Miss Keep-Your-Distance von Carikku (Auftrags-Killer) ================================================================================ Kapitel 4: Episode 2: Lefti Keaton ---------------------------------- Lefti Keaton Lefti musste sich beeilen, denn er hatte um zwölf Uhr eine Verabredung. Er freute sich schon auf Carry, die er erst vor kurzem kennen gelernt hatte. Er wollte es sich mit ihr nicht verderben, indem sein Temperament unkontrolliert mit ihm durch ging, denn das passierte ihm nicht selten, wenn er mit anderen Menschen redete. Also hatte er sich für heute vorgenommen sich nur von seiner besten Seite zu zeigen. Er ging die Straße in Richtung Stadt weiter und durchquerte die halbe Fußgängerzone, bis er zu dem Eiscafé, in dem er sich mit Carry treffen wollte kam. Es war am Rand eines großen Marktplatzes, in dessen Mitte ein riesiger Brunnen stand, aus dem eine Wasser Fontäne in den Himmel schoss. Carry wartete schon auf ihn, hatte ihn aber noch nicht bemerkt und studierte angestrengt die Speisekarte. Da die Sonne schien und es warm genug war, saß sie draußen vor dem kleinen Restaurant an einem Tisch. Langsam ging er auf den Tisch zu und blieb direkt davor stehen. Carry blickte auf. „Oh! Hi...“, sagte sie leicht verwirrt, als hätte sie ihn nicht erwartet und fuhr sich durch das lange, lockige Haar. Sie lächelte nervös und schaute wieder auf die Karte. Lefti freute sich über ihre Verlegenheit und setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber. „Hey Carry“, begrüßte er sie. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, dann legte sie die Karte beiseite. „Hallo“, sagte sie gefasster als davor und ihre blauen Augen funkelten ihn an. Er griff sich die Speisekarte und schlug sie auf. „Und? Was nimmst du?“, fragte er. „Ich nehme das Frühstück“, sagte sie und lehnte sich zurück. „Okay, dann nehme ich das Gleiche wie du.“ Lefti winkte der Kellnerin zu, die sofort an den Tisch trat. „Ja?“, fragte sie freundlich und zückte ihr Notizbuch. „Wir nehmen zweimal das Frühstück und als Nachtisch...“, Lefti zog eine Braue hoch und blickte Carry an. „Ich nehme ein Erdbeereisbecher“, sagte sie prompt und zog nun ihrerseits die Braue hoch und schaute Lefti an. „Ich nehme ein Fischbrötchen“, sagte er. „Fischbrötchen?“, fragte Carry als die Kellnerin weg war, „Was ist das denn für ein Nachtisch?“ „Tja“, sagte er und zuckte mit den Schultern. Carry lachte und lehnte sich nach vorne, sodass ihre braunen Haare ihr Gesicht einrahmten. Sie hatte ein schönes Gesicht, mit feinen Zügen und einer kleinen Nase. Ihre Lippen waren die meiste Zeit zum Grinsen nach oben gezogen. Er merkte, dass sie in seiner Gegenwart etwas nervös war, doch das würde er schon hinbekommen. Sie unterhielten sich noch eine Weile bis das Essen kam, dann aßen sie und Carry erzählte ihm von ihrem Job. Sie war Verkäuferin in einer riesigen Modefilliale und konnte Lefti mit den Geschichten, ihrer Begegnungen mit verwirrten Kunden zum Lachen bringen. „Das kann ja jeder behaupten!“, rief Carry und lachte. „Du kannst mir nicht erzählen, du wärst Geschäftsmann!“, und wieder kicherte sie. „Ach und warum nicht?“, fragte er grinsend und lehnte sich zurück. „Weil...“, sie überlegte, während die Kellnerin den Nachtisch vor sie auf den Tisch stellte. „Weil das gar nicht zu dir passt!“, sagte sie bestimmt und steckte zur Betonung ihren Löffel in das Eis. „Ach und warum nicht?“, fragte er noch mal und funkelte sie amüsiert an. Carry musterte ihn verlegen. „Weil du dazu viel zu gut aussiehst...“, sagte sie und löffelte mit gesenktem Kopf an ihrem Eis. Für ein paar Sekunden war Lefti sprachlos, dann fing er an zu lachen. „Aha. Du findest also ich sehe gut aus?