Camp Seafire von DarcAngel ================================================================================ Kapitel 17: Niemals allein -------------------------- Willkommen zum letzten Kapitel. Nach all der Zeit habe ich es nun vollendet - ich hatte nie vor, diese Fanfichtion abzubrechen, auch wenn manche das aufgrund der langen Wartezeiten vermuteten. Ich danke euch allen für die stetige Unterstützung durch Kommentare und wünsche euch nun viel Spaß beim Lesen. Viele Grüße, DarcAngel 17. Niemals allein Liebe Ginny, wie geht es dir? Ich weiß, wir haben uns lange nicht gesehen. Manchmal frage ich mich, wie der Krieg es schafft die Menschen zusammen zu bringen, enge Bindungen entstehen zu lassen? Geschieht dies nur aus dem menschlichen Willen zu Überleben, nur aus Angst? Denn zu Zeiten des Frieden löst sich alles wieder und dennoch behauptet man, glücklich zu sein. Ich frage mich, ob dieses Glück nicht nur eingeschränkt ist? Bevor ich vollkommen abschweife, komme ich lieber zu dem Grund meines Briefes. Wie du vielleicht weißt, habe ich seit einiger Zeit wieder guten Kontakt zu Harry. Doch es war nicht Harry, der mich dazu gebracht hat dir diesen Brief zu schreiben, auch wenn er der Grund dafür ist, viel mehr hat Albus mir eine Nachricht zukommen lassen. Er macht sich ernsthafte Sorgen um Harry. Ich weiß nicht, was auf dem Überraschungsball vorgefallen ist - Harry hat auf meinen Brief noch nicht reagiert-, aber was auch immer es ist, Ginny, er braucht dich! Albus‘ Berichten zu Folge haben Hermine und du ihm gleichzeitig den Rücken zugewandt. Die Freundschaften, die ihn zuvor in die Wirklichkeit, ins Leben zurückgeführt haben, scheinen auseinander gebrochen zu sein, als wäre der Krieg überstanden. Wenn er dir so wichtig ist, wie ich glaube, dann lass ihn nicht allein. Hermine hat ihn schon zerbrochen – ob er das selbst verschuldet hat, sei nun außen vorgelassen. Selbst in unseren schlimmsten Träumen können wir uns nicht ausmalen, wie es in Harrys Seele aussieht, was er alles erlitten hat. Ich möchte nicht sagen, dass er unschuldig ist, jedoch hat er sich dieses Schicksal nicht ausgesucht, wer würde das auch?! Es ist auch nicht meine Aufgabe sein Handeln zu entschuldigen, das wird er selbst, ich möchte dir nur aufzeigen, dass er es vielleicht nicht besser wusste, unsere Hilfe, uns selber braucht. Da ich aus seinen Berichten weiß, wie viel du ihm in den letzten Monaten gegeben hast, möchte ich dir danken, für alles, was du für ihn getan hast. Harry ist mehr als ein Sohn für mich geworden und so bitte ich dich zudem darum nicht aufzuhören, nicht aufzugeben. Er braucht dich, deine Freundschaft, deine Kraft. Ich hoffe so sehr, dass du mich verstehst. Liebe Grüße Remus Lupin Der Winter überflutete ihn. Der eisige Nordwind ließ seine Wangen erfrieren, reizte seine Haut, seine Finger fühlten sich trotz der Handschuhe an wie tot. Seine Nase tropfte, bald würden sich Eiszapfen bilden. Seine Augen tränten auf Grund des Windes. Er kauerte sich weiter zusammen. Er ließ sich von der Natur nicht vertreiben. Er hatte gelernt ihr stand zu halten, sich ihr in gewisser Weise zu widersetzen. So drückte der junge Lehrer sich näher an das Dach des Schlosses und blickte in die Ferne. Das Land um ihn herum hatte jegliche Farbe verloren, der Herbst hatte den Bewohnern des Schlosses den Rücken zugekehrt und seinen bunten Mantel mitgenommen. In wenigen Stunden würde die Nacht die Ländereien von Hogwarts im Grau und dann in tiefer Schwärze ersticken. Er atmete tief ein, sein Haar klebte ihm zum Teil im Gesicht oder peitschte gegen seinen Kopf. Alles hatte sich wieder verändert, nicht nur die Natur. Plötzlich fühlte sich Hogwarts nicht mehr wie sein Zuhause an. Plötzlich fühlte er sich wieder wie in der Fremde, ein Heimatloser, der durch das Nichts zog, ohne