Underdog von Zephyrus ================================================================================ Kapitel 2: 2- Katzenjammer -------------------------- 2 Das Gebäude in der Van-der-Waals- Allee hatte seine besten Zeiten bereits lange hinter sich. Der rote Backstein war nicht weniger angefressen, als die Gemüter der Nutzer. Vor 30 bis 40 Jahren hatte es sich noch neben seinen Nachbarn behaupten können, monumental war es zwischen den anderen Häusern aufgeragt. Erhob sich stolz über die anderen Dächer. Jetzt rauben Stahl- und Betonkonstruktionen, das wenige ehrliche Licht, welches sich mühsam einen Weg durch den Smog gekämpft hatte. Der Bote war keine unwichtige Zeitung, doch war der Chefredakteur dermaßen konservativ, dass er seinen Angestellten keine neue Arbeitsumgebung zusprach. ‚Dieses Blatt gibt es seit 1898, jeder literarische Geist geht in einer Welt aus Plastik und Plexiglas unter’ ,so oder ähnlich hatte er die zaghafte Frage in einer Konferenz abgetan. * Kael Ronen hatte starke Zweifel, dass sein literarischer Geist in den Räumen mit den hohen Decken zu Höhenflügen animiert wurde. Er war jedes mal von Neuem froh, dass ein Großteil der Arbeit außerhalb der alten Mauern stattfand. Vier Wände um einen herum waren, in seinen Augen, wider der Natur. Ein verzweifelter Versuch der Menschen, das auszuschließen, mit dem sie nicht umgehen konnten. Vier steinerne Wälle gegen die Außenwelt versprachen Schutz, Geborgenheit und symbolisierten den Platz in der Gesellschaft. Der junge Journalist empfand sie eher beklemmend. Nicht selten verließ er die von stickigem Rauch, Gesprächen und anderen Gerüchen überfüllten Konferenzen unter einen Vorwand. In freier Luft hätten die Körperausdünstungen wenigstens die Möglichkeit zu verfliegen, doch das Alphatier im Anzug konnte seine Wirkung eben nur vor teurem Mahagoniholz und schwarzem Leder entfalten. Er ergötzte sich gerade an der Vorstellung eines in Armanistoffe gekleideten Pfaus, der nichts weiter zu Stande brachte als mit seinen schillernden Federn anzugeben und dazu sinnlos zu Gurren. Fragte sich eigentlich niemand, wie aus einem solch schönen Tier, derart nervende Geräusche kommen konnten? „Ronen?“ Angesprochener hatte nicht bemerkt wie jemand in sein Büro ** auf leisen Sohlen herein getreten war und nun so dicht neben ihm stand, dass eine Wolke des teuren aber schlechten Parfüms in seine Nase kroch. Es war der Pfau im Armanianzug. Kael nahm die Füße mit einem entschuldigenden Lächeln von dem völlig überladenem Schreibtisch und schob sie unter dem Tisch wieder in die ledernen Turnschuhe. Sein Chef hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und betrachtete mit leicht gerunzelter Stirn den besten seiner Journalisten. Für ihn war es ein Rätsel wie dieser Mann auch nur einen vernünftigen Artikel zustande bringen konnte. Allein dieses Chaos aus Papiertürmen und seine gleichgültige Art zeichneten ihn nicht gerade als kontaktfreudigen, neugierigen Menschenfreund aus. Eher als arroganten Chaoten, der mit seiner Ignoranz die Gemüter auf sich aufmerksam machte, anstelle mit einfühlsamen Reportagen. Aber die Leute liebten dieses Arschloch und so war Jaaron Kilston gezwungen seinen gehassten Schatz zu hüten und zu umpflegen. Doch weiter als über einen viel zu hohen Gehaltscheck ging die Liebe nicht. Ein kleiner Raum und die notwendigen Utensilien wie sie selbst der Frau zustanden die jeden Tag aufs neue idiotische Horoskope abtippte, mehr Zuneigung bekam Ronen nicht. Und hatte es sich mit seinem herablassenden Verhalten auch nicht verdient, fand Kilston. Er wusste sofort, dass das Lächeln nur halbherzig und im besten Fall nicht vollständig gelogen war. Es war einer dieser Gesten mit denen sich der Jungjournalist immer wieder aufwertete und über seine Mitmenschen stellte. Doch nur geübte Beobachter wussten sie von echter Höflichkeit zu trennen. Kilston löste seine Arme von seiner Brust und stemmte die Handflächen auf den Holztisch. Leise knisterten die Papierbogen auf die er sich achtlos stützte. Der Tanz hatte wiedereinmal begonnen. _______ * Die Abhängigkeit Vieler von einer einzigen Person, ist oft Ursache für bizarre Umstände, wie z.B. Zurückhaltung der eigenen Interessen oder Meinungen (selbst wenn sie richtig sind), das Übersichergehenlassen sinnlosen Geredes (Schulzeit, Politik), dass das beste Sandwich für das Alphatier übrig bleibt, Kriege... ** Mit viel Fantasie konnte man den kleinen Raum an dessen Ecken hier und da feuchter Putz abbröckelte, und das Licht weclhes durch die verstaubten Jalousien herein fiel gerade mal ausreichte um den Besitzer nicht jedes Mal wieder Ekel einzujagen weil es einfach nicht die schlimmen Mängel berührte, als ein solches bezeichnen. Ronen zog die Bezeichnung ‚Abstellkammer’ oder schlicht ‚das Loch’ vor. ____________ Auch der Zeitungschef war geübt in scheinheiligen Gesten und so sprach er in einem freundlichen, aber bestimmendem Ton. Kael wusste sofort dass er nur kurz vor einem vulkaniastischen Ausbruch stand und ihm die Beherrschung schon einige Mühe bereitete. „Ronen, so sehr ich deinen letzten Artikel über den Kandidaten zum Parteivorsitz in einem thailändischen Bordell zu schätzen weiß...