“, fragte er schmunzelnd über die zunehmende Röte in ihrem Gesicht und biss herzhaft von seinem Fischbrötchen ab. „Nein! Natürlich nicht“, antwortete sie etwas zu schnell und starrte auf ihr Eis. Lefti stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab und hörte ihr gespannt zu. Als Carry zu ihm rüber linste, wurde ihr erst das Ausmaß dessen bewusst, was sie gerade getan hatte. Als ob sein Ego nicht schon aufgeblasen genug war! Sie entschloss, ihm einen Dämpfer zu verpassen. Sie steckte sich einen Löffel Eis in den Mund und erklärte: „Ich meine nur, dass die meisten Geschäftsmänner hässliche, alte Knacker sind. Du bist höchstens fünfundzwanzig.“ „Vierundzwanzig“, verbesserte Lefti. Carry verdrehte schauspielerisch die Augen nach oben und seufzte. „Na ja, trotzdem. Nicht, dass du falsche Schlüsse ziehst, ich wollte dir keine Hoffnungen machen“, sie grinste ihn an und leckte provozierend das Eis von ihrem Löffel. Lefti musste sich ein Lachen verkneifen und sagte: „Das ist natürlich schade.“ „Ja, findest du?“, fragte sie und wendete so das Blatt. „Ja, das finde ich“, meinte er, schob sich das letzte Stück seines Fischbrötchens in den Mund und funkelte sie mit seinen grünen Augen an, „und was ist mit dir?“ „Nein, eigentlich nicht...“, meinte Carry etwas zu spitz. Lefti konnte nicht mehr anders und lachte los, Carry verlor jetzt auch die Beherrschung und setzte mit ein. Als sie sich wieder beruhigt hatten winkte Lefti wieder die Kellnerin zu sich und bezahlte das Essen. „Komm wir gehen!“, sagte er und stand auf, Carry tat es ihm nach und warf einen Blick auf die große Parkuhr, die auf der anderen Seite des großen Marktplatzes stand. „Es ist ja schon viertel nach eins!“, rief sie entgeistert. „Meine Mittagspause ist gleich vorbei und ich hab um halb zwei eine wichtige Besprechung auf der Arbeit.“ Sie blickte Lefti entschuldigend an. Der nickte nur. „Wo steht dein Auto?“, fragte er. „Ach du brauchst mich nicht hin zubringen“, antwortete Carry und trat neben ihn. „Ok, wenn du meinst“, sagte er und zuckte mit den Achseln. Carry lächelte ihn an und sah dabei so toll aus, mit ihren Locken und in ihrem gelben Rüschentop, dass er einfach nicht anders konnte, als sich zu ihr herunter zu beugen und ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. Carry schien ein wenig überrascht, doch kurz darauf grinste sie und fragte: „War das etwa alles?“ Dann fuhr sie mit ihren schlanken Fingern in sein blondes Haar und zog seinen Kopf zu sich herunter um ihn richtig zu küssen. „Ruf mich an“, flüsterte sie an seinen Lippen. Carry strich mit ihrer Hand über sein T-Shirt und löste sich von ihm. Dann drehte sie sich zum Gehen. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen, denn einerseits war ihr Chef sehr genau, was das anging und andererseits würde sie heute vielleicht endlich befördert werden. Lefti schaute ihr sprachlos nach. Er leckte sich andächtig die Lippen und schmeckte einen Hauch von Erdbeere. Dann grinste er und steckte sich die Hände in die Taschen. Er ging in die Richtung, aus der er gekommen war und bemerkte nicht, wie ein Mann, der Zeitung las, ihn unauffällig beobachte. Erst als Lefti außer Sicht war, legte dieser seine Zeitung weg und blickte nach kurzem Überlegen in die Richtung in die Carry weggegangen war. Ein gehässiges Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann stand er auf und folgte ihr in unauffälligem Abstand. Lefti schlenderte durch die Fußgängerzone, auf dem Weg zu dem großen Parkplatz, wo sein Motorrad stand, als er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Das Grinsen, das die ganze Zeit