Ziel. Wie war es möglich, dass das Gefühl der Heimat so schnell verschwunden war? Die Zeit verstrich, doch es interessierte ihn nicht, genauso wenig wie die Jahreszeiten. Das einzige, was ihn betraf, war die Tatsache, dass sich bei dem Wetter nur selten Schüler im Freien waren, so konnte er ungesehen in Einsamkeit verweilen. Was hatte er falsch gemacht? Wo lag der Sinn in all diesen Ereignissen? Hermine benahm sich so, als wenn das Camp und der Ball nie stattgefunden hatten. Hatte er den ganzen Schmerz wieder heraufbeschworen? Er akzeptierte, dass sie Zeit für ihre Entscheidungsfindung brauchte, aber musste sie ihn deswegen so behandeln? Ginny ging ihm total aus dem Weg. Sie brauchte Abstand, das konnte er nachvollziehen, aber er vermisste sie, wenn das auch eigensüchtig von ihm war. Wie sollte das weitergehen? Erschöpft fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar, versuchte einzelne Strähnen aus seinem Gesicht zu wischen, doch der Wind spielte mit ihm und Harry gab widerstandslos auf. Er spürte die Kälte kaum, die ihn umgab, bald hatte er wieder den Zustand vollständiger Abkapselung erreicht, wie in einem Kokon aus Watte. Wozu all das? Was machte er in Hogwarts? Was hielt ihn davon ab, nicht wieder zu gehen? Er schüttelte trotzig den Kopf, öffnete die Augen. ‚Nein, soweit bin ich noch nicht.‘ Wie konnte es sein, dass zwei Frauen ihn zu solchen Gedanken brachten? Bedeuteten sie ihm alles? Soweit würde er noch nicht gehen, doch sie waren ihm unendlich wichtig, das zeigte allein sein Zustand. Vielleicht sollte er Remus antworten, denn er wollte nicht, dass sich sein Freund schon wieder um ihn sorgen musste. Damit machten schon mindestens drei Personen sein Leben aus, mit Ron hatte er sich doch auch wieder vertragen. Harry zog entschlossen die Schultern hoch, der Wind prallte an ihm ab, er würde nicht schon wieder aufgeben, was er gerade erst zurückgewonnen hatte. Nur was für eine Wahl hatte er? Nur warten? Ihren Mantel hatte sie bis oben hin zugeknüpft, den Schal eng um den Körper geschlungen, die Hände tief in den Taschen vergraben. Äußerlich wirkte sie ruhig, doch in ihr drin herrschte ein Sturm, stärker und chaotischer als der Nordwind. Kleine Tiere eilten vor ihr über den Pfad, die letzten Wintervorräte in den Pfoten, auf der Flucht vor dem aufziehenden Sturm. Wie sehr wünschte sie sich auch in Winterschlaf fallen zu können und das Leben für eine Weile hinter sich zu lassen, sich einfach nur ausruhen zu können, sorglos und friedvoll. Das Bild von Dornröschen schlich sich ungewollt in ihren Kopf, sie sah sich in einem Meer von Rosen liegen, glücklich schlafend. Dann drang Licht herein, jemand durchtrennte die Rosenhecke und Harry küsste sie aus dem Schlaf. Im Traum lächelte sie ihn glücklich an, froh ihn endlich gefunden zu haben. Wütend schüttelte sie den Kopf und das Lächeln verließ ihre Lippen. Fröstelnd lehnte sie sich an einen dicken Baum, der sie immerhin etwas vor dem Wind schützte. Harry war schon immer ihr Traumprinz gewesen, in letzter Zeit träumte sie wieder ständig von ihm, er ließ sie nicht mehr los. Trotz der Kälte rutschte sie an dem Baumstamm zu Boden, zog die Beine an und legte ihren Kopf erschöpft auf ihre Knie. Sie schlief nicht gut, Angst vor diesen Träumen und die Gedanken an Harry hielten sie wach. Wie konnte sie das nur abstellen? Wie konnte sie ihre Gefühle für ihn abstellen? Tränen traten ihr in die haselnussbraunen Augen. War es schon zu spät? Sie spürte, wie ein salziger Tropfen auf ihren Umhang tropfte. Der Wind strich ihr übers Gesicht, trug einige Tränen davon. Ihre Haut brannte, die Salzspuren quälten ihr Gesicht, dennoch konnte sie den Tränenfluss nicht stoppen. Er lief einfach über, sie spürte, wie sie die Gewalt über sich verlor, wie sie sich in aller Stille im Wald gehen ließ, wie