Underdog von Zephyrus ================================================================================ Kapitel 1: 1 -Nur ein Katzensprung ---------------------------------- 1 Mit lautem Scheppern landete die leere Dose nur knapp neben den schlanken schwarzweißgezeichneten Beinen und mit einem empörten Mauzen verschwand der junge Kater in den Rhododendrenbüschen. Ein Montagmorgen konnte nicht schlimmer beginnen, weder für die vom Mülltonnenfrühstück aufgescheuchte Katze, noch für den entnervten Dosenwerfer. Er dachte ernsthaft über die Anschaffung eines Hundes nach, ein gut abgerichteter Rottweiler (er dachte an solche die selbst kleine Kinder fressen) würde das Katzenproblem im Nu lösen. Er konnte Tiere im Allgemeinen nicht ausstehen, aber in diesem Fall wäre der Hund das kleinere Übel. Wütend stopfte er das Wurfgeschoss in den Abfalleimer und knallte den Deckel obendrauf. Aus dem Gebüsch wurde er dabei von zwei goldgelben Iriden verfolgt, missmutig leckte sich der Kater die Pfoten und gedachte ebenfalls eine Anschaffung zu tätigen, allerdings beschränkte sich diese auf eine tote Maus, welche er dem ‚netten Verderber des guten Frühstücks’ auf die Türschwelle legen würde, und zwar so das dieser bereits hineingetreten war, ehe er es merkte.* Schließlich erhob sich das gemusterte Tier und schlüpfte auf leisen Pfoten durch eine flache Lücke am Boden des morschen Zaunes auf der entschlossenen Suche nach einer anderen morgendlichen Nahrungsquelle. Es gab gewiss andere Mülltonnen in der Nachbarschaft, bei denen das Frühstück mit weniger Stress verbunden war. Dennoch tauchte der schlanke Kater jeden Morgen erneut an ausgerechnet dieser auf, nur um sich kurze Zeit später wegjagen zu lassen. Ob es das Vergnügen war, dem männlichen Menschenwesen bei seinen kläglichen Versuchen sich gegen den unbefugten Eindringling zu behaupten, (aus sicherer Entfernung) zuzusehen, oder doch die Tatsache das sich in der Mülltonne die besten Reste im ganzen Viertel befanden, blieb sein Geheimnis. Da keines der schmarotzenden Ungeheuer mehr in der Nähe seines Hauses sein Lager aufgeschlagen zu haben schien, wandte er sich schließlich von seinem Grundstück ab und einem langen Arbeitstag zu. Zeitungsartikel schrieben sich nur in wenigen nachgewiesenen Fällen ohne das Zutun eines Journalisten.** Leicht bewegte sich die schmale Hand. Tastend, als suche sie nach etwas. Kalter, feuchter Asphalt der rau gegen die empfindlichen Fingerkuppen drückten, dann berührten die zitternden Finger vergammelte Essensreste, Cellofan und Rattenkot. Nichts an was man sich unbedingt festhalten würde. Dennoch schloss sich die Hand um den Abfall, augenscheinlich mit großem Kraftaufwand denn das Zittern steigerte sich noch ein wenig. Es war eine Geste deren Sinn sich entzog, doch die Anstrengung mit der sie vollzogen wurde ließ keinen Zweifel zu: Es war das letzte mal das sie den komplexen Vorgang des Schließens der Finger ausführen würde. _____ * Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Katzen Kleintierkadaver als Zeichen ihrer Zuneigung darbieten. Vielmehr handelt es sich um reines Imponiergehabe. Welcher Mensch kann schon von sich behaupten jemals eine Maus, oder ein junges Kaninchen nur mit den Zähnen erlegt zu haben. ** Ein Fall wäre ein Computerprogramm welches, mit ein paar Namen und Daten gefüttert, kurze Zeit später einen haarsträubenden Artikel ausspuckte. Boulevardblätter mit wenig Affinität zur Wahrheit besaßen mit großer Wahrscheinlichkeit solche Maschinchen in einer dunklen Ecke ihrer Archivräume. ____________ Zuvor hatte der junge Mann niemals wahrgenommen das die dunklen Gassen so nach Verwesung und Katzenpisse stanken. Jetzt, bereits mehrere gefühlte Stunden gezwungen mit dem Gesicht am Boden zu liegen, stieg ihm der stechende Geruch so bewusst in die Nase, dass eine Welle der Übelkeit seine letzte karge Mahlzeit nach oben spülte. Heiß drangen der halb verdaute Apfel und das Knäckebrot zwischen seinen Lippen hervor, tropften dickflüssig auf den Boden und verstärkten den unausstehlichen Geruch der Straße noch mehr. In einem kurzen Moment von Gleichgültigkeit über seine jetzige Position ärgerte er sich über den Verlust der Nahrung, schließlich war es keineswegs ein leichtes Unterfangen gewesen an das Stück Obst und die Brotscheiben zu gelangen. Die Händler wurden immer misstrauischer. Er fand es fast zum Lachen, dass er zu schwach war den Kopf aus seinem eigenen Erbrochenem zu drehen oder zumindest den Rest aus seinem Mund zu spucken. Ohne großes Entsetzen kam ihm die Erkenntnis das er hier sterben würde. Weniger aus Reue oder Bedauern, als viel mehr aus Wut auf sich selbst und den Rest der Welt, malten heiße Tränen, helle Spuren in das Blut- und Dreckverschmierte Gesicht. Kurz konnte er sich auf das Tropfen des salzigen Wassers konzentrieren, dann umfing ihn eine Wolke der undurchdringbaren Bitterkeit. Zu einem Narren mit angemalter Fratze machten ihn seine Tränen. Er hasste es so. Wenn sie ihn irgendwann in dieser stinkenden Gasse fanden, würde sein Aussehen nur Abscheu hervorrufen. Er würde keinen Einfluss auf ihr Urteil nehmen können, und er wusste dass sie ohne sein Leben, seine Geschichte und einen Blick in seinen Herz kein Gutes zu fällen vermochten. Abgestoßen von Dreck, Blut und anderen Körperflüssigkeiten, würde er für die ‚glücklichen’ Finder nichts als ein ekelhafter Klupmen Fleisch bleiben, ein Fall werden, den niemand gerne weiter verfolgt. Sein Anblick würde sich in ihre Gehirne fressen, und sie Nachts verfolgen bis sie nicht mehr seinen Mörder sondern ihn dafür verfluchten. Niemand wollte in die Augen seiner Kinder sehen und parallel auf der Innenseite seiner Netzhaut eine ausgeweidete, stinkende Leiche die einen aus glasklaren blauen Augen anstarrte. Seine letzten Gedanken kreisten um die harten Drogen, die er seit längerer Zeit immer wieder nahm um zu vergessen. Sie hatten ihn hierher geführt, doch sie waren es jetzt auch, die die Schmerzen seines zerfetzen Unterkörpers erträglich machten bis sie von einer kalten angenehmen Dunkelheit vollkommen verschluckt wurden. Wenige Meter entfernt führte die grausame Ironie des Lebens eines ihrer bitterbösen Stücke auf. Gleichzeit zum Verlöschen des menschlichen Daseins, gebar die dunkelbraune Katze drei tapsige Junge, leckte ihnen den Schleim und das Blut vom Fell und war dankbar. Dankbar für das Menschenjunge, welches das Interesse der nach Schweiß stinkenden Fremden von ihrem Versteck in der zerdrückten Pappschachtel abgelenkt hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)