auf seinen Gesichtszügen gewesen war, verschwand abrupt. Nicht mal hundert Meter von ihm entfernt, stand eine Frau, vor einem Schaufenster, die er nur zu gut kannte. Sie hatte weiße Schuhe und ein hellblaues Minikleid an. Es war Trysha. Er hatte sie noch nie außerhalb der Arbeit getroffen, und wollte es auch nicht. Sie trieb ihn jedes Mal in den Wahnsinn, wenn sie sich stur stellte und einfach das tat was sie wollte. Sie war so ganz anders als Carry. Carry war nett und verständnisvoll, aber Trysha... Außerdem, was hatte sie da eigentlich an? Fragte er sich. Diesen blauen Fetzen, der mehr zeigte als er verbarg, konnte man wohl nicht als Kleidung bezeichnen. In ihrer Arbeitskleidung sah sie auch meistens wie eine männermordende-Domina aus, der nur noch eine Peitsche fehlte! Obwohl das ja sogar zum Teil stimmte. Das war auch etwas was er an Carry so schätzte, ihre Art wie sie sich kleidete. Und zwar ganz normal. Dennoch fand er nicht, dass Trysha schlecht aussah, in dem was sie trug. Nein, ganz im Gegenteil, es gefiel ihm sogar irgendwie, zu seinem eigenen Missfallen. Sie hatte schon Stil und war auch richtig für diese Art von Kleidung gebaut mit ihren endlos langen, schlanken Beinen, ihrer runden Hüfte und der im Gegensatz dazu dünnen Taille. Sie war zweifellos sexy, das musste er zugeben. Aber er wusste auch, dass es darauf nicht ankam, schon gar nicht in der Beziehung, die sie beide zueinander hatten. Trotzdem juckte es ihm jedesmal in den Fingern ihr etwas anständiges anzuziehen, wenn er sie sah. Er schüttelte den Kopf um die Gedanken abzuwerfen, ging unauffällig weiter und schaffte es, dass Trysha ihn nicht bemerkte. Ein paar Tage später rief Lefti bei Carry an und als er heraus fand, dass sie noch nie auf einem Motorrad gesessen hatte, verabredeten sie sich um mit seinem durch die Gegend zu fahren. Also schwang sich Lefti am nächsten Tag, mit einem weiteren Helm im Schlepptau, auf sein Gefährt und fuhr zu ihr, wobei er alle Hände voll damit zu tun hatte ihr Haus zu finden. Sie wohnte in der äußersten Vorstadt und hatte ein kleines Anwesen, das sie von ihrem Vater zum achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Er war ein erfolgreicher Immobilienmakler und hatte deshalb das Geld dazu. Aber ihre Eltern lebten nicht hier. Sie lebten in Los Angeles, was über zweitausend Kilometer von Chicago, wo ihre Tochter lebte, weg war. Lefti stoppte seine Maschine und stieg ab. Er ging zur Tür und klingelte. Es tat sich nichts also versuchte er es noch mal. Auch diesmal erfolglos. „Wo bleibt sie bloß?“, murmelte er und schaute auf sein Handy. Vierzehn Uhr, es war die richtige Zeit und er klingelte noch mal. In die Tür war eine Scheibe eingebaut und er lugte hinein. Drinnen bewegte sich nichts. Er holte zur Sicherheit noch mal den Zettel raus, auf der er sich ihre Adresse notiert hatte und verglich die Hausnummern, sie stimmte und die richtige Straße war es auch. Lefti entschloss sich um das Haus herum zugehen, vielleicht war ihre Klingel kaputt. Sie hatte eine kleine Grasfläche hinter dem Haus und darauf waren ein paar Büsche gepflanzt. Auf dieser Seite des Hauses, war ein gepflasterter Platz, der sich bestimmt gut zum Grillen eignen würde. Prompt überkam ihn ein Hungergefühl und er beschloss mit ihr ein paar deftige Burger essen zu gehen. Lefti ging zu der großen Glastür, durch die man von innen auf den Platz kam und guckte hinein. Als er sah was da drinnen los war, musste er grinsen, Carry war also nicht so der ordentliche Mensch. Überall lagen Klamotten herum. Die Tischdecken waren nicht auf, sondern neben den Tischen, überall lagen Gegenstände, sogar ein Bild hing nicht mehr an der Wand. Lefti stockte, neben einem Regal lagen Scherben von einer Vase und bei dem Bild, das auf dem Boden lag war das Glas gebrochen. In einem Spiegel an der Wand konnte er erkennen, dass der Fernseher noch lief, aber es saß niemand auf dem Sofa. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihm breit. Das war keine normale Unordnung. Irgendetwas war hier passiert und er würde raus finden was. Dann bemerkte er, dass der Griff der Balkontür, durch die er guckte waagerecht stand, das war garantiert kein Zufall. Er öffnete vorsichtig die Tür. Der schwache Geruch der ihm entgegen schlug ließ ihn zusammenzucken. Es roch zwar nur unterschwellig, aber für ihn, eindeutig nach Blut. Diesen Geruch kannte er genau und würde ihn immer erkennen. Lefti zog zögernd seine Waffe, die er sich immer in den Hosenbund seiner Jeans steckte und unter seinem T-shirt am Körper trug, sodass niemand sie sah. Er war sich mittlerweile sicher, dass hier etwas faul war. Vielleicht war jemand eingebrochen und Carry hatte gerade Fernsehen geguckt. Vielleicht hatte sie den Einbrecher gehört und hatte sich gegen ihn wehren wollen. Doch wieso sollte hier überhaupt jemand einbrechen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Carry sonderlich reich war, schließlich war sie Verkäuferin. Vielleicht war der Verbrecher auch noch im Haus und hatte Carry als Geisel genommen, das wäre sinnvoller, denn dann könnte dieser ihren Vater erpressen. Lefti schossen tausend Fragen und Vermutungen durch den Kopf. Er blickte sich noch ein paar Mal im Raum um, aber hier war nichts weiter bis auf die merkwürdige Unordnung. Also ging er vorsichtig durch die einzige Wohnzimmertür in den nächsten Raum. Sein Blick verfinsterte sich, als er die riesige Blutlache sah, die sich vor ihm auf den Fliesen befand. Eine Spur von Blut führte zu dem Telefon auf der Kommode, dessen Hörer auch blutig war und daneben lag. Außerdem stand die nächste Tür offen, die durch die man in den Flur kam. Aber es gab keine richtige Blutspur die dorthin führte, nur ab und zu ein paar Tropfen, jemand hatte das Opfer getragen. In Lefti kroch langsam die Panik hoch, was war mit Carry passiert? War das ihr Blut? Und wo war sie jetzt? Lefti folgte den Tropfen, doch sie endeten auf dem Flur. Er durchsuchte noch schnell die anderen Räume, in denen es aber nichts Verdächtiges mehr gab. Dann kehrte er grimmig in den Flur zurück. Nach kurzem überlegen nahm er sein Handy, klappte es auf und wählte Carrys Nummer. Er horchte durch das Haus, aber er hörte nichts, also hielt er sich das Handy ans Ohr. Das Freizeichen ertönte, doch es nahm niemand ab. Lefti wollte gerade auflegen, als doch noch jemand dran ging. Es war nicht Carry. „Hallo?“, meldete sich ein Mann am anderen Ende. „Wer bist du?“, zischte Lefti in sein Handy. „Oh, Entschuldigung! Ich bin Robert Durigan. Ich arbeite im Chicagoer Hauptkrankenhaus und verwalte die Sachen der Patienten. Sie wollten mit Mrs. Carry Villano sprechen?“, fragte dieser Robert freundlich. „Ja verdammt noch mal! Was ist hier eigentlich los? Geht es ihr gut?“, rief Lefti aufgebracht. „Tut mir Leid, ich kann sie Ihnen nicht geben. Ich hab leider keine Informationen über ihren derzeitigen Zustand, da müssen Sie schon den zuständigen Arzt fragen“, erklärte Robert ihm entschuldigend, „Wissen Sie, ich bin nur der Verwalter.“ „Ja, ja! Dann geben Sie mir doch den Arzt“, forderte er ungeduldig. „Es tut mir sehr Leid, das geht nicht“, sagte Robert kleinlaut. Lefti wurde immer aufgeregter und es kostete ihn viel Selbstbeherrschung um freundlich zu bleiben. Dieser Verwalter war auch zu gar nichts fähig! Lefti machte sich während er telefonierte auf den Weg zu seinem Motorrad. „Wissen Sie denn auf welcher Station sie liegt?