sie in dem Fluss dahintrieb. Die Liebe zu Harry ließ sich nicht länger verleugnen, doch was sollte sie nur machen? Sie wusste einfach nicht weiter. Selbst Blaise war ihr keine Hilfe, in ihrem letzten Brief hatte sie ihr geraten, ihren Gefühlen zu folgen, es würde schon alles gut werden. Ihre Freundin war hoffnungslos romantisch, trotz allem was ihr zugestoßen war. Der Hauch eines Lächelns erhellte ihr Gesicht bei dem Gedanken an Blaise, sie vermisste sie sehr, wie sehr wünschte sie sich gerade nun jemanden, der sie in die Arme schloss und ihr Wärme schenkte. Auf den ersten Blick wirkte der Gemeinschaftsraum leer, durch die großen Fenster war nichts als Schwärze zu sehen und auch im Inneren herrschte Dunkelheit, war das Feuer im Kamin doch heruntergebrannt. Kein Knistern erfüllte die Luft, jedoch heulte der Wind laut um den Turm. Eine einzige Gestalt hockte auf einem roten Sessel am Kamin, die Beine angezogen war sie fast komplett unter einer Decke verborgen. Ein leichtes Schimmern der Glut blitzte in ihren Tränenspuren, zeigte die Striemen der verlaufenen Wimperntusche, ließ ihre geschwollenen Augen hervortreten durch das Schattenspiel. Regungslos starrte sie in die Glut und doch ins Nichts. Sie fühlte sich leer, sie hatte keine Tränen mehr, nur gelegentlich durchfuhr ein Beben ihren Körper, ein Nachklang ihrer Verzweiflung. Ihre Brust schmerzte, es fühlte sich an, als wenn sich ihr Herz krampfhaft weigerte, es würde weiterschlagen, weiter für ihn. Unter der Decke zerknüllte ihre rechte Hand das Pergament. Es schnitt sich in ihre von der Kälte rauen Hände, doch sie merkte es kaum. Ein Zittern nahm von ihr Besitz, aber es war nicht die Kälte. ‚Oh Remus, würdest du das auch von mir verlangen, wenn du alles wüsstest, wenn du wüsstest, was ich fühle?‘ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Auge und blinzelte. Sie hatte gar nicht wahrgenommen, wie spät es geworden war. Den ganzen Abend hatte sie in einer Art Trance verbracht, doch selbst jetzt, als sie realisierte, wie spät es war, überkam sie keine Müdigkeit. Plötzlich erinnerte sie sich an ein Gespräch, dass Harry und sie am Seafire geführt hatten. ~Flashback~ Ginny betrat in großem Abstand zum See den Wald, fröhlich pfeifend pflückte sie ein paar Blumen. Luna hatte ihr geholfen ohne Begleitung in den Wald gehen zu können und somit sich mit Harry zu treffen. Nach einigen Hundert Metern bog sie Richtung Wasser ab und steuerte auf ihren verabredeten Treffpunkt zu. Nach nur wenigen Minuten entdeckte sie die Uferstelle und Harry, der bereits auf sie wartete. Es freute sie, dass er lächelte, als er sie erblickte. Langsam blühte er auf, immer mehr erkannte sie an ihm wieder. Irgendwie wusste sie plötzlich, dass es sich lohnte ihn neu kennen zu lernen, auch wenn er es ihr nicht immer leicht machte. „Hey“, begrüßte sie ihn fröhlich und setzte sich zu ihm auf den Baumstamm. „Hi Ginny.“, begrüßte Harry sie. Eine Zeit lang redeten sie über Belanglosigkeiten, Ginnys Erlebnisse während der Exkursion, das misslungene Essen von gestern, als ein schlammiger Frosch in die Suppe gehüpft war, jemand hatte gewitzelt, dass die Schülerinnen von Beauxbaton Froschschenkel sicher gerne essen würden. Schließlich erhob Harry sich und trat ans Seeufer. Irritiert musterte sie seinen Rücken. Was bedrückte ihn? Sie wusste nicht, ob sie sich soweit vorwagen konnte, ihn das zu fragen. Aber er nahm ihr die Entscheidung ab, denn er drehte sich um und blickte sie direkt an. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher, Ginny.“ Sie blinzelte und legte den Kopf fragend zur Seite. „Ich meine, ich bin dein Professor. Wir können uns nicht ständig alleine treffen.“, argumentierte er und ging vor ihr auf und ab. „Du meinst das ernst, nicht?