm lief ständig ein paar Meter auf und ab, konnte seine Augen dabei einfach nicht von dem großen schwarzen Zeiger lassen, der viel zu schnell zu hüpfen schien. „Da schau, die ziehen schon die Muttern fest!“ Zwar freute das Rick nicht sonderlich, aber er wollte Joe ein wenig aufmuntern. Zu gern würde er ihm sagen, er solle Julia vergessen, denn sie sei nicht die Richtige für ihn. Doch wenn er nur ein Sterbenswörtchen in dieser Hinsicht von sich geben würde, würde er davon ausgehen müssen, dass Joe sauer und ihn vielleicht missachten würde. Und das konnte er auf gar keinen Fall herausfordern! „Ja, schön.“ Das war das Einzige, was Joe erwiderte. „Ich habe dir noch eine Kleinigkeit vorenthalten“, begann der Kleinere und fixierte dabei seinen Freund. „Würde dich ein Crossaint entschädigen?“ Mit einem Mal blieb Joe stehen und wusste nicht recht einzuordnen, was er da eben gehört hatte. Rick amüsierte sich über den irritierten Gesichtausdruck, der sich allmählich zu lichten begann. „Wie konntest du mir die ganze Zeit verschweigen, dass wir noch was zu essen haben!?“ „Naja, ich hatte es vergessen, doch als ich dich eben so mürrisch auf- und ablaufen sah, ist es mir wieder eingefallen.“ Entschuldigend zuckte er mit den Schultern und hielt Joe den Rucksack entgegen. Bestimmend griff dieser nach ihm und es dauerte nicht lange, da hatte er schon die Hälfte des Crossaints verschlungen. „Wie immer legger, wenn du wasch dabei hascht.“ „Okay, ich versuch erst gar nicht, dich zu ermahnen.“ „Siehsch doch mal scho“, Joe schluckte, „so weißt du wenigstens, dass es mir schmeckt.“ „Na dann.“ „Das war jetzt genau das, was ich brauchte.“ Gierig schleckte sich der Größere die Finger ab und warf die Tüte, in der das Crossaint aufbewahrt worden war, in den kleinen Abfall am Straßenrand. „Dachte ich mir.“ „Mein kleiner Romantiker weiß mich eben zu beruhigen.“ Mit dem Zeigefinger seiner Rechten tippte er Rick an die Stirn. „Das ist ja auch keine Kunst, wenn man weiß, dass Essen deine größte Leidenschaft ist.“ „Besser als deine Leckereien zu verschmähen, oder?“ „Dem kann ich nicht widersprechen.“ „Alle einsteigen!“, rief eine raue Stimme, die wohl dem Busfahrer gehörte. „Wurde auch Zeit!“ Joe fackelte nicht lange und lief zum Bus, zog dabei Rick hinter sich her, um ja keine weitere wertvolle Minute mehr zu verlieren. „Können die sich nicht mal beeilen, diese gekünstelte Ruhe regt mich auf!“ Er sah auf die kleine Menschenmenge, die noch vor der Tür stand. „Pssst, sonst hören die dich noch.“ „Na und? Vielleicht bewegen sie dann ihre Hintern hier rein!“ Ratlos beobachtete Rick, wie Joe mit Armen und Beinen fuchtelte und eine Frau anfauchte, die dann eiligst an ihm vorbeihuschte. „Es tut mir sehr leid, dass Sie diese Verzögerung in Kauf nehmen müssen, doch als Dankeschön für Ihre Geduld wird gleich ein Korb herumgehen, aus dem Sie sich alle etwas nehmen dürfen.“ Das Rauschen des Lautsprechers verstummte. „Das kann er sich sonst wo hinstecken.“ „Joe, jetzt reicht’s aber!“ Länger konnte der Dunkelhaarige den Missmut des anderen nicht mehr ertragen, da er sowieso schon viel zu lang dabei zugesehen hat, wie er seine Mitmenschen mit seinen Gesten beleidigte. Aus Joes Kehle drang ein lautes Knurren, aber er ließ sich am Ende dann doch resigniert in seinen Sitz fallen. Schweigend schaute er auf die Uhr. „Ruf sie doch an und sage ihr, dass du ein wenig später kommst.“ Rick konnte sich nicht erklären, warum Joe tonlos dasaß und nichts in derlei Hinsicht unternahm. „Kratzt es an deinem Stolz, ihr mitzuteilen, dass du dich verspätest?