“ bis hierhin waren seine Worte ein fast lobender Singsang gewesen :“Sprich das gefälligst mit mir ab, ehe du es ungefragt kurz vor Druck auf die Titelseite einfügen lässt!“ brach die dickquellende Lava schließlich explosionsartig aus ihrem Schlot hervor und ergoss sich in weiteren Schimpftiraden auf Kael. Doch dieser war absolut feuerfest. „Ich fürchtete, sie ließen sich vielleicht von ihren allwöchentlichen Kneipenrunden mit dem werten Herrn Leet beeinflussen, und würden sagen wir mal zu seinem Gunsten, die Sache ein wenig abgeschwächt auf die letzte Seite pressen“ meinte der braunhaarige Verfasser gelassen. Die heiße feurige Masse war verebbt und kühlte langsam zu harten Gestein ab. Sie wussten beide, dass es genau diese unabgestimmte darauf basierende dem anderen seine Macht zu beweißende Art war, die den Boten am Leben hielt. Nicht das erste Mal retteten sie sich so gegenseitig den Arsch. Kilston hatte das öfteren Artikel streichen lassen, die Ronen ganz sicher den Kopf gekostet hätten oder und dass wusste sogar der Journalist zu schätzen, bei denen noch nicht alles geklärt war. Der Chefredakteur hatte ein ausgesprochenes Gefühl für unausgegorene Ideen und bewahrte Kael Ronen manchmal auf fast väterliche Weise vor späteren Komplikationen die der junge Journalist einfach noch nicht sehen konnte. Der hingegen wusste, dass sein Chef schlicht zu menschlich war um vor allen Fehlern gefeit zu sein, die der sozialer Stand, Verantwortung über andere und Gesellschaftsbewusstsein mit sich brachten. Aber der alltägliche Tanz hatte eben seine Regeln nach denen getanzt wurde. Und die erste lautete: Gestehe niemals ein, dass du von dem anderen abhängig bist. Jaaron Kilston wiegte den Kopf leicht hin und her. Natürlich waren Ronens Worte eine bloße Frechheit gewesen, aber es war auch nicht das erste Mal dass er ihm es vorwarf nicht unvoreingenommen zu sein. Also war es auch kein neuer Tatbestand. „Ich hoffe für dich, dass es stimmt, was du dort aufgetischt hast. Und ab jetzt hast du mir jeden kleinsten Artikel vorzulegen und wenn es nur der verdammte Wetterbericht ist.“ Seine Stimme hatte die übertriebene Schärfe verloren und näherte sich mehr und mehr der echten des alten Mannes. Ein ruhiger fast angenehmer Tonfall, der aber auch die Müdigkeit des Lebens vermuten ließen. Er liebte seinen Job, aber er steigerte sich so sehr in seine Aufgaben, dass er langsam aber sicher daran verloren ging. Ronen nickte langsam und zuppelte mit spitzen Fingern an den beschriebenen Blättern, die noch immer unter den großen Pranken seines Chefs feststeckten. Der kurze heiße Tanz war beendet und er sah dem breiten Rücken nach der mürrisch und unzufrieden mit seinem viel zu nachgiebigen Auftreten das Büro verließ. Kael wollte sich bereits entspannt zurücklehnen als Kilston im niedrigen Türrahmen noch einmal umdrehte. „Im Stricherviertel wurde eine Leiche gefunden. Sieh dich dort mal um.“ Aha, da war es also endlich. Die kleine Rache seines Chefs. Kilston wusste wie sehr Ronen Tote verabscheute, der Jungjournalist beschäftigte sich lieber mit den kompliziertesten politischen Zusammenhängen als mit Verkehrsopfern. Es interessierte ihn nicht, warum es sich so verhielt. Ihm reichte das Wissen, dass er seinen ‚Liebling’ ab und zu in die Schranken weisen konnte. Selbst wenn sich der Ältere die Mühe gemacht hätte nach einem Grund zu suchen, auf die Wahrheit wäre er mit all seiner Erfahrung nicht gekommen. Ronen hielt sterben für eine Schwäche. Selbst Mordopfer waren in seinen Augen einfach nur unvorsichtig und dumm. Er hatte schlichtweg keine Lust sich mit solchen Versagern wie Verstorbenen zu befassen. Der Tod der mit dem Alter einherging war schlichtweg auf das Versagen im menschlichen Körper zurückzuführen. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken dass er eines Tages selbst zu so einem Verlierer werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)