“, erwiderte sie unsicher, während sie ihm mit den Augen folgte. Der Schwarzhaarige blieb abrupt stehen und erwiderte ihren Blick. „Verstehst du denn nicht, in welche Gefahr wir uns begeben? Du weißt doch, zu was der Schulrat fähig ist.“, unruhig ging er weiter, bevor er sich schlussendlich vor sie hockte, „ein Professor und eine Schülerin, das Gerücht über eine Affäre könnte für uns beide einen Schulverweis bedeuten.“ Sie sah das Leid in seinen Augen, die Unsicherheit und so viel mehr, dass sie nach seinen Händen greifen musste, den Blumenstrauß weiter festhaltend, und sagte: „Harry, Schulräte wie Lucius Malfoy existieren nicht mehr und es gibt zu viele Schüler und Professoren in Hogwarts und Menschen in der magischen Welt, die bezeugen können, dass wir schon seit Jahren befreundet sind. Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen.“ Sie sah die Zweifel in seinen Augen und lächelte ihn aufmunternd an. „Wenn es dich beruhigt, können wir uns ja im Geheimen jeden Abend hier treffen.“, schlug sie vor, sie durfte nicht zulassen, dass er sich wieder zurückzog. „Aber wir müssen aufpassen.“, er wirkte immer noch besorgt. ~Flashback end~ Sie hätten vorsichtiger sein müssen, sie hätte vorsichtiger sein müssen. Denn nach ihren Gefühlen für ihn in der Vergangenheit hätte sie ahnen können, dass sie aufpassen musste, dass nicht wirklich mehr als Freundschaft zwischen der Schülerin und dem Professor entstand. Sie schluckte. Solange sie Schülerin in Hogwarts war, durfte sie Harry nur als Freund ansehen und sie hatte noch über sechs Monate vor sich. Obwohl es keinen Schulrat wie Lucius Malfoy mehr gab, so hatte die Regel weiterhin Bestand, dass kein Professor etwas mit einer Schülerin anfangen durfte. Ginny wusste nicht, ob sie so stark sein konnte? Doch spätestens Remus hatte sie überzeugt, dass sie es für Harry sein musste. Ihn wie einen Toten durch die Schule wandeln zu sehen, hatte ihr jedes Mal einen weiteren Stich ins Herz versetzt, ihr Herz blutete ununterbrochen. Aber konnte es heilen, wenn sie ständig in seiner Nähe war? Sie hoffte es, außerdem würde es nicht weitere Verletzungen erfahren. Sie schluckte. Irgendwie, sie wusste noch nicht wie, aber irgendwie musste sie die Kraft dazu haben, für Harry und für sich. Die nächsten Tage wartete die Rothaarige auf eine Gelegenheit alleine mit Harry sprechen zu können, doch es ergab sich einfach keine. Der junge Professor ließ sich nur während seines Unterrichts blicken, danach war er sofort wieder in den Gängen des Schlosses verschwunden. Selbst zu manchen Mahlzeiten erschien er nicht mehr und wenn doch nur kurz, um dann schnell durch den Lehrerausgang zu entwischen, als wäre er auf der Flucht. Es wunderte Ginny nicht, dass selbst Dumbledore Harrys Verhalten aufgefallen war. Selbst die Schüler konnten sehen, dass irgendwas den Professor beschäftigte, auch wenn sie noch weniger als der Schulleiter wussten, was es war. ‚Zumindest sieht man Harry als Außenstehender nicht an, wie sehr es ihr zerfrisst.‘, dachte Ginny traurig. Hermine wirkte blass und erschöpft, doch sie war stets anwesend und spielte kontrolliert ihre Rolle. Ihre Miene war eisern, nur selten zeigten sich Gefühle, doch zumindest die Schüler durchschauten diese Illusion nicht. Ginny schon und sie überlegte kurz, ob sie nicht einmal mit ihr reden sollte. Als sie die ehemalige Freundin dann tatsächlich auf dem Flur traf, wurde ihre nicht gestellte Frage mit einem schroffen „Ich möchte jetzt nicht reden.“ abgeblockt. Verblüfft blickte die Jüngere ihr hinterher und zuckte schließlich wütend die Schultern. ‚Man könnte meinen Harrys Gefühle interessieren dich gar nicht mehr.