Miss Keep-Your-Distance von Carikku (Auftrags-Killer) ================================================================================ Kapitel 7: Episode 4: Giovanni ------------------------------ Giovanni Nach kurzer Zeit waren sie bei Leftis Motorrad angekommen. Er blieb stehen und sie gezwungenermaßen auch, da sie ihn immer noch stützte. „Ich fahre!“, entschied Trysha und musterte ihn. Er hatte eine Hand in die Seite gestemmt und den anderen Arm um sie gelegt, er starrte mit glasigem Augen auf den Boden. Dann fiel ihr Blick auf seinen nackten Oberkörper, der jetzt von dem Licht der Laterne beschienen wurde. Trotz der Wunde, dem Blut und dem Schweiß, konnte sie jeden Muskel deutlich erkennen und schluckte. In diesem Moment kam Lefti ihr äußerst bedrohlich vor, obwohl er eigentlich ziemlich hilflos war. Aber sogar jetzt sah er noch auf eine gewisse, abwegige Weise attraktiv aus, was sie stutzig machte. Ein komisches Gefühl ging ihr durch den Magen und ihr wurde ganz schwindelig. Irgendwie musste sie bei seinem Anblick wieder an damals denken... Schnell machte sie sich klar, dass sie nur einen Schritt zur Seite tun müsste und schon würde er flach auf dem Boden liegen und sich nicht rühren können. Das half und sie fühlte sich wieder besser. Lefti ließ den Kopf hängen und kramte in seiner Hosentasche herum und reichte ihr die Schlüssel. Anscheinend hatte er erkannt, dass er in dieser Verfassung nicht in der Lage war Motorrad zu fahren. „Ich wüsste sowieso nicht wohin ich fahren sollte“, gab er zu, „Aber ins Krankenhaus können wir nicht, die würden zu viele Fragen stellen. Und diese Marion in der Zentrale hat nicht das nötige Wissen und ist wohl auch nicht mit den richtigen Instrumenten ausgerüstet.“ „Ich weiß. Ich fahre dich zu Giovanni, der kann dir helfen“, erklärte sie und nahm die Schlüssel an sich. Giovanni hatte Chirurgie studiert, er war ein Bekannter ihres Vaters. Früher hatte er als Arzt praktiziert, doch als er einmal unter Alkoholeinfluss operiert hatte, und der Patient wegen einem Fehler, den er gemacht hatte noch während der Operation gestorben war, hatte man ihm die Lizenz entzogen, nachdem man rausgefunden hatte, dass er Alkoholiker war. Giovanni hatte seinen Job verloren und nie wieder irgendwelchen Alkohol oder Drogen angerührt, er hatte mehrfach versucht seine Arbeit zurück zu bekommen, doch es hatte nichts geholfen. Dann hatte Reilly ihm angeboten für die Organisation zu arbeiten, was natürlich illegal war, aber Giovanni liebte seine Arbeit und es war ihm egal. Seitdem brachten sie alle Verletzten zu Giovanni, denn er meldete es nicht der Polizei, weil er selbst mit drin hing, seitdem er das erste Mal für Reilly operiert hatte. „Kannst du stehen?“, fragte sie Lefti. Dieser nickte und sie machte sich daran all ihre und seine Ausrüstung, die sie bei sich hatten, bis auf den Gürtel mit dem die Handtücher befestigt waren, in seinem Motorrad zu verstauen. Sie sah, dass es ihn Mühe kostete sich aufrecht zu halten, was er natürlich nie zugegeben hätte. Trysha klappte den Sitz herunter. „Na dann los“, sagte sie, atmete noch mal durch und stieg auf. Lefti schwang sich hinter ihr drauf. Trysha studierte die vielen Knöpfe und das Tacho vor sich. „Warum fährst du nicht los?“, fragte Lefti nach einiger Zeit. „Weil ich nicht weiß wie!“, rief sie aus. „Du weißt es nicht?! Wieso willst du dann überhaupt fahren?“, fragte er entgeistert, „Los komm wir tauschen Plätze.“ „Nein! Du kannst im Moment nicht!“, erwiderte sie entschlossen. Sie hörte Lefti ein genervtes Geräusch machen. „Sei nicht albern, du-“ „Ich bin nicht albern! Und jetzt erklär's mir einfach!“, unterbrach sie ihn aufgebracht. „Wir haben keine Zeit!“ „Aber-“, wollte er ansetzten. Trysha drehte sich zu ihm um und funkelte ihn an. Anscheinend musste sie zu anderen Mitteln greifen um ihm klar zu machen, dass er Hilfe brauchte und schon gar nicht Motorrad fahren konnte. „Nichts aber! Jetzt sei nicht so stur! Du weißt doch selbst, dass du in diesem Zustand keine zehn Meter weit kommst!