“, fragte er und riss sich zusammen. „Ähm, tut mir leid, ich...“ „Hören Sie endlich auf sich für alles zu entschuldigen und sagen Sie doch einfach, dass sie keine Ahnung haben!“, unterbrach Lefti ihn und klappte sein Handy wütend zu. Dann schwang er sich auf sein Motorrad und fuhr so schnell es ging zum Krankenhaus. Was war nur passiert? War Carry verletzt und lag im Krankenhaus? Wahrscheinlich schon, das würde auch erklären, wieso ihr Handy sich dort befand. Hatte sie selbst im Krankenhaus angerufen? Denn das würde bedeuten, dass das Blut in dem Raum ihr gehörte, was kein gutes Zeichen wäre. Als er endlich ankam, sprang er von seinem Motorrad und ging in das große Gebäude, schnurstracks auf den Auskunftsschalter zu, hinter dem eine dickere Frau mit weißem Kittel saß. „Ich suche Carry Villano“, sagte er ruhig. Die Frau fuhr mit dem Finger auf einem Zettel mit einer Tabelle drauf entlang. Dann blickte sie auf. „Zweiter Stock, den ganzen Gang bis nach hinten gehen, dann durch die Glastür in die Intensivstation. Da müssen Sie sich dann noch einmal erkundigen“, gab sie ihm die Information. „Wissen Sie was mit ihr ist?“, fragte er geduldig. „Nein, tut mir Leid.“ „Danke“, presste Lefti hervor. Immer dieses tut mir Leid. Wer wusste hier überhaupt irgendwas? Ein paar Minuten später stieß er die Tür zur Intensivstation auf und fing den ersten Arzt, der ihm über den Weg lief ab. „Wo ist Carry Villano?“, fragte er. „Tut mir Leid, das weiß ich nicht“, sagte der schwarzhaarige Arzt und lächelte ihn freundlich an. Lefti drehte sich der Magen um. Er schloss die Augen. Ganz ruhig, mit Gewalt würde er hier auch nicht weiter kommen. Obwohl es ihn wirklich reizte diesen ganzen Betongrinsern ordentlich eine runter zu hauen, sodass ihnen ihr Grinsen verging! „Wissen Sie... vielleicht wer das weiß?“, fragte er und rang um Beherrschung. Aber wenn dieser dumme Quacksalber, der ihn immer noch ununterbrochen angrinste jetzt einen Satz sagte, der mit, tut mir Leid anfing oder endete, konnte er für nichts garantieren. „Ja, der Mann da hinten!“, der Arzt deutete auf einen Mann, der in einem kleinen Raum hinter einer Scheibe mit einem Loch saß. Lefti ließ von dem Arzt ab und ging zu der Scheibe. „Wo finde ich Carry Villano?“, fragte er nochmals, diesmal durch das Loch in dem Glas. Der Mann hinter der Scheibe antwortete ohne zu überlegen: „Ach, die junge Dame ist im OP. Sie wurde vor einer Stunde hergebracht, hat ziemlich viel Blut verloren. Da können Sie im Moment nicht rein. Sind Sie verwandt?“ „Nein. Ich bin... ihr Freund“, murmelte Lefti und sortierte seine Gedanken. War er das? „Können sie mir sagen wie es aussieht? Also, ist es schlimm? Kommt sie durch, ich meine...“, er brach ab und sah den etwas dickeren Mann hinter der Scheibe verloren an. Dieser durchwühlte kurz unschlüssig seine Unterlagen und meinte dann zögernd: „Sie hat Schusswunden... und hohen Blutverlust. Scheint ziemlich kritisch zu sein... Wie gesagt sie ist noch im OP.“ „Kann ich...“, Lefti schluckte und der Mann schien seine Frage zu erahnen. „Nein, sie müssen warten, bis jemand raus kommt, setzten sie sich doch auf einen der Stühle um die Ecke. Da haben sie den OP-Raum im Blick und sehen wenn jemand raus kommt.“ Lefti nickte und tat wie ihm geheißen. Was war nur passiert? Er ließ sich auf einen der unbequemen Stühle sinken. Wieso war Carry angeschossen worden und vor allem wer hatte es getan? Er wusste es nicht, aber dieser jemand würde es büßen müssen. Das stand fest! Hoffentlich würde die Operation nicht mehr lange dauern, denn diese Unsicherheit war schier unerträglich. Lefti fuhr sich nervös durch das Haar und wartete ab. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, als endlich ein Arzt aus dem OP-Raum kam und ihn bemerkte. Lefti erhob sich angespannt und trat fragend auf den Mann zu. Dieser schaute ihn zerknirscht an und knöpfte den oberen Knopf seines weißes Kittels auf. „Wie geht es ihr?“, fragte Lefti mit einer bösen Vorahnung. „Wir haben alles versucht.“ „Was soll das heißen?“, fragte er entgeistert, obwohl er es auch so wusste. Der Arzt schaute ihn mitleidig an. „Es tut mir Leid, sie ist vor ein paar Minuten gestorben.“ Er legte seine Hand kurz auf Leftis Schulter und drückte sie. Dann ging er an ihm vorbei und ließ ihn allein. Lefti ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken. Es tat ihm Leid, hatte der Arzt gesagt, doch diesmal regte es Lefti nicht auf. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Es kam ihm alles so unwirklich vor, Carry konnte doch nicht einfach so tot sein! Wie war es bloß dazu gekommen? Hätten er und Carry sich doch ein paar Stunden eher verabredet, vielleicht würde sie dann noch leben. Sein Handy fing an in seiner Tasche zu vibrieren. Geistesabwesend klappte er es auf und hielt es sich ans Ohr. „Ja?“, fragte er kraftlos. „Hallo Keaton. Vermisst du deine kleine Freundin schon? Immerhin hat sie hat es dir zu verdanken...“, sagte eine tiefe Stimme am anderen Ende. „Was?“, fragte Lefti und runzelte die Stirn. Dann hörte er nur noch das monotone Piepen des Freizeichens. Er ließ langsam das Handy sinken. Mir zu verdanken? Fragte er sich, hatte Carry wegen ihm sterben müssen? Er kniff die Augen zusammen. Das war eine Lüge, wie konnte es seine Schuld sein? Er hatte nichts getan um sich jemanden derart zum Feind zu machen, dass er seine Freundin tötete, oder doch? Was hatte das alles zu bedeuten? Aber wieso sollte der Mann ihn ohne Grund anrufen? Bestimmt nicht um ihm einen dummen Streich zu spielen. Und woher wollte der wissen, dass Carry an ihren Verletzungen sterben würde, wenn er sich nicht selbst ein Bild davon gemacht hatte? Lefti schüttelte den Kopf, vielleicht war es doch keine Lüge. Er wollte sich gar nicht vorstellen was Carry, anscheinend auch noch dank ihm, durchgemacht hatte. Und jetzt war sie tot, und er konnte sich noch nicht einmal bei ihr entschuldigen, für das, was er ihr angetan hatte. Aber es machte ihn nicht traurig, sondern wütend. Seine so genannte Kindheit verbot es ihm geradezu traurig zu sein. Daran war sein Vater schuld, denn jedes Mal, wenn er früher geheult hatte, hatte er von seinem Vater ein paar gesetzt bekommen. Das war auch der Grund für einen Großteil seiner heutigen Probleme. Doch jetzt wollte er nicht wütend sein, er wollte traurig sein! Das einzige, was er wollte, war zu Carry hinein zu gehen und traurig zu sein, weil er es durfte. Traurig sein, weil er jemanden verloren hatte, der dabei gewesen war ihm sehr wichtig zu werden! Traurig sein weil es auch noch seine Schuld sein sollte! Doch er konnte es nicht. Er drückte seinen Hinterkopf an die Wand und öffnete die Augen. Eine der hellen Deckenlampen flackerte. Er konnte es einfach nicht. Stattdessen holte er sein Handy heraus und rief die Daten des letzten Anrufes ab. Nummer unterdrückt. Lefti biss die Zähne zusammen. Er würde schon noch raus kriegen wer und wo dieser Psycho war und dann konnte der sich auf was gefasst machen! *** So, die Episode 2 ist jetzt auch innerhalb von zwei Kapiteln abgeschlossen. Ich weiß, dass sie blöd eingeteilt sind und das von Lefti zu lang ist, aber es ging nicht anders^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)