‘ Der Gedanke, Harry in seinen Räumen aufzusuchen, irrte schon eine Weile in ihrem Kopf herum, allerdings hatte sie sich noch nicht dazu entschlossen. Eine Schülerin hatte nichts in den Privatgemächern eines Professors zu suchen und in seinem Büro war er nie anzutreffen, oder er öffnete die Tür nur nicht. Ginny wusste, wie wichtig es Harry war, dass niemand auch nur dachte, dass zwischen ihnen mehr als Freundschaft sein könnte, bis jetzt hielt sie das davon ab, ihn dort anzusprechen. Wenn sich allerdings nicht bald eine Möglichkeit gab ihn woanders zum Reden zu bringen, ließ er ihr keine andere Wahl. Sie quälten sich alle, je länger sie in der jetzigen Situation verweilten. Harry saß auf seinem Bett und grübelte. Irgendjemand oder irgendetwas musste ihm helfen, er musste seine Situation ändern, so konnte es nicht weitergehen. Er hielt es nicht mehr aus. Die Tage waren eine Qual, von den Nächten ganz zu schweigen. Da kam ihm eine Idee, er zog die Schublade seiner Konsole auf und holte sein Fotoalbum heraus. Langsam schlug er den dicken Einband auf, er fragte sich, ob der Duft, der ihm entgegen stieg, wohl der Duft seiner Mutter war, denn er kam ihm seltsam bekannt vor. Zaghaft blätterte er die Seite um und blickte das kleine Familienproträt an. Seine Eltern strahlten ihn an, sein Vater hatte beschützend einen Arm um seine Mutter gelegt, die ihn auf dem Arm hielt. James gab Lily und Baby Harry einen Kuss auf den Kopf, Lily lächelte ihn an und fast hörte er sich selber vergnügt quicken. Er sah, dass seine Eltern glücklich gewesen waren. Dieser Anblick erfüllte ihn, wärmte ihn von Innen heraus. Er wünschte sich auch dieses Glück, selbst für den Fall, dass es nicht von Dauer sein würde, wie bei ihnen. Plötzlich fragte er sich, ob er wohl auch eines Tages Kinder haben würde? Noch nie war ihm dieser Gedanke gekommen, er hatte nur äußerst selten über kleine Kinder nachgedacht, da er persönlich auch keine kannte. Doch der Gedanke fühlte sich nicht schlecht an, dann würde er genau wie James auf seine Frau und sein Kind aufpassen. So musste vollkommenes Glück aussehen. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Harry blätterte weiter. Sirius, Remus, seine Eltern, sie alle wirkten glücklich auf den Fotos. Er wollte dieses Glück nicht länger missen. Daher entschloss er sein Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen. Seine Eltern wünschten ihm dieses Glück, da war er sich sicher, und er selber brauchte es so sehr, nach all der Zeit. Jeden Tag fühlte sie sich mieser, jeden Tag schwächer, da sie kaum schlief. Zusätzlich belastete es sie, dass es Harry ebenso immer schlechter ging. Wenn sie ihn im Unterricht sah, sonst begegnete sie ihm überhaupt nicht mehr, wäre sie am liebsten zu ihm gerannt und hätte ihn tröstend in den Arm genommen. Stattdessen versuchte sie seinen Blick zu fangen, ihn anzulächeln und zu signalisieren, dass sie ihn nicht ignorieren wollte, dass sie mit ihm reden wollte. Nach dem Ball hatte er sie hin und wieder mit den Augen unauffällig während des Unterrichts gestreift, damals hatte sie vorgetäuscht es nicht zu merken. Nun nahm er sie scheinbar nicht mehr wahr. Hilflos verließ sie das Schloss. Die frische Luft sollte Ordnung in ihre Gedanken bringen, bevor sie gleich doch zu Harrys Privaträumen gehen würde. Es gab keine andere Lösung, nicht für sie. Ginny war noch keine 100 Meter weit gegangen, da hatte der Nebel das Tor hinter ihr schon restlos verschlungen, doch sie fürchtete nicht sich zu verlaufen. So warf sie einen letzten Blick nach hinten, bevor sie weiter watete. Noch während sie sich zurückdrehte, hielt sie erschrocken inne, beinahe wäre sie in jemanden hineingelaufen, Zentimeter vor ihr erstarrte Harry ebenso. Wegen der Kälte glaubte sie die Wärme zu spüren, die von ihm ausging, und bewegte sich nicht. „Oh, hi Harry.“, begrüßte sie ihn perplex und aus der Ferne echote ihre Stimme leise und gespenstig. „Hi.“, er blickte abschätzend an ihr vorbei. „Der Eingang zum Schloss ist direkt hinter dir, nicht?