“, sie drückte ihn zur Demonstration energisch gegen die Schulter nach hinten. Lefti musste um dagegen zu halten und nicht von seiner Maschine zu fallen die Bauchmuskulatur anspannen, was einen stechenden Schmerz auslöste. Er keuchte auf und musste sich mit den Händen hinter sich abstützen. Er schloss die Augen und atmete kurz durch, bis er sie wieder öffnete und Trysha unter seinen zerzausten, schweißnassen Haaren her an blinzelte. Vor seinem Blick tanzten bunte Lichter und er musste sich mühe geben um nicht das Bewusstsein zu verlieren. „Verstehst du?“, fragte sie wieder ruhiger, „Ich will doch nur nicht, dass etwas passiert.“ Lefti schüttelte den Kopf und ignorierte den Schmerz. Trysha löste den Blick von seiner Brust, die sich schneller als normal hob und senkte, dann drehte sich wieder nach vorne. „Also? Erklärst du es mir jetzt?“ Er seufzte resigniert. „Also gut, ich erkläre es dir. Aber wehe du fährst es zu Schrott!“, warnte er sie. „Also dann, zuerst den Schlüssel so weit es geht umdrehen. Und jetzt die Bremse treten während du den roten Schalter da links betätigst.“ Der Motor sprang an und das Motorrad vibrierte unter ihnen. Nach ein paar Startproblemen fuhr Trysha durch die Straßen und versuchte sich an den Schildern zu orientieren wo es lang ging, während Lefti ihr immer wieder Anweisungen zurief, die sie aber nur teilweise befolgte, weil sie bei manchen gar nicht wusste, was sie bedeuteten. Giovannis Haus stand auf der anderen Seite der Stadt, sie musste über eine der Brücken um den Fluss Illinois zu überqueren. Sie fuhren weiter und Trysha zählte, während sie auf der großen beleuchtete Straße fuhren, die Nebenstraßen auf der linken Seite, da sie die Straßennamen nicht so gut lesen konnte. Die Lichter der Straßenlampen, Autos und der kleineren Shops, an denen sie vorbei kamen flogen an Lefti vorbei, doch für ihn waren sie nur ineinander verlaufene Lichtstreifen. Anfangs war Trysha noch sehr unsicher und wackelig gefahren, doch mittlerweile war er sogar froh darüber, dass er sie hatte fahren lassen. Jetzt musste er sich wenigstens nicht auf den Verkehr konzentrieren und konnte sich ein wenig erholen. Es war schon komisch, irgendwie hatte Trysha es geschafft sich seinen Respekt zu verdienen. Er wusste nicht genau wie, aber vielleicht dadurch, wie sie ihre Arbeit durchzog, hartnäckig und trotzdem mit Bedacht. Oder wie sie sich gegen ihn durchsetzten konnte ohne wirklich gemein oder verletzend zu werden, das beeindruckte ihn. Im Gegensatz zu anderen Menschen an die er sich nicht gerne erinnerte. Einer davon war sein Vater gewesen, der hatte immer gleich zum Gürtel gegriffen. Ich werde dir schon noch zeigen was du zu tun hast. Und zwar so lange bis du selbst drauf kommst! Jetzt komm und hol dir deine Lektion ab!, er hörte es ihn sagen als wäre es erst gestern gewesen. Vielleicht rührte der Respekt ja auch daher. Denn Trysha konnte sich gegen ihren Vater zur Wehr setzen und das jeden Tag aufs neue. Natürlich würde er selbst seinem Alten heute auch zeigen können wo es lang ging, schließlich war er kein kleiner Junge mehr, aber es wäre trotzdem ein denkbarer Grund. Plötzlich wurde er aus seinen dämmerigen Gedanken gerissen. Trysha trat hart auf die Bremse und er flog heftig gegen sie. Autos hupten und die Lichter, die ihm vorher verschwommen vor kamen wurden wieder deutlich getrennt. Sie riss den Lenker nach links, bog scharf in eine Nebenstraße ein und streifte die Bordsteinkante, sodass das Motorrad schlenkerte. Doch sie brachte es nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle. „Was war das denn?