“ „Das ist es nicht“, antwortete Joe kleinlaut, besah den Boden unter seinen Füßen mit größter Sorgfalt. „Du trägst ja nicht mal die Schuld“, setzte Rick an, wurde aber sogleich von einer Hand auf seinem Mund zum Schweigen gebracht. „Lass es gut sein, ja?“, murrte Joe und sah ihn dabei böse an. Was war denn nun los? Hatte er was Falsches gesagt? Seit wann schnürte ihm Joes Blick dermaßen die Kehle zu? Wann hatte er ihn das letzte Mal so aggressiv gesehen? „Ich… wollte nichts… Falsches… von mir… geben.“ Jedes Wort war eine Qual, wollte einfach nicht ausgesprochen werden und glich einer Tortur, es doch über die Lippen zu bringen. /Warum sagst du nichts mehr? Hab ich deine Abweisung wirklich verdient? Dann erkläre mir weshalb. Weshalb lässt du mich links liegen und heftest deine Blicke an den grauen Untergrund, der dein Interesse eigentlich gar nicht wecken könnte?/ „Tut mir leid“, fügte Rick schwach hinzu und wandte sich ab. Draußen war es dunkel, der Himmel von einem Schwarz gezeichnet, das ihm gerade willkommen war. Kleine funkelnde Sterne gaben hier und da ihr Licht preis, wollten der Finsternis dann doch nicht allein die Herrschaft überlassen. „Das braucht es nicht zu tun.“ Verunsichert drehte Rick den Kopf, glaubte seinen Augen kaum, dass Joe beschämt an seinem Handy spielte. „Weißt du, ich…“ ’Ja?’, wollte Rick den anderen bedrängen, unterließ es jedoch. „… habe ihre Nummer nicht.“ Erstaunt fiel dem Kleineren die Kinnlade herunter, denn damit hatte er nicht mal näherungsweise gerechnet. Anstatt etwas zu sagen, sah er auf Joes Finger, die ziellos über die kleinen Tasten huschten. /Du hast ihre Nummer nicht?/, wiederholte Rick lautlos. /Aber… ward ihr nicht schon ein paar Mal aus? Ich meine, dass es dann selbstverständlich sei, die Nummer des anderen zu haben… Das… verstehe ich nicht, denn es ist entspricht gar nicht deiner Art, so offen und direkt wie du bist./ „Da vorne!“ Joes Stimme riss Rick aus seinen Gedanken und sah auf die verwiesene Stelle. „Ich sehe nichts.“ „Da gibt es auch nichts zu sehen, ich wollte nur, dass du mich nicht mehr so anstarrst.“ „Öhm…“ „Jaaa, ich habe die Nummer wirklich nicht, zufrieden?“ Abwehrend hob Rick die Hände und war um eine Antwort verlegen. „Aber ich werde sie nachher darum bitten“, fügte Joe hinzu und steckte sein Handy zurück in die Hosentasche. „Sie bringt dich ziemlich durcheinander“, dachte Rick laut, zu laut!, denn er wurde sogleich in Augenschein genommen. „Vernehme ich da Missgunst?“ /!!!/ Ricks Augen weiteten sich und er biss sich auf die Unterlippe. Wie konnte er nur solch bitteren Klang in seine Stimme mischen? „Du musst dich verhört haben“, versuchte er sich herauszureden, bemerkte selbst nur allzu gut die Vibration in seinen Worten, die von großer Unsicherheit ausgelöst wurde. „Dein Glück ist auch mein Glück. ÄHM, du weißt schon!“ /Nein! Halte endlich den Mund, sonst musst du dich immer tiefer in Ausflüchte hineinmanövrieren, die du mittlerweile selbst leid bist!/ „Du wirst rot.“ Tatsächlich stieg ihm die Röte ins Gesicht und wollte ihn bloßstellen. „Weil ich es nicht leiden kann, so direkt angesehen zu werden.“ „Hehe, dann sollte ich dich noch ein wenig länger anstarren.“ Sanft griff Rick nach der Schulter seines Freundes und drückte ihn weg. „Hebe dir das für Julia auf.