“, fragte er und seine Augen suchten im Nebel nach den Wänden aus Stein. Ginny nickte, sein Verhalten verwirrte sie. „Gut, dann sieht man sich später.“, fast wäre Harry an ihr vorbei gewesen, doch im letzten Augenblick fasste sie sich wieder und griff nach seiner Hand. Perplex blieb er stehen und drehte sich zu ihr zurück. Nun zeigten seine Augen Verwirrung, während seine Brillengläser leicht milchig den Nebel spiegelten. Es erschien ihr, als wenn sich eine Nebelschicht zwischen ihre Augen, ihre Gesichter geschoben hatte. Den Drang sie zu überwinden kämpfte sie runter und zwang sich den Mund zu öffnen, endlich hinter sich zu bringen, was so schwer auf ihren Schultern lastete. Dies war die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte, nun würde sich alles entscheiden. Ginny spürte, wie ihre Finger kribbelten und steckte ihre Hände tiefer in die Taschen. Ganz deutlich schlug ihr Herz in ihrer Brust, als wollte es rebellieren, ihr ihre Gefühle in Erinnerung bringen. „Harry, ich suche dich schon seit Tagen.“, fing sie unsicher an, dabei hatte sie sich zig Mal ausgemalt, wie dieses Gespräch ablaufen würde. „Aber ich war doch nicht weg.“ „Irgendwie schon.“ Sie suchte in seinen Augen, doch wonach suchte sie? Etwas, an dem sie sich orientieren konnte, an dem sie sich festhalten konnte. „Ich hab es jetzt wirklich eilig, Ginny, können wir das nachher besprechen? In meinem Zimmer?“ Aus dem Konzept gebracht, blinzelte sie, diese Reaktion hatte sie nie erwartet. „Dann habe ich Zeit für dich, ich will das jetzt mit Hermine klären.“, er sah sie kurz eindringlich an, bevor er im Nebel verschwunden war und Ginny allein zurückließ. „Viel Glück, Harry.“, flüsterte sie und ihre Worte verstummten im Nichts. Das Fenster wirkte auf sie wie ein leeres Bild, ausdruckslos und kalt, es spiegelte drastisch, aber haargenau ihren Gemütszustand wieder, die Leere, die sie empfand. Doch ihre Fassade war nur noch ein Vorhang, den der Wind leicht zu öffnen vermochte, ihr Schutzwall hatte unter der Last der Verzweiflung, der Einsamkeit nachgegeben und war nach und nach zerbröckelt. Sie traute Blaise‘ Rat noch immer nicht, aber ihre Gefühle ließen sich nicht länger von ihrem Verstand unterdrücken, sie wollten frei sein und erwidert werden. Das Buch in ihrem Schoß genoss ausnahmsweise keine Aufmerksamkeit, ehrlich gesagt konnte sie sich nicht einmal daran erinnern, von was es handelte, sie hatte keine einzige Zeile wahrgenommen, egal wie viele sie auch las. Seit Tagen befand sie sich in diesem Zustand. Ihr Blick war wieder auf das Fenster, den Nebel dahinter gerichtet, statt auf ihr Buch. Die Atmosphäre der Bibliothek schaffte es nicht, ihren Kopf zu befreien. Die Braunhaarige hasste diese Einsamkeit. Nach ihrer Trennung hatte sie sich von allen abgekapselt, abgesehen von Blaise, die viel zu weit weg lebte. Vielleicht könnte sie mit Harry einen kompletten Neuanfang starten. ‚Er versteht sich schließlich auch wieder mit Ginny.‘, dachte sie, ‚ich kann so nicht weiter leben, es zerstört mich.‘ Doch Hermine hatte Angst vor einem Neuanfang mit Harry, Angst, dass ihre Erinnerungen sie zu großer Vorsicht und Zweifeln an seinem Verhalten trieben, Angst, dass sie die Chance wohlmöglich selber vergab. Eine Beziehung setzte Vertrauen voraus, doch woher sollte sie wissen, ob sie Harry vertrauen konnte? Er hatte sich verändert, er war nicht mehr derselbe. Doch sie war auch nicht mehr dieselbe, wie beim letzten Mal. Musste Liebe immer so kompliziert sein? Sie liebte ihn, konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals einen anderen geben konnte, wenn sie ihn haben konnte. Aber sie konnte auch nicht vergessen. Harrys Wohl war ihr wieder wichtig, beziehungsweise ihr war wieder bewusst geworden, dass sie schon immer wollte, dass er glücklich war. Wie konnte sie ihn länger im Ungewissen lassen, ihn noch länger durch ihre Abwendung strafen. Das verdiente er trotz all dem nicht, da war sie sich nun sicher. Es war ihr nicht leicht gefallen, aber sie hatte längst angefangen ihm zu vergeben und sah sein Handeln nun in einem anderen Licht. Aber würde sie nicht dennoch ständig daran erinnert werden, was zwischen ihnen gewesen war, was er getan hatte, selbst wenn es diesmal anders sein würde? „Hermine.