“, fragte er geschockt, die Lichter verschwommen jetzt wieder, aber nicht, weil er schläfrig war, sondern, weil der Schmerz ihn förmlich überrollte. Der Zusammenprall hatte sein Blickfeld flimmern lassen. Er schloss die Augen und klammerte sich an den Sitz. „Ich hätte beinahe die Einfahrt verpasst“, erklärte sie ihm über die Schulter. Ach so, dachte Lefti, natürlich, die Einfahrt verpasst. Die Frau hatte echt Nerven! Das hätte ihm jetzt noch gefehlt, ein Verkehrsunfall, nur weil sie beinahe die Einfahrt verpasste hätte. Er hatte seinen Tod schon vor Augen gehabt. Oder sein Motorrad, ein völliger Schrotthaufen, nur weil sie beinahe die Einfahrt!! verpasst hätte. Lefti lehnte sich zurück und grinste gequält, typisch. Trysha erkannte das Haus im Dunklen und lenkte das Motorrad an den Bürgersteig. Sie half Lefti wieder beim Gehen und klingelte dann an Giovannis Haustür. Nach dem zweiten Klingeln wurde diese geöffnet. „Hallo Trysh!“, begrüßte er sie herzlich mit einem breiten Lächeln. Giovanni war, was der Name teils erahnen ließ, ein Italiener. Er war mittelgroß und hatte kurze, schwarze Haare. Der kleine Bart an seinem Kinn und das weiße Hemd, das er trug, verstärkten den Eindruck, dass man einen waschechten Italiener gegenüber stand, nur noch mehr. „Hi Giovanni!“, sie erwiderte sein Lächeln, „Wir brauchen deine Hilfe.“ „Ich seh schon“, sagte Giovanni und musterte Lefti. Sein Blick blieb auf den Handtüchern hängen. „Schusswunde?“, fragte er und zog eine seiner schwarzen Augenbrauen hoch. „Ja“, stieß Lefti hervor. „Dann kommt mal rein.“ Giovanni winkte sie hinter sich her. „Ich bin übrigens Giovanni“, meinte er an Lefti gewandt. „Lefti“, antwortete der und nickte ihm zu. Giovanni nickte über die Schulter zurück. Sie folgten ihm durch den langen Flur, in dem graue Fliesen das Licht der Deckenlampe widerspiegelten. Ein paar Holzregale standen an den Wänden und ein großes Bild mit irgendeiner abstrakten Kunst drauf hing an einer von ihr. Giovanni öffnete eine der Holztüren und schaltete das Licht in dem Zimmer an. Trysha kannte dieses Zimmer. Sie war schon einmal hier drinnen gewesen, weil sie selbst einen Schuss abbekommen hatte und wusste darum auch wie Lefti sich fühlte. Sie linste zu ihm hinüber und fand, dass er sich erstaunlich gut hielt. Als sie früher hier angekommen war musste sie getragen werden, weil sie den Schmerz nicht ausgehalten hatte und ohnmächtig gewesen war. Sie merkte, dass es ihn all seine Beherrschung kostete es ihr nicht gleich zu tun und der Schweiß rann in Bächen an ihm herunter. Sie betraten das Zimmer, was auf den ersten Blick wie ein Büro aussah, doch Trysha wusste, dass in den Schränken jede Menge Operationsinstrumente und Medikamente lagen. Der Tisch, der in der Mitte des Raumes stand, diente auch nicht zum daran Essen sondern als Liege. Giovanni öffnete einen Schrank und holte zwei Planen heraus. Eine davon breitete er schnell auf dem Tisch aus, die andere legte er darunter. Dann holte er ein weißes Laken und ein Kissen und legte beides über die Plane auf den Tisch. „So. Leg dich da drauf“, sagte er und ging zurück zum Schrank. Lefti beobachtete die Szene skeptisch, ließ sich aber trotzdem zum Tisch bringen. „Bist du sicher, dass er in Ordnung ist?“, fragte Lefti sie leise, sodass nur Trysha es hörte und nickte mit dem Kopf in Giovannis Richtung. „Absolut“, flüsterte sie überzeugt zurück, was Lefti fast keine Zweifel mehr ließ, „Und jetzt leg dich endlich hin! Oder willst du vielleicht noch kurz vorm Ziel zusammenklappen?“ Lefti starrte sie geschockt an. Anscheinend hatte sie mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen. „Gibt es ein Problem?“, fragte Giovanni, als er sah, dass Lefti immer noch stand. „Nein. Er wollte sich gerade hinlegen“, versicherte Trysha ihm so, dass es an Lefti adressiert war. Dieser gehorchte schließlich und hievte sich, wie es schien, mit letzter Kraft auf den Tisch. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Trysha an Giovanni gewandt, der überlegte während er verschiedene Instrumente zusammensuchte und sie auf einen kleinen Rolltisch legte. Er musterte Lefti, der es sich mittlerweile auf dem Tisch gemütlich gemacht hatte. „Welche Blutgruppe hast du?