“ „Keine schlechte Idee“, grinste Joe nun und befreite den Kleineren aus seinen Blicken. /Ich bin so ein Idiot!!! Ermutige ihn auch noch, wo das doch gar nicht in meiner Absicht liegt…/ Innerlich schalt sich Rick immer und immer wieder. Er war heilfroh, als sich die ersten Häuser vor seinen Augen auftaten und darauf hinwiesen, dass sie fast da waren. Die hohen Fassaden waren grau, nur die unteren Stockwerke waren umspielt von dem orangenen Licht der Laternen, die in gleichmäßigen Abständen die Straße säumten. Ihre Haltestelle zeichnete sich alsbald im Dunkel des Abends ab und ließ Rick erleichtert aufatmen. Endlich konnte er aus den Fängen seiner Selbstvorwürfe entkommen, die ihn beinahe zur Verzweiflung trieben. „Ich wünsche dir einen schönen Abend“, verabschiedete er sich von Joe. „Grüß Julia von mir.“ Er hatte Anstand und wollte diesem keinesfalls entsagen! „Werde ich ihr ausrichten. Mach’s gut!“ Eilig rannte der Größere davon, dessen Schritte lange in Ricks Kopf nachhallten. /Wenn das Schicksal es so möchte, dann bin ich machtlos…/ Mit langsamen Schritten begab sich Rick nach Hause, bedachte die Mondsichel dabei immer wieder mit traurigen Blicken. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, streifte er die Jacke vom Leib, ließ sie ungeachtet auf den Boden fallen und schlurfte in den Raum, der zugleich Küche und Wohnzimmer war. Mit einem Klick war der Fernseher an und er ließ sich von ihm eine Weile berieseln. Angeödet von dem schlechten Programm, schaltete er wieder ab, blieb aber noch auf dem Sofa liegen. Warum spielte das Schicksal mit ihm ein derart böses Spiel? Warum konnte sich nicht einfach alles zum Guten wenden und ihm die Last von den Schultern nehmen, die ihn in die Knie zwang? /Anderen ergeht es schlechter als mir!/, rief eine dünne Stimme in ihm, die zum Ende hin anschwoll. „Das stimmt“, erwiderte er rau und ihm fiel sogleich ’Einsame Seele’ ein. /Ich frage mich, was sein Vater getan hat, dass er dermaßen unglücklich ist… Ob ich es irgendwann erfahren werde?/ Er verweilte nicht länger auf der hellblauen Couch, sondern hatte den Gedanken gefasst nachzusehen, ob er neue Mails hat, und ging diesem nach. ’Heilloser Romantiker, kannst du mir denn sagen, was Liebe ist? Ist das nicht nur ein einfach dahergesagtes Wort? Du meintest, es sei ein Gefühl, dem man nicht entsagen darf. Doch was ist, wenn einem die Liebe mit einem Mal genommen wurde? Nach dem Motto: Gib sie mir, du brauchst sie eh nicht! Seitdem höre ich ständig dieses Wort und mit jedem Mal kommt es mir unwichtiger und bedeutungsloser vor. Es hat einfach keinen Sinn. Warum sollte man lieben, wenn man dann nur Schmerz und Qualen erleidet? Ich brauche keine Liebe! Denke nur an die Finsternis, die frohlockt! Und doch sehe ich dich als mein Glück… an dem ich momentan festhalte. Deine Einsame Seele’ In Rick keimte die Frage, warum gerade e-r von ’Einsame Seele’ ausgewählt worden war, warum er i-h-m schrieb und i-h-m sein Innerstes offenbarte. Die Antwort sollte irgendwann folgen, doch nicht an diesem Tage. So tat er die Frage mit einem Schulterzucken ab und wollte zurückzuschreiben. Wie von Beginn an blieb er lange regungslos vorm Computer sitzen und ließ seine Finger auf der Tastatur ruhen. Es war aber auch wirklich nicht leicht, Kontakt mit einem überaus verzweifelten Menschen zu haben. Bei solch einer Mutlosigkeit und Bekümmernis konnte jedes Wort ein Vergehen sein. Als nach einer geschlagenen halben Stunde immer noch kein einziger Buchstabe auf dem Bildschirm zu sehen war, beschloss Rick, seine Antwort zu vertagen. Lieber verschob er sie, als dass er mit Unbedacht an die Sache heranging. Gerade als er ’Outlook’ schließen wollte, blinkte eine neue Nachricht auf. Darin standen nur vier Worte, vier klitzekleine Worte, die eine ungeheure Macht auf Rick ausübten. Stocksteif wurde sein Körper und er erbebte. ’Ich möchte dich treffen!’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)