“, die Brünette blinzelte, jemand schien sie bereits mehrfach gerufen zu haben. „Hermine, geht es dir gut?“, fragte Harry und Besorgnis schwang in seiner Stimme mit. „Jetzt ja.“, erwiderte sie und ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Dann ging alles ganz schnell.“, berichtete der Schwarzhaarige überschwänglich, „sie möchte mir noch eine Chance geben.“ „Das freut mich wirklich für dich.“, sagte Ginny und lächelte ihn an. Das Glänzen seiner Augen erfüllte sie wahrlich mit Glück. „Sie hat Zweifel, ob sie mir unterbewusst nicht aufrichtig traut, zu vorsichtig ist. Aber ich habe ihr gesagt, dass wir das zusammen überwinden, dass sie mir bedingungslos vertrauen kann.“ Ginny nickte, man konnte ihm bedingungslos vertrauen, sie konnte es. Schließlich blickte Harry sie an und griff nach ihren Händen. „Ginny, ist das wirklich okay für dich?“, fragte er mit sanfter Stimme, und trotz seiner Sorge um sie, strahlte er Glück aus. Die Jüngere nickte. ‚Wenn ich dich nicht haben kann, Harry, dann möchte ich, dass du glücklich bist, und ich trotzdem viel Zeit mit dir verbringen kann.‘ „Wenn ich dir zu nah komm, es dir zu viel ist…“, Ginny legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Danke, aber ich schaff das schon, solange du mich nicht komplett vernachlässigst.“, damit knuffte sie ihn in die Seite. Harry lachte. „Ich verspreche dir, dass ich neben Hermine immer noch genügend Zeit für dich finde, sonst darfst du mich vor der gesamten Schule in ein rosa Hausschweinchen verwandeln.“ Ginny grinste. „Das merke ich mir, verlass dich darauf.“ Sie lachten gemeinsam und es tat gut, endlich waren sie der Misere entkommen. Doch sie würde weiter stark sein müssen. „Hermine, bist du so weit? Tonks und Remus warten auf uns.“, setzte Harry an, als ihre Zimmertür aufschwang. „Komm rein, ich muss mir nur noch die Haare machen.“ Der Schwarzhaarige trat ein und beobachtete sie vor dem Spiegel. Die Brünette trug eine hellblaue Tunika zu ihrer dunklen Jeans, barfuß stand sie vor dem großen Spiegel und versuchte sich von Hand die Haare hochzustecken. Immer wieder lösten sich einzelne Strähnen aus ihrer Frisur und trieben Hermine zur Weißglut. Schließlich ergriff sie genervt ihren Zauberstab und mit einem einzigen Wink, saß alles perfekt. Sie lächelte ihn im Spiegelbild an, bevor sie sich ihm zuwandte. „Meinst du, ich kann so gehen?“, fragte sie unsicher und zupfte an ihrem Oberteil. Harry lächelte und griff sanft nach ihren Händen. „Wir sind nicht auf ihrer Hochzeit eingeladen, sondern nur zu einer kleinen Winterparty.“, als sie das nicht überzeugte, fügte er noch hinzu, „du siehst perfekt aus, aber das tatest du auch, als deine Haarsträhnen noch aus der Frisur guckten.“ „Ach Harry, du bist mir keine große Hilfe.“, seufzte sie und holte ihre Handtasche vom Bett. „Dann frag doch Ginny gleich, die wird sicher schon in der Eingangshalle auf uns warten.“ Daraufhin warf Hermine ihm einen Blick zu, den er nicht ganz deuten konnte. Die zwei Wochen mit Harry fühlte sie sich leicht wie auf Wolken. Er war zärtlich, fürsorglich und vorsichtig. Zudem las er ihr fast jeden Wunsch von den Lippen ab. Sie versuchte nicht zu zweifeln und es stattdessen vollkommen zu genießen, wie Blaise vorschlug. Doch mit Ginny hatte sie sich trotz ihrer anfänglichen Hoffnung nicht wieder so angefreundet wie früher. Erst, als Hermine mit Harry zusammen gekommen war, hatte sie die Welt wieder anders wahrgenommen, und so war ihr auch erst dann aufgefallen, wie viel Glück sie hatte Harry nicht längst verloren zu haben. Die Tatsache, wie Ginny Harry manchmal ansah, hatte Hermine erschreckt, diese Blicke konnte man nicht missdeuten. Doch die beiden waren die besten Freunde und sie konnte, musste Harry vertrauen. Aber dieses Wissen war keine gute Ausgangsbasis für eine Freundschaft mit Ginny. So kam es, dass die beiden jungen Frauen sich vorsichtig in der Eingangshalle begrüßten, während Harry sich ehrlich freute, dass Ginny die beiden zu Remus begleitete. Wenn Ginny die beiden Händchen haltend sah, zwang sie sich ihre Gefühle zu unterdrücken. Niemand sollte sehen, wie sich ihr Innerstes zusammenzog, wie sehr sie sich nach Harry sehnte. Sie hoffte, dass es sich mit der Zeit legen würde, denn zu gerne verbrachte sie Zeit mit ihm, als dass solche Gedanken es zerstören sollten. Zu dritt verließen sie plaudernd das Gelände und machten sich auf den Weg nach Hogsmeade, von wo aus sie per Flohpulver zu Remus reisen würden. „Schön, dich so glücklich zu sehen.“, freute sich Remus und legte Harry einen Arm um die Schultern, um ihn zu Tonks zu führen. „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.“, lächelte der Schwarzhaarige. Ginny blickte sich um. Das Haus war gemütlich eingerichtet und nicht zu groß, sie durchquerte die Küche neugierig und entdeckte den Garten. Erstaunt hielt sie inne, in der weißen Landschaft hatte man einen Wintergarten errichtet, der mit schwebenden Luftballons geschmückt war und Musik schallte durch die Luft. „Da bist du ja, Schwesterchen.“, riss Ron sie aus ihrer Starre und löste sich aus der Menschentraube im Wintergarten. „Was machst du denn hier?“, verlangte sie zu wissen. „Dir scheint es wieder gut zu gehen.“, grinste Fred, „wenn du uns noch nicht mal begrüßt, das freut mich.“ In dem Augenblick traten Hermine und Harry hinter Ginny in die Küche, woraufhin die anderen Gäste verstummten. Viele von ihnen hatten Harry seit Monaten nicht gesehen. „Hi Harry, hi Hermine.“, durchbrach Ron die Stille und winkte sie herein. Fred ließ es sich nicht nehmen, Harry in den Arm zu nehmen. „Klasse Mann, gut, dass du da bist.“, flüsternd fügte er hinzu, „ich hoffe, du hast Taschentücher dabei, Mum wird ihre Tränen nicht unterdrücken können, wenn sie dich sieht.“ Harry lächelte. „Danke, für den Tipp.“ Der Rothaarige grinste. Dann übersah Fred Hermines Zurückhaltung und umarmte sie ebenfalls, bevor er den anderen Platz machte. Die Brünette fühlte sich unsicher, sie wusste nicht, wie die anderen auf sie reagieren würden. Vorwurfsvoll, dass sie ihnen den Rücken zugewandt hatte? Wütend oder abweisend? Doch ihre alten Freunde nahmen sie mit offenen Armen wieder auf und stießen sogar auf ihr Glück an. Später blickten Hermine und Harry Händchen haltend aus dem ersten Stock aus dem Fenster in den gläsernen Wintergarten herunter. „Alle sind gekommen.“, stellte Harry fasziniert fest. Er war nie alleine gewesen, sie waren alle für ihn da, wenn er das doch nur eher verstanden hätte. „Ich denke, wir werden sie jetzt öfter sehen. Bald ist schließlich Weihnachten.“, sagte Hermine und lächelte ihn an. Der Schwarzhaarige blickte in ihre Augen, der Schimmer der Erinnerung war ihm nicht entgangen. Zärtlich drückte er seine Lippen auf ihre und ließ den Gedanken verblassen, erst dann sagte er lächelnd: „Lass uns ein großes Weihnachtsfest organisieren.“ Hermine wirkte überrascht, nickte aber zustimmend, sie begann die Gesellschaft der anderen ebenso zu genießen wie er. So zog er sie an sich und gemeinsam verharrten sie noch ein paar Minuten in Zweisamkeit, bevor sie sich unter die Partygäste begaben und ihre Wiedervereinigung feierten. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)