“, fragte er Lefti. Dieser schien kurz nachzudenken. „A Rhesus-positiv“, sagte er dann bestimmt. „Okay Trysh, dann geh in die Küche zu dem großen Eisschrank und hol mir zwei Blutbeutel davon“, meinte er zu Trysha und kramte weiter in verschiedenen Schränken herum. Als Trysha raus ging hörte sie Giovanni noch fragen: „Wie ist das denn überhaupt passiert?“ Kurz darauf hörte sie noch Leftis Stimme, verstand aber nicht, was er sagte. Doch sie vermutete, dass er es nicht verriet, in solchen Sachen war er äußerst vorsichtig und er schien Giovanni noch nicht hundertprozentig zu vertrauen. Als sie mit den zwei Beuteln in der Hand wiederkam hatte Giovanni seine Gerätschaften schon mit dem kleinen Tisch neben Lefti gerollt und die Handtücher von der Wunde genommen, die er jetzt untersuchte. Sie legte die Beutel auch noch auf den kleinen Tisch und vermied es Lefti anzusehen. Sie hoffte, dass er nicht erwartete, dass sie hier blieb. Sie konnte Menschen töten, die sie nicht kannte, wenn es sein musste. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie hatte gelernt, das zu überspielen. Sie hatte es lernen müssen. Aber bei jemand, den sie kannte zuzusehen, wie in seinem Körper herumgestochert wurde, konnte sie nicht. Dafür waren ihre Nerven dann doch zu schwach. „Die Kugel hat nichts Lebenswichtiges getroffen, sie hat ein wenig Knochen von der Rippe abgesplittert. Die Splitter und die Kugel müssen wir raus holen. Du willst doch sicher eine Ortsbetäubung, oder?“, fragte Giovanni an Lefti gewandt. Er hatte sich die Ärmel hoch gekrempelt und trug weiße Latexhandschuhe. „Ortsbetäubung“, sagte Lefti. Giovanni nickte und nahm ein paar Spritzen von dem Rolltisch. Trysha wusste nicht was sie tun sollte, sie schaute an sich herunter und stellte fest, dass überall an ihrem Körper Blut war. Es kam von Lefti, größtenteils als sie sich unter dem Tisch im Rathaus in sein Blut gesetzt hatte. „Giovanni! Er hat doch schon so viel Blut verloren. Wäre es nicht gefährlich ihn auch noch zu operieren?“, fragte sie. Giovanni starrte sie fassungslos an. „Es wäre viel schlimmer, wenn ich es nicht tun würde“, erklärte er, „Zum Glück weiß Lefti welche Blutgruppe er hat.“ Giovanni drückte Lefti nacheinander die zwei Spritzen in die Seite, dann ging er zu dem großen Schrank, aus dem er auch schon die Planen geholt hatte und zog ein schiebbares Stativ daraus hervor. Trysha beobachtete wie er einen der Blutbeutel daran befestigte, danach schaute Giovanni kurz auf. „Trysha Schätzchen, du siehst schrecklich aus, wie wäre es, wenn du dich erstmal duschst?“, fragte er gutmütig. Trysha fiel ein Stein vom Herzen. „Ja, du hast Recht. Und in die Zentrale muss ich auch nochmal“, sie wandte sich an Lefti. „Hast du was dagegen, wenn ich dein Motorrad benutze?“ „Äh, nein“, sagte er und verzog das Gesicht, als Giovanni ihm die metallene Spitze des Schlauches, der mit dem Blutbeutel verbunden war, in die Armbeuge steckte, wo er vorher eine Ader entdeckt hatte. „Okay, ich bin dann weg“, rief sie noch beim raus gehen und dann flog die Tür auch schon wieder hinter ihr zu. Giovanni blickte in die Richtung des dumpfen Knalles. „Die hat es aber eilig“, stellte er fest. „Eigentlich meinte ich damit sie könne bei mir duschen.“ Lefti war ebenfalls ein wenig verwirrt. „Sie fährt mit meinem Motorrad weg. Wie soll ich denn dann wieder nach Hause kommen?“, das war eine Sache die er sich fragte und die zweite war: Wieso war Trysha gerade regelrecht geflüchtet? Aber es hatte keinen Sinn darüber nachzudenken, also ließ er es einfach. Als die Betäubung nach ein paar weiteren Minuten eingewirkt war sah er wie Giovanni nach einem Messer griff und begann. Lefti schloss die Augen, ließ den Kopf tiefer in das Kissen sinken und hoffte, dass er nichts merken